Vorgeschichte und Anfänge des Peleponesischen Krieges bei Thukydides


Seminar Paper, 2000

16 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Kurzer biographischer Abriß

2 Die historische Methode des Thukydides
2.1 Die Wiedergabe der Tatsachen bei Thukydides
2.2 Die Wiedergabe der Reden bei Thukydides
2.3 Die Zuverlässigkeit des Thukydides

3. Einfluß der Sophistik auf Thukydides Geschichtsauffassung des Thukydides

4. Die Kriegsursachen bei Thukydides
4.1 Kurzfristige Ursachen
4.1.1 Kerkyra
4.1.2 Poteidaia
4.1.3 Das Megarische Psephisma
4.2 Langfristige Ursachen

5. Schluß

6. Literatur

1. Einleitung

Nach den Befreiungskriegen gegen die Perser ging eine tiefe Spaltung durch die griechische Welt des fünften Jahrhunderts. Athen und Sparta entwickelten sich zu zwei auch in der Staatsauffassung getrennten Machtblöcke. Es kam in der Folge zu einer neuen Dimension bei bewaffneten Auseinandersetzungen, die schließlich in den Peloponesischen Krieg mündeten.

Thukydides war der Mann der Stunde. Er hat den Krieg in seiner Gesamtheit miterlebt und für die Nachwelt aufgezeichnet. Besonders die Beschreibung seiner Vorgehensweise als Historiker im sogenannten Methodenkapitel (I,20-22) war eine bedeutende Bereicherung der Geschichtsforschung. Lange Zeit glaubte man „Herodot habe die Geschichtsschreibung begründet, Thukydides die Geschichtsforschung.“[1]

Die Quellenlage des thukydideischen Werkes ist gut und wurde hier in der Übersetzung von G. P. Landmann benutzt.

Um die Angaben des Thukydides zum Kriegsbeginn beurteilen zu können, muß man zuerst einen Blick auf seine Methode werfen. Desweiteren ist der Einfluß sophistischer Lehren auf Thukydides‘ Geschichtsauffassung zu berücksichtigen.

Es wird zu zeigen sein, daß sich Thukydides ganz bewußt von der bisherigen Methode der Geschichtsschreiber abgrenzte und neue Wege gegangen ist.

Obwohl man ihm in seinem Werk gemessen an moderner Geschichtsforschung gewisse Defizite nachweisen kann, war sein Werk für die damalige Situation geradezu bahnbrechend. Seine Methode wurde in besonderem Maße von der sophistischen Theorie seiner Zeit geprägt. Für Thukydides waren deshalb menschliche Eigenschaften und die Eigenschaften machtpolitischer Konstellationen die bedeutenderen geschichtsschaffenden Faktoren. In seiner Betrachtung der vordergründigen Anlässe zum Krieg fehlt neben den Vorfällen um Kerkyra und Poteidaia vor allem das Megarische Psephisma. Aber auch der Einfluß des kriegstreibenden Korinths und des Prestigdenkens der Kriegsparteien um Athen und Sparta hat er vernachlässigt. Nicht behandelt werden konnte die Leistung des Thukydides auf dem Gebiet der Chronologie. Der Einfluß Herodots auf sein Werk wird nur am Rande behandelt.

1.1 Kurzer biographischer Abriß

Thukydides stammte, wie Oloros, der Name des Vaters sowie Besitzungen in Thrakien zeigen, aus einer einflußreichen Familie thrakischen Ursprungs. Er muß zwischen 460 und nicht später als 454 v. Chr. geboren sein, denn er trug das Amt eines Strategen 424 v. Chr. und mußte zu diesem Zeitpunkt, gemäß athenischem Recht, über 30 Jahre alt gewesen sein. Er wird bald nach dem Ende des Peloponesischen Krieges 404 v. Chr. gestorben sein. Sein Hauptwerk ist der Peloponesische Krieg, allerdings konnte er sein Werk nicht zu Ende bringen. Die Darstellung bricht im Jahre 411 v. Chr. mitten im Satz ab. Geistesgeschichtlich fällt er in die Zeit der aufkommenden Sophistik. Die Grundeinstellung der Sophisten ist durch Skeptizismus sowie die Relativierung überlieferter Werte und Vorstellungen bestimmt.[2] Sophistische Theorien von der Zwangsläufigkeit des Konflikts großer Mächte mögen damals einigen Einfluß auf Thukydides ausgeübt haben.[3]

2 Die historische Methode des Thukydides

Zu Beginn seines Werkes rechtfertigt Thukydides seine Ansicht, daß der Peloponesische Krieg größer und bedeutender war als sämtliche vorangegangenen Konflikte . Zu diesem Zweck beschreibt er die Entwicklung der politischen Machtverhältnisse von den Anfängen der Hellenen bis nach den Befreiungskriegen gegen Persien in der sogenannten Archäologie (I,2-19)[4].Die große Leistung des Historikers Thukydides sah man in der Forschung lange Zeit vor allem in seiner Einführung der kritischen Methode in die abendländische Geschichtsschreibung, denn „trotz der Existenz ‚historischer‘ Literatur hat es ein Modell von wissenschaftlicher Geschichtsschreibung vor Thukydides nicht gegeben.“[5] Thukydides hat selbst zum Beginn seines Werkes (I,20-22) Angaben zu seiner historischen Methode gemacht, über die es sich lohnt nachzudenken.

Thukydides‘ Unterscheidung zwischen der Wiedergabe von Tatsachen und Reden gibt auch seinen methodologischen Ansatz wieder.

