"Las Meninas" im Kontext der Lehre von den Epistemen nach Michel Foucault


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Les mots et les choses – Einführung in die Episteme nach Foucault

3 Las Meninas von Diego Velásquez
3.1 Bildbeschreibung von Las Meninas – das Epistem der Repräsentation
3.2 Die Komposition von Las Meninas
3.3 Theorien zu dem Entstehungskontextes von Las Meninas

4 Gegenüberstellung der Arnolfini-Hochzeit , den Las Meninas und der Familie Karl IV. im Hinblick auf die drei Episteme

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Thema meiner Seminararbeit ist „ Las Meninas im Kontext der Lehre von den Epistemen nach Michel Foucault“. Hierbei möchte ich die drei Episteme, die Michel Foucault in seinem Werk Die Ordnung der Dinge/ Les mots et les choses )[1] dargelegt hat, anhand von jeweils einem Gemälde der entsprechenden Epoche beispielhaft beleuchten. Im Zentrum der Betrachtung soll das Werk Las Meninas (1656) von Diego Velásquez stehen, anhand von welchem das Epistem der Repräsentation veranschaulicht werden soll. In einem anschließenden Werkvergleich möchte ich von diesem das Epistem der Ähnlichkeit anhand der Arnolfini-Hochzeit (1434) von Jan van Eyck sowie das Epistem des Menschen anhand von der Familie Karl IV. (1800/1801) von Francisco de Goya abgrenzen.

Das Barock-Gemälde Las Meninas eignet sich für die Erklärung des Epistems der Repräsentation besonders gut, da Foucault es selbst als Beispiel heranzieht und eine Werkbeschreibung in Form einer Ekphrasis an den Beginn seines Buches als Ersatz eines Prologs stellt[2].

Bevor ich mich den einzelnen Werken widme, möchte eine allgemeine Einführung in die Episteme geben, wie sie Foucault in Les mots et les choses beschreibt.

2 Les mots et les choses – Einführung in die Episteme nach Foucault

Das ganze Werk Les mots et les choses widmet Foucault der Beschreibung der Beziehung zwischen Sichtbarem und Sagbarem, zwischen Dingen und Wörtern[3]. Die Struktur, die die Beziehung zwischen beiden herstellt, nennt er Epistem. Es gibt mehrere Episteme, weil sich diese Struktur mit der Zeit ändern kann. Foucault unterscheidet hier drei Epochen: Mittelalter, Barock/ Klassik und zuletzt die Moderne. Das Mittelalter folge dem Epistem der Ähnlichkeit und nehme in etwa den Zeitraum von 1500 bis 1650 ein. Das Epistem der Repräsentation bestimme die Zeit von 1650 bis 1800 und damit auch den Barock und die Klassik. Von 1800 bis heute gelte das Epistem des Menschen und sei demnach für die Moderne bestimmend.

Das Epistem beschreibt also, unter welchen Bedingungen zu einer bestimmten Zeit gedacht, mit welchen Denkstrukturen die Umwelt betrachtet wurde.

Ähnlichkeit bezeichnet „die zwischen der Vorstellung (idée) einer Sache und der Vorstellung einer anderen hergestellte Beziehung“[4]. Diese Verbindung wurde durch Zeichen hergestellt, Zeichen der einen Sache, die auf die andere Sache verweisen, auf sie hindeuteten. Es handelte sich um ein ternäres System, da man drei bestimmende Elemente unterscheiden kann: „das, was markiert wurde, das, was markierend war, und das, was gestattete, im Einen die Markierung des Anderen zu sehen. Dieses letzte Element war die Ähnlichkeit“[5]. Anhand bestimmter Zeichen erkannte man also, dass eine Sache einer anderen ähnlich war, und nur in diesem System wurde gedacht, so Foucault: „Die Welt drehte sich in sich selbst: die Erde war die Wiederholung des Himmels, die Gesichter spiegelten sich in den Sternen und das Gras hüllte in seinen Halmen die Geheimnisse ein, die dem Menschen dienten“[6].

Foucault unterscheidet im Folgenden vier verschiedene Arten von Ähnlichkeiten: die convenientia, aemulatio, analogia und sympathia[7].

