Social TV. Das Fernsehen der Zukunft?

Eine Delphi-Studie zu Chancen und Perspektiven am österreichischen Fernsehmarkt


Tesis de Máster, 2015

120 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Thematische Relevanz
Erkenntnisinteresse
Forschungsfragen
Forschungsstand
Überblick

Fernsehen
Das österreichische Rundfunksystem
Der österreichische Fernsehmarkt
Reden über Fernsehen
Fernsehen und Interaktivität – ein überholter Begriff?

Web 2.0 und Social Media – Entstehung und Definition
Soziale Medien als Gemeinschaften
User-Generated Content
Kategorien sozialer Medien
Relevante Plattformen – Facebook, Twitter & Co

Mobility – Aufstieg des mobile Internet
Mobiles Internet in Österreich
Die soziale Komponente mobiler Onlinekommunikation – Absent Presence

Social TV
Teilnehmer am Social TV Markt
Klassifizierung von Funktionen von Social TV-Applikationen
Social TV und TV discovery applications
TV show and movie applications
Kommunikative Social TV Umgebungen – eine Analyse
Soziale Plattformen allgemein – Facebook
Soziale Plattformen allgemein – Twitter
Senderbezogene Umgebungen – ProSieben Connect
Spezifische Social TV-Umgebungen – couchfunk.tv
Social TV in der Praxis
Fernsehserien & Reality-TV – Twitter best practice & Berlin Tag und Nacht
Showformate – The Voice of Germany
Eventformate – FIFA Weltmeisterschaft 2014

Kommunikationswissenschaftliche Aspekte von Social TV
Agenda Setting
Uses & Gratifications
Parasoziale Interaktion

Social TV in Österreich

Methodischer Teil
Die Untersuchung
Methodentheorie – Trendforschung
Methodentheorie – Delphi
Methodentheorie – Typologie von Delphi-Befragungen
Durchführung der Befragung
Das Expertenpanel
Tools und Zeitplan
Erste Befragungsrunde
Zweite Befragungsrunde
Interpretation und Darstellung der Ergebnisse

Fazit
Beantwortung der Forschungsfragen
Schlusswort

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Thematische Relevanz

Das Fernsehen hat weiterhin eine starke Präsenz in österreichischen Wohnzimmern. 2013 wurden täglich 4,5 Millionen ÖstereicherInnen erreicht, die im Schnitt täglich 168 Minuten vor ihrem TV-Gerät verbrachten. (vgl. ORF Medienforschung, 2014)

Dem gegenüber stehen die sozialen Medien. Allein Facebook zählt derzeit 3.240.000 aktive Nutzer in Österreich, Tendenz steigend. (vgl. Social Media Radar Österreich, 2014) Zur täglichen Nutzung sozialer Medien in Österreich gibt es leider keine aktuellen Zahlen, aber die Messbarkeit dessen ist ohnehin schwer.

Soziale Medien sind über Smartphone oder Tablet jederzeit verfügbar, manchmal beanspruchen sie viel Zeit, manchmal wendet der Nutzer nur eine Minute auf, bringt sich auf den neuesten Stand, und legt sein Gerät wieder zur Seite. Wenn man sich nun vor Augen führt, was geschieht, wenn Fernsehen und soziale Medien gleichzeitig geschehen, jedes Medium auf seinem Gerät, die Aufmerksamkeit des Nutzers zwischen den beiden springt, oder gar konvergent genutzt wird, betreten wir mediales Neuland.

Social TV nennt sich das Gebilde im Schnittpunkt zwischen diesen beiden Welten. Dieses Phänomen umfasst im definitorisch-wortwörtlichen Sinne alles, was zum simultanen Gebrauch sozialer Netzwerke während des Fernsehkonsums gehört. In der Praxis geschieht dies anhand mobiler Endgeräte, die man bequem auf dem Schoß liegen haben kann, während der Fernseher läuft. Das Smartphone und das Tablet werden zum zweiten Bildschirm und zum ergänzenden Medium, mit dem wir weitere Informationen zur laufenden Sendung sammeln, über begleitende Apps selbst aktiv werden oder uns einfach mit den anderen Zuschauern austauschen. Insbesondere auf Twitter und Facebook wird das Fernsehgeschehen kollektiv kommentiert und bewertet – Public Viewing im eigenen Zuhause sozusagen. (vgl. Burgard, 2013)

Diese neuen Nutzungsgewohnheiten stellen eine Herausforderung für die gesamte Medienlandschaft dar, aber insbesondere für das Fernsehen. Einerseits handelt es sich um eine Gefahr, da die Aufmerksamkeit auf das Fernsehen nun geteilt ist, andererseits aber auch um eine Chance, da die Aufmerksamkeit mit Hilfe effizienter Social TV-Konzepte über beide Medien beim selben Inhalt gehalten werden könnte. Es gilt also eine zumindest thematische Präsenz über beide Geräte aufzubauen.

Es gibt bisher kein konkretes Rezept, wie man diese Herausforderung genau angeht und just um diese Thematik geht es in der vorliegenden Magisterarbeit.

Wie gelingt es erfolgreich die soziale Komponente der neuen Medien auf mobilen Endgeräten mit dem starren Konsum eines TV-Programminhalts zu verbinden ist eine Frage, mit der sich, dank der vorher genannten steigenden Nutzerzahlen, auch österreichische Fernsehanstalten beschäftigen sollten.

