Der Ego-depletion Effekt. Ressourcenerschöpfung oder Motivationsdefizit?


Trabajo Escrito, 2015

24 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Definitionen
1.1 Selbstkontrolle
1.2 Impuls
1.3 Ego-depletion

2 Einleitung

3 Erklärungen für den Ego-depletion Effekt
3.1 Prozessmodell
3.2 Ressourcenerschöpfungsmodell

4 Die Überprüfung der Annahmen des Prozessmodells
4.1 Die Rolle der Motivation
4.2 Die Rolle der Aufmerksamkeit

5 Die Überprüfung der Annahmen des Ressourcenerschöpfungsmodells
5.1 Aufsparung der Selbstkontrolle
5.2 Erholung und Trainierbarkeit der Selbstkontrollstärke
5.3 Die Bedeutung der Glukose für die Selbstkontrolle

6 Diskussion
6.1 Die beiden Modelle auf dem Prüfstand
6.2 Kombination der zwei Modelle

7 Implikationen für die Praxis

Literatur

Zusammenfassung

Der Ego-depletion Effekt bezeichnet das Phänomen, dass das Ausüben von Selbstkontrolle bei einer Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit für eine verringerte Selbstkontrolle bei folgenden Aufgaben erhöht. In der Hausarbeit werden die Ursachen für den besagten Effekt untersucht, wobei zwei Modelle für die Erklärung herangezogen werden: Das Ressourcenerschöpfungsmodell von Baumeister, welches davon ausgeht, dass der Ego-depletion Effekt die Folge einer geringer werdenden Ressource ist, die für das Ausüben von Selbstkontrolle benötigt wird (inklusive der erweiterten Annahme, dass Personen sich aufgrund der Begrenzung der Ressource einen Teil ihrer Selbstkontrolle aufzusparen versuchen) sowie das Prozessmodell von Inzlicht und Schmeichel, welches das Phänomen anhand von motivationalen und aufmerksamkeitsbasierten Prozessen zu erklären versucht. Die Annahmen der beiden Modelle werden auf ihre Übereinstimmung mit dem aktuellen empirischen Forschungsstand untersucht, wobei zu erkennen ist, dass jedes Modell wichtige Faktoren enthält, die zu einem besseren Verständnis des Ego-depletion Effektes beitragen. So zeigt sich, dass der Ego-depletion Effekt durch eine hohe Motivation ebenso wie durch eine Erholung oder ein Training der Selbstkontrolle verringert werden kann, während die Erwartung von noch kommenden Selbstkontrollaufgaben den Effekt verstärkt. Außerdem lässt sich eine verstärkte Aufmerksamkeit bezüglich positiven Reizen infolge der Erschöpfung durch eine erste Aufgabe erkennen. Es wird eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man die zwei Modelle kombinieren könnte, um somit genauere Vorhersagen bezüglich der Selbstkontrollleistung einer Person machen zu können. Zuletzt werden aus den vorherigen Erkenntnissen Interventionsmöglichkeiten, zur Verbesserung der Selbstkontrolle, abgeleitet.

1Definitionen

Die folgenden Begrifflichkeiten werden in dieser Hausarbeit analog und einheitlich verwendet.

1.1 Selbstkontrolle

Selbstkontrolle ist eine fundamentale Fähigkeit des Menschen (Inzlicht & Schmeichel, 2012) und bezeichnet die bewusste Anstrengung, Impulse oder automatische Verhaltenstendenzen zu unterdrücken (Tangney, Baumeister & Boone, 2004), um längerfristige Ziele zu erreichen (Muraven & Baumeister, 2000).

1.2 Impuls

Ein Impuls entsteht, wenn eine allgemeine Motivation auf einen in der Umwelt gelegenen aktivierenden Reiz trifft. Der Impuls bildet eine Art Antrieb, auf den Reiz mit einem bestimmten Verhalten zu reagieren. Impulse sind auf das Erreichen kurzfristiger Ziele gerichtet, die die persönlichen Bedürfnisse des Individuums widerspiegeln (Hofmann, Friese & Strack, 2009).