Convenientia bezeichnet eine Ähnlichkeit der Nachbarschaft. Alles, was zusammenhängt, ist sich deshalb ähnlich, weil es ineinander übergeht.

Die aemulatio bezeichnet eine Form der Ähnlichkeit, wobei die beiden Dinge, die sich ähnlich sind, nicht im direkten Kontakt miteinander stehen: das Eine ahmt das Andere nach, wie der Widerschein einer Sache in der Ferne, also in ähnlicher Form.

Die analogia ist eine Ähnlichkeit von Verhältnissen: „Das Verhältnis etwa der Sterne zum Himmel (...) findet sich wieder zwischen Gras und Erde, der Lebenden und der von ihnen bewohnten Kugel, im Verhältnis von Mineralien und Diamanten zu den sie verbergenden Felsen, von Sinnesorganen zu dem von ihnen belebtem Gesicht, von Flecken auf der Haut zu dem von ihnen insgeheim markierten Körper“[8].

Die Sympathie ist eine Art dynamische Kraft, die die Dinge einander näher bringt. Da sie die Gefahr birgt, „die Dinge miteinander identisch zu machen, sie zu mischen und ihre Individualität verschwinden zu lassen, sie also dem fremd zu machen, was sie waren“[9], bedarf es in der Welt einer Gegenkraft, der Antipathie. Letztere sorgt dafür, dass die individuellen Unterschiede der Dinge bewahrt werden.

Ab 1650 wurde diese Beziehung zwischen den Gegenständen gekappt. Das dreifaltige System wurde durch ein binäres Organisation ersetzt, die sich im Epistem der Repräsentation manifestiert[10]. Das Zeichen ist nun von aller Ähnlichkeit unabhängig. Es gibt keine direkte Beziehung mehr zwischen dem Bezeichneten und dem Bezeichnenden, wie es die Ähnlichkeit vorher hergestellt hatte. Stattdessen verweist das Eine durch eine willkürliche Konvention repräsentativ auf das Andere, ohne dass eine Ähnlichkeit zwischen ihnen besteht.

Den Unterschied zwischen dem Epistem der Ähnlichkeit und dem der Repräsentation kann man durch ein Beispiel erhellen: Gold hat aufgrund seiner Seltenheit einen hohen materiellen Wert. Ein Goldbrocken hat daher genau den Wert, den der Brocken selbst darstellt. Ein Geldschein jedoch repräsentiert durch eine auf ihn gedruckte Zahl nur einen Wert. Das Material selbst, das Papier, hat diesen Wert nicht, repräsentiert ihn aber durch eine willkürlich getroffene Konvention.

Ähnlich, wohl auch von Foucault beeinflusst, beschreibt auch der Philosoph und Kunsthistoriker Louis Marin seine Vorstellung von Repräsentation: „An der Stelle von etwas, das woanders präsent ist, ist hier etwas anderes präsent. Am Ort der Repräsentation ist also etwas, das zeitlich oder räumlich absent oder vielmehr ein anderes ist …“[11].

Zuletzt soll hier das Epistem des Menschen vorgestellt werden, welches die Moderne von ca. 1800 an bestimmte. Auch hier möchte ich zunächst Foucault selbst sprechen lassen: „Für wen im klassischen Denken die Repräsentation existiert und wer sich selbst in ihr repräsentiert, sich als Bild oder Reflex erkennt (…) – der wird sich darin nie selbst präsent finden. Vor dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existierte der Mensch nicht (…). Es ist eine völlig junge Kreatur, die die Demiurgie des Wissens eigenhändig vor noch nicht einmal zweihundert Jahren geschaffen hat“[12]. Dies ist auch einleuchtend vor dem oben genannten Marin-Zitat. Denn es wird nur etwas repräsentiert, was selbst nicht präsent ist. Wenn der Mensch in der Malerei oder anderswo durch andere Zeichen repräsentiert wird, kann er selbst nicht im Blickfeld stehen: „Das Präfix re- importiert den Wert der Substitution in den Term. An der Stelle von etwas, das woanders präsent ist, ist hier etwas anderes präsent“[13]. Erst mit der Überwindung des klassischen Diskurses, dem Epistem der Repräsentation, wurde der Weg frei zu einer Wissenschaft des Menschen[14].