Dass sich das lohnt, zeigt eine Prognose der US-amerikanische Unternehmensberatung A.T. Kearney.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Weltweite Werbeumsätze durch Social TV – Prognose (AT Kearney, 2014)

A.T. Kearney geht von rasant steigenden Werbeumsätzen durch Social TV aus. Diese Umsätze könnten den Fernsehanstalten jedoch entgehen:

„Auch Telekommunikationsunternehmen haben begonnen, das mit Social TV verbundene Umsatzpotenzial, basierend auf ihren IPTV-Angeboten, für sich zu gewinnen. TV-Programmanbieter und Fernsehsender, die früher das Fernsehsignal kontrollierten, müssen nun zeitnah reagieren, um den Umsatzrückgang zu verhindern: Die Gründung oder die Unterstützung von eigenen Social Media Start-ups, die Entwicklung von eigenen Apps für Second Screens oder die verstärkte Kooperation mit anderen Marktteilnehmern sind notwendig, um nicht Zuschauer und damit Werbeumsätze zu verlieren. Für TV-Programmanbieter und Fernsehsender besteht noch eine Gelegenheit, den Markt für sich zu verändern, solange nicht andere Spieler massiv Social TV-Apps und Online-Plattformen einführen .“ (AT Kearney, 2014)

Wenn man parallelen aus der jüngeren Vergangenheit ziehen will – Print stand vor einem ähnlichen Problem und musste lernen entweder mit Onlineausgaben eigener Inhalte zu leben oder massiv Leserschaft zu verlieren. Genau so müssen Fernsehanstalten auf einen veränderten Markt reagieren. Neue Konkurrenten in Form von Telekommunikationsunternehmen, IPTV- und on demand-Anbietern wollen ein Stück des „Fernsehkuchens“. Da sie selbst nicht auf klassischen Art und Weise senden, liegt es in ihrem Interesse immer mehr Fernsehwerbeanteile zu Onlinewerbeanteilen zu machen, wie bereits parallel mit Print und Online geschah. Social TV könnte die Brücke sein, auf der dieser Übergang stattfindet. Aus diesem Grund sollte es im Interesse klassischer TV-Anbieter sein, einen Weg zu finden diesen Weg selbst zu gehen, bevor es andere tun.

1.2. Erkenntnisinteresse

Ganz allgemein geht es in der vorliegenden Magisterarbeit darum vorherzusagen, wohin das Fernsehen im Zeitalter sozialer Medien geht. Wie kann sich dieses traditionelle, starr scheinende one-way Medium der Flexibilität eines Smartphones mit all seinen medialen Möglichkeiten anpassen? In seiner Grundfunktionsfähigkeit relativ unveränderbar, sollte das Fernsehen eine Koexistenz ansteuern, aber eine Symbiose fordern, um die eigene Position zu stärken.

Social TV-Konzepte erscheinen in diesem Zusammenhang der richtige Weg zum Erfolg zu sein. Die Crux ist natürlich die Frage, wie man diese beiden medialen Welten so zusammenbringt, dass diese sich sinnvoll ergänzen. Die Grundlage bietet das Publikum selbst, es sieht fern, twittert und postet, gleichzeitig und programmtechnisch on topic. Das bringt Produzenten natürlich auf die Idee, Inhalte zu produzieren, die diese Vorgänge begünstigen und fördern, oder gar vorhandene Programminhalte so anzupassen, dass sie beide Welten bedienen.

Das Publikum ist ein wichtiger Antreiber, woraus resultiert, dass jene Fernsehkonzepte Sinn machen, die das Publikum auch braucht, d.h. jene die es will, weil es sie oft nutzt. Im Bereich Social TV stellt sich also die Frage, was die Nutzer interessiert, welche Plattformen wofür genutzt werden und welche Potentiale folgerichtig noch ausgeschöpft werden müssen.

Die im Laufe der Magisterarbeit erfassten Informationen sollen konkrete Rückschlüsse auf Trends, die zukünftige Ausrichtung von Social TV und deren Anwendung in der österreichischen Medienlandschaft liefern. Es macht also Sinn, sich zu fragen, wie Social TV momentan genutzt wird, was die Nutzer davon erwarten und wie es sich in Folge dessen wohl wandeln wird.

Andere nationale Medienlandschaften sind bereits weiter in der Anwendung von Social TV-Methoden. Es gilt diese Methoden zu analysieren und zu versuchen vorherzusagen, ob der nationale Österreichische Markt einen ähnlichen Weg einschlagen wird.

Die drei zentralen Fragen für das Erkenntnisinteresse sind folgende:

Wie wird Social TV derzeit genutzt?

Was erwarten Nutzer von Social TV?

Wohin entwickelt sich Social TV?

Die konkreten Forschungsfragen, die zur zufriedenstellenden Beantwortung des Erkenntnisinteresses führen sollen, sind im nächsten Kapitel aufgeführt.

1.3. Forschungsfragen

Wie wird Social TV derzeit genutzt?

F: Wie verbreitet ist Social TV?

F:Welche Plattformen sind beliebt für Social TV?

F: Welche Fernsehformate eignen sich für Social TV?

Was erwarten Nutzer von Social TV?

F: Welche Anforderungen müssen Fernsehformate erfüllen, um Social-TV-Aktivität zu begünstigen?

F: Welche Anforderungen müssen Social TV-Apps erfüllen, um Social-TV-Aktivität zu begünstigen?

Wohin entwickelt sich Social TV?

F: Wie entwickelt sich die Zahl der Social-TV Nutzer?

F: Wie entwickelt sich das Angebot von Social TV-Inhalten?

Die vorliegenden Forschungsfragen beziehen sich alle auf Österreich.

1.4. Forschungsstand

Konkrete deutschsprachige Forschung auf diesem Gebiet ist sehr rar. Die bislang umfassendste Arbeit auf diesem Gebiet kam von der Universität Hannover (Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung). Unter dem Namen „Social TV – die Zukunft des Fernsehens?“ wurde eine mehrteilige, umfassende Studie durchgeführt:

Die erste Untersuchung ging stellte die Frage, welche Formate die Zuschauer vorzugsweise zur aktiven Nutzung sozialer Medien bewegen und wie diese Beiträge genau aussehen. Dazu wurden 32.500 Kommentare zu sieben Fernsehsendungen aus verschiedenen Genres analysiert.

Eine Folgeuntersuchung versuchte sich an einer Einschätzung der Social TV-Marktsituation in Deutschland. Dazu wurden 35 Experten qualitativ befragt. Die Interviews bedienten sich eines teilstandardisierten Leitfadens. Zuletzt wurde einige Monate später eine quantitative standardisierte Onlinebefragung durchgeführt. Dabei wurden 814 „Social TV-Interessierte“ zu ihren Nutzungsgewohnheiten befragt.