1.3 Ego-depletion

Der Begriff Ego-depletion bezeichnet einen Zustand, in welchem Personen für einen gewissen Zeitraum weniger erfolgreich im Ausüben ihrer Selbstkontrolle sind (Inzlicht, Schmeichel & Macrae, 2014), hervorgerufen durch eine vorherige Beanspruchung derselbigen (Baumeister, Bratslavsky, Muraven & Tice, 1998). Synonym zur englischen Bezeichnung werden in der folgenden Arbeit die Begriffe „Ego-Erschöpfung“ und „Selbsterschöpfung“ verwendet.

2 Einleitung

Selbstkontrolle ist neben der Intelligenz eine wichtige Persönlichkeitseigenschaft für die Lebenszufriedenheit des Menschen (Baumeister & Tierney, 2011), so steht sie beispielsweise in Verbindung mit einer guten Anpassungsfähigkeit, sicheren Bindungen und anderen wünschenswerten psychologischen Zuständen (Tangney et al., 2004).

Viele Probleme, die Individuen unserer Gesellschaft plagen, wie zum Beispiel Abhängigkeit, Kriminalität, sexuell übertragbare Krankheiten, Übergewicht, ungewollte Schwangerschaften oder auch beruflicher Misserfolg stehen im Zusammenhang mit einem Mangel an Selbstkontrolle (Baumeister, Muraven & Tice, 2000; Inzlicht, Legault & Teper, 2014).

Für ein erfolgreiches und zufriedenes Leben ist Selbstkontrolle also eine wichtige Grundlage, jedoch wird sie durch die Versuchungen, die täglich in unserem Leben auf uns lauern auf eine harte Probe gestellt und oftmals kann der Mensch nicht genügend Selbstkontrolle aufbringen, um seinen Impulsen zu widerstehen.

Aber warum ist das so?

Wieso rauchen wir, obwohl es ungesund ist; wieso essen wir Kuchen, obwohl wir abnehmen möchten und wieso lernen wir nicht für Prüfungen, obwohl diese von großer Relevanz für unsere Zukunft sind?

Viele Studien haben gezeigt, dass das Ausüben von Selbstkontrolle zu einem Zeitpunkt, zu einer verringerten Selbstkontrolle bei folgenden Aufgaben führt (Baumeister et al., 1998; Muraven & Slessareva, 2003). Dieses Phänomen wird als Ego-depletion Effekt bezeichnet. Dieser Effekt trägt zu den zuvor beschriebenen Problemen des Menschen bei (Baumeister, Vohs & Tice, 2007).

Dies bedeutet also, dass zum Beispiel Personen, die eine Zeit lang entgegen ihres Impulses auf Zigaretten verzichten konnten, nach einer gewissen Zeit sehr wahrscheinlich nicht mehr genügend Selbstkontrolle werden aufbringen können und somit zu weiteren Zigaretten greifen werden. Ähnliches gilt auch für Personen, die abnehmen möchten. Zunächst werden sie es vielleicht schaffen, auf kalorienreiche Lebensmittel zu verzichten, aber mit der Zeit steigt die Gefahr, dass sie ihre Selbstkontrolle verlieren werden und somit dem Ego-depletion Effekt erliegen.

Auch scheinbar voneinander unabhängige Bereiche können sich bezüglich der Selbstkontrolle beeinflussen (Baumeister & Tierney, 2011). So kann es sein, dass jemandem der Verzicht auf Zigaretten gelingt, er dafür jedoch nicht mehr genügend Selbstkontrolle aufbringen kann, um auf die Sahnetorte zu verzichten.

Warum können Menschen zu einem Zeitpunkt ihr Verhalten kontrollieren und entgegen ihrer Impulse handeln, während ihnen dies in anderen Momenten nicht gelingt?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die folgende Arbeit.

Es sollen mögliche Erklärungen für einen solchen Abfall in der Selbstkontrolle aufgezeigt und mit Hilfe von empirischen Ergebnissen untersucht werden. Wenn man die Ursachen für das Eintreten des Ego-depletion Effektes kennt, kann man ihnen wohlmöglich entgegenwirken und somit die Selbstkontrolle der Menschen stärken, sodass die anfangs genannten Probleme, die auf einen Mangel an Selbstkontrolle zurückzuführen sind, verringert werden könnten.

Um eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen des Ego-depletion Effektes zu finden werden nach der Definition relevanter Begrifflichkeiten in Kapitel 2, in Kapitel 3 Erklärungsmodelle für den besagten Effekt vorgestellt.

