Liebeskonzeptionen im Wandel der Zeit. Ein exemplarischer Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Liebe in ihrer semantischen Ebene
2. 1 Liebe als Gefühl
2. 2 Liebe als Kommunikation

3 Liebeskonzeptionen der Gegenwart
3. 1 Analyse von aktuellen Liebesliedern
3. 1. 1 Ich lass' für dich das Licht an
3. 1. 2 Keine ist wie du
3. 2 Umfrageauswertung

Schlusswort

Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Liebe findet sich in nahezu allen Medien der Gegenwart wieder. Ob es die Musikcharts sind, Kinofilme, Bücher oder Videospiele: Die Liebe ist in unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken.

Wenn man beispielsweise bei der Internetsuchmaschine Google den Begriff Liebe eingibt, kriegt man über siebenundsechzig Millionen Links zur Verfügung gestellt. Dies spricht sowohl für die Wichtigkeit dieses Themas als auch für die inhärente Diversität. Auch Richard David Precht, Philosoph und Autor der Gegenwart, ist der Meinung, dass der Begriff der Liebe grenzenlos zu sein scheint:

Liebe ist nicht alles im Leben; aber ohne Liebe ist alles nichts. Kaum etwas ist uns wichtiger als die Liebe. Sie ist die Zentralheizung unseres Universums, das Gefühl, das unsere Taten motiviert und ihnen Sinn gibt; Sie bestimmt unser soziales Handeln, sie spornt uns an und ermutigt uns, doch sie treibt uns auch in die Eifersucht, den Hass und in die Selbstzerstörung. […] Man kann seine Arbeit lieben, sein Vaterland, den lieben Gott, seinen Nächsten und sein Auto, man kann Tiere lieben, Melodien und Schokoflocken. Dem Wortsinn nach liebt der Philosoph die Weisheit, der Philologe die Sprachen, der Philatelist seine Briefmarken und Philipp die Pferde. Auch ein deutscher Fernsehsender ist ganz von Liebe erfüllt: We love to entertain you.[1]

Diese Grenzenlosigkeit und Diversität bedeuten gleichzeitig, dass die Konzeption von Liebe nicht einseitig betrachtet werden darf. Vielmehr erfordert die Thematik eine Betrachtung und Untersuchung aus unterschiedlichen Perspektiven. Dafür werde ich im ersten Teil dieser Hausarbeit zwei Liebeskonzepte in ihren unterschiedlichen Semantiken betrachten und in Beziehung setzen. In einem zweiten Teil wird die Analyse des gegenwärtigen Liebesbegriffs, anhand einer Umfrage und geeigneten Liebesliedern, im Zentrum stehen.

2 Die Liebe in ihrer semantischen Ebene

2. 1 Liebe als Gefühl

Die emotionale Liebe ist so alt wie die Menschheit. So ist es auch leicht begreiflich, dass sich schon die antike Philosophie mit diesem Thema auseinandersetzte – wird sie doch selbst als die „Liebe zur Weisheit“[2] bezeichnet. Hierbei prägte Platon den Liebesbegriff signifikant. Dieser ebnete mit seinem Symposion die Auffassung der Liebe als eine Emotion und bereitete den Weg für ein passioniertes Liebesbild, welches seine Blütezeit in der Romantik fand.

Platon gliedert sein Symposion in sieben zentrale Reden über den Eros: die des Phaidros, des Pausanias, des Eryximachos, des Aristophanes, des Agathon ,des Sokrates und die Lobrede des Alkibiades auf Sokrates. Schon in der Rede des Agathon wird deutlich, wie Platon seine Liebeskonzeption konstituiert:

Über die Tugend des Eros ist danach zu sprechen. Das Wichtigste ist, dass Eros Unrecht weder tut noch Unrecht erleidet, weder von einem Gott noch an einem Gott, weder von einem Menschen noch an einen Menschen. Denn weder leidet er selbst durch Gewalt (etwas), wenn er etwas erleidet – denn Gewalt rührt Eros nicht an – noch handelt er (gewaltsam), wenn er handelt - denn jeder dient dem Eros in jeder Hinsicht aus freien Stücken […].[3]