Die der vorliegenden Arbeit methodisch ähnlichste Untersuchung kam zu folgenden Beispielergebnissen (bei abweichendem Erkenntnisinteresse):

„(1) Die Effekte von Social TV sind mittel- bis langfristig. Kurzfristig wird kein „riesen Impact“ erwartet. (Produzent 1)
(2) Die Veränderungen sind „viel schleichender “ und daher ist es „sehr schwierig traditionelle Unternehmen von diesem Change zu überzeugen, der da kommt“. (Agentur 4)
(3) Möglicherweise „geht‘s ihm [dem Fernsehmarkt] ja noch zu gut. Wahrscheinlich muss es erst richtig wehtun, dass die großen Fernsehsender sagen, wir brauchen auch Social TV“. (Start-up 6)
(4) Social TV wird insgesamt als relevantes Phänomen mit Potenzial für die Zukunft des Fernsehens identifiziert.“
(Universität Hannover, 2012)

Die Erwähnung der Ergebnisse an dieser Stelle stellt eine Darstellung der zu erwartenden Ergebnisqualität dienen und damit den Erkenntnishorizont im vornhinein einschätzbar machen. Social TV ist ein junges Feld und anhand der Erkenntnisse der Universität Hannover lässt sich im Vornhinein feststellen, dass die Ergebnisse wohl eine gewisse Unschärfe aufweisen werden, die Vorhersagen also nicht hundertprozentig exakt und konkret sein werden.

Weitere Studien waren hauptsächlich im kommerziellen Auftrag oder durchgeführt von einzelnen betroffenen Firmen wie Rundfunkanstalten oder Werbetreibenden. Das problematische dabei ist, dass es sich zumeist entweder um case studies zu Social TV-Verhalten während einzelnen Sendungen handelte und durch die jeweilige Motivlage die Ergebnisse zumindest anzweifelbar wären, da Unabhängigkeit einfach nicht gegeben ist. Ein Fernsehsender mit wenig Lust in Social TV könnte eine Studie in Auftrag geben, deren Zahlen einen Rückgang bei der Aktivität in sozialen Medien während dem Fernsehen zeigen, während ein Social TV-Startup beispielsweise durchaus Interesse hätte diese Zahlen in die entgegengesetzte Richtung aufzublasen. Diese Annahmen zu beweisen oder zu wiederlegen ist nicht im Sinne des Erkenntnisinteresses, man muss dennoch bei vielen im Laufe der Magisterarbeit vorgestellten Daten kommerzielles Interesse im Hinterkopf behalten.

1.5. Überblick

In weiterer Folge teilt sich die vorliegende Magisterarbeit in einen theoretischen und einen methodischen Teil.

Im theoretischen Teil werden alle Faktoren, aus denen Social TV besteht, und die Social TV betreffen vorgestellt. In Kapitel 2 und 3 werden das Fernsehen und die sozialen Medien theoretisch fundiert. Kapitel 4 beschäftigt sich mit mobilem Internet und den dazu zählenden Geräten. Kapitel 5 steigt darauf direkt in Social TV ein und beschreibt alle relevanten Faktoren in der Theorie und Methoden von Social TV in der Praxis. Kapitel 6 stellt einen Bezug zu kommunikationswissenschaftlicher Theorie und Kapitel 7 stellt die Situation von Social TV in Österreich dar.

Kapitel 8 bildet den methodischen Teil. Dort wird die verwendete Methode in seinen theoretischen Ausprägungen vorgestellt, die Durchführung beschrieben, sowie die Ergebnisse ausgewertet und interpretiert. Kapitel 9 bildet das Schlusswort und die Diskussion der Ergebnisse.

2. Fernsehen

Im folgenden Kapitel wird auf das Medium Fernsehen im Detail eingegangen. Zunächst wird das in Österreich vorherrschende duale Rundfunksystem vorgestellt, um die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen besser zu verstehen. In weiterer Folge wird das Fernsehen aus mehreren relevanten Perspektiven dargestellt, als erstes im Rahmen seiner Aufgaben und Funktionen, in weiterer Folge aber konkreter mit Bedacht auf die relevanten Faktoren der Interaktivität und Anschlusskommunikation.

2.1. Das österreichische Rundfunksystem

Das Fernsehen als Massenkommunikationsmittel hat große politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung, unterliegt darin aber den Regeln und Einflüssen anderer (Teil-)Strukturen der Gesellschaft. Gerade die bestehende Rundfunkordnung einer Kultur zeigt auch aus welcher Perspektive und in Ausübung welcher Funktion das Massenmedium verstanden wird. (vgl. Roßnagel/Strothmann, 2004: S.16)

In der westlichen Welt und so gut wie allen post-industriellen Staaten hat sich die Rundfunkordnung aus dreierlei Basismodellen entwickelt:

- Das Public Service Modell, das ausschließlich durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter, deren Aufgaben detailliert festgelegt sind, geprägt wird und das durch eine zumindest teilweise Steuer- oder Gebührenfinanzierung gekennzeichnet ist.
- Das rein kommerzielle Modell, in dem nur private, wirtschaftlich orientierte Unternehmen Rundfunk veranstalten und die ihre Programme hauptsächlich durch Werbeeinnahmen oder durch direkte Leistungen ihrer Zuschauer (z. B. Abonnements beim Pay-TV, Verkauf von Merchandise, Produkten oder neuerdings Einnahmen durch Telefondienstleistungen bei Gewinnspielteilnahmen oder Abstimmungen) finanzieren.
- Das Modell des dualen Rundfunks, in dem öffentlich-rechtliche und private kommerzielle sowie nicht-kommerzielle Rundfunkanbieter in unterschiedlicher Trägerschaft nebeneinander existieren. (Roßnagel/Strothmann, 2004: S. 16)

Das duale Rundfunkmodell ist das gängigste im europäischen Raum und ist auch in Österreich gegeben, auch wenn diese Entwicklung vergleichsweise spät stattfand und zuvor ein Public Service Modell bestand hatte. Erst 2001, mit der Verabschiedung des Privatfernsehgesetzes (im Vergleich: Großbritannien 1954) war die Umwandlung abgeschlossen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Einführung dualer Rundfunkmodelle in Europa (Roßnagel/Strothmann, 2004: S.25)

1995 wurde dafür der Grundstein gelegt: Der österreichische Verfassungsgerichtshof erklärt das Verbot der Ausstrahlung für private und lokale Rundfunkanbieter für verfassungswidrig. Zwei Jahre später werden Kabel-, und Satellitenrundfunk- und Regionalradiogesetz verabschiedet, private Betreiber entstehen, auch wenn zunächst nur auf lokaler Ebene. 2001 tritt letztendlich das Privatfernsehgesetz in Kraft, welches die Zulassung für private Fernsehveranstalter regelt. Dieser letzte Schritt beendet de facto die Marktmonopolstellung des öffentlich-rechtlichen Anbieters ORF und das österreichische Public Service Modell. (vgl. Roßnagel/Strothmann, 2004: S.25)