3 Las Meninas von Diego Velásquez

3.1 Bildbeschreibung von Las Meninas – das Epistem der Repräsentation

Bei Las Meninas [15] handelt es sich um eines der meistdiskutierten Gemälde der Kunstgeschichte. 1656 gemalt befindet es sich nun im Museo del Prado[16].

Die Dichte an dargestellten Personen nimmt im Gemälde nach oben hin ab: vorne sind noch sechs Personen und ein Hund zu sehen, etwas dahinter eine Personengruppe aus zwei Gestalten, noch eine Ebene weiter hinten befindet sich nur noch eine Person im Türrahmen und ganz oben sind nur noch dunkle Gemälde zu sehen[17]. Im Zentrum des Bildes ist im Vordergrund die kleine Infantin Margarita zu sehen, das bislang einzige Kind aus Philipps IV. zweiter Ehe mit Anna Maria. Rechts und links von ihr sind zwei Hoffräulein zu sehen, beide ihr in demütiger Pose zugewendet. Zwei weitere Personengruppen finden sich rechts davon und sind zueinander ähnlich aufgebaut: Sie bestehen aus jeweils zwei Personen, von denen die eine den Betrachter an-, die andere wegschaut[18]. Bei den Personen weiter hinten handelt es sich um zwei Höflinge, bei denen weiter vorne um Hofzwerge, wobei diese Gruppe durch einen liegenden Hund erweitert ist.

Links von der Infantin Margarita und den beiden Hoffräulein sieht man den Maler Velásquez selbst: er schaut den Betrachter an, den Pinsel in der Hand, von der großen Leinwand für einen Moment abgewendet, welche der Betrachter nur zum Teil und von hinten aufragen sieht[19].

Gehen wir im Hintergrund weiter von links nach rechts: Im Hintergrund hängen Gemälde, die in der Dunkelheit jedoch beinahe völlig verschwinden[20]. Unter diesen Bildern springt ein Spiegel durch seinen breiteren und dunkleren Rahmen und durch das deutlich hellere Spiegelbild ins Auge[21]: „Von allen Repräsentationen, die das Bild repräsentiert, ist er die einzig sichtbare. Keiner jedoch schaut ihn an“[22]. Bei den beiden im Spiegel abgebildeten Personen wird es sich um das Königspaar, Philipp IV. und seine Frau Maria Anna handeln[23]. Doch wo befindet sich das echte Königspaar? Der Spiegel spiegelt das Gemälde, vor dem der Künstler selbst steht[24]. Und wenn Velásquez das Königspaar malt, muss es in etwa da stehen, wo wir auch als Betrachter stehen.: Der Spiegel reflektiert also das Gemälde vom leiblichen Königspaar[25], welches demnach um zwei Ecken dargestellt wird. „Was in ihm reflektiert wird, ist das, was alle Personen auf der Leinwand gerade fixieren, indem sie den Blick starr nach vorne richten; also das, was man sehen könnte, wenn die Leinwand sich nach vorn verlängerte, tiefer hinabreichte, bis sie die Personen miteinbezöge, die dem Maler als Modell dienen“[26]. Es ist ein Spiegelbild vom Bild im Bild. Und damit nicht genug. Es soll sogar das ganze Gemälde das Abbild einer großen Spiegelfläche sein, in die die Modelle hineinschauen[27]. Dann würde es sich um einen Spiegel im Spiegel handeln und das Königspaar wäre uns um noch ein weiteres Element entrückt. Das legt ein Vergleich mit anderen Bildern von Velásquez nahe, die ebenfalls die Infantin Margarita darstellen wie Die Infantin Margarita im blauen Kleid (1659)[28]. In Las Meninas trägt die Prinzessin den Scheitel auf der genau anderen Seite als in den übrigen Porträts[29]. Damit handelt sich damit bei allen abgebildeten Personen nicht um die Darstellung oder Repräsentation von anwesenden Personen, sondern um die Repräsentation eines Spiegelbildes, also einer eigenen Repräsentation der realen Personen: Somit stellt das Werk eine Repräsentation der Repräsentation dar: Es re-präsentiert Personen, die im Spiegel re-präsentiert werden[30]. Auch wenn der Spiegel und damit das Herrscherporträt vorerst unauffällig im Hintergrund verschwinden, deutet doch alles in dem Werk auf dieses hin: Die fesselnden Blicke der Personen starren auf das Königspaar, der Maler schaut auf sein Modell. Auch wenn wir nur den Widerschein des Gemäldes vom tatsächlichen Königspaar sehen, ist doch ebendieses der Kumulationspunkt des ganzen Gemäldes[31]. Und genau hier findet sich auch der entscheidende Hinweis, dass wir uns im Zeitalter der Repräsentation befinden.

