Gesellschaft - Sucht - Sozialarbeit


Diplomarbeit, 1992

216 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


GLIEDERUNG (Inhalt)

ZITATE

VORWORT

EINLEITUNG

1. SUCHT
1.1 SUCHT- ALLGEMEINES
1.1.1 Definitionen, Typen, usw
1.1.2Verbreitung (Epidemiologie)
1.2 ALKOHOLISMUS
1.2.1 Begriffsbestimmungen
1.2.2 Phasen und Typen
1.2.3 Alkoholwirkungen (Promille)
1.2.4 Alkoholverbrauch
1.2.5 Alkoholabbau
1.2.6 Der Preis
1.2.7 Gesundheitliche Schaden
1.2.8 Ursachen und fordernde Umstande /Atiologie
1.2.9 ANHANG: Ein personliches Referat.
1.3 MEDIKAMENTENSUCHT
1.3.1 Allgemeines / Schwierigkeiten
1.3.2 Begriffsbestimmungen
1.3.3 Aufschlusselung der Medikamentengruppen
1.3.4 Phasen und Typen
1.3.5 Medikamentenwirkungen
1.3.6 Medikamentenverbrauch
1.3.7 Medikamentenabbau
1.3.8 Der Preis (Gesundheitliche Schaden)
1.3.9 Ursachen /fordernde Umstande (Atiologie)
1.4 MEHRFACH-SUCHTE (POLYTOXIKOMANIE)
1.4.1 Allgemeines / Definitionen
1.4.2 Das Interview
1.4.3 Bemerkungen zum Interview

2. SUCHT UND GESELLSCHAFT
2.1 DER ZUSTAND DER GESELLSCHAFT: ANSICHTEN BESCHREIBUNGEN MEINUNGEN
2.2 ZAHLEN UND UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE
2.3 LEISTUNG UND KONSUM: DIE “EDLEREN” FORMEN
2.4 ,,KLIMATISCHE“ BEDINGUNGEN IN DER GESELLSCHAFT
2.5 DIE GESELLSCHAFT: EIGENSCHAFTEN, EIGENARTEN
2.6 ZWISCHENBILANZ
2.7 WEM NUTZEN SUCHTMITTEL ?
2.8 WERTE, NORMEN, SOZIALISATION: TRADIERUNG VON SUCHT

3. EXKURS: DIE ROLLE DER MEDIEN
3.1 DIE ROLLE DER MEDIEN
3.2 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN.
3.3 EIN TAG IM LEBEN DES DIETMAR MICHEL
3.4MEDIEN: INHALTE
3.5 MEDIEN UND SUCHT AM BEISPIEL ALKOHOL
3.6 MEDIEN ALS VORBILD
3.7 ALKOHOLWERBUNG IN ILLUSTRIERTEN
3.7.1 Die Untersuchung: Alkohol in Illustrierten
3.7.2 BEMERKUNGEN ZUR UNTERSUCHUNG

4. THERAPIE
4.1 THERAPIE
4.2 THERAPIE AM BEISPIEL ALKOHOL-/MEDIKAMENTE:
4.3 THERAPIE: "INNERE STATIONEN"
4.4 „AufiERE“ THERAPEUTISCHE STATIONEN (EINRICHTUNGEN)
4.5 MEDIKAMENTOSE BEHANDLUNG DES ALKOHOLISMUS
4.6 PRAVENTION
4.7 ALTERNATIVEN UND ERGANZUNGEN
4.8 THERAPIE: PERSONLICHES (EXKURS)
4.8.1 E.U.-G.A.M.E.

5. SOZIALARBEIT
5.1 SUCHT, THERAPIE, SOZIALARBEIT: BEZUGE
5.2 ANREGUNGEN, ERGANZUNGEN UND DEREN UMSETZUNG
5.3 GRUNDEFUR BISHERIGE UNTERLASSUNGEN

NACHWORT

ANMERKUNGS- / LITERATURVERZEICHNIS

ZITATE

,,Ich miBbillige das moderne erkunstelte Leben des Sinnesgenusses weil ich weiB, daB wir ohne vernunftige Besinnung auf die Einfachheit rettungslos in einen Zustand absturzen mussen, der noch unter dem des wilden Tieres liegt." (1)

Mahatma Gandhi

,,Zum Hochsten ist gelangt, wer da weiB, woruber er sich freut, wer sein Gluck nicht fremder Macht unterwirft." (2)

Seneca

,,Wir haben die Fahigkeit und die Energie verloren, aus unseren eigenen Handlungen zu lernen. Wir aber -nicht die Gesellschaft und schon gar nicht die Politiker- sind letztlich verantwortlich fur unsere Handlungen und auch dafur, aus ihnen zu lernen. Und bei einem solchen Lernen entdecken wir unendlich viel . . ," (3)

Jiddu Krishnamurti

,,Meine Bruder, sucht Rat beieinander, denn darin liegt der Weg aus Irrtum und einsichtiger Reue. Die Weisheit vieler ist ein Schild gegen Tyrannei. Wer keinen Rat sucht, ist ein Narr. Seine Torheit macht ihn der Wahrheit gegenuber blind, bose und widerspenstig, und er wird zu einer Gefahr fur seine Gefahrten." (4)

Khalil Gibran

,,Wenn )Glucklichsein( uberhaupt eine Bedeutung hat, dann doch wohl die, daB man ein Gefuhl des Wohlbefindens, der Ausgeglichen- heit, der Ubereinstimmung mit dem Leben hat. Das hat man aber nur, wenn man sich frei fuhlt." (5)

A.S. Neill

Vorwort

“Die Gesellschaft ist an allem schuld !“, ,,Und naturlich die Erziehung!“

DaB dies so nicht stimmt ist offensichtlich. Durchaus bin ich fur mich und mein Verhalten verantwortlich. Insbesondere wenn ich ein bestimmtes Verhalten bei mir als selbstschadigend erkannt habe. Kann ich dieses Verhalten nicht sofort und ohne weiteres ,,abstellen" so trage ich doch wenigstens die Verantwortung dafur, mir entsprechende Hilfen zu verschaffen!

Manches Mal ist es nicht einfach zu erkennen, daB ein bestimmtes Verhalten schadlich ist. Oft auch ist die Hilfe die ich finde zunachst eben nicht ,,entsprechend". Ganz besonders gilt dieses sicher im Suchtbereich. Ein Anliegen, welches ich bei der Themenwahl hatte, war, hier Verbesserungen vorzuschlagen, Eine weitere Absicht bestand darin, weniger bekannte Fakten aus dem Suchtbereich moglichst verstandlich darzustellen

Besonders wichtig war mir, bisher vernachlassigte Faktoren, die Sucht erzeugen und begunstigen, darzustellen - und hieraus praktische Folgerungen und Forderungen abzuleiten, Der letzte Grund ist meine eigene Betroffenheit. Eine Beschaftigung mit dem Thema ist eine Beschaftigung mit mir selbst. Ich lerne hierdurch. Und das tut gut! Alle folgenden Angaben beziehen sich -falls nicht anders angegeben- auf die BRD, bzw. auf Deutschland. Eine Ubertragung auf den gesamten westlichen Kulturkreis liegt aber oft nahe. Selbst andere Kulturen konnen ggf. mit angesprochen sein, so sie zwar noch nicht ganzlich ,,verwestlicht" sind, eine Orientierung an westlichen Normen und Werten aber anstreben. Naheres geht aber aus den jeweiligen Textstellen hervor. Schwierigkeiten hatte ich anfangs mit der (geschlechtsneutralen) Schreibweise. ublicherweise tendiere ich dazu ,,man/frau" und ,,LeserInnen" zu schreiben. Ich habe dies hier nicht getan. Zwar maBe ich mir nicht an zu entscheiden, ob die o.a. Schreibweise den LesefluB des Lesers stort. Sie stort aber - insbesondere bei einer langeren Arbeit- meinen SchreibfluB! Lange uberlegte ich alles grundsatzlich in der weiblichen Form auszudrucken. Hiervon kam ich aus einem, hoffentlich verstandlichen, Grund wieder ab: ich schreibe hier nicht nur uber ein Thema, ich schreibe auch uber mich. Und ich bin nun einmal mannlich (was immer dies auch heiBen mag).

(Burkhard Tomm)

Einleitung

Sucht hat viele Gesichter. Die Sucht nach Drogen, Alkohol und Medikamenten ist nur eines dieser Gesichter. Es ist eines das wir - wenn auch ungern- kennen, Andere haben wir erfolgreicher verdrangt, wollen sie nicht sehen, nicht kennen. Und doch sind sie da, ja beherrschen einen GroBteil von uns. Und doch haben alle diese Gesichter etwas miteinander zu tun. Der ,,offiziell Suchtige" ist kein Exot, kein Fremder, Fremde mogen wir nicht, sie sind anders als wir, irgendwie bedrohlich. Doch es ist jetzt an der Zeit sich zu stellen, zu sehen, was Sucht wirklich ist, weiche Anteile von uns suchtig sind, viel suchtiger vielleicht als der ,,besoffene Penner" auf der Parkbank, Es soll hier aber nicht darum gehen, Verstandnis bei ,,weltoffenen Therapeuten" zu wecken etwa nach dem Motto: ,,Ja, ja wir haben ja alle unsere suchtigen Anteile, so schlimm ist es also doch gar nicht, suchtkrank zu sein” Nein, darum geht es nicht ! Vielmehr geht es um nicht weniger, als klarzumachen, daB die Mehrheit der Bevolkerung suchtkrank ist ! Suchtkrank -naturlich- in einer besonderen Definition. Anders ausgedruckt lieBe sich auch sagen, daB die Gesellschaft als Ganzes ein Suchtkranker ist (wenn man bereit ist diese sinnbildliche Darstellung hinzunehmen, Um es klar auszudrucken:

Die Gesellschaft, bzw. der groBte Teil der Bevolkerung ist suchtig. Suchtig nach Konsumgutern, Waren, materiellen Dingen. Und er ist suchtig nach Leistung. In der Verkoppelung dieser beiden Eigenschaften ist er suchtig danach, Leistung zu konsumieren, zu ver- brauchen. Genauer und ausfuhrlicher ausgedruckt heiBt dies folgendes:

Der Einzelne glaubt ernsthaft durch den Ver-brauch von Dingen seine Bedurfnisse zu befriedigen und sich die Gefuhle zu verschaffen die er braucht. Weiter gibt es genugend Anzeichen fur die fortschreitende suchtige Entartung dieser an sich schon unzutreffenden Einstellung.