Zunächst wird das Prozessmodell von Inzlicht und Kollegen dargestellt, das den Ego-depletion Effekt durch einen stattfindenden Wechsel in der Motivation und in der Aufmerksamkeit erklärt (Inzlicht & Schmeichel, 2012). Dem gegenübergestellt wird das Ressourcenerschöpfungsmodell von Baumeister, welches Selbstkontrolle als eine limitierte Ressource beschreibt, die durch Gebrauch abnimmt (Muraven & Baumeister, 2000). Im Anschluss werden in Kapitel 4 die Annahmen des Prozessmodells anhand von empirischen Forschungsergebnissen überprüft und daraufhin werden in Kapitel 5 die zentralen Thesen des Ressourcenerschöpfungsmodels auf ihre Übereinstimmung mit der Empirie untersucht, beides mit dem Ziel herauszufinden, welches der beiden Modelle für die Beschreibung des Ego-depletion Effektes als geeigneter erscheint. In Kapitel 6 wird diesbezüglich über die beiden Modelle diskutiert und eine Möglichkeit der Kombination beider Modelle wird vorgestellt. Zuletzt werden in Kapitel 7 Interventionsmöglichkeiten für eine bessere Selbstkontrolle aus den zuvor erlangten Erkenntnissen abgeleitet.

3 Erklärungen für den Ego-depletion Effekt

Das Phänomen des Ego-depletion Effektes konnte in einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen festgestellt werden (Baumeister et al., 1998; Muraven & Slessareva, 2003; Muraven, Tice & Baumeister 1998).

Die Effektstärke von einer von Hagger, Wood, Stiff und Chatzisarantis (2010) durchgeführten Metaanalyse mit insgesamt 83 Studien zum Ego-depletion Effekt betrug 0.62. Dies entspricht einem mittleren bis starken Effekt (Cohen, 1987).

Der Ego-depletion Effekt wird also durch die Empirie sehr gut gestützt, allerdings gibt es über die genauen Gründe für das Auftreten dieses Effektes unterschiedliche Auffassungen. Im Folgenden werden das Prozessmodell von Inzlicht sowie das Ressourcenerschöpfungsmodell von Baumeister und Kollegen als mögliche Erklärungsansätze vorgestellt.

3.1 Prozessmodell

Das Prozessmodell von Inzlicht und Kollegen erklärt den Ego-depletion Effekt durch einen evolutionsbedingt stattfindenden Wechsel der Motivation einer Person (Inzlicht et al., 2014).

Laut Modell war es früher wichtig sowohl seine bekannten Ressourcen zu nutzen als auch die Umwelt nach neuen potenziellen Ressourcen zu erkunden. Dieses Gleichgewicht wird aufrechterhalten, indem die Person zwischen dem Erledigen von bestehenden Aufgaben und dem Verweigern der Aufgabe, um andere Wege erkunden zu können, abwägt.

Diese adaptive Funktion zeigt sich laut Modell auch heute in dem Streben nach einem Gleichgewicht zwischen den zwei entgegengesetzten Kräften „Anstrengung“ und „Erholung“. In jeder Situation entscheidet sich eine Person folglich für das Ausüben von Selbstkontrolle (um somit längerfristige Ziele erreichen zu können) oder für das Nachgeben ihrer Impulse (welche ihren kurzfristigen Zielen entsprechen). Musste man zu einem Zeitpunkt Selbstkontrolle aufbringen, was mit einer hohen Anstrengung verbunden ist (Inzlicht, & Schmeichel, 2012), so strebt man anschließend danach, den persönlichen Bedürfnissen nachzugehen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und zeigt weniger Selbstkontrolle (Ego-depletion Effekt).

Laut Inzlicht und Kollegen, wird das Ausüben von Selbstkontrolle grundlegend als aversiv erlebt. Trotzdem zeigen Personen selbstkontrolliertes Verhalten, da sie durch dieses längerfristige Ziele erreichen können. Je mehr Selbstkontrolle eine Person jedoch bereits aufgebracht hat, desto geringer wird ihre Motivation weiteren Zwängen nachzukommen und gleichzeitig wird der Wunsch nach einer Erholung stärker.

Dadurch kommt es zu einem motivationalen Wechsel der Prioritäten und somit zum Ego-depletion Effekt: Alle Formen mentaler Anstrengung, inklusive dem Ausüben von Selbstkontrolle, werden vermieden und eine Form von Erholung wird aufgesucht.