Gehen wir weiter im Bild: Rechts neben dem Spiegel befindet sich eine geöffnete Tür. Im Türrahmen steht eine Person, der Hofmarschall José Nieto[32]. An seiner Haltung lässt sich nicht erkennen, ob er gerade den Raum verlässt, ob er nur auf der Schwelle verharrt oder ob er den Raum betritt.

Zuletzt möchte ich noch auf das Fenster am rechten Bildrand hinweisen, die einzige natürliche Lichtquelle in dem Gemälde.

3.2 Die Komposition von Las Meninas

Foucault (1997)[33] legt selbst zwei Kompositionsansätze zu Las Meninas dar..

Der eine spricht von einer Kreuzkomposition. Die eine Linie verläuft hierbei von dem Blick des Maler Velásquez zu den Hofzwergen, die andere von dem Blick des weiter rechts befindlichen Höflings zu der unteren Ecke der Leinwand. Der Blick der Infantin Margarita befindet sich so genau an dem Punkt, wo sich die beiden Linien kreuzen[34]. Dadurch wird ihr eine besondere Bedeutung beigemessen.

Der andere Ansatz sieht eine Kurve in der Anordnung der Personen. Die Kurve in Form von einer Schale hat das Gesicht des Malers und das des äußeren Höflings als Grenzpunkte. Der unterste Punkt der Schale ist hierbei das Gesicht der Prinzessin[35]. Zieht man wiederum eine Linie vom Blick des Malers zu dem des Höflings und schließt dadurch gewissermaßen die Schale kreuzt man den Spiegel mit dem darin widergespiegelten Königspaar.

Ebenso wird durch die perspektivische Darstellung eine Verbindung zwischen der Infantin und dem Königspaar hergestellt. Denn, auch wenn sich der Spiegel im tatsächlichen Raum weit hinter der Prinzessin befunden hat, ist er auf dem Gemälde in dieser Perspektive direkt über ihrem Kopf[36]. So wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den zweiten Blick etwas mehr auf das Königspaar, wenn auch auf den ersten Blick eher unscheinbar, gelenkt.

3.3 Theorien zu dem Entstehungskontextes von Las Meninas

Nun soll noch weniges über den Kontext der Entstehung dieses Werkes gesagt werden. Zwei Gründe möchte ich nennen, die mir wahrscheinlich erscheinen, Diego Velásquez zu diesem Werk motiviert haben zu können.

Ersterer ergibt sich aus der sogenannten Nobilitierungsthese[37]. Mitte des 17. Jahrhunderts galt Malerei in Spanien noch als bloßes Handwerk. Wie auf andere manuellen Handwerkskünste wurden auch auf die Malerei Steuern erhoben, gegen die sich manch ein Maler auch gerichtlich wehrte, um der Kunst die ihr gebührende Geltung zu verschaffen. Auch Velásquez könnte dies durchaus als Herabwürdigung seiner Kunst empfunden haben. Daraus resultierte wohl auch sein ständiges Werben bei dem König Philipp IV., an dessen Hof Velásquez Maler war, um die Aufnahme in den Ritterstand. Las Meninas könnte vor diesem Hintergrund mit seiner Pracht eine bewusste Demonstration von Velásquez der Erhabenheit der Kunst gewesen sein, um ihr einerseits eine Adelung zu verschaffen und andererseits für die eigene Aufnahme in den Ritterstand zu werben.