Praktische Beispiele gibt es hier genug, etwa im Umweltbereich: zugunsten der sofortigen Befriedigung von "Komfortbedurfnissen”, werden lang- und mittelfristige Schaden der Umwelt in Kauf genommen. Tschernobyl, Ozonloch, Treibhauseffekt und anderes sind hier nur die Spitze des Eisbergs. Die Erde wird VERbraucht - nur: wenn sie nicht mehr ist wie sie war, werden auch WIR nicht mehr sein. Das weiB jeder. Doch wir machen weiter, immer weiter.... ,,Mangelnder Zeithorizont", ,,Unfahigkeit zum Bedurfnisaufschub", ,,UnmaBigkeit", ,,Unfahigkeit Belastungen und Probleme zu ertragen", und ,,Realitatsverlust": dies alles Stichworte aus dem ,,Katalog" typischer Personlichkeitsmerkmale von Suchtkranken. Und das stimmt ja auch Soviel zunachst zum Gesichtspunkt des Ver-brauchens.

In Bezug auf ,,Leistung" verhalt es sich ahnlich. Der Wert eines Menschen wird daran gemessen, was er leistet- viel schlimmer noch: Uberwiegend messen Menschen ihren eigenen Wert daran was sie leisten.

Ob der Einzelne diese Leistung nun fur sich selbst oder Andere erbringt, ist hier zunachst einmal zweitrangig. Erbringt er sie fur sich selbst, mogen oft Statusbedurfnisse hinter dieser Handlungsweise stehen. Dies heiBt, dieser Mensch mochte etwas gelten, mochte Ansehen bei Anderen haben. Ob dies nun durch einen angesehenen Titel, ein hohes Einkommen oder andere Dinge geschieht ist naturlich von Fall zu Fall verschieden, Hiervon unterschieden werden kann die Erbringung von Leistung fur andere Menschen. Es ist dies eine verfeinerte Art des Leistungsprinzips: man ,,opfert sich auf', ,,inve- stiert in jemanden" und dergleichen mehr, Schon die Sprache mutet hier eigentlich unmenschlich an, ,,investieren" das beste Beispiel: ,,investieren" kann ich in ein Geschaft - nicht in einen Menschen,! Berufskrankheiten von im sozialen Bereich Tatigen, wie das sogenannte ,,Helfersyndrom" gehoren hierher. Auch eine Krankheit die oft nahestehende Personen von Abhangigen entwickeln, die sogenannte ,,Co-abhangigkeit" hat einen starken Bezug zum Leistungsprinzip. ,,Dir werd! ich helfen - ich weiB was gut fur Dich ist!" Geht es bei diesen und ahnlichen Einstellungen wirklich um Hilfe?

Die abschlieBende Bemerkung zum Bereich ,,auch Leistung wird konsumiert / ver-braucht", ergibt sich fast von selbst: nur allzugern nehmen Suchtige (egal wie weit man diesen Begriff faBt) die Opfer anderer an! Enthebt dies doch eigener Verantwortung und vor allem mindert es doch den Druck sich (endlich) zu andern'

Die dargestellten Prinzipien sind Grundlagen und Regeln der Gesellschaft, in der der Alkoholabhangige, der Medikamentenabhangige und andere Abhangige leben. Auch Abhangige die sich (endlich) auf den Weg machen zu einer Abstinenz, nein: einer zufriedenen ( ) Abstinenz, leben in dieser Gesellschaft. DaB die geschilderten gesellschaftlichen Zustande die Entstehung von ,,echten" Suchtkrankheiten (wie Alkoholismus) begunstigen und den GesundungsprozeB erschweren, liegt eigentlich auf der Hand Es wird hier noch einen Schritt weitergegangen und behauptet, daB diese Gesellschaftsstruktur die Entstehung von Suchtkrankheiten nicht nur begunstigt, sondern diese zwangslaufig hervorbringt! Denn der Suchtkranke ist genau wie der Durchschnittsburger - und nur in einem Punkt ist er ein wenig konsequenter!

Die bisher aufgestellten Behauptungen sollen im Folgenden belegt und illustriert werden. Dies nicht allein, um diese Zustande zu kritisieren, sondern vor allem um Verstandnis zu wecken. Verstandnis fur die Entstehung von Suchten und Verstandnis fur die Schwierigkeiten des Gesundungsprozesses. Neben der exemplarischen Vorstellung der Volksseuchen Alkoholismus und Medikamentenabhangigkeit wird auch die Mehrfachabhangigkeit (Polytoxikomanie) erwahnt werden. Insbesondere sollen in diesem Zusammenhang auch eher weniger bekannte Tatsachen uber die jeweiligen Krankheiten aufgefuhrt werden.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die nahere Betrachtung der bereits erwahnten gesellschaftlichen Zustande, die Sucht begunstigen.

Der Begriff ,,Sucht" wird hier auf Grund seiner groBeren Ehrlichkeit verwand. Eigentlich ist er nicht mehr ganz korrekt, die WHO ersetzte ihn durch den freundlicheren Begriff der ,,Drogenabhangigkeit". ,,Sucht" - dieser Begriff klingt nach Suchen , ,,auf dem Weg zu etwas sein", auch nach ,,Sehnsucht" -in Wirklichkeit entstammt er dem Wortstamm “siechen, krank sein"! Sucht soll in Bezug zur Erziehung und zu den Massenmedien gesetzt werden, mit einem besonderen Augenmerk auf die Ubermittlung von gesellschaftlichen Normen und Werten, die Sucht begunstigen. Das politische Aspekte hierdurch dann ebenfalls einflieBen, ist naheliegend. AnschlieBend wird der Versuch unternommen, Vorschlage zur Verbesserung des Verstandnisses von Therapie zu machen. Um es ganz klar zu sagen: Andere als die hier untersuchten (moglichen) Ursachen fur Sucht werden nicht geleugnet, im Gegenteil, sie werden ebenfalls Erwahnung finden!

Doch ist es mit Sicherheit an der Zeit, auch Faktoren aus dem (weiteren) Umfeld von Betroffenen mit einzubeziehen! Mit einzubeziehen in das Verstandnis jedes Einzelnen von Sucht und auch mit einzubeziehen in therapeutische Prozesse.

Der Versuch Anregungen dafur zu geben wird hier unternommen.

1. SUCHT

1.1 Sucht- Allgemeines

1.1.1 Definitionen, Typen, usw.

Der Begriff ,, Sucht" ist -wie bereits erwahnt- eigentlich nicht mehr ganz korrekt. Die Weltgesundheitsorganisation ( = World Health Organization, WHO) ersetzte ihn 1964 durch den Begriff

,,Drogen-abhangigkeit". Zu diesem Begriff findet sich folgende Erklarung:

,,Drogenabhangigkeit wird als ubergeordneter Begriff definiert. Er bezeichnet einen Zustand seelischer oder seelischer und korperlicher Abhangigkeit von einer Substanz mit psychoaktiver, bzw. zentralnervoser Wirkung, die zeitweise oder fortgesetzt eingenommen wird." (6)

In Bezug auf den Teilbegriff -abhangigkeit" findet hier naturlich eine Erklarung eines Begriffes durch sich selbst statt. Daher bleibt zur naheren Bestimmung des Begriffs “Abhangigkeit" folgendes nachzutragen:

,,Abhangig ist jemand, der einen sog. )Kontrollverlust( erleidet, D.h. er hat entweder die Kontrolle daruber verloren, wieviel er von einer bestimmte Substanz zu sich nimmt und/oder er hat keine Kontrolle mehr daruber, wie oft er wirksame Mengen einer bestimmten Sub¬stanz zu sich nimmt. Weitere Anzeichen sind die Vorlaufer oder das Vorhandensein korperlicher, seelisch -geistiger und sozialer Schaden. Immer haben die Betroffenen Schwierigkeiten mit dem Aufhoren."(7)

Im Wesentlichen werden heute 7 Typen von Drogenabhangigkeit unterschieden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur dieser Liste bleibt nachzutragen, dab folgende (echte) Sucht- Typen hier keine Aufnahme fanden:

a) Schnuffelstoffe, wie Benzin, Losungsmittel
b) ,,leichtere" Suchte, wie Coffein, Nikotin
c) Prozefigebundene Suchte, wie Spielsucht, Fr-/efisucht

Eine andere Moglichkeit ,,Sucht" zu unterteilen, ist die nach dem Beschaffungsweg des jeweiligen ,,Stoffes", Hier labt sich einteilen in:

- Legal beschaffte Drogen

(z.b. Alkohol im Supermarkt, Fachgeschaft)

- Teils legal / teils illegal beschaffte Drogen

(Z.B. Medikamente (aus der Apotheke, auf Rezept, aber auch durch Tausch und Kauf ,,unter Freunden" und auf dem ,,grauen Markt") ebenso durch Beschaffungskriminalitat, z.b. Einbruche)

- Illegal beschaffte Drogen

(Z.B. Heroin -aber auch Haschisch- beim ,,Dealer" -zu deutsch: Handler)

Naturlich wird bei all diesen (und noch einigen anderen) Unterteilungsversuchen nach typisch ,,westlicher" Art und Weise erst einmal versucht alles ,,hubsch ordentlich" zu sortieren. Dab dies das Aufspuren gemeinsamer Ursachen nicht eben erleichtert ist klar. Aber es ware ja auch ,,noch schoner" wenn etwa der (gesundheitsbewubte?) Tablettenkonsument oder der (genubfahige?) Kognaktrinker in einem Atemzuge mit diesen ,ekeligen Drogenfreaks" genannt wurde...

Wie dem auch sei. Ganz sinnlos sind diese Aufteilungen sicher nicht, Die Einordnung nach Typen (also Kokain-Typ) Morphin -Typ) usw.) ist z.B. In Bezug auf die Entzugserscheinungen wichtig. Diese -und auch die typischen Vergiftungserscheinungen- sind ziemlich gut be- kannt und konnen somit gezielter behandelt werden. Die medizinische Sicht ist hier angesprochen. Wichtig: Innerhalb eines Suchttyps ist der Betroffene automatisch von alien Substanzen abhangig! Beispiel: Ein Alkoholiker ist auch abhangig von Tranquilizern, oder wird es zumindest sehr leicht und sehr schnell!