Der Effekt kann jedoch vermieden werden, wenn die Personen dazu motiviert werden, eine anstrengende Aufgabe zu erledigen (Inzlicht et al., 2014). Es ist also dem Modell zufolge nicht so, dass sich der Mensch in bestimmten Situationen nicht selbst kontrollieren könnte sondern vielmehr, dass er es nicht möchte, weil er seine persönlichen Bedürfnisse bereits zu lange zurückgestellt hat.

Neben dem stattfindenden Wechsel der Motivation erfolgt auch ein Wechsel in der Aufmerksamkeit und der Emotion. Die Person richtet ihre Aufmerksamkeit weg von den Umgebungsreizen, die die Wichtigkeit der Selbstkontrolle signalisieren hin zu solchen Stimuli, die eine Belohnung in Aussicht stellen. Dadurch, dass die Person ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Ziele richtet, die durch ein selbstkontrolliertes Verhalten erreicht werden könnten und mit Blick auf die Alternative der Erholung, wirken die Anstrengungen, die mit dem Ausüben von Selbstkontrolle verbunden sind als unangemessen hoch. Dieser veränderte Aufmerksamkeitsfokus geht mit einer Veränderung der Emotionen zugunsten der inneren Bedürfnisse einher (Inzlicht & Schmeichel, 2012).

3.2 Ressourcenerschöpfungsmodell

In dem Ressourcenerschöpfungsmodell gehen Baumeister und Kollegen davon aus, dass für das Ausüben von Selbstkontrolle eine Ressource benötigt wird, auch bezeichnet als Selbstkontrollstärke, die den Menschen nur begrenzt zur Verfügung steht. Durch das Ausüben von Selbstkontrolle wird die Ressource geringer und die Person gelangt in einen Zustand der Ego-Erschöpfung. In diesem Zustand ist die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes der Selbstkontrolle erhöht (Baumeister, Heatherton & Tice, 1994).

Laut Modell erschöpfen die verschiedensten Formen der Selbstkontrolle alle dieselbe begrenzte Ressource (Muraven & Baumeister, 2000).

Es lassen sich grob vier Kategorien unterscheiden für die wir Selbstkontrolle benötigen. Hierzu zählen die Kontrolle unserer Gedanken, unserer Emotionen, unserer Impulse sowie die Leistungskontrolle, die wir benötigen, um uns auf anstehende Aufgaben zu konzentrieren und uns zum Weitermachen zu animieren (Baumeister & Tierney, 2011). So kann es sein, dass das Unterdrücken von Emotionen dazu führt, dass man im Anschluss dem Verlangen nach einer Süßigkeit nicht widerstehen kann (auch wenn diese beiden Handlungen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen). Die Abnahme der Selbstkontrollstärke durch deren Gebrauch ist laut Baumeister die Ursache für den Ego-depletion Effekt.

Es wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass in Situationen der Ego-Erschöpfung, die Ressource vollkommen aufgebraucht sein muss, sondern dass es sich in der Regel um eine relative Abnahme der Selbstkontrollstärke handelt (Baumeister et al., 2000).

Die Möglichkeit eines vollständigen Verbrauchs der Ressource wird zwar nicht ausgeschlossen, bedarf aber einer weitaus intensiveren Phase selbstkontrollierten Handelns, als dies in alltäglichen Situationen der Fall ist (Baumeister et al., 2007).

Das Modells nimmt des Weiteren an, dass die Selbstkontrollstärke sich durch Phasen der Ruhe von ihrer Erschöpfung wieder erholen kann (Friese, Hofmann & Wiers, 2011; Muraven & Baumeister, 2000) und, dass die Selbstkontrollstärke durch Übung verbessert werden kann (Baumeister et al., 2007).

Zur Verdeutlichung der Annahmen seines Modells verwendet Baumeister den Vergleich der Selbstkontrollstärke mit einem Muskel: Das intensive Ausüben von Selbstkontrolle führt dazu, dass die Ressource irgendwann erschöpft ist, ähnlich wie ein Muskel, der, wenn er zu lange belastet wird, ermüdet. Die Selbstkontrollstärke kann allerdings (ebenso wie ein Muskel) durch Übung gestärkt werden. Ebenfalls passend zur Muskelanalogie ist die Annahme, dass der Ego-depletion Effekt ein temporärer Rückgang der Selbstkontrolle ist. Die Ressource kann auf verschiedene Weisen wieder aufgefüllt werden, sodass Selbstkontrolle wieder ausgeübt werden kann, so wie auch die Kraft eines Muskels nach einer Phase der Ruhe wieder stärker wird (Muraven & Baumeister, 2000).