Dieser Ausschnitt wird verständlicher, sobald der Begriff des Eros geklärt wird. Er ist

„die Verkörperung der Liebe, insbesondere das die Liebe auszeichnende Streben und Verlangen nach dem Guten und Schönen.“[4] Die Liebe wird somit zu einer Tugend, die weder Unrecht noch Gewalt kennt und der jeder ausgeliefert ist, ganz gleich welchen Rang oder Geschlecht ein jeder innehat. An diesem Zitat wird die semantische Potenzierung der Liebe in eine nahezu unantastbare Höhe deutlich, die jedoch auch das Moment des Leids in sich trägt, auch wenn dieses nicht durch Gewalt ausgelöst wird. Dennoch scheint die Liebe durch den Aspekt des Leids und somit auch der Verletzlichkeit eine Hinwendung zu einer Emotion, die nach dem Schönen strebt und dabei trotzdem nicht vollkommen ist, zu erfahren.

Der Philosoph Wilhelm Weischedel (1998, S. 39) beschreibt die platonische Liebe als eine „Art von Liebe, in der nicht das sinnliche Begehren im Vordergrund steht, sondern die seelische Zuneigung, gegründet auf den Respekt vor der Person des Geliebten“.[5]

Des Weiteren verweist er auf die Rede des Alkibiades auf Sokrates, in welcher der hübsche Jüngling versucht, sich dem Sokrates über die körperliche Liebe zu Willen zu machen, damit er all das hören kann, was Sokrates weiß. Der Gelehrte jedoch verschmäht das Angebot, obwohl er jenen liebt. Vielmehr geht es Sokrates darum, das Schöne und das Beste für ihn und Alkibiades gemeinsam zu entscheiden und zu erfahren.[6] Weischedel hält hierbei fest:

Die Erfahrung, die Alkibiades mit Sokrates macht, läßt zunächst einsichtig werden: der philosophische Eros ist nicht die sinnliche Liebe. Diese wird zwar nicht schlechthin verworfen. Aber die erotische Beziehung bildet nur den Ausgangspunkt für eine andere Art von Liebe: für den Aufschwung nämlich, indem Platon das Wesen des Philosophierens erblickt. Damit dieser anheben kann, ist es notwendig, daß die sinnliche Liebe nicht in sich selber verharre oder gar als Ausschweifung sich verfestige; sie muß überwunden werden, und zwar eben in jenes Höhere hinein.[7]

Auch hier wird auf die Erhöhung der Liebe verwiesen, deren genuine Intention sich nicht in Körperlichkeiten äußert, sondern diese überwindet. Außerdem rekurriert Weischedel auf die Rede des Sokrates und das Gespräch mit Diotima:

Der Weg von der sinnlichen Liebe kommt ergreifend in der Schilderung des Aufschwunges zum Ausdruck, die Platon im >Symposion< den Sokrates geben läßt, der seinerseits behauptet, damit zu berichten, was er als geheime Kunde von Diotima, einer Seherin aus Mantinea, erfahren habe.

Die Ursachen der starren und problematischen Schulgrammatik ist aber keineswegs nur bei den Lehrkräften zu suchen: Die Kultusministerkonferenz hat 1982 ein Verzeichnis der grammatischen Fachausdrücke publiziert. Dieses distanziert sich vehement von den verschiedenen Grammatiken und Sprachtheorien der modernen Sprachwissenschaft und ist noch immer die verbindliche Grundlage für die Lehrpläne.[8]

Grammatik ist aber ein Bereich, der zwar Normen umschreibt, gleichzeitig aber flexibel ist und auf die Flexibilität der Sprache gleichsam reagiert. „Denn nicht nur die Stilistik, auch die Grammatik eröffnet Freiräume, die sich der Schreiber nehmen kann.“[9]

2. 2 Liebe als Kommunikation

Entgegen der Vorstellung der Liebe als ein Gefühl, stellt der Soziologe Niklas Luhmann eine These, die in in dem gegenwärtigen Liebesverständnis eine eher unpopuläre Rolle einnimmt: Die Liebe als Kommunikationscode.