Die Aufteilung nach dem Beschaffungsweg dagegen kann in therapeutischer Hinsicht interessant werden. Ob jemand Straftaten begehen mubte und / oder sich hoch verschulden, um seinen Stoff zu konsumieren, bzw. zu erwerben: diese Teilbereiche (von vornherein) mit einzubeziehen kann sicherlich von Vorteil sein.

1.1.2Verbreitung (Epidemiologie)

Wahrend einige Sucht-Typen in Deutschland so gut wie keine Verbreitung haben (z.B. Khat-Typ) sind andere als regelrechte ,,Volksseuchen" zu bezeichnen, So wird die Zahl der behandlungsbedurftigen Alkoholkranken in Deutschland von der ,,Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren" (DHS), fur 1991, auf 2 / Millionen geschatzt. (9)

Grond schatzt) fur 1990) die Zahl der Medikamentenabhangigen in der BRD auf 400 000 (10). (Dies eine doch eher niedrige Schatzung !) Von illegalen/ harten Drogen (wie Heroin) sind hingegen ,,nur" einige Zehntausend Menschen abhangig.

Bedenkt man Dunkelziffern und mitbetroffene Angehorige u. a. so ergibt sich ein erschreckendes Bild !

1.2 ALKOHOLISMUS

1.2.1 Begriffsbestimmungen

Zunachst sollen einige wichtige Begriffe erklart, bzw. definiert werden.

Alkohol

Mit ,,Alkohol" ist meist der sog. Ethylalkohol (C2H5OH) gemeint. Alkohol entsteht durch die Garung von Zucker und ist ein Stoffwechselprodukt lebender Mikroorganismen; er kann seit dem 20 Jahrhundert auch kunstlich hergestellt werden. Alkohol ist leichter als Wasser und verdampft bei ca. 78 Grad Celsius. In reiner Form ist Alkohol eine wasserlosliche, farblose, brennend schmeckende Flussigkeit, die mit blauer Farbe verbrennt und auf der Haut kuhlend wirkt. Interessanterweise kommt Alkohol in der Natur hochstens in einer Konzentration von 14 % vor, bei hoherer Konzentration sterben die Organismen, die Alkohol herstellen namlich ab. Das Wort Alkohol" stammt aus der arabischen Sprache und bedeutet ,,das Feinste". Alkohol ist eine Droge und wirkt unmittelbar verandernd auf Funktionen des Zentralnervensystems. Er erzeugt eine Abhangigkeit vom Alkohol-/Barbiturattypus. (11)

Alkoholiker

,,Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der UNG hat 1952 bereits definiert: )Alkoholiker sind exzessive Trinker, deren Abhangigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht hat, daB sie deutlich Storungen und Konflikte in ihrer korperlichen und geistigen Gesundheit, ihren mitmenschlichen Beziehungen, ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen aufweisen; oder sie zeigen Prodrome (Vorlaufer) einer solchen Entwicklung. Daher brauchen sie Behandlung.(" (12)

(Hervorhebung vom Verfasser.)

,,Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil vom 18. Juni 1968 festgestellt: “Trunksucht ist eine Krankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung -PVO.(" (12) Und zwar im Sinne des § 182 der RVO (BSG 28, 114). Nach diesem Urteil ist jede Sucht eine solche Krankheit. Kennzeichen von Sucht ist hier der ,,Verlust der Selbstkontrolle" und das ,,nicht - mehr - aufhoren -konnen". (14)

Es wird fur die Entwicklung der totalen Abhangigkeit, bzw. Sucht (bei Alkohol) ein Zeitraum von bis zu 12-15 Jahren angenommen. (Dies heiBt also vom ersten MiBbrauch an gerechnet.)

Allerdings: Bei Frauen und Jugendlichen ist dieser Zeitraum meist wesentlich kurzer! Auch heiBt dies nicht, daB vorher keine Schadigungen eintreten. Ebenso kann der

Betreffende durchaus schon vorher an den MiBbrauchsfolgen sterben (z.B. durch Unfalle in berauschtem Zustand, Folgeerkrankungen, oder auch an Suizid oder (versehentlichen) Uberdosierungen.) (15)

Korperliche Abhangigkeit

Eine korperliche Abhangigkeit vorn Alkohol auBert sich vor allem in Bezug auf die Entzugserscheinungen. Hier konnen sehr schwerwiegende Erscheinungen auftreten, zum Beispiel Krampfanfalle und ein Delirium tremens.

Psychische (seelisch-geistige) Abhangigkeit

Diese auBert sich beispielsweise in Unruhe, Nervositat, Schlafstorungen und Angst bei Entzug des Alkohols, in der Praxis sind korperliche und seelisch-geistige Entzugserscheinungen nicht unbedingt leicht auseinander zu halten, sie treten naturlich auch oft gemeinsam auf. Es kann aber durchaus eine der beiden Erscheinungsformen stark im Vordergrund stehen. D.h. das ,,Fehlen" des einen oder anderen Entzugsanzeichens bedeutet nicht, daB der Betreffende kein Alkoholiker ist!

Krampfanfalle

,,Krampfanfalle leiten relativ haufig (bis zu 40%) ein Delirium tremens ein und treten meist um den dritten Tag der Entzugsphase auf. Sie sind Ausdruck einer veranderten elektrischen Erregbarkeit des Gehirns in der Entzugssituation, da Alkohol ahnlich wie bestimmte Medikamente gegen Epilepsie wirkt, uberdauern diese Krampfanfalle die Entzugsphase, dann spricht man von Alkohol-Epilepsie.

Delirium tremens

)Delirium tremens( ist die medizinische Bezeichnung fur das nach 3 bis 5 Tagen eventuell auftretende klinische Vollbild der Alkoholentzugserscheinungen, das sich typischerweise durch Schlafstorungen, Handezittern, korperlicher Unruhe) SchweiBausbruche, Angst, optische Sinnestauschungen (“weiBe Mause”) und lebensbedrohliche Herz-Kreislauf - Komplikationen auBert. Die Behandlung erfolgt heute unter intensiv -medizinischen Bedingungen,..." (16) (Hervorhebung vom Verfasser)

Zu den Grundkenntnissen bezuglich der Alkoholkrankheit gehort sicherlich auch die (schon altere) Phasen- und Typenlehre von Jellinek.

Diese Einteilungen wurden in den letzten Jahren verschiedentlich kritisiert. Sie seien ,,nicht mehr aktuell" und zunehmend gabe es ,,Mischtypen" und Abweichungen. Letzteres ist zweifellos richtig. Will man aber -bei allen Nachteilen- die Vorteile einer Einteilung beanspruchen, so gibt es bislang keine annehmbare Alternative zu Jellineks Modellen!

1.2.2 Phasen und Typen

PHASEN

In der Regel verlauft eine Suchterkrankung in mehreren Phasen. Deutlicher gesagt: Die Krankheit verschlimmert sich mit der Zeit und fuhrt sehr haufig -wenn sie nicht zum Stillstand gebracht wird- zum Tode. Bestimmte Verhaltensweisen und Schaden sind hier typisch fur die jeweilige Phase, AuBerst wichtig und unbedingt zu beachten ist hier aber folgendes: Keineswegs muB jede Verhaltensweise, jede Schadigung bei jedem Betroffenen auftreten! Gleiches gilt fur die Abfolge der Anzeichen (Symptome): Diese treten nicht unbedingt ,,wohlgeordnet" auf, also nicht Punkt fur Punkt, Phase nach Phase. Eher wird sich zeigen, daB die Anzeichen der ersten Phase (fast) alle auftreten, die meisten der Zweiten und einige der Dritten (beispielsweise). Dieses zu wissen und zu beachten ist wichtig fur jede Selbst- und Fremddiagnose. Nur allzugern klammert sich der Suchtige (und teilweise auch seine Angehorigen) an jeden ,,Strohhalm": ,,Trifft dieses und jenes auf mich ja gar nicht zu, wieso sollte ich dann einer von diesen ,,Alkis" sein ,, Diese Falle (eine von fast unendlich vielen) gilt es zu umgehen'

Als Anhaltspunkt, um in etwa zu erfahren wo der Einzelne steht, kann die Phasenlehre also durchaus sehr nutzlich sein. Dies bei (Selbst-) Diagnosen (= etwa “Zustandsbeurteilungen") zum Beispiel mittels -ehrlich ausgefullter- Fragebogen.

Die einzelnen Phasen mit ihren jeweiligen Anzeichen sollen nun im Weiteren dargestellt werden, Insgesamt werden drei, bzw. vier unterschiedliche Phasen angenommen.

Es sind dies:

1) Die voralkoholische Phase (auch: Vorphase)

Folgende Merkmale sind hier haufig anzutreffen:

- Gelegentliches Erleichterungstrinken

Dies bedeutet, daB der spatere Alkoholiker den Alkohol in einer ganz bestimmten Absicht benutzt. Spannungen werden von ihm nicht in handelnder Art und Weise ,,angegangen", sondern in konsumierender. Die Grunde hierfur konnen unterschiedlich sein. So kann er es z.B. nie gelernt haben Unangenehmes aktiv zu bewaltigen, oder aber das Trinken ist ganz einfach der (scheinbar) bequemere Weg. (Entspannung auf )Knopfdruck( !)

- Erhohte Alkoholtoleranz

Zunehmend wird nun mehr Alkohol benotigt, um das angestrebte Ziel (Entspanntheit, Lockerheit) zu erreichen. Ebenso wird aber auch (scheinbar) mehr Alkohol ,,vertragen". ,,Vertragen" heiBt hier in Wirklichkeit aber nur, daB gelernt wurde mit dem eigenen alkoholisierten Zustand ,,besser" umzugehen. Die Folge ist, daB

Anderen der angetrunkene Zustand nicht oder kaum auffallt.("Der kann einen )ordentlichen Stiefel( vertragen !“) - Dauerndes Erleichterungstrinken

Das Erleichterungstrinken wird langsam aber sicher zur Gewohnheit. Im Grunde eine sehr verstandliche Entwicklung. Bis jetzt sind keine ernsthaften Schaden aufgetreten, auch die Umwelt reagiert nicht negativ, oft sogar mit einer Art ,,sportlicher" ~ Unbemerkt hat sich auch die geistig - seelische Belastbarkeit verringert. Auch dies eigentlich sehr logisch. Brauche ich keinerlei Spannungen mehr auszuhalten und/oder zu bewaltigen, so komme ich ,,aus der Ubung". Es kommt zu einem anhaltenden und zunehmenden ,,Formtief". Und warum auch nicht: ,,Das nachste Glas ist ja nicht weit!"