Eine Erweiterung des Modells stellt die Annahme dar, dass aufgrund der Begrenzung der für die Selbstkontrolle notwendigen Ressource, die Menschen sich einen Teil ihrer Selbstkontrolle bewusst für Zeiten aufsparen, in denen sie dringender benötigt wird und dass der Ego-depletion Effekt somit nicht durch einen direkten Mangel der Ressource hervorgerufen wird sondern durch den Versuch einer Person, einer Ausschöpfung der Selbstkontrollstärke entgegenzuwirken. (Baumeister et al., 2000).

Bei all der Bedeutung, die der Ressource für den Prozess der Selbstkontrolle zugeschrieben wird, macht das Modell jedoch keine Aussagen darüber, was genau sich hinter der besagten Selbstkontrollstärke verbirgt.

Eine Vermutung ist, dass es sich bei der begrenzten Ressource um Glukose handelt (Gailliot et al., 2007). Gailliot und Kollegen gehen davon aus, dass Glukose für die Ausführung von selbstkontrolliertem Handeln notwendig ist und durch ebendieses verbraucht wird. Es wird angenommen, dass nach einem solchen Verbrauch die Glukose vom Körper nicht schnell genug wieder bereitgestellt werden kann, sodass im Folgenden nur eine verminderte Selbstkontrollleistung möglich ist.

4 Die Überprüfung der Annahmen des Prozessmodells

Die zentralen Annahmen des Prozessmodells von Inzlicht erklären den Ego-depletion Effekt mit einem stattfindenden Wechsel der Motivation und der Aufmerksamkeit. Nachdem man sich selbstkontrolliert verhalten hat, sinkt die Motivation für anstrengende Aufgaben und sie steigt für erfreulichere Handlungen. Damit einher geht ein Wechsel der Aufmerksamkeit weg von Reizen, die eine Anstrengung implizieren hin zu erfreulichen Signalen (Inzlicht et al., 2014).

4.1 Die Rolle der Motivation

In einer Studie von Muraven und Slessareva (2003) wurde der Einfluss der Motivation auf den Ego-depletion Effekt anhand von drei Experimenten untersucht. Ziel war es herauszufinden, ob und inwieweit die Motivation den Ego-depletion Effekt moderieren kann.

Experiment 1: Als Coverstory wurde den Versuchspersonen erzählt, es gehe bei dem Experiment um die Untersuchung des Zusammenhangs von kognitiven Fähigkeiten und Kreativität. Hierfür sollten die Teilnehmer zunächst fünf Minuten lang eine kognitive Aufgabe bearbeiten und anschließend eine zur Kreativität, bei welcher sie an zwei eigentlich nicht lösbaren Puzzles arbeiten sollten.

Es handelte sich bei dem Experiment um ein 2x2 Design, bei welchem zum einen das Ausmaß an Ego-Erschöpfung und zum anderen die Stärke der Motivation manipuliert wurden. Ersteres wurde durch die Art der kognitiven Aufgabe manipuliert. So erhielten die Probanden in der Bedingung der hohen Erschöpfung eine Aufgabe, bei welcher sie eine Liste ihrer aktuellen Gedanken verfassen sollten, ohne dabei an einen weißen Bären zu denken. Es wird von den Autoren angenommen, dass eine solche Gedankenunterdrückung ein hohes Maß an Selbstkontrolle erfordert und somit zu einer relativ hohen Ego-Erschöpfung führt. Die Teilnehmer in der Bedingung der geringen Selbsterschöpfung hingegen, bekamen die Aufgabe eine Liste auswendig zu lernen, wofür laut Muraven und Slessareva weniger Selbstkontrolle benötigt wird.

Der motivationale Zustand der Versuchspersonen wurde manipuliert, indem den Personen die sich in der Bedingung der hohen Motivation befanden gesagt wurde, dass es bei dem Experiment darum gehe, bessere Behandlungsmethoden für Alzheimer Patienten zu entwickeln. Die Probanden der Bedingung der geringen Motivation erhielten keine solche Information. Diese Unterscheidung sollte dazu führen, dass letztere eine geringere Motivation verspüren, die Aufgabe bestmöglich auszuführen.