Die zweite These hängt damit zusammen, dass Mena Marqués, eine Konservatorin am Museo del Prado, durch radiographische Untersuchungen erkannt hat, dass es eine Vorgängerversion von Las Meninas gegeben hat, die teilweise übermalt wurde, sodass die uns heute bekannte Version entstand[38]. Ursprünglich habe die Figur der Maria Bárbola, der weibliche Hofzwerg im Vordergrund der rechten Bildhälfte, einen Ring in der Hand gehalten, der in Kombination mit dem Hund wie die Mazo-Kopien auf der Rückwand des Raumes eine Allegorie für die Macht des Königspaares sowie der Infantin Margarita zu verstehen seien[39]. Außerdem sei der Spiegel im Hintergrund, dessen Reflexion den Widerschein des Königspaares darstellt, vorher zentral in der Bildmittelachse gewesen[40]. So habe das Gemälde eine Art öffentliche Kundgabe der Absicht des Königspaares darstellen sollen, die Infantin Margarita als Thronerbin einzusetzen, da sie aus der bislang siebenjährigen Ehe von Philipp IV. und seiner zweiten Ehefrau Maria Anna bisher das einzige Kind war und damit jeder männliche Nachkomme fehlte[41]. Diese „Verteidigung der kleinen Margarita als Thronerbin“[42] sei mit der Geburt des ersehnten männlichen Thronerben Felipe Próspero 1657 überflüssig geworden. Velázquez habe die sein Werk an einigen Stellen übermalt und seine eigene Person hinzugefügt.

4 Gegenüberstellung der Arnolfini-Hochzeit , den Las Meninas und der Familie Karl IV. im Hinblick auf die drei Episteme

In diesem Kapitel möchte ich die Unterschiede dieser drei Werke nennen, die entscheidend dafür sind, dass sie Zeitaltern verschiedener Epistemen angehören.

Die Arnolfini-Hochzeit wurde 1434 in Brügge von dem flämischen Maler Jan van Eyck angefertigt und steht heute in der National Gallery von London[43]. Die Arnolfinis waren eine große Kaufmanns- und Bankiersfamilie, die zu der Zeit auch in Brügge einen Sitz hatte. Der Zeit entsprechend ist dieses Gemälde dem Epistem der Ähnlichkeit zuzuordnen. Es zeigt Giovanni Arnolfini mit seiner Frau bei der Eheschließung. Die Las Meninas gehören, wie oben schon erwähnt, zu dem Epistem der Repräsentation. Die Familie Karl IV. wurde zwischen 1800 und 1801 von dem spanischen Maler Francisco de Goya gemalt und befindet sich heute wie Las Meninas im spanischen Museo del Prado[44]. Dieses gehört zum Epistem des Menschen. Alle drei Gemälde stehen zueinander in Beziehung, wie ich im Folgenden Bild für Bild zeigen möchte.