Wichtig ist hier, daB meist weder die Umwelt noch der Betroffene dies Verhalten als unnormal ansieht. Ein BewuBtsein dafur, daB der Alkohol hier regelrecht zu einem ganz bestimmten Zweck eingesetzt wird, ist in der Regel (noch) nicht vorhanden!

2) Die Prodromal-Phase

(auch: Anfangsphase, Fruhphase)

Hier treten meist folgende Merkmale auf:

- Heimliches Trinken

Ein unklares Gefuhl, daB doch (etwas) mehr als ublich getrunken wird, kann sich nun einstellen. Dies kann dann dazu fuhren, daB Gelegenheiten gesucht werden auch mal ,,ein ) Schluckchen ( ohne Wissen der Anderen" zu trinken. Wichtig ist hier, daB dieses Merkmal oft auch nicht auftritt. Etwa wenn der Betreffende alleinstehend ist und wenig Kontakte zu anderen Menschen hat. Auch in einer sozialen Umgebung die starkeres Trinken als normal, oder sogar erwunscht ansieht, entfallt die Notwendigkeit heimlich zu trinken,

- Alkoholische Palimpseste

Nun kommt es -nicht immer, aber immer ofter- zu Rauschen mit anschlieBenden Erinnerungslucken (= Palimpseste). ,,Mensch, wie ich da gestern wieder nach Hause gekommen bin -das weiB ich ja )echt( nicht mehr !".

- Haufigeres Denken an Alkohol

Hierzu gehort auch, daB -bewuBt oder unbewusst- ,,vorsorglich" ein paar Glaser getrunken werden, Falls notig wird nun auch darauf geachtet, daB ,,immer genug Vorrat im Hause" ist.

- Gieriges Trinken der ersten Glaser

Dies tritt besonders auf, wenn einige Stunden oder gar Tage nach dem letzten Glas vergangen sind. Manch einer mit ,,feiner Lebensart" schafft es allerdings sehr lange sich in dieser Hinsicht zu beherrschen, Fur ihn der klare Beweis, daB er keinerlei Alkoholprobleme hat

- Schuldgefuhle

Langsam stellt sich jetzt doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen wegen des Trinkens ein. Daher werden nun ,,Grunde" (d.h. Ausreden) fur das Trinken gesucht und ,,gefunden". Oft wird versucht den Alko- holkonsum einzuschranken, was auf Dauer naturlich nicht gelingt. Dies fuhrt naturlich zu einem noch schlechteren Gewissen. Wie man diese innere Anspannung ,,am besten" beheben kann, weiB der Trinkende naturlich: ,,Schutt! Deine Sorgen in ein Glaschen Wein !" (Wie es schon der Rhein-Wein - Sanger Willy Schneider in einem Schlager der 50er Jahre verhieB.)

Einer der typischen Teufelskreise der Sucht beginnt !

- Vermeidung von Anspielungen auf Alkohol

Naturlich werden nun in Gesprachen kritische(!) Anspielungen auf das Trinken moglichst vermieden. Allerdings: wer hier weiterhin bei seinen ,,Trinkkumpanen" prahlt, wieviel er vertragt, sollte nicht meinen dieses Merkmal trafe nicht auf ihn zu !

3) Die kritische Phase

Folgende Anzeichen sind hier sehr oft zu beobachten:

- Kontrollverlust

Wenn auch nur geringe Mengen Alkohol in den Korper gelangen und dies vorn Trinker bemerkt wird, empfindet er ein geradezu korperlich spurbares Verlangen nach mehr Alkohol. Der Trinker muB diesem Verlangen nachgeben und in der Regel fuhrt dies dann zu einem ,,Rausch", also merklicher bis starker Trunkenheit. Der

Kontrollverlust kann also bereits durch eine scheinbar harmlose Menge ausgelost werden. Wichtig ist, daB der Kontrollverlust hier erst dann wirksam wird, wenn der Betreffende schon etwas getrunken hat. Vorher hat der Trinker noch die Kontrolle daruber, ob er uberhaupt etwas trinkt oder nicht.

- ,,Erklarungen" fur das Trinken (,,Alkoholiker-Alibis") Es wird begonnen, daB Trinkverhalten irgendwie zu erklaren. Der Trinker will sich selbst und andere Uberzeugen, daB er triftige Grunde hat zu trinken. Wenn diese Grunde nicht waren, konne er ohne weiteres mit dem Trinken aufhoren, bzw. maBvoll trinken (was naturlich nicht stimmt). Diese Ausreden geben dem Trinker die notige Gewissenserleichterung, um weiter zu trinken!

- Soziale Belastungen/Widerstand gegen Vorhaltungen

Langsam entsteht ein regelrechtes ,,Erklarungssystem", welches sich auch auf andere Lebensbereiche ausdehnt. Es hilft dem Trinker Vorhaltungen seiner Mitmenschen zu widerstehen. Sein Verhalten wird namlich nun doch zunehmend kritisch gesehen, Menschen seiner Umgebung beginnen zu mahnen und zu warnen. Bald geht er diesen

Menschen mehr und mehr aus dem Wege, trinkt mehr zu Hause oder in unbekannter Umgebung. Das Erklarungssystem soil alle Vorhaltungen als unberechtigt hinstellen.

- Ubertriebene auBerliche Selbstsicherheit

Trotz diese Erklarungsversuche verliert der Trinker deutlich an Selbstachtung. Haufig wird nun versucht dies durch uberbetonte ,, Selbstsicherheit" nach auBen ,,auszugleichen". GroBspurigkeit und verschwenderisches Gehabe sollen ihm und anderen zeigen, daB es doch gar nicht so schlecht um ihn steht.

Mancher wird auch zum ,,Einzelkampfer", ,,Steppenwolf", oder ,,Philosoph", der deutlich zeigt, daB er niemanden braucht und daB er ,,die Herde" verachtet.

- Aggressives Benehmen

Es gehort zum Erklarungssystem, die Schuld am Trinken nicht sich selbst, sondern irgendjemand anderem zu geben. Das kann zu aggressivem Verhalten und zur Abkehr von allen Mitmenschen fuhren, bis hin zur Vereinsamung.

- Anhaltendes Schuldgefuhl

Die feindselige Haltung gegenuber der Umwelt laBt erneut Schuldgefuhle entstehen. Wahrend Gewissensbisse wegen des Trinkens am Anfang nur ab und zu auftraten, entsteht jetzt eine dauernde Zerknirschung mit groBen Zweifeln am Selbstwert, Diese zusatzliche Belastung ist nun naturlich ein weiterer AnlaB zum Trinken und zur Aufgabe etwaiger MaBigungsversuche.

- Zeiten volliger Enthaltsamkeit

Auf Druck seiner Umgebung und eigener Einsicht versucht der Trinker nun meist, zeitweise ohne Alkohol zu leben. In diesen Zeiten fuhlt er sich jedoch keineswegs wohl. Auf Dauer gelingen diese Ver- suche denn auch nicht. Je ofter dies miBlingt, desto verzweifelter oder resignierter wird er, denn er weiB nicht, was er falsch macht. Mancher glaubt nun, daB er ,,halt labil sei". Damit stempelt er sich selbst als schwach ab und hat damit wieder einen Grund gefunden, ernsthafte Versuche abstinent zu leben, gar nicht erst zu machen.

Oft allerdings werden auch die ohne Alkohol verbrachten Zeiten noch als ,,Beweis" herangezogen, daB man ja doch kein ,,richtiger" Alkoholiker sei.

- Anderung des Trinksystems

Das Scheitern der Abstinenzversuche laBt ihn andere Moglichkeiten ausprobieren, das Trinken -und damit seine Schwierigkeiten- unter Kontrolle zu bekommen. Er stellt Regeln auf, z.B.: Ich trinke nicht vor einer bestimmten Uhrzeit", ,,Ich trinke nur an bestimmten Orten", ,,Ich trinke nur Bier, keinen Schnaps", ,,Ich trinke nur so und so viel" und so fort. All dies sind Selbstkontrolltechniken", die in diesem Stadium des Alkoholismus nicht mehr zum Erfolg fuhren.

- Fallenlassen von Freunden/Feindseligkeiten

Oft sind es auch andere, die zu seinen Ruckfallen beitragen, in dem Glauben ,,dieses eine Glaschen" konne doch nichts schaden. Auch dies verstarkt die feindselige Haltung gegenuber der Umgebung; er beginnt, sich von fruheren Freunden abzuwenden.

- Einengung des Verhaltens auf Alkohol

Das Denken und Handeln kreist nun zunehmend um den Alkohol. Der Trinker beginnt nun eher zu uberlegen, wie seine Arbeit sein Trinken storen konnte, statt zu bedenken, wie das Trinken seine Arbeit stort.

- Arbeitsplatzverlust

,,Krankfeiern" und Zuspatkommen nehmen nun zu. Er verliert den Arbeitsplatz. Oftmals kundigt der Betroffene aber selbst, um einer Entlassung zuvorzukommen.

- Verlust an auBeren Interessen

Hobbys, Vereine und ahnliche Interessen verlieren auffallend an Bedeutung. Mancher vernachlassigt auch das eigene AuBere.

- Veranderte Auslegung zwischenmenschlicher Beziehungen

Der Verlust an Interessen erstreckt sich auch auf andere Menschen. Auf die Meinung anderer wird kein Wert mehr gelegt: ,,Die kummern sich ja auch nicht um mich

- In Verbindung damit steht starkes Selbstmitleid

- Gedankliche/tatsachliche Ortsflucht

Da er sich selbst anscheinend nicht andern kann, andert der Trinker den Ort seiner Umgebung. Er sucht also andere ,,Freunde (?), zieht evtl. um, geht auf Reisen, etc, ist er hierzu schon nicht mehr fahig, traumt er zumindest davon (,,Fernweh").

- Anderungen im Familienleben

Ehepartner und andere Verwandte von dem Trinker zuruck, oder sie ganz von dem Trinker zu losen, ziehen sich nun oft versuchen sogar sich

- Unwille

Alle diese Entwicklungen fuhren zu Unwilligkeit und launischem Verhalten.

- Sichern des Alkoholvorrats

Die Angst plotzlich ,,ohne einen Tropfen" dazustehen, veranlassen den Trinker, sich seinen Vorrat zu sichern, zum Beispiel werden Flaschen versteckt oder einfallsreiche Tauschungsmanover erprobt. Oft werden sogar Getranke an den ungewohnlichsten Orten versteckt, obwohl dies eigentlich vollig unnotig ware.