Die abhängige Variable war die Selbstkontrollleistung, die die Teilnehmer bei der Puzzle-Aufgabe zeigten, operationalisiert durch die Zeit, die sie in den Versuch die Puzzles zu lösen investierten (eine längere Zeit spricht für eine größere Selbstkontrolle).

Durch einen Manipulationscheck wurde sichergestellt, dass die Versuchspersonen in der Gruppe der geringen und der hohen Ego-Erschöpfung sich weder signifikant in der empfundenen Schwierigkeit und Annehmlichkeit der Aufgabe unterschieden, noch in dem Ausmaß der Frustration. Hierfür beantworteten die Teilnehmer beider Gruppen diesbezügliche Fragen auf einer 30-Punkte Skala. Das wahrgenommene Maß an Selbstkontrolle, das für die Aufgabe aufgebracht werden musste, wurde ebenfalls anhand der Skala erfasst. Hierbei zeigte sich, dass die Probanden, die ihre Gedanken unterdrücken mussten von einer signifikant höheren Selbstkontrolle berichteten, die es aufzubringen galt, als diejenigen mit der Behaltensaufgabe, t (41) = 2.24, p < .05.

Zudem wurde mithilfe der so genannten Brief Mood Introspection Scale (BMIS) von Mayer und Gaschke (1988) das Ausmaß an Erregung sowie das Stimmungsbefinden der Probanden gemessen, indem diese ihr persönliches Befinden anhand von 16 Adjektiven auf einer fünf stufigen Skala angaben. Auch hier konnte durch einen t-Test sichergestellt werden, dass sich die zwei Gruppen nicht signifikant hinsichtlich der besagten Aspekte unterschieden.

Den Ergebnissen des Manipulationschecks zufolge kann ein Einfluss der oben genannten Faktoren auf die Selbstkontrollleistung ausgeschlossen und somit die Anzahl an möglichen Alternativerklärungen für die nun genannten Befunde minimiert werden.

Ergebnisse: Die Zeit, die die Probanden der verschiedenen Gruppen für das Lösen der Puzzles aufgebracht haben wurde mittels t-Tests miteinander verglichen. In der Bedingung der hohen Ego-Erschöpfung wendeten die Probanden signifikant weniger Zeit zum Lösen der Puzzles auf, wenn sie gering motiviert waren, im Vergleich zu denjenigen mit einer hohen Motivation, t (41) = 1.96, p < .05.

In der Bedingung der hohen Motivation unterschieden sich die Probanden, deren Selbstkontrolle zuvor durch die Gedankenunterdrückung erschöpft wurde nicht signifikant in ihrer Selbstkontrollleistung von denjenigen, die zuvor die weniger selbsterschöpfende Behaltensleistung erbringen mussten, t = .68.

Die Probanden, welche in der ersten Aufgabe ihre Gedanken unterdrücken mussten und zudem keinen motivationalen Anreiz erhielten, zeigten eine signifikant geringere Selbstkontrollleistung beim Lösen der Puzzles als alle anderen drei Bedingungen, F (1, 31) = 4.49, p < .05 (vgl. Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Zeit, die in das Lösen eines Puzzles investiert wird, ist abhängig von der vorherigen Aufgabe (Ego-Erschöpfung) sowie von der Relevanz des Puzzles (Motivation).

Muraven, M. & Slessareva, E. (2003). Mechanisms of self-control failure. Motivation and limited resources. Personality and Social Psychology Bulletin, 29 (7), 894–906

Die Befunde unterstützen die Annahme, dass die Motivation einen Einfluss auf den Ego-depletion Effekt hat. Wäre dies nicht der Fall, hätten sich die beiden Gruppen, dessen Selbstkontrolle durch die Gedankenunterdrückung erschöpft wurde, unabhängig von ihrem motivationalen Zustand, nicht unterscheiden dürfen. Die Tatsache, dass sich in der Bedingung der hohen Motivation die Personen, deren Selbstkontrolle in der ersten Aufgabe erschöpft wurde nicht hinsichtlich ihrer Selbstkontrollleistung in der Puzzle-Aufgabe von denjenigen unterschieden, die keine Selbsterschöpfung erfahren haben zeigt, wie bedeutend der Einfluss der Motivation ist, da sie die Erschöpfung der Selbstkontrolle kompensieren kann.