Die Ursachen für die Verzögerung beim Systemwandel sind hauptsächlich politischer Natur. Die SPÖ war 30 Jahre lang Regierungspartei und zog, konform mit grundsätzlichen sozialdemokratischen Ansichten, staatliche Kontrolle einem freien Markt vor. Dieses Mantra übertrug sich auch auf die Fernsehlandschaft:

Die immer wieder vorgebrachte Forderung nach „Scheinliberalisierung – insbesondere des Fernsehens – durch Kommerzialisierung führt in der Praxis zu einer nachweislichen Verflachung des Programmangebots und der Herausbildung neuer privater Monopole.

Für die Sozialdemokratie ist daher die öffentlich-rechtliche Verfassung von Rundfunk und Fernsehen die bessere Organisationsform zur Sicherung der Meinungsvielfalt, umfassender Information und eines hohen Qualitätsstandard des Programms.(König, 1996: S.63)

Der ORF selbst ist, wie die meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, politisch gesteuert. Das ORF-Kuratorium setzte sich aus Vertretern von Parteien und von der Politik bestellten Personen (von 1970 bis 2000 also mit SPÖ-Gewichtung) zusammen und konnte so Politik auch innerhalb und mithilfe des ORF-Medienapparates betreiben. So war es wenig verwunderlich, dass alles daran gesetzt wurde die unvermeidliche Liberalisierung des Fernsehmarktes so lange wie möglich hinauszuzögern. Die Verhinderung (eigentlich: Hinauszögerung) des Markteintrittes von finanzstarken Medienkonglomeraten des großen Nachbarmarktes Deutschland war dabei das hauptsächliche Ziel. Denn im Jahre 1993 wurde auf europäischer Ebene entschieden, dass das Monopol des ORF gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt und damit gegen ein zentrales Recht der europäischen Menschenrechtskonvention. Verteidigt wurde das Monopol damit, dass der österreichische Markt zu klein sei, um eine ausreichende Stationenanzahl zu rechtfertigen und damit wiederum die Entstehung privater Monopole nicht zu verhindern wäre. Somit sei ein Rundfunkmonopol die einzige Möglichkeit des Staates, die Objektivität und Unparteilichkeit der Nachrichten, sowie Meinungsvielfalt zu garantieren. Letztlich trat die Liberalisierung des österreichischen Fernsehmarktes 2001 ein. (vgl. Gerin 1997: S. 239)

Die Konkurrenzsituation zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird in Österreich durch ein eigenes Organ geregelt und überwacht. Die Kommunikationsbehörde Austria, kurz KommAustria, ist die österreichische Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien. In dieser Funktion kontrolliert sie unter anderem die die Einhaltung der werberechtlichen Bestimmungen durch den ORF und die privaten Rundfunkveranstalter. (vgl. RTR GmbH)

Dies ist insofern von Belang, da neue Innovationen am Markt, wie eben Social TV-Inhalte, geregelt werden müssen. Als Beispiel hierzu dient die ORF- Second Screen App zur Ski WM. Das Konzept dieser erklärte die KommAustria als rechtlich unzulässig, da sie ein eigenständig redaktionell gestaltetes mobiles Angebot darstellt, welches laut Gesetz dem ORF nicht erlaubt ist. Ohne sich weiter in Details zu diesem spezifischen Fall zu vertiefen, zeigt dies jedoch, dass öffentlicher Rundfunk Social TV vor zusätzliche Herausforderungen stellt.

2.2. Der österreichische Fernsehmarkt

Trotz der vergleichsweise geringen Größe Österreichs ist die Auswahl an TV-Inhalten und Sendern groß. Im 4.Quartal 2013 konnten pro TV-Haushalt im Schnitt rund 100 Sender empfangen werden, wovon 74 in deutscher Sprache sind. Die große Auswahl liegt vor allem an dem hohen Grad der Digitalisierung, bereits 82 % der österreichischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren leben in Haushalten mit digitalem Empfang. Dank dieser hohen technischen Durchsetzung und eines großen gemeinsamen Sprachraumes (DACH), der den Empfang deutscher und schweizerischer Sender ermöglicht, verfügen die Österreicher inzwischen über eines der umfangreichsten Programmangebote in der eigenen Landessprache. Der Umstieg von analogem zu digitalem Empfang fand im Jahre 2006 statt und war von einer umfangreichen Informationskampagne begleitet. Ein Jahr darauf wurde das analoge TV-Signal zur Gänze eingestellt. HDTV-Versionen der privaten und öffentlichen Sender sind ebenfalls seit einigen Jahren verfügbar und über unterschiedliche Anbieter zu unterschiedlichen Konditionen verfügbar. (vgl. HDaustria)

Die Konkurrenzsituation zwischen den unterschiedlichen TV-Häusern untereinanderIn Sachen Werbemittelmarktanteile ist in den letzten Jahren viel Bewegung am Markt. Das öffentliche Fernsehen in Österreich hat weiterhin den größten Gesamtanteil vorzuweisen, die privaten Anbieter holen jedoch auf. In seiner Gesamtheit fallen 34 % der TV-Werbeeinnahmen auf den ORF und 66 % auf die kumulierten übrigen privaten Anbieter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Entwicklung der TV-Marktanteile in Österreich 2007/2012/2013 (Schaller, 2013: S.70)

Der Anteil an den Gesamtwerbeeinnahmen aller Mediengattungen des Landes liegt im Fall von TV bei einem Viertel (25,1 %), wobei klassische Printwerbung den größten Teil der Werbeausgaben einnimmt (52,6 %). Im internationalen Vergleich ist der Anteil des Fernsehens relativ niedrig, steigt jedoch an. (vgl. ORF-Enterprise, 2013)