- Vernachlassigung der Ernahrung

Das Trinken stillt auch Hungergefuhle. Zusatzlich fuhrt der allgemeine Interessensverlust zur Vernachlassigung einer angemessenen Ernahrung. Hierdurch wird die Alkoholwirkung auf den Korper naturlich wiederum verstarkt.

- Erste korperlich Erkrankungen

Es zeigen sich korperliche Folgen des AlkoholmiBbrauches, die teilweise auch zu Krankenhausaufenthalten fuhren.

- Abnahme des Sexualtriebs

Interessensverflachung und der seelisch/geistige Zustand fuhren zu Impotenz" und mindern das sexuelle korperliche und zur ,,alkoholischen Verlangen.

- Alkoholische Eifersucht

Eigentlich verstandliches, ablehnendes Verhalten des Partners (z.B. bei Annaherungsversuche in betrunkenem Zustand) werden mit vermuteten "Nebenbuhlern" erklart. (,,Ah, Du hast wohl 'nen Anderen!"). Der ,,alkoholische Eifersuchtswahn" entwickelt sich.

- Morgendliches Trinken

Bis jetzt war ausgesprochene Trunkenheit zumeist auf den spaten Nachmittag oder den Abend beschrankt. Bald kann nun aber der Trinker keinen neuen Tag mehr beginnen, ohne sich gleich nach dem Aufstehen mit ein paar Schlucken in einen normalen Zustand zu bringen.

4) Die chronische Phase

Haufige Merkmale sind hier:

- Verlangerte/tagelange Rausche

Die vollige Einengung auf den Alkohol und das durch morgendliches Trinken geforderte Bedurfnis nach Alkohol lassen den Widerstand des Alkoholikers nun zusammenbrechen: erstmalig findet er sich mitten am Tag oder mitten in der Woche vollig betrunken, in diesem Zustand bleibt er dann mehrere Tage, bis er unfahig ist, noch irgendetwas zu unternehmen. Dies wiederholt sich jetzt haufiger.

- Ethischer Abbau

Den tagelangen Rauschzustanden folgt die Aufgabe der fruheren moralisch - ethischen MaBstabe. Werte und Prinzipien werden umgestoBen, Mogliche Beispiele sind etwa: ,,Ich luge nicht, ich stehle nicht, ich will nicht angetrunken autofahren, ich prugele mich nicht!" Diese und/oder andere vorher bejahte Regeln werden nun nicht mehr eingehalten, bzw. konnen nicht mehr eingehalten werden,

- Denkstorungen

Die giftige Wirkung des Alkohols auBert sich in einer Schadigung des Denkvermogens, die jetzt nur noch durch lange Abstinenz ruckgangig gemacht werden kann.

- Alkoholische Geisteskrankheiten

Allmahlich konnen nun starkere alkoholbedingte Geisteskrankheiten auftreten, Bei ca. 10% der Alkoholiker treten echte Alkoholpsychosen auf. Sie kundigen sich an durch starke Gefuhlsschwankungen, Storungen des Gedachtnisses und der Merkfahigkeit, eine allgemeine Verlangsamung der Bewegung und des Denkens und durch Auffassungs- und Aufmerksamkeitsstorungen. Die gesamte geistige Leistungsfahigkeit ist vermindert,

- Trinken in anderen Kreisen

Ehemalige WertmaBstabe haben ihre Gultigkeit verloren, Selbstkritik ,,findet nicht mehr statt". Neue, fruher unbekannte Verhaltensweisen treten auf, z.B. Lugen, Stehlen, Bekanntschaften mit Menschen, denen es ahnlich schlecht geht wie dem Trinker, usw. Dies geht bis hin zu einem regelrechten Einfugen in eine neue, sozial schwache und schlechtere Umgebung,

- Wegfall der Alkoholvertraglichkeit

Viele Abhangige konnen jetzt allgemein weniger vertragen, Bereits nach wenigen Glasern stellt sich eine starke Trunkenheit ein, Allerdings andert sich dadurch die Menge die jeweils getrunken wird nicht!

- Unbestimmte Angste

Angste ohne erkennbare Ursache konnen jetzt zur Dauererscheinung werden, Teils sind sie geistig -seelisch bedingt, etwa im Zusammenhang mit Eifersuchts- und Verfolgungsideen, teils korperlich bedingt durch die fortschreitende Schadigung des Zentralnervensystems. Derartige Zustande treten besonders zu Beginn freiwilliger oder erzwungener Zeiten der Abstinenz auf,

- Zittern und psychomotorische Storungen

Zu den Angsten kommen nun morgendliches Zittern und groBe Unsicherheit in der Steuerung einfacher Bewegungen als dauernde Entzugserscheinung hinzu, sobald der Alkoholspiegel sinkt, Der Trinker kann selbst einfache Handlungen -z.B. Schnursenkel binden- nicht mehr ohne einen Schluck Alkohol ausfuhren,

- Das Trinken wird zum Zwang

Der Suchtige bekampft jetzt die Anzeichen des Trinkens - eigentlich die Entzugserscheinungen - mit erneutem Trinken. Durch diesen Teufelskreis wird das Trinken zum Zwang, zur ,,Besessenheit".

- Unklare religiose Wunsche

Die Versuche den Alkoholkonsum vernunftgemaB zu begrunden lassen langsam nach. Als Flucht aus der Wirklichkeit entwickeln sich bei vielen Trinkern nun religiose Wahnvorstellungen,

- Das Erklarungssystem versagt

Das zwanghafte Trinken und die tagelangen Exzesse machen es unmoglich das Scheingebaude vernunftiger Erklarungen noch langer aufrechtzuerhalten, Das Erklarungssystem bricht angesichts der nicht mehr zu leugnenden Realitat zusammen, Der Alkoholiker muB erkennen, daB er am Ende ist,

- Zusammenbruch

Meist folgt nun der totale Zusammenbruch, Selbstmorde (bzw. - versuche) sind in diesen Zeiten schwerster Niedergeschlagenheit nicht selten.

- Alkoholdelirium

Das Delirium tremens tritt recht plotzlich auf, allerdings ,,nur" bei ca. 15 % der chronischen Alkoholiker.

- Tod

Je weiter eine Suchtkrankheit fortschreitet desto groBer ist die Wahrscheinlichkeit, daB der Betreffende daran stirbt, Dies an direkten oder indirekten Folgen der Krankheit, Verschiedene Beispiele bei Alkoholismus sind hier: Tod durch Krankheiten, die durch den Alkoholismus verschlechtert / verschlimmert wurden, durch alkoholbedingte Krankheiten, wie Lebererkrankungen, Tod durch (Verkehrs-) Unfalle in berauschtem Zustand, durch Selbstmord, gelegentlich auch Tod durch direkte Uberdosierung des Alkohols, usw.

TYPEN

Soviel zu den Phasen des Alkoholismus (17). Diese geschilderten Phasen treffen aber ursprunglich und insbesondere auf einen bestimmten Alkoholikertyp zu, namlich den ,,Gamma - Typ". Dieser ist im westlichen Kulturkreis allerdings auch am weitesten verbreitet. Auch auf die ubrigen Typen ist die Phasenlehre ubertragbar, wenn auch gelegentlich mit gewissen Abweichungen. So entfallt beispielsweise beim ,,Delta -Typ" oft das Merkmal sozialen Drucks, Suchtige diesen Typs sind namlich meist nicht auffallig betrunken und oft sehr korrekt.

Die verschiedenen Typen sollen nun aber im Zusammenhang dargestellt werden,

Es sind dies der:

,,Alpha -Typ:

Problem - und Erleichterungstrinker; kein Kontrollverlust; seelische Abhangigkeit, da diese Angstabwehr die Probleme vergroBert

Beta -Typ: Anpassungs - und Gewohnheitstrinker, um

)mitzuhalten( mit den (Trink-) Sitten, an Situationen gekoppelt (Fernsehen, Wochenende, Arbeitswege, Hausarbeit); wenig seelische, aber spater korperliche Abhangigkeit.

Gamma -Typ:

Eigentlicher ProzeB-Trinker mit seelisch - korperlicher Abhangigkeit, Toleranzsteigerung, Kontrollverlust, Abstinentzsymptome- auch wenn Abstinenz-zeiten moglich sind.

Delta -Typ:

Spiegel-Trinker; da uber lange unauffallige, schleichende Gewohnung der Alkohol-Spiegel sich langsam erhoht, bis er gebraucht wird, hat der Betroffene nie das Gefuhl des Kontrollverlustes, und da er sozial uberkorrekt ist, ist er bei dieser rauschlosen Dauerimpragnierung besonders schwer zu motivieren.

Epsilon-Typ:

Periodischer Trinker (fruher Quartalssaufer, ,.); auch diese im Alltag uberkorrekten Menschen brauchen den Ausbruch ins zerstorerische Sozial-Unerlaubte, um uberbemuht sozial erlaubt leben zu konnen; maskiert sich lieber mit Hilfe von Arzten mit der ,,feineren" Diagnose phasischer Depressionen,"(18)

Soweit die verschiedenen Typen. Wie bereits erwahnt, gibt es durchaus Abwandlungen, Insbesondere bei Abhangigen, die noch andere Suchtmittel verwenden, kann das Erscheinungsbild der Krankheit ganz unterschiedlich aussehen

Es ist noch festzustellen, daB Alpha- und Gamma- Typ Gemeinsamkeiten aufweisen, ebenso der Beta- und der Delta - Typ, So findet tatsachlich auch oft eine Entwicklung vom Alpha- zum Gamma- und ebenfalls eine vom Beta- zum Delta -Typ statt! Sicher ware es nicht falsch jeweils den einen Typ als (wahrscheinlichen) Vorlaufer des anderen zu sehen.