Experiment 2: Das zweite Experiment von Muraven und Slessareva untersuchte ebenfalls mit Hilfe eines 2x2 Designs, inwieweit die Motivation den Ego-depletion Effekt beeinflussen kann, allerdings wurden hierbei andere Aufgaben der Selbstkontrolle verwendet sowie eine andere Operationalisierung der Motivation gewählt (um die externe Validität der Ergebnisse zu untermauern).

Die Versuchspersonen erhielten zunächst die Aufgabe eine kurze Rede zu halten, in welcher sie einen idealen Tag beschreiben. Die Gruppe der Ego-Erschöpfung bekam zudem die Anweisung, während ihres Vortrages darauf zu achten keine Füllwörter zu verwenden (was ein gewisses Maß an Selbstkontrolle erfordert) während die andere Gruppe keine solche Instruktion erhielt. Im Anschluss sollten die Probanden ein frustrierendes Computerspiel spielen, für welches sie zunächst die Möglichkeit zum Üben bekamen.

Den Versuchspersonen, die sich in der Bedingung der hohen Motivation befanden wurde mitgeteilt, dass sich das Training lohnen würde und man dadurch im Anschluss bessere Leistungen erzielen werde.

Die Teilnehmer in der Bedingung der geringen Motivation hingegen bekamen gesagt, dass sich das vorherige Üben nicht sonderlich auf die anschließende Leistung auswirkt.

Als Maß der Selbstkontrolle diente die Zeit, die die Versuchspersonen zum Üben des Computerspiels aufbrachten. Eine Studie von Baumeister und Kollegen (1998) hat gezeigt, dass Personen mit einem geringen Maß an Selbstkontrolle frustrierende Aufgaben früher beenden.

Auch in diesem Experiment wurde mittels eines Manipulationschecks sichergestellt, dass sich die Probanden, die eine freie Rede halten mussten und diejenigen, die darauf achten mussten Füllwörter zu vermeiden, ausschließlich hinsichtlich dem geleisteten Maß an Selbstkontrolle unterschieden und nicht hinsichtlich anderer Faktoren wie beispielsweise der aufgebrachten Anstrengung.

Ergebnis: Im zweiten Experiment zeigte sich das gleiche Ergebnismuster wie bereits im ersten Versuch: Während bei den wenig motivierten Probanden die vorherige Erschöpfung einen Einfluss auf ihre Selbstkontrolle beim Üben des Computerspiels hatte, zeigte sich in der Bedingung der hohen Motivation kein signifikanter Unterschied bezüglich der Selbstkontrolle zwischen den Personen der Ego-Erschöpfung und denen, die zuvor keine Selbstkontrolle aufbringen mussten, t (39) = .33.

Die Experimente haben gezeigt, dass die Motivation zum einen und die zuvor ausgeführte Aufgabe zum anderen gemeinsam über die Selbstkontrollleistung in einer zweiten Aufgabe entscheiden. Wenn die Motivation groß genug ist, kann trotz vorheriger Erschöpfung der Selbstkontrolle in einer zweiten Aufgabe dasselbe Maß an Selbstkontrolleistung erbracht werden wie bei denjenigen, deren Selbstkontrolle nicht zuvor erschöpft wurde.

Experiment 3: Nachdem die ersten beiden Experimente gezeigt haben, dass die Motivation die Ego-Erschöpfung kompensieren kann, sodass in einer folgenden Aufgabe dasselbe Maß an Selbstkontrolle gezeigt werden kann wie bei Personen ohne vorherige Erschöpfung der Selbstkontrolle, sollte in Experiment drei zusätzlich eine weitere Fragestellung geprüft werden. Es ging hierbei darum, ob die Selbsterschöpfung generell zu einer verringerten

[...]

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Detalles

Título
Der Ego-depletion Effekt. Ressourcenerschöpfung oder Motivationsdefizit?
Universidad
University of Cologne  (Allgemeine Psychologie II)
Calificación
1,7
Autor
Año
2015
Páginas
24
No. de catálogo
V305393
ISBN (Ebook)
9783668034501
ISBN (Libro)
9783668034518
Tamaño de fichero
564 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
ego-depletion, effekt, ressourcenerschöpfung, motivationsdefizit
Citar trabajo
Melanie Erdmann (Autor), 2015, Der Ego-depletion Effekt. Ressourcenerschöpfung oder Motivationsdefizit?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305393

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