Des Weiteren gibt es in Österreich auch Pay-TV Anbieter (führend hierbei wie in Deutschland Sky), welche wegen Ihrem Abonnentensystem keinen entscheidenden Anteil am „Werbekuchen“ haben. Nichtsdestotrotz stellen diese ebenfalls Konkurrenz dar und buhlen um Publikumsaufmerksamkeit. Die Kämpfe um die Verbreitung von Fernsehinhalten finden aber online statt. Sowohl der ORF als auch die privaten Anbieter betreiben Mediatheken, die entweder mit Werbung frei verfügbar sind, oder teilweise auch bezahlt werden müssen. Hierbei handelt es sich meist um eigene Produktionen, da gesendete Kaufinhalte nicht ohne weiteres in Mediatheken angeboten werden können. Dies hinterlässt natürlich eine klaffende Lücke, wenn es um internationale Film- und Serienproduktionen geht. Diese werden wiederum online von Video-on-demand (VOD) Anbietern vermarktet. Nach Abschluss eines Abonnements bieten diese Kunden Zugriff auf lizensierte Inhalte. Der derzeit größte Anbieter hierzulande ist maxdome.at mit über 6.500 Filmen und Serien. Seit Jahresende 2014 hat auch der größte VOD-Anbieter der Welt und selbst Produzent von TV-Inhalten, Netflix, den deutschen und österreichischen Markt betreten und die Konkurrenzsituation weiter verschärft. (vgl. futurezone, 2014)

Der Fernsehmarkt verändert sich zusehends, nicht nur in Österreich. Unternehmen wie Internetanbieter, VOD-Firmen und selbst branchenfremde Firmen wie Amazon und Microsoft1 wollen mitmischen, sei es durch die Produktion eigenen Contents oder durch die Zurverfügungstellung eigener Infrastrukturen zum Empfang etablierter Fernsehkanäle. Die klassischen Fernsehhäuser sehen sich zum Handeln gezwungen und suchen ihrerseits Diversifikationsmöglichkeiten im Internet. Die ProSiebenSat.1 Media AG bietet zum Beispiel eine eigene Browsergameplattform und eigene Mediatheken sind bei fast allen modernen Sendeanstalten erhältlich, wie eingangs bereits erwähnt. Während Online in den Fernsehbereich drängt und umgekehrt, bilden die zusätzlichen Potentiale, die Social TV-Konzepte bieten, eine Gelegenheit in beiden Welten Präsenzen zu etablieren.

1 Microsoft bastelt fleißig an eigenen Fernsehserien, die auf Ihren größten Videospielhits basieren und bietet auf ihrer neuen Xbox One auch durchaus sinnvolle Social TV-Lösungen und Implementationen der Angebote anderer Contentprovider (z.B. Netflix). Amazon produziert derzeit eine ganze Reihe eigener TV-Serien und ist mit Amazon Prime Video ebenfalls am Markt vertreten. (vgl. http://lostremote.com/microsofts-xbox-one-adds-live-tv-teams-with-spielberg-and-nfl-for-interactive-tv_b37707 und http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article125071991/Amazon-steigt-ins-Geschaeft-mit-Video-Streaming-ein.html)

2.3. Reden über Fernsehen

Um zu verstehen, warum die Kommunikation über soziale Medien während des Fernsehens für das Publikum von Belang ist, lohnt es sich einen Blick auf Kommunikation und Fernsehen generell zu werfen und dabei eine kommunikationswissenschaftliche, bzw. systemtheoretische Perspektive einzunehmen.

Wenn ein Zuschauer vor dem Fernseher sitzt, eine Sendung konsumiert und diese gleichzeitig inhaltsbezogen einem Mitmenschen kommuniziert, sind drei verschiedene Strukturen ineinander gekoppelt durchlaufen worden: Massenkommunikation (von der Sendung vermittelte Inhalte), subjektive Rezeption (die mentale Bearbeitung der vernommenen Inhalte) und Anschlußkommunikation (die Weitergabe eigener Inhalte im Anschluß auf den vorhergegangenen Massenkommunikationsinhalt). Die drei Systeme sind voneinander klar abgegrenzt, laufen aber ineinander über und bedingen einander auch. Zwar sind die jeweiligen internen Vorgänge innerhalb der Systeme autonom (aus der Sicht des operativen Konstruktivismus operativ geschlossen, füreinander unerreichbar und verlaufen überschneidungsfrei), jedoch gibt es ohne Kommunikation kein Bewusstsein und ohne Rezeption keine Massenkommunikation. (vgl. Sutter, 2010: S. 49ff)

Die Beziehungen struktureller Kopplung dieser drei Systeme können wiederum in drei Formen unterschieden werden, wie die folgende Grafik darstellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Strukturelle Kopplungen von Massenkommunikation, Anschlusskommunikation und Rezeption (Sutter, 2010: S. 51)

Die Faktoren Inklusion, Sozialisation und Integration bilden die auf der vorhergegangenen Seite genannten Faktoren etwas abstrakter ab. Inklusion meint, dass soziale, anhand von Kommunikation operierende Systeme psychische Systeme insofern anschließen, indem sie diese als ansprechbare Personen ansehen und behandeln. Die Sozialisation nimmt Psychische Systeme als Ausgangspunkt. Das psychische System eines Zuschauers nutzt die Rezeption von Medienangeboten zum selbstreferentiellen Aufbau eigener Komplexitäten und Strukturen. Dasselbe geschieht als Folge von Anschlusskommunikation, was wiederum zu Selbstsozialisierung führt. Der letzte Punkt, Integration, liegt vor, wenn sich soziale Systeme in wechselseitigen Leistungsbeziehungen mit Komplexität versorgen. (vgl. Sutter, 2010: S. 50ff)

Wie sieht es aber mit dem Vermittlungsobjekt selbst aus?

Aktuellere Auffassungen sehen die Kommunikation an sich als einen „unendlichen Prozeß [sic] der Sinnproduktion“ (Charlton/Klemm, 1998: S. 709).

Kommunikation entsteht als Bezug oder Anschluss auf vorhergegangene Sinnvermittlung und eröffnet selbst immer neue Anschlussmöglichkeiten. Diesen theoretischen Vorgang kann man sich am besten in einem simplen Gespräch zwischen zwei Personen vorstellen, welches je nach Reaktion der Gesprächspartner aufeinander in verschiedene unvorhersehbare Richtungen abdriften kann.