Die Unterscheidung zwischen Gamma- und Epsilon - Typ kann in der Praxis evtl. Schwierigkeiten bereiten, dies zumindest in einem eher fruhen Krankheitsstadium. Es sind jedoch -in reiner Form- durchaus unterschiedliche Typen! Verbluffend am Epsilon - Typ ist seine Fahigkeit zeitweise kontrolliert zu trinken. Zur zeitweiligen (unzufriedenen/verzichtenden!) Abstinenz ist anfangs sowohl der Gamma-, als auch der Epsilon - Typ fahig, im Gegensatz zum Gamma - Typ ist aber der Epsilon - Typ oft und lange Zeit fahig auch kleinere Mengen Alkohol zu sich zu nehmen, ohne die Kontrolle zu verlieren. Dies allerdings nur auBerhalb seiner ,,Trinkperiode",

Diese Zeiten exzessiven (=ausschweifenden) Alkoholkonsums konnen aber zu Beginn noch recht weit auseinander liegen, Das bedeutet, der Epsilon - Typ trinkt monatelang nichts) oder wenig, um dann einige Tage ,,durchzusaufen", Trotzdem ist auch der Epsilon -Typ eindeutig krank! Einmal ist diese extreme Alkohol aufnahme -auch in Monatsabstanden- korperlich sehr ungesund. Weiter zeigt sich, daB sich spater die Trinkphasen verlangern und immer haufiger auftreten. Auch zeigt sich durch dieses Verhalten naturlich eine geistig - seelische Storung an, Sowohl in Hinsicht auf den Delta-, als auch in Hinsicht auf den Epsilon - Typ ist hier die Gelegenheit noch einmal folgendes klarzustellen: Der Begriff )Kontrollverlust( wird oftmals nur auf die Menge des Alkohols bezogen. Das bedeutet, es wird nur von Kontrollverlust gesprochen, wenn jemand die Kontrolle uber die Menge des getrunkenen Alkohols verliert, oder, noch anders ausgedruckt: wenn der Betreffende nach den ersten Schlucken weitertrinken muB. Diese Einengung des Begriffes ist nach Ansicht des Verfassers falsch! Richtiger erscheint, den Begriff auch anzuwenden, wenn die Kontrolle uber die Haufigkeit des Trinkens wirksamer Mengen verloren ging !

Viel wurde nun schon uber (krankhaftes) Trinken gesagt. Wie aber wirkt eigentlich der ^Stoff", um den es hier geht? Dies soll jetzt im Uberblick dargestellt werden:

0,2-0,3 Promille:

Warmegefuhl, Nachlassen von Mudigkeit und Mattigkeit. Die hoheren geistigen, moralischen und seelischen Krafte werden beeintrachtigt.

0,3-0,5 Promille:

Selbstzufriedenheit (oder Niedergeschlagenheit), Das Blickfeld (Gesichtsfeld) wird eingeschrankt, Aufmerksamkeit, Konzentration, Selbstkritik und Urteils-fahigkeit lassen nach. Die Leistungsfahigkeit wird eingeschrankt und die eigenen Krafte uberschatzt, insbesondere das Reaktionsvermogen (Auto!),

0,5-0,7 Promille:

Geistig - seelische Entkrampfung und Enthemmung. Das Triebhafte tritt starker hervor,

0,8-1,2 Promille:

GroBere Risikobereitschaft bis hin zum Angstverlust, GroBartigkeitsgefuhl, verminderte Fahigkeit zur Selbstkritik, Kritikvermogen auch allgem ein vermindert, Euphorische Stimmung (Sorglosphase),

1,2-1,5 Promille:

Storung des Gleichgewichtssinns, ungenaue und ungeschickte Bewegungen verzogerte nervliche Reaktionen.

1,6-2,4 Promille:

GroBere Storungen bis zu totalen Ausfallen korperlicher und seelischer Funktionen,

2,5-4,0 Promille:

Vergiftungserscheinungen, Volltrunkenheit, Sinnes- und Orientierungsstorungen bis hin zur Ausschaltung des GroBhirns im narkotischen Schlaf,

4,0-5,0 Promille:

Atemstillstand, fortschreitende Lahmung, unkontrollierte Ausscheidungen, Tod.

Naturlich gibt es hier -in gewissem Rahmen- individuelle Unterschiede. (19)

Weiter stellt sich nun die Frage, wieviel Alkohol -z.B. der Bundesburger - jahrlich verbraucht.

1.2.4 Alkoholverbrauch

Die ,,Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren ( DHS )“ gibt in ihrer ,,Jahresstatistik '90" (Hamm / 1991 / S.7 ) hierzu folgende Zahlen an:

,,Verbrauch alkoholischer ... Getranke pro Kopf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(*) = Bier 4,4 Vol.-%; Wein/Schaumwein 12 Vol.-%;

Spirituosen 38 Vol,-%" (20)

Es sei noch einmal betont: Es handelt sich hierbei um reinen Alkohol, also (rechnerisch) 100,00-prozentigen. Die konsumierten Getranke ergeben demnach, in Liter oder Flaschen ausgedruckt, eine deutlich hohere Zahl.

Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen:

11,8 Liter reinen Alkohols ergeben:

-268,18 Liter Bier -98,33 Liter Wein

-31,05 Liter Spirituosen (Prozentumrechnung wie oben,)

Das sind:

536,36 Flaschen Bier (a 0,5 Liter) oder 140,47 Flaschen Wein (a 0,7 Liter) oder 44,36 Flaschen Spirituosen (a 0,7 Liter)

Soviel also wird jedes Jahr von jedem Burger dieses Landes getrunken, Wohlgemerkt: von Jedem ! Das bedeutet, auch jedes Baby, jedes Kind und auch die vielleicht 5 Prozent Bundesburger die (fast) keinen Alkohol trinken, sind in dieser Statistik enthalten ! in Wirklichkeit ist die durchschnittliche Trinkmenge (von Personen die tatsachlich uberhaupt Alkohol trinken) also noch einmal hoher anzusetzen. Zur Erinnerung: 4 Flaschen Bier a 5%, oder eine Literflasche Wein enthalten ca. 80 Gramm reinen Alkohol! Also eine Menge, die garantiert -bei taglichem ,,GenuB"- Gesundheitsschaden hervorruft und eine besonders deutliche Suchtgefahrdung darstellt.

Soviel Alkohol nimmt also der Bundesburger zu sich,

Wie und wie schnell wird der Alkohol nun aber im menschlichen Korper abgebaut ?

,,Der wesentliche Teil des Alkohols gelangt uber den Dunndarm direkt in den Blutkreislauf. Dieser Vorgang zeigt auf, daB Alkohol nicht verdaut wird! ... Die gesunde Leber baut etwa 1 Gramm Alkohol pro zehn Kilogramm Korpergewicht pro Stunde ab. Trotz aller moglichen )Mittelchen( und Versuche, ist dieses Abbautempo nicht zu beschleunigen!" (21)

Soviel zum Abbau des Alkohols in Gramm. In Bezug auf die Alkoholpromille im Blut ist die Sachlage etwas komplizierter, Die tatsachlichen Promille, die jemand ”hat“, sind namlich von mehreren Umstanden abhangig, Hier spielt nicht nur die Menge des konsumierten Alkohols eine Rolle, sondern auch das Geschlecht, das Korpergewicht, die Trinkgeschwindigkeit, die jeweilige korperliche (und geistig-seelische!) Verfassung, usw.!

Allgemein wird aber davon ausgegangen, daB etwa 4 Glas Bier durchaus schon 0,8 Promille erzeugen konnen (dies als Beispiel).

Pro Stunde werden etwa 0,1 - 0,2 Promille Alkohol im Blut abgebaut, d.h. also durchschnittlich 0,15 Promille! Es laBt sich dies durch KaffeegenuB, korperliche Anstrengung, etc. objektiv nicht beschleunigen! (22)

Hierzu wieder ein Rechenbeispiel:

Hat jemand einen ,,Gehalt" von 1,5 Promille, so dauert es durchschnittlich 10 Stunden bis er wieder vollig nuchtern ist, ein Stand von 0,8 Promille ware hier nach 4 Stunden und 40 Minuten erreicht -durchschnittlich. (Es kann namlich auch wesentlich langer dauern!) Auch bei einer Promillegrenze von 0,8 im StraBenverkehr wurde ubrigens ein Unfallbeteiligter mit z.B. 0,7 Promille durchaus bestraft werden!

Das Vergnugen (?) hat seinen Preis:

(Alle Angaben fur Deutschland im Jahre 1990)

Ausgaben fur Alkoholika

Diese betrugen insgesamt 37,38 Milliarden DM.

Pro Kopf waren dies durchschnittlich 591,-DM

Steuerabgaben fur alkoholische Getranke Diese beliefen sich auf 6550 Millionen DM.

Verkehrsunfalle unter AlkoholeinfluB 32823 Unfalle dieser Art gab es.

Verletzte

44529 Menschen wurden bei diesen Unfallen verletzt.

Tote

1416 Menschen starben dabei. (23)

Sonstiges

Es sind hier weiterhin mit einzubeziehen:

- Kosten die durch in alkoholisiertem Zustand ausgefuhrte Verbrechen entstehen, wie Sachbeschadigungen usw., aber auch die Kosten, die durch die Unterbringung, Bewachung und Verpflegung solcher ,,Rauschtater" entstehen.

- Kosten durch alkoholbedingte Betriebsunfalle.

- Kosten durch die Behandlung Alkoholkranker, wie Entgiftung, Entwohnung (ca. 10000,- DM pro Monat) und andere therapeutische / medizinische Behandlungen.

Von den direkten gesundheitlichen Schaden, die durch langen AlkoholmiBbrauch, bzw. Im Laufe einer Alkoholabhangigkeit entstehen, wird im folgenden ausfuhrlicher die Rede sein. (24) 

Hier nur die wichtigsten Schaden:

IF@Ogi@S)

Hier nur die wichtigsten Schaden:

fifagea- Stftfeimhatii- enizundung

Schadigungen der

Bauchspeichel-

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Graphfc B.Tomm

Einige Schaden werden aus der Graphik ja bereits ersichtlich. Der tagliche (oder fast tagliche) ,,GenuB" von umgerechnet 80 Gramm reinem Alkohol -oder mehr- erzeugt aber noch weitere Schaden.

Dies sind z.B.:

Entzundungen der BlutgefaBe, Arterienverkalkung,

Nierenschrumpfungen, Impotenz, Knochenmarkschaden, funktional eingeschrankte Gelenke, (bei schwangeren Frauen:) Alkoholembryopathie (das sind schwere Schadigungen des ungeborenen Kindes), Fehlgeburten. Weitere Schadigungen sind denkbar. Wann und welche Schaden genau auftreten -dies ist naturlich von Fall zu Fall verschieden.

Einige wichtige Ursachen und Umstande, die Sucht hervorbringen (bzw. fordern), werden spater im Kapitel ,,Sucht und Gesellschaft" naher untersucht.

Andere Faktoren, hier bezuglich des Alkoholismus, sind aber -zum Teil schon seit langerem- recht gut bekannt. Diese sollen jetzt dargestellt werden.