2.1 Die Wiedergabe der Tatsachen bei Thukydides

Die Überlieferung der Vergangenheit unterlag bisher, laut Thukydides, einmal der rhetorischen Umformung der Dichter und Geschichtenschreiber, die weniger auf den Wahrheitsgehalt als vielmehr auf die Wirkung beim Publikum achteten, und zum anderen unterlag sie der unkritischen Prüfung der Menschen, denn sie „nehmen alle Nachrichten von Früherem, auch was im eigenen Lande geschah, gleich ungeprüft voneinander an“(I,20). Hierzu gibt er das Beispiel des Tyrannenmordes an Hipparchos.

Thukydides geht anders vor als die Masse. Er vergleicht allgemeine Lebensbedingungen, wie sie sich im Mythos überliefert haben mit Überresten aus dieser Zeit, die er Indizien (tekmeria) und (semeia) nennt. „Thukydides sucht seine Thesen durch die Kombination verschiedener Quellengattungen zu erhärten.“[6] Überlieferte Mythen reduziert er auf ihren historischen Kern (4,9-12), und zieht aus der Gegenwart Rückschlüsse auf die Vergangenheit.

Thukydides unternimmt gegen die herkömmliche Geschichtsschreibung den Versuch durch analytisches Vergleichen der verschiedenen Überlieferungen die Wahrheit festzustellen. Sein Verfahren bringt es mit sich, daß nicht mehr verschiedene Versionen der Geschichte nebeneinander stehen, sondern die einzig historisch Richtige. Das Kriterium dafür ist letzten Endes sein eigenes Urteil. Dessen ist sich Thukydides auch bewußt. Er behauptet nur, daß die Dinge sich „im großen und ganzen“(I,1) so verhalten haben, versichert aber gleichzeitig, daß er den Dingen mit größter Sorgfalt nachgegangen ist. Er zeichnet persönlich verantwortlich für seine Forschungsergebnisse.

2.2 Die Wiedergabe der Reden bei Thukydides

Antike Kultur war im politischen Bereich maßgeblich durch Reden bestimmt. Solche fehlen deshalb auch im Werk des Thukydides nicht.

Die Einbeziehung des Historikers in den Prozeß des historischen Erkennens wird besonders deutlich, wenn man sich Thukydides` Rechtfertigung der eingefügten Reden anschaut. Er gibt selbst zu, daß es ihm unmöglich gewesen sei, den Wortlaut der einzelnen Reden exakt wiederzugeben. Manche hatte er noch nicht einmal selbst gehört, sondern mußte sie aus widersprüchlichen und bruchstückhaften Erzählungen anderer rekonstruieren. Für Thukydides war der Wortlaut der Reden auch nicht von Bedeutung.[7] Es ging ihm vielmehr darum, „wie meiner Meinung nach ein jeder in seiner Lage etwa sprechen mußte, so stehen die Reden da, in möglichst engem Anschluß an den Gesamtsinn des in Wirklichkeit gesagten“(I,22). Entscheidend ist der Zusatz, daß er „nicht nach Auskünften des ersten besten“ und auch nicht „nach meinem Dafürhalten“(I,22) die Reden wiedergab, sondern sie sorgfältig seiner rationalen Prüfung unterzog.

Dies sind die Wurzeln der heutigen Geschichtsforschung, wie sie auch T. Nipperdey sieht, wenn er schreibt, daß völlige Objektivität in der historischen Forschung aufgrund der standortgebundenen Situation des Historikers schlichtweg nicht möglich ist. Er fordert jedoch, „daß man das Prinzip der Objektivität, die regulative Idee der Objektivität als die Norm unseres Verhaltens als Historiker heute wieder besonders akzentuieren muß. Nur so kann man gegenüber der gleichsam natürlichen Gebundenheit der Historiker an ihre eigenen Voraussetzungen eine Bewegung des Intellektes in Gang setzen, die zur größeren Objektivität führt.“[8]

Der Historiker Thukydides grenzt sich durch das Offenlegen seiner Methode deutlich von den Dichtern, dem einfachen Volk und den bisherigen Geschichtsschreibern ab. Er übernimmt Erzählungen nicht aus Bequemlichkeit und will sie auch nicht dichterisch verklären. Vielmehr unternimmt er den Versuch eine möglichst große Objektivität der Geschehnisse durch kritische

[...]


[1] W. Schadewaldt, Die Anfänge der griechischen Geschichtsschreibung: Herodot, Thukydides, Frankfurt a. M. 1982, 275.

[2] K. Meister, Die griechische Geschichtsschreibung von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus, Stuttgart-Berlin-Köln 1990, 46.

[3] F. Kiechle, Ursprung und Wirkung der machtpolitischen Theorien im Geschichtswerk des Thukydides, Gymnasium 70 (1963), 289f.

[4] Übersetzung zitiert nach G. P. Landmann, Thukydides, Geschichte des Peloponesischen Krieges, Zürich-Stuttgart 1960.

[5] A. Tsakmakis, „Von der Rhetorik zur Geschichtsschreibung. Das Methodenkapitel des Thukydides (I,22,1-3)“, RhM 141 (1998), 253.

[6] K. Meister (1990), 51.

[7] Ebd., 54.

[8] T. Nipperdey, Nachdenken über die deutsche Geschichte, München 1986, 233.

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Details

Title
Vorgeschichte und Anfänge des Peleponesischen Krieges bei Thukydides
College
University of Heidelberg  (Institut für Geschichte)
Course
Proseminar Griechische Geschichte
Grade
1,7
Author
Year
2000
Pages
16
Catalog Number
V3065
ISBN (eBook)
9783638118446
ISBN (Book)
9783638805964
File size
529 KB
Language
German
Keywords
Thukydides Peleponesischer Krieg Athen Sparta Anfänge Vorgeschichte
Quote paper
Benjamin Kristek (Author), 2000, Vorgeschichte und Anfänge des Peleponesischen Krieges bei Thukydides, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3065

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