Bei Massenkommunikation, wie sie im Falle des Fernsehens vorliegt, funktioniert der Vorgang anders. Fernsehen ist generell selbstreferentiell, reagiert bzw. kann nur auf sich und eigene Aussagen reagieren, da kein Informationsaustausch mit dem Publikum stattfindet (einzelne Formate ausgeblendet). In der Fernsehforschung spricht man dabei von Flow. Eine Sendung folgt auf die andere, sie zitieren sich gegenseitig, beziehen sich aufeinander. Diese fehlende Möglichkeit zum Dialog hat zieht einige Konsequenzen mit sich: Das Fernsehen kann nur „blind“ mit seinem Publikum kommunizieren, eine direkte Reaktion kann nicht erfolgen. Die Zuschauer behelfen sich indem sie untereinander über gerade rezipierte Medieninhalte reden, mitunter um die Sicherheit der eigenen Deutungsentwürfe zu bestätigen oder zu widerlegen (Findest du den Film auch so schlecht/gut? etc.).

Das liegt mitunter auch daran, dass getroffene Fernsehaussagen so stehengelassen werden müssen, wie sie getätigt werden und dadurch viele Deutungsmöglichkeiten zurückbleiben. Dies ist für den Zuschauer aber nicht unbedingt so negativ wie es den Anschein hat. Getätigte Aussagen und Medientexte können vom Publikum unkontrolliert und nach Belieben gedeutet werden, ein Sachverhalt der dem Zuschauer durchaus Freude bereiten kann. (vgl. Charlton/Klemm, 1998: S. 710)

Der Zuschauerumgang mit Fernsehinhalten lässt sich laut Friedrich Krotz prozessual in folgenden Schritten darstellen:

(1) das unmittelbare Miterleben, welches ganz unter dem Einfluß der eigenen Erwartungen, Bedürfnisse, Vorstellungen und Parteilichkeiten steht,
(2) der innere Dialog, in dem die eigene Perspektive auf das Medienangebot mit den Ansichten und Bewertungen (signifikanter und verallgemeinerter) anderer verglichen und diskutiert wird,
(3) die Kontaktaufnahme und der (gedachte oder reale) Austausch mit den in der konkreten Rezeptionssituation anwesenden Personen und schließlich
(4) die Folgegespräche und Medienthematisierungen im Alltag.
(Charlton/Klemm, 1998: S. 710)

Der Zuschauer nimmt den Inhalt auf, ver- und bearbeitet ihn mental und nutzt ihn in Folge dessen nach eigener Einschätzung und unter Vorbehalt eigener Motive im Umgang mit anderen (Nicht-)Zuschauern.

Für dieses Kommunikationsverhalten bieten soziale Medien die perfekte Plattform. Sie bieten die Möglichkeit sich bestimmten Personen oder einem diffusen Publikum gegenüber zu äußern und das Verarbeitete wiederzugeben. Durch die hohe Aktivität sozialer Plattformen in Echtzeit kann der Zuschauer sich zusätzlich sofort jeglicher Deutungsunschärfe entledigen und massenweise Ansichten zu aktuellen TV-Inhalten beziehen.

2.4. Fernsehen und Interaktivität – ein überholter Begriff?

Interaktivität ist Begriff, welcher nicht nur im wissenschaftlichen Bereich vorzufinden ist, sondern auch im Alltag Verwendung findet und breit sowie diffus verwendet wird.

„Interactiviy is a widely used term with an intuitive appeal, but it is an undefined concept.” (Rafaeli, 1988: S. 110)

In seinen Anfängen ist Interaktivität auf Interaktion zurückzuführen. Dies bezeichnet eine Art von Wechselbeziehung zweier Entitäten. In der Statistik können mehrere Variablen mit einer unabhängigen Variable interagieren, in der Medizin zwei Medikamente, in den Ingenieurswissenschaften beispielsweise zwei Materialien und schließlich sehen die Sozialwissenschaften Kommunikation als eine Art Interaktion zwischen Individuen oder Teilen der Gesellschaft. (vgl. Bieber/Leggewie, 2004: S. 97)

Auf das Medium Fernsehen bezogen handelt es sich klarerweise um die Interaktion zwischen dem Medium Fernsehen und seinem Publikum oder einzelnen Rezipienten. Das gestaltet sich anhand der Funktionsweise des Fernsehens als Massenmedium schwierig. Den „alten“ Medien zugehörig, wird das Fernsehen als Push-Medium verstanden. Es sendet mediale Information unabhängig von Nutzung oder Reaktion seines Publikums einseitig. Wer rezipiert und wie diese Information aufgenommen wird ist irrelevant, das Fernsehen sendet trotzdem weiter wie geplant. Es ist eben ein klassisches „one-to-many“-Medium: ein Sender an viele „stille“ Empfänger. (vgl. Dittmar, 2012: S. 39)

Interaktivität beim Fernsehen steht und fällt mit der Möglichkeit des passiven Rezipienten auf Fernsehinhalte zu reagieren. Diese Interaktionen finden laut Ruhrmann und Nieland in Stufen steigender Intensität statt, zumeist bedingt durch die Expansion des Fernsehens dank neuer technologischer Möglichkeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Stufen interaktiven Fernsehens (Soukup, 1998: S.7)

Zu den Stufen im Detail:

1.) Traditionelles TV 1:

Die Interaktion des Fernsehpublikums beschränkte sich auf das Ein- und Ausschalten des TV-Geräts sowie auf das Wechseln des TV-Kanals. Diese relativ grundlegende Funktion war bis zum Anfang des dualen Fernsehsystems die einzige Möglichkeit zur Interaktion.

2.) Traditionelles TV 2:

Hierunter fällt die Form der Abstimmung mithilfe eines sogenannten Rückkanals. Zuschauer konnte auf bestimmte Fragestellungen innerhalb einer Fernsehsendung reagieren. Hierunter fielen Abstimmungen mit Offlinerückkanälen (Musikwünsche in Sendungen, Abstimmungen über Telefon, Anrufen und Fragenstellen in Magazinformaten). Darunter fiel auch Teleshopping über das Telefon.

3.) Paralleles TV (analog):

Diese Stufe beschreibt die zeitversetzte Ausstrahlung von gleichen Sendungen auf mehreren Kanälen (Near-Video-on-demand). Diese Form kam vor allem bei Pay-TV Anbietern vor. Bei diesen kann man beispielsweise während eines Formel 1-Rennens aus verschiedenen Kameraperspektiven wählen (indem man auf den jeweils dafür vorgesehenen Sender schaltet) oder auch einen Film in verschiedenen Sprachen ansehen (Funktion mancher Fernseher/Fernbedienungen).