Es lassen sich Faktoren besonders in drei Bereichen erkennen:

- Faktoren welche die jeweilige Droge betreffen (hier also Alkohol)

- Faktoren die den jeweiligen Menschen betreffen

- Faktoren, die sich auf das jeweilige soziale Umfeld beziehen (also die Gemeinschaft aus welcher der Betreffende stammt und in welcher er lebt)

Diese drei Bereiche werden nun etwas anschaulicher betrachtet:

Die Droge

Ein wichtiger Begriff ist hier das sog. “Suchtpotential" Dieser Begriff sagt etwas uber den Wirkungsgrad einer Droge aus, bzw. uber die Starke der abhangigkeitserzeugenden Wirkung. Bei Heroin ist z.B. das Suchtpotential sehr hoch: fast jeder (der diese Droge ein- oder mehrmals “probiert") wird auch von ihr abhangig. Aber auch bei Alkohol ist dieses Potential keineswegs niedrig. Genau meBbar ist ein Suchtpotential zwar nicht. Auch sprechen einige Schatzungen davon, daB ,,nur” etwa jeder funfzehnte ”Alkoholprobierer” spater abhangig werde. Aber selbst dies ware bei der besonders weiten Verbreitung von Alkohol schon ein sehr hoher Preis. (Die Schatzung erscheint im ubrigen auch als sehr niedrig.) Und auch die Schaden die bei “Nicht - abhangigen durch Drogen wie Alkohol auftreten sind nicht eben harmlos. (25)

Ein weiterer wichtiger Begriff ist hier die Verfugbarkeit einer Droge. Dazu ist zu sagen, daB die Droge Alkohol in Deutschland legal, rezeptfrei und auBerst weit verbreitet ist. Weiterhin besteht auch keine nennenswerte gesellschaftliche Achtung dieses Rauschmittels. Mithin ideale Bedingungen fur Sucht

Weitere Begriffe, die Droge an sich betreffend, lieBen sich anfuhren. Etwa die ,,chemische Struktur und Abbauwege”, ,,physiologische Wirkung", ,,Art der Einverleibung" oder ,,Toleranzphanomen” und weitere. Die zuerst naher erlauterten Begriffe sind aber sicherlich die bedeutsamsten. Der Vollstandigkeit halber soll nur noch erwahnt werden, daB Alkohol vom Drogentyp her -naturlich- zum ,,Alkohol- /Barbiturattyp" gehort. (26)

Der Mensch

Hier laBt sich gleich eine ganze Reihe verschiedener suchtmachender und -stutzender (moglicher) Faktoren finden.

Beispiele:

- besondere lebensgeschichtliche Faktoren, wie Lebens- und Sinnkrisen, Tod des Partners, „midlife- crisis“, Trennungen, etc.
- geistig-seelische (psychische) Erkrankungen, wie Neurosen, Psychosen, u.a.
- geistig-seelische Schwachen, z.B. eine sogenannte „geringe Frustrationstoleranz“ (d.h. die Fahigkeit Enttauschungen und Niederlagen zu verkraften ist schwach ausgepragt). Auch sind viele Menschen nicht (mehr) in der Lage ihre eigenen Gefuhle angemessen wahrzunehmen und zu auBern. Dies ist ebenfalls ein Faktor der sehr anfallig fur Suchte macht! (Gemeint sind ubrigens sowohl gute als auch ,,schlechte" Gefuhle !)

- korperliche Anfalligkeit gegenuber Alkoholismus.

Das bedeutet der Betreffende hat eine diesbezuglich schwache Konstitution und / oder Kondition. “Konstitution” meint hier die Gesamtverfassung und Widerstandskraft, “Kondition” die derzeitige korperliche Verfassung und Leistungsfahigkeit.

- Lebensalter

Hier laBt sich z.B. das Jugendalter anfuhren. Der Wunsch ,,erwachsen" zu sein (bzw. zu wirken), kann zu erhohtem Alkoholkonsum und damit zur Suchtgefahrdung beitragen. Bei mannlichen Jugendlichen tritt oft noch ein falsch verstandener Begriff von ,,Mannlichkeit" hinzu.

Auch das Alter ist aber ein diesbezuglich gefahrdeter Lebensabschnitt. Vereinsamung, Hilflosigkeit, Unzufriedenheit mit dem gefuhrten Leben, usw. konnen sicher Sucht begunstigen, (Diese Sichtweise wird ubrigens oft vernachlassigt. Warum eigentlich, ,,Lohnt" sich's da nicht mehr?)

- Falsche/tauschende Lernerfahrungen des Einzelnen in Bezug auf Alkoholkonsum. Hier gibt es naturlich wieder eine ganze Menge verschiedener moglicher Lernprozesse und Erfahrungen, Dazu einige Beispiele:

Es lassen sich hier grundsatzlich drei Bereiche unterscheiden, in denen derartige falsche Erfahrungen gemacht werden.

Der erste Bereich ist der positive, gute. Dies soll bedeuten, daB auf Grund des Alkoholkonsums etwas angenehmes erwartet wird und (scheinbar) auch eintritt. Beispiele hierfur waren die Steigerung einer romantischen Stimmung, die Verbesserung des Geschmacks beim Speisen) die Vertiefung des Empfindens beim horen von Musik, usw. Die angenehme Stimmung, bzw. Stimmungssteigerung wird (bewuBt oder unbewuBt) in Verbindung mit dem Alkoholkonsum gebracht,

Auf AlkoholgenuB folgen angenehme Gefuhle! Dies ist es, was gelernt wird. Angenehmes wiederholt man gern. Am besten so oft wie nur moglich, Ubersehen wird hierbei naturlich, daB diese Stimmungen einen entscheidenden Nachteil haben: Sie sind nicht echt! Vielmehr sind sie von auBen, durch eine chemische Substanz hervorgerufen. Nicht ,,Herbert Meier" schwelgt in romantischen Gefuhlen, sondern ,,Herbert Alkohol". Ein weiterer Nachteil scheint schwerwiegender: Durch diese bequeme, billige Losung angenehme Gefuhle durch Alkoholkonsum zu steigern, fallen andere Ansatze von vornherein weg! Der Einzelne wird also zunehmend unfahiger seine Gefuhle auf naturliche, aktive Art und Weise auszuloten. Wozu sollte man sich denn auch noch in neue, unbekannte Situationen begeben, warum sollte man mit Muhe und Geduld Wege und Umstande ausprobieren, um die eigene Erlebnisfahigkeit zu steigern? Das alles gibt es doch zu kaufen - im nachsten Spirituosengeschaft! Der zweite Bereich betrifft unangenehmes, Dieses Unangenehme soll gemildert oder ganz unterdruckt werden. Beispiele lassen sich hier zahlreich finden. Nervositat, Angste, ,,Lampenfieber", Prufungsangst, StreB, Sorgen, usw.: all dies ,,schuttet man in ein Glaschen Wein", bzw. ,,spult es runter". Anlasse finden sich in allen Lebensbereichen, sei es im Berufs- oder Privatleben, bei Partnerschaftsproblemen, im Verein, in der Schule, bei Arger mit der Verwandtschaft, oder sonstwo. Oft wird von wohlmeinender Seite mahnend gesagt: ,,Alkohol lost doch keine Probleme'" Das stimmt nicht! Und gerade das ist ja das Schlimme. Durchaus lost Alkohol Probleme. Zwar nur kurzfristig, fur wenige Stunden (eben beim ,,frohlichen Zechen"), zwar nur scheinbar; zwar ergeben sich wegen des (zuviel) Trinkens bald neue Probleme, aber: Alkohol lost -von dem jeweiligen Menschen aus gesehen- erst einmal seine Probleme, Man kann vergessen, abschalten, an etwas anderes denken, den Wein oder das Bier genieBen. ,,Ein Bier und ein Korn, bringt Dich wieder nach )vorn(~", ,,Hast Du Arger mit den Deinen: trink! Dir einen'" und andere Spruche spiegeln diesen Ablauf wieder, Dies gilt es also zu berucksichtigen~ Die hier eintretende Tauschung wurde ja schon ersichtlich, Die ,,Langzeitwirkung" ist auch hier tragischer und ahnlich wie im Bereich ,, Angenehmes": Auf Dauer geht die Fahigkeit unangenehmes auch mal zu ertragen, oder aber es aktiv anzugehen, mehr und mehr verloren.

Der dritte Bereich schlieBlich stellt die Mischung aus dem ersten und zweiten dar7 wobei naturlich die eine oder andere Seite uberwiegen kann, So erleichtert vorheriger AlkoholgenuB subjektiv sicher die (sexuelle) Annaherung an das andere Geschlecht. Hemmungen werden scheinbar bewaltigt und -im Erfolgsfall- das Erlebnis (bei richtiger Dosierung) gesteigert. Das ,,Mut-antrinken" vor dem entscheidenden Gesprach mit dem Chef, wegen der Gehaltserhohung und ahnliches, lieBen sich hier ebenfalls zuordnen.

Bezuglich der Nachteile eines solchen Vorgehens gilt das bisher bereits gesagte.

Allgemein ist zu diesen ganzen Lernerfahrungen noch folgendes zu bemerken: Die Erziehungslehre (Padagogik) fand im Laufe der Zeit einige sogenannte Lerngesetze heraus, nach denen in der Regel auch das menschliche Lernen ablauft. Eines dieser Gesetze lautet: Wenn auf ein bestimmtes Verhalten unmittelbar etwas angenehmes folgt, wird dieses Verhalten in der Zukunft haufiger auftreten. Und wenn dieses Verhalten in der weiteren Zukunft nur noch ab und zu durch das Angenehme belohnt wird, wird dieses Verhalten sogar noch bestandiger, statt seltener.

Dies ist ein Ansatz zur Erklarung eigentlich unlogisch erscheinender Tatsachen: Selbst wenn bei langerem AlkoholmiBbrauch zunehmend die Nachteile uberwiegen, wird ja nicht damit aufgehort. Die Erklarung hierzu findet sich sicher zum Teil in obigem Lerngesetz.

Mit einer gewissen Brutalitat lieBe sich zu diesem Bereich der Lernvorgange und -gesetze noch weiteres sagen: Der Einzelne behandelt sich selbst durch die willenlose Unterwerfung unter diese Vorgange schlimmer als die armste Laborratte in einem Experimentierkafig. (Denn diese hat -leider- keine Wahl.) DaB dies meist unwissentlich und unbewuBt geschieht, macht die Sache nicht weniger schlimm,

Der Verfasser bezieht sich ubrigens -in Bezug auf die Vergangenheit- in besonders hohem MaBe in diesen Vorwurf ein. (27)

Ein weiterer Faktor, der Sucht erzeugen, bzw. stutzen kann und der den jeweiligen Menschen betrifft, ist seine Erbanlage. Dies meint eine mogliche angeborene Anfalligkeit fur Sucht. Wissenschaftlich kann man hier von einer ,genetischen Pradisposition! sprechen (man kann sich aber auch verstandlich ausdrucken...)