In seinem 1982 publizierten Werk „Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität“ versucht Luhmann die Liebe von den bislang gängigen und besonders durch die Romantik geprägten Auffassungen dieses Untersuchungsgegenstandes abzugrenzen und ermöglicht einen neuen Zugang. So ist die Liebe für ihn ein „symbolischer Code, der darüber informiert, wie man in Fällen, wo dies eher unwahrscheinlich ist, dennoch erfolgreich kommunizieren kann. Der Code ermutigt, entsprechende Gefühle zu bilden.“[10] (Luhmann 2003, S.9)

Walter Reese-Schäfer stellt fest:

Er betrachtet Liebe als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium. Wenn man von Medien spricht, meint man meist nur die Massenmedien, allen falls noch Sprachen und Schrift als Medien der Kommunikation. Talcott Parsons hat in die Soziologie die Idee eingeführt, daß auch soziale Systeme über ganz analog zu denkende Medien funktionieren. Parsons nennt Geld für das Wirtschaftssystem, Macht für das politische System, Einfluß für das System der sozialen Integration und Wertbindung für das System der Erhaltung von Strukturmustern. Luhmann fügt für das Wissenschaftssystem Wahrheit und für den Bereich von Intimbeziehungen Liebe hinzu.[11]

Luhmann geht als Systemtheoretiker davon aus, dass die Welt aus verschiedenen Systemen konstituiert ist, welche in enger Verbindung zu einander stehen und kommunizieren. „Die Systeme sind […] kausal mit ihrer Umwelt verbunden […]. Gleichzeitig operieren sie in Abgrenzung zur Umwelt und können in all ihren Operationen und Ausdifferenzierungen allein an die eigenen, bereits erfolgten Operationen, Selektionen und Differenzierungen anschließen, sind […] also teils offen, teils geschlossen.“[12] (Berghaus 2004, S. 56)

Wenn Reese-Schäfer von sozialen Systemen spricht, meint er Systeme, die operieren. Jedoch operieren diese Systeme auf eine bestimmte Art und Weise. Margot Berghaus konstatiert im Bezug auf soziale Systeme:

Überall sind Menschen beteiligt. Das ist hier jedoch nicht entscheidend für die Zuordnung; entscheidend ist, dass überall kommuniziert wird. Denn soziale Systeme bestehen, wie Systeme allgemein aus Operationen; und die charakteristische, konstitutive Operationsweise sozialer Systeme ist Kommunikation. Jeder Systemtyp hat eine und nur eine (!) eigene konstitutive Operationsweise: Biologische Systeme operieren in Form von Leben. Psychische Systeme operieren in Form von Bewusstseinsprozessen, die als eine Einheit aus 'Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen' oder 'Prozessieren von Aufmerksamkeit' beschrieben werden können. Und soziale Systeme operieren in Form von Kommunikation, sind Kommunikationssysteme[13]

Liebe funktioniert bei Luhmann selbst wie ein „symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium“ (Luhmann 2003, S. 22)[14], welches Kommunikation sichert und dabei über den Code persönlich/unpersönlich operiert.

Es ist außerdem falsch, anzunehmen, dass Luhmann damit eine statische, nicht an der Realität angelehnte Definition von Liebe aufstellt. Er ist sich des Umstandes bewusst, dass Liebe als ein Kommunikationsmedium fungiert, das wiederum von psychischen Systemen angewandt wird. Dadurch erlangt auch die Liebe ein Moment von Persönlichkeit. Denn da sich die Gesellschaft stetig ausdifferenziert, differenziert sich auch das Individuum, welches diesen Kommunikationscode kommuniziert, aus:

Es ist sicher ein Fehlurteil, wenn man die moderne Gesellschaft als unpersönliche Massengesellschaft charakterisiert und es dabei belässt. Eine solche Auffassung kommt teils durch zu enge theoretische Bestimmungen des Gesellschaftsbegriffs, teils durch optische Täuschungen zustande. Wer die Gesellschaft primär in ökonomischen Kategorien begreift, wer sie also von ihrem Wirtschaftssystem her auffasst, kommt zwangsläufig zur Vorstellung einer Vorherrschaft unpersönlicher Beziehungen, denn für das Wirtschaftssystem gilt dies in der Tat. Aber die Wirtschaft ist nur ein Moment des gesellschaftlichen Lebens neben anderen. Auch wenn man den Standpunkt des Einzelnen einnimmt, gilt natürlich, dass er zu den meisten anderen nur unpersönliche Beziehungen herstellen kann. Insofern scheint die Gesellschaft, wenn man darunter die Gesamtheit möglicher Beziehungen versteht, als vorwiegend unpersönlich. Zugleich gilt aber für jeden Einzelnen auch, dass er die Möglichkeit hat, in einigen Fällen persönliche Beziehungen zu intensivieren und viel von dem, was er als sein Eigenstes begreift, anderen mitzuteilen und in anderen bestätigt zu finden. Auch diese Möglichkeit ist, wenn man bedenkt, dass sie für jeden eine Möglichkeit ist und von vielen ergriffen und realisiert wird, massenhaft gegeben; und es gehört mit zu den Merkmalen der modernen Gesellschaft, dass sie frei zugänglich sind und mit wenig Rücksichten auf andere Beziehungen belastet ist.[15]

Es wird klar, dass Luhmann sich von einer Auffassung von Liebe als Emotion distanziert. Während bei Platon Liebe als ein Gefühl und Streben definiert wird, nimmt Luhmann keine semantische Potenzierung von Liebe vor. Vielmehr abstrahiert er den Begriff und sieht ihn als einen Code, eine Verschlüsselung, an, die innerhalb eines Intimsystems funktioniert und das Element des Persönlichen und Unpersönlichen inne hat. So kann die Liebe dabei helfen, Emotionen jeglicher Art auszulösen und die Kommunikation zu sichern, aber grenzt sich selbst von eben diesen ab.

[...]


[1] Precht, Richard David (2010): Liebe. Ein unordentliches Gefühl. S. 170-171

[2] Bertelsmann Lexikon, Band 11, 1997, S. 297

[3] Platon. Symposion. S. 75

[4] http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-woerterbuch/?title=Eros&tx_gbwbphilosophie_main %5Bentry%5D=302&tx_gbwbphilosophie_main%5Baction%5D=show&tx_gbwbphilosophie_main %5Bcontroller%5D=Lexicon&cHash=b68146ea02dc9f665f9d553bee80eb0c (14.06.2014, 13.02 Uhr)

[5] Weischedel, Wilhelm (1998): Die philosophische Hintertreppe. S. 39

[6] Vgl. Platon. Symposion. S. 139 ff.

[7] Weischedel, Wilhelm (1998): Die philosophische Hintertreppe. S. 42

[8] Vgl. Granzow-Emden, Matthias (2013): Grammatik verstehen und unterrichten. S. 9

[9] Dürrscheid, Christa (2012): Reich der Regeln, Reich der Freiheit. System, Norm und Normenreflexion in der Schule. In: Günther, Susanne/Imo, Wolfgang/Meer, Dorothee/Schneider, Jan Georg (Hrsg.): Kommunikation und Öffentlichkeit. Sprachwissenschaftliche Potenziale zwischen Empirie und Norm. S. 106

[10] Lumann, Niklas (2003): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. S. 9

[11] Reese-Schäfer, Walter (2011): Niklas Luhmann zur Einführung. S. 47-48

[12] Berghaus, Margot (2004): Luhmann leicht gemacht. Eine Einführung in die Systemtheorie. S. 56

[13] Ebd. S. 61

[14] Luhmann, Niklas (2003): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. S. 22

[15] Ebd. S. 13

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Liebeskonzeptionen im Wandel der Zeit. Ein exemplarischer Vergleich
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Liebeskommunikation: Textsorten- und Konzeptwandel
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V305091
ISBN (eBook)
9783668047358
ISBN (Buch)
9783668047365
Dateigröße
709 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachwissenschaft, Liebe, Kommunikation, Liebeskonzepte, Medien, Konzepte Liebe, Verständnis Liebe, Definition Liebe, Wandel, Vergleich
Arbeit zitieren
Sandro Paeplow (Autor:in), 2014, Liebeskonzeptionen im Wandel der Zeit. Ein exemplarischer Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305091

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