4.) Additives TV (analog/digital):

Unter Stufe 4 fällt der Teletext. Er wurde hauptsächlich dazu verwendet parallel Zusatzinformationen oder auch weiterführende Informationen in Textform während des Fernsehens anzubieten. Besonders interessant war dies für Nachrichtensender und Programmzeitschriften (in der Theorie). In der Praxis gab dies Möglichkeit, auch Unternehmen mit geringen Werbebudgets eine günstige Plattform zu bieten, indem eine Teletextseite als Werbefläche angeboten wurde.

5.) Media-on-Demand (digital):

Hier kommt der Fernseher dem Heimcomputer nahe. Digital gespeicherte Inhalte können gestreamt und heruntergeladen werden. Trotz digitalen Breitbandanschlüssen war diese Phase zu Beginn problematisch und rein fernsehorientierte Lösungen ohne Emulation von heimcomputerbasierenden Lösungen wurden recht schnell aufgegeben. Diese Systematik aus kürzlich eine Renaissance als SMART TV erfahren und ist inzwischen in den meisten modernen Fernsehgeräten integriert.

6.) Kommunikatives TV (digital):

Das kommunikative Fernsehen wird in diesem Fall als Punkt-zu-Punkt Fernsehen verstanden und wird erst in dieser Evolutionsstufe der Interaktivität gerecht. Eine unbegrenzte Anzahl an von Kanälen begreift sich als interaktive Vernetzung. Kommunikationsbarrieren sind eliminiert, Information dezentralisiert und dank voll integrierter Interaktivität verwischen die Grenzen zwischen Sender und Rezipient. Angebote werden zu echten interaktiven Diensten. (vgl. Ruhrmann/Nieland, 1997: S. 87ff)

Die sechsstufige Klassifikation interaktiven Fernsehens ist aus einem Werk aus dem Jahre 1997. Die Hoffnung, dass das Fernsehen in irgendeiner Form die letzte Evolutionsstufe erreichen wird, hat sich nicht bewahrheitet. Vielleicht war Ruhrmann und Nieland aber bewusst gewesen, dass diese Form der Rezeption und Produktion eines Tages kommen wird oder gar muss. Nur kam sie im Fernsehen nie an, sondern in einem Medium, dass dafür viel geeigneter ist: dem Internet in seiner sozialen Ära. Denn „6.) Kommunikatives TV (digital)“ kennen wir heutzutage als Youtube.

3. Web 2.0 und Social Media – Entstehung und Definition

Im vorliegenden Kapitel wird die Entstehung des Internets und der sozialen Medien kurz umrissen. In weitere Folge werden für Social TV relevante Kommunikationsplattformen vorgestellt und ihre Besonderheiten und Funktionsweisen erfasst.

Während seiner Entstehung war dem Internet ein anderer Zweck zugedacht. Seine ursprüngliche Iteration, das ARPANET, wurde als militärische Infrastruktur zur Informationsvermittlung wissenschaftlicher Inhalte über Telefonleitungen entwickelt und entwickelte sich erst im Laufe der Jahrzehnte zu einem Massenmedium. (vgl. Leiner)

Dementsprechend gibt es keine konkrete Person, die man den Erfinder des Internets nennen könnte. Einer der Pioniere der paketbasierenden Datenvermittlung, Paul Baran, umschrieb diesen Umstand in einem Interview im Jahr 1990 folgendermaßen:

“The process of technological developments is like building a cathedral. Over the course of several hundred years, new people come along and each lays down a block on top of the old foundations, each saying, I built a cathedral. Next month another block is placed atop the previous one. Then comes along an historian who asks, ‘Well, who built the cathedral?

(…) If you are not careful you can con yourself into believing that you did the most important part. But the reality is that each contribution has to follow onto previous work. Everything is tied to everything else.” –(Hafner, 2011)

Was das Internet von der Kathedrale unterscheidet ist jedoch die Dynamik. Es wächst mit seinen Nutzern mit und entwickelt sich in ungeahnte Richtungen. Die prägendste Entwicklung der letzten Jahre war das sogenannte Web 2.0.

Diesen inflationär gebrauchten Begriff prägte Softwareentwickler Tim O´Reilly auf einer Fachkonferenz. Seitdem bringt man Web 2.0 in Verbindung mit dem, was wir heute als soziale Medien kennen. Anstatt statische Inhalte einiger weniger Produzenten zu konsumieren, produzieren die Nutzer des „Mitmachweb“ ihre Inhalte selbst und verbreiten diese an ein diffuses Publikum. Web 2.0 zu definieren ist schwierig, die Fülle der Definitionen und Begriffe ist nicht immer klar voneinander abzugrenzen, wissenschaftlich definierte Ausprägungen hängen deshalb von spezifischen Perspektiven ab. (vgl. O´Reilly, 2005)

Auch die Fülle unterschiedlicher, aber doch ähnlicher Benennungen sorgt für Verwirrung.

Social Media/Web/Network, all diese Begriffe werden teils Synonym für das Phänomen Web 2.0 verwendet, bedeuten aber nicht dasselbe. Im Grunde meint Web 2.0 mehr die technischen und strukturellen Elemente der neuen Medien, während „Social“ auf interaktive und soziale Komponenten des gleichen Phänomens abzielt. (vgl. Maier, 2011: S. 57)

Die technische Seite der sozialen Medien ist für die vorliegende Thematik von eher zweitrangigem Interesse, weshalb Social Media hier den interessanteren Begriff darstellt. Eine nach Meinung des Authors zufriedenstellend ausführliche Definition bietet der Bundesverband der digitalen Wirtschaft an:

„Social Media sind eine Vielfalt digitaler Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten. Die Interaktion umfasst den gegenseitigen Austausch von Informationen, Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen sowie das Mitwirken an der Erstellung von Inhalten. Die Nutzer nehmen durch Kommentare, Bewertungen und Empfehlungen aktiv auf die Inhalte Bezug und bauen auf diese Weise eine soziale Beziehung untereinander auf. Die Grenze zwischen Produzent und Konsument verschwimmt. Diese Faktoren unterscheiden Social Media von den traditionellen Massenmedien. Als Kommunikationsmittel setzt Social Media einzeln oder in Kombination auf Text, Bild, Audio oder Video und kann plattformunabhängig stattfinden.“ (Ullrich/Weber, 2014)

Dieser ausgeprägte Mitmachfaktor macht soziale Plattformen zu Gemeinschaften von Nutzern.