Auch dieser Faktor soll wieder etwas ausfuhrlicher dargestellt werden,

-Erbanlage

Bei einzelnen Menschen des westlichen Kulturkreises, haufiger bei Volkern wie den Indianer und Japanern, findet sich eine Art Allergie gegen Alkohol. Das bedeutet, wenn ein solcher Mensch auch nur relativ geringe Mengen Alkohol trinkt) reagiert sein Korper mit Unwohlsein, Gesichtsrotung und ahnlichen Erscheinungen. (Dies kann man sicherlich auch als eine eigentlich gesunde Reaktion ansehen) immerhin ist Alkohol ein Gift.)

Der hier interessante UmkehrschluB ist der, den einige Wissenschaftler zogen. Die Uberlegungen gingen dahin, daB Alkoholiker ein zuwenig von dieser ,,Allergie" besitzen, so daB schon der Korper eigentlich keine warnenden Hinweise mehr bei zu hohem und zu haufigem Alkoholkonsum geben kann. Interessant war in diesem Zusammenhang, daB vermutet wurde, diese Eigenschaft sei vererblich, Alkoholismus sei also in diesem Sinne angeboren. Belege fur diese Auffassung liegen dem Verfasser aber nicht vor.

Ein ahnlicher Hinweis findet sich bezuglich der Enzyme und Metabolismen des menschlichen Korpers:

,,... nicht alle Menschen (scheinen) in gleichem MaBe dazu zu neigen) alkoholabhangig zu sein. Entscheidend ist wohl die Tatsache, daB die den Alkohol im Organismus abbauenden Enzyme und Metabolisaten von Person zu Person verschieden sind ( „biologische Vulnerability). Bestimmte ADH-Enzyme bei manchen Menschen konnen mehr Alkohol oxydieren als andere bei anderen Menschen. Zudem scheint durch Gewohnheit oder Erschopfung eine Anderung des biologischen Systems moglich zu sein, so dab jemand, der Alkohol bis dahin vertragen hat, nunmehr auf seinen GenuB mit Krankheit reagiert ! (28) Inwieweit diese Eigenschaften dann jeweils vererblich sind) ware hier naturlich noch zu erkunden.

Zum besseren Verstandnis ist wohl auch die Definition einiger Begriffe erforderlich:

,,Enzyme... Gruppe von biologischen Katalysatoren, die die Unzahl der chemischen Reaktionen, die sich im ... menschlichen ... Organismus abspielen, katalysieren, steuern und regeln. Sie bestehen im wesentlichen aus hochmolekularen EiweiBstoffen. Charakteristika der E. sind, daB sie ... von den lebenden Zellen gebildet werden .. . u. daB jedes Enzym nur ganz bestimmte chemische Reaktionen) die sich im Organismus abspielen .. . steuern kann." (29)

Metabolismen, hier: Umwandler, Veranderer.

Vulnerabilitat: Verwundbarkeit / Verletzbarkeit" ( ...)

Oxydieren: etwa = der ProzeB, bei dem sich ein chemischer Stoff mit Sauerstoff verbindet.

Soweit dieser Hinweis, Ganz besonders interessant sind Forschungen aus neuerer Zeit, die sich mit dem sog. ,,A 1-Allel des Dopamin D2 - Rezeptorgens" befassen, Diese und andere Begriffe sind in hohem MaBe wissenschaftlich, trotzdem soll hier versucht werden, diese Forschungsrichtung verstandlich zu machen - eben weil sie besonderes Interesse verdient. Die Wissenschaftler waren auf der Suche nach einem ,,Alkoholismusgen”. (Gene sind Erbanlagen, bzw. Erbfaktoren.) Ein Alkoholismusgen ware demnach ein Gen, welches die Information: ,,Du wirst Alkoholiker werden" von einer Generation auf die andere vererbt. Alkoholiker und Nichtalkoholiker wurden also untersucht, ob sich in ihrem Korper bestimmte Gene befinden -oder eben nicht befinden.

Einer der Forscher, Kenneth Blum, fand nun in den Korpern von 77% der Alkoholiker das besagte ,,A 1-Allel des Dopamin D2 - Rezeptorgens“. Bei Nichtalkoholikern fand er dies hingegen nur in 28% der untersuchten Korper. Dies wurde naturlich fur eine relativ starke Vererbbarkeit des Alkoholismus sprechen.

Bedauerlicherweise (fur K.Blum) bestatigten andere Untersuchungen dieses Ergebnis nicht, so etwa die Untersuchung von David Goldmann, der allerdings -im Gegensatz zu Blum- lebende Alkoholiker und Nichtalkoholiker untersuchte.

Es gibt aber auch noch andere Forschungsansatze, so etwa den von Pickens: ,,Aus einer bisher unveroffentlichten Studie an Zwillingen schloB Pickens vom Sucht-forschungszentrum in Rockville, daB Erbanlagen zu etwa 20 bis 30 Prozent zum Risiko, Alkoholiker zu werden, beitragen - bei bestimmten Untergruppen des Alkoholismus war dieser EinfluB allerdings groBer.“ (319 )

Das Thema ist also alles andere als entschieden.

Es ware jetzt moglich, bei der vorlaufigen Feststellung ,,kann sein - kann nicht sein" stehenzubleiben und zunachst zur ,,Tagesordnung" uberzugehen

Doch wurden bei dieser ,,Genjagd" einige Mechanismen im menschlichen Korper herausgefunden, die -nach Ansicht des Verfassers- einiges zum Verstandnis von Sucht beitragen konnen. Auch konnten diese Ergebnisse in Hinsicht auf die Therapie wichtig werden.

Daher soll dieses Thema noch naher beleuchtet werden, wobei es allerdings notig ist etwas weiter auszuholen. Zunachst ist der Begriff der sog. ,,Endorphine" zu erlautern, welcher im Zusammenhang mit dem A 1-Allel des Dopamin D2 - Rezeptorgens steht. Endorphine lassen sich auch als korpereigene endogene (d.h. von innen, von selbst kommende) Morphine bezeichnen. Das bedeutet nichts anderes, als daB der menschliche Korper eigene morphiumahnliche Stoffe herstellt und diese -bei gegebenem Anlafi- freisetzt. Diese Stoffe bewirken u.a. Euphorie, StreB- und Angstabbau und konnen in hohen Dosen sogar Schmerzen betauben. Einer dieser Stoffe ist z.B. das sog. Beta - Endorphin.

Der Mechanismus dieser Endorphine bildet also sozusagen das ,,Belohnungssystem" des Gehirns und damit des Menschen, ubrigens ware es naturlich ein falscher und fataler FehlschluB, hier anzunehmen ,,es sei doch egal, ob die Stoffe die gute Gefuhle machen, nun von innen oder von auBen kommen:"! (Etwa um damit Heroinkonsum zu rechtfertigen.)

Zur naheren Beschreibung bliebe noch zu erwahnen, daB die Endorphine insbesondere fur die spontanen, kurzfristigen, guten Gefuhle ,,zustandig" sind. Lang anhaltende positive Gefuhle (beispielsweise der Stolz einer bestimmten FuBballmannschaft anzugehoren, u.a.) scheinen anderen Mechanismen zu unterliegen.

Nun aber zuruck zum A 1-Allel des Dopamin D2 -Rezeptorgens. Es wurde gesagt, daB dieses Gen (bzw. Allel) eventuell / zum Teil die Information: ,,Du wirst Alkoholiker werden" weitergibt. Eigentlich ist dies aber eine recht grob vereinfachte Darstellung. Denn diese Information ist nicht etwa in das Gen / Allel ,,einprogrammiert" und wird spater ,,ubermittelt". Vielmehr ist es so, daB dieses Gen bestimmte Eigenschaften hat. Ist nun jemand ,,Trager" des Gens, bewirken diese speziellen Eigenschaften, daB der Betreffende hierdurch besonders gefahrdet sein kann z.B. Alkoholiker zu werden Was sind dies nun aber fur spezielle Eigenschaften? Es sind Eigenschaften, die die Fahigkeiten von Zellen beeinflussen, den Botenstoff Dopamin im Verhalten zur Auspragung kommen zu lassen. Dies klingt wieder kompliziert -und ist es auch. ,,Botenstoff Dopamin": dies meint, daB im Gehirn Informationen von Zellen zu anderen Zellen ubermittelt werden mussen, obwohl diese nicht miteinander verbunden sind. Man kann es sich sinnbildlich so vorstellen, daB kleine Kugelchen (die Informationen enthalten) von der einen Zelle zur anderen ,,hinubergeworfen" werden. Diese ,,Kugelchen" bestehen hier nun aus dem Botenstoff Dopamin. (Wissenschaftlich laBt sich dieses System ubrigens als ,,Neurotrans- mittersystem" bezeichnen.)

[...]


Ende der Leseprobe aus 216 Seiten

Details

Titel
Gesellschaft - Sucht - Sozialarbeit
Hochschule
Fachhochschule Mannheim, Hochschule für Sozialwesen  (Sozialarbeit)
Veranstaltung
Medienpädagogik
Note
1,0
Autor
Jahr
1992
Seiten
216
Katalognummer
V30593
ISBN (eBook)
9783638318143
ISBN (Buch)
9783638703352
Dateigröße
3117 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Leider noch immer aktuell ... Kritik von Lektor Prof. R. R.: Um seine Thesen zu stützen, bietet der Autor eine überaus interessante und bunte Reihe von Kronzeugen auf, ...von Erich Fromm bis hin zum Indianer "Rolling Thunder". In der Tat vermögen die philosophischen sowie gesellschaftspsychologischen Passagen des Manuskripts, die eine starke Affinität zu Fromms "Haben oder Sein" aufweisen, am meisten zu faszinieren..."
Schlagworte
Gesellschaft, Sucht, Sozialarbeit, Medienpädagogik
Arbeit zitieren
Burkhard Tomm-Bub, M.A. (Dipl.-Soz.Arb.-FH-) (Autor:in), 1992, Gesellschaft - Sucht - Sozialarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30593

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