3.1. Soziale Medien als Gemeinschaften

In sozialen Medien sind Nutzer in Gemeinschaften (Communities) unterwegs. Diese richten sich danach, welches soziale Netzwerk, bzw. welche Web 2.0-Plattform im Moment gerade am meisten genutzt wird. Innerhalb jedes Netzwerks hat der Nutzer ein eigenes Profil, das ihn identifiziert und von anderen differenziert (Individualität), sowie die Möglichkeit dank simpler Nutzeroberflächen auf benutzerfreundliche Art und Weise Informationen zu generieren, sie zu verbreiten, sowie sie so vorher vom Nutzer festgelegten Teilen der Community zukommen zu lassen (Usability). Dies geschieht alles ohne finanziellen Aufwand oder großes technisches Vorwissen. (vgl. Rensmann, 2006: S.30) Durch die Einfachheit der Bedienung und intuitive Bedienelemente lassen sich sowohl schriftliche als auch audiovisuelle Inhalte unkompliziert erstellen (Multimedialität).

Aus diesem Grund publizieren und produzieren soziale Medien nicht. Anstatt selbst tätig zu werden, und Inhalte zu generieren, geht es im Web 2.0 eher darum ein Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, den Rest übernimmt die Gemeinschaft der Nutzer. Ein weiteres Entgegenkommen ist eine erleichterte Verbindung zwischen unterschiedlichen sozialen Plattformen. Es ist zwar durchaus von Interesse für Betreiber sozialer Medien, Nutzer möglichst lange innerhalb des eigenen Netzwerks zu halten, jedoch ist es durch die unterschiedlichen Verwendungsziele einzelner Plattformen sinnvoll, Vernetzung und Verbreitung von Inhalten aller Art auch über die Grenzen der eigenen Community hinaus unkompliziert zu gestalten (Interoperabilität). Nicht nur der Nutzer profitiert davon, für die Plattform schafft dies höhere Sichtbarkeit und Präsenz und damit Aufmerksamkeit. (vgl. Kaplan/Heanlein, 2010 In: Business Horizons 53: S. 59)

Genau diese Aufmerksamkeit ist das Lebensblut von Communities. Diese sind nur so erfolgreich, wie die Menge ihrer Nutzer und deren Inhalte (Population). Es gilt also eine Kultur der Partizipation zu schaffen. Nutzer sollen aus eigenem Antrieb Inhalte generieren, seien diese kreativer oder privater Natur, seien es Videos oder Textmitteilungen, eigenes Schaffen oder die Weiterverbreitung von Drittinhalten, die Community muss in erster Linie leben. Die sozialen Medien werden dadurch interaktiv, individuell, sozial- und medienintensiv. (vgl. Walsh/Hass/Killian, 2010: S.9)

Essentielle Eigenschaften, die Communityplattformen (in den speziellen Social Media-Plattformen) kennzeichnen sind zusammenfassend folgende:

- Multimedialität/Interaktivität: Verbreitung von Informationen und Ausdruck mithilfe audiovisueller Methoden
- Interoperabilität: Möglichkeiten der Weiterverbreitung derselben Information über mehrere Plattformen und Communities
- Usability: einfacher Zugang, intuitive Bedienung und die Möglichkeit der Teilnahme ohne besondere Vorkenntnisse
- Individualität: Möglichkeit der Selbstdarstellung und Selbstpräsentation
- Population: Je mehr Nutzer, desto wichtiger das Netzwerk

Wenn man diese angesprochenen Aspekte auf Social TV überträgt sieht man sich schnell mit einigen Unwägbarkeiten konfrontiert. Steht eine Social TV Plattform lieber für sich selbst und ist interoperabel mit anderen sozialen Medien nutzbar? Oder sehen Social TV-Konzepte ihre Kommunikation ohnehin am besten auf etablierten sozialen Plattformen aufgehoben, da man Gefahr läuft, alleine die nötige Nutzerpopulation nicht aufzubringen? Und welche Besonderheiten muss man beachten, wenn Fernsehinhalte über Web 2.0 verbreitet werden?

3.2. User-Generated Content

Ganz im Wesen aktiver Partizipation und Interaktivität, die das Web 2.0 fördert, ist es nicht ausschließlich die Kommunikation, die den Weg von „many-to-many“ geht, sondern auch die Produktion von Inhalten, die während der Interaktion innerhalb von Communities entstehen oder gezielt von Nutzern geschaffen werden, um ein Statement zu einer bestimmten Thematik zu machen oder einfach nur um kreativ zu sein. Diese Inhalte sind sowohl etwas, dass im Augenblick sozialer Interaktion geschaffen wird, als auch Objekt dieser und können viele verschiedene Formen annehmen, abhängig von Plattform und Userintention. (vgl. Smith/Fischer/Yongjian, 2012: S. 102 In: Journal of Interactive Marketing)

Der dafür verwendete Terminus ist „user-generated content“ (geläufig mit UGC abgekürzt). Eine fassbare, allumfassende Definition für den Begriff gibt es in dem Sinne nicht. Eine im Auftrag der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) erstellte Studie erfasste UGC anhand einiger Einzeleigenschaften.

[...]

Final del extracto de 120 páginas

Detalles

Título
Social TV. Das Fernsehen der Zukunft?
Subtítulo
Eine Delphi-Studie zu Chancen und Perspektiven am österreichischen Fernsehmarkt
Universidad
University of Vienna  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft)
Calificación
1,0
Autor
Año
2015
Páginas
120
No. de catálogo
V304760
ISBN (Ebook)
9783668031555
ISBN (Libro)
9783668031562
Tamaño de fichero
3840 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
social tv, social media, tv, fernsehen, soziale medien, facebook, twitter, web 2.0, internet tv
Citar trabajo
Jerko Salinovic (Autor), 2015, Social TV. Das Fernsehen der Zukunft?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304760

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