Die Arnolfini-Hochzeit kann als Vorläufer für Las Meninas angesehen werden[45]. Es ist auch sicher, dass Velásquez dieses Werk kannte, da es sich zu dieser Zeit in der Sammlung von Philipp IV. befand[46]. Der entscheidende Bezugspunkt zu Las Meninas ist der Spiegel[47]. Er macht sowohl die bedeutenden Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede dieser beiden Werke aus. In beiden Spiegeln wird ein Paar reflektiert[48]. Bei der Arnolfini-Hochzeit handelt es sich allerdings um das Ehepaar Giovanni Arnolfini und seine Frau, welches auch Gemälde zu sehen ist. Im Spiegel wird es lediglich von hinten widergespiegelt. Bei Las Meninas zeigt der Spiegel das Königspaar Philipp IV. und seine Frau Maria Anna. Diese beiden Figuren befinden sich realiter außerhalb des Gemäldes. Hier wären wir schon bei einem entscheidenden Unterschied der beiden angelangt, der verdeutlicht, dass es sich um Gemälde im Kontext zweier verschiedener Episteme handelt: Nämlich das Verhältnis des Bilds und des Abbilds zuernander. Bei der Arnolfini-Hochzeit wird durch Ähnlichkeit das Paar, welches auch im Vordergrund zu sehen ist, noch einmal in etwas veränderter Form, aber durchaus ähnlich widergespiegelt. Es herrscht also eine Entsprechung von Gemälde und Spiegelbild im Hinblick darauf, was sie abbilden[49]. Der Spiegel erfüllt hier eine „reduplizierende Rolle“[50], wie es für Spiegelbilder in der holländischen Malerei zu dieser Zeit Tradition war[51]: „Sie wiederholten, was im Bild bereits gegeben war, aber in einem irrealen, modifizierten, verkürzten und gekrümmten Raum“[52]. Bei Las Meninas verhält es sich da anders. Das dargestellte Paar ist außer in Form dieses Spiegelbildes nicht im Gemälde wiederzufinden. Das Spiegelbild re-präsentiert[53] etwas, was im Bild selbst nicht präsent ist. „Statt sich um die sichtbaren Dinge zu drehen, durchquert dieser Spiegel das ganze Feld der Repräsentation und vernachlässigt das, was er darin erfassen könnte, stellt die Sichtbarkeit dessen wieder her, was außerhalb der Zugänglichkeit jedes Blickes bleibt“[54].

[...]


[1] Foucault (1997).

[2] Vgl. Foucault (1997) 31–45.

[3] Vgl. dazu auch Foucault (1997) 46: Episteme beschreiben eine Organisation der Wissenschaft, eine Organisation der Welt, die Erkenntnis der sichtbaren und unsichtbaren Dinge gestattet“.

[4] S. Foucault (1997) 98.

[5] S. Foucault (1997) 98.

[6] S. Foucault (1997) 46.

[7] Vgl. Foucault (1997) 47ff...

[8] S. Foucault (1997) 51.

[9] S. Foucault (1997) 54.

[10] Vgl. Foucault (1997) 99: „Die binäre Disposition des Zeichens, so wie sie im siebzehnten Jahrhundert erscheint, setzt sich an die Stelle einer Organisation, die auf verschiedene Weisen seit der Stoa und sogar seit den ersten griechischen Grammatikern stets ternär gewesen war“.

[11] S. Marin (2005) 10.

[12] S. Foucault (1997) 373.

[13] S. Marin (2005) 10.

[14] Vgl. Foucault (1997) 372 ff..

[15] Es würde im Rahmen dieser Seminararbeit zu weit führen und wäre auch nicht sinnvoll, auf alle Details des Gemäldes näher einzugehen. Daher möchte ich mich auf eine allgemeinere Bildbeschreibung beschränken und die genauere Betrachtung der Details, die zur Veranschaulichung des Epistems der Repräsentation sowie der Abgrenzung von den anderen beiden Epistemen dienlich sind. Zu einer Abbildung des Gemäldes Las Meninas vgl. Abbildung 1 im Anhang.

[16] Vgl. Greub (2001) 9.

[17] Vgl. dazu Stoichita (1986) 225, der darauf hinweist, dass dadurch eine Spannung zwischen dem corpus naturale (Hund, die beiden Hofzwerge) und dem corpus spirituale (Königspaar, welches im Spiegelbild zu sehen ist) entsteht.

[18] Vgl. zu diesen Personengruppen Foucault (1997) 41.

[19] Vgl. auch Foucault (1997) 31.

[20] Palomino (1724) liefert die erste ausführliche Beschreibung von Las Meninas und gibt auch erste Vermutungen, um welche Gemälde es sich im Hintergrund handeln könnte. Heute ist man sich sicher, dass es sich um Gemälde von Juan Bautista Martínez del Mazo nach Peter Paul Rubens und Jacob Jordaens handelt. Vgl. zu der Bennenung der Gemälde im Hintergrund auch Stoichita (1986) 215f.. Palomino (1724) verdanken wir außerdem die exakte Personenbenennung. Vgl. dazu auch Greub (2001) 9. S. Anhang Bild 2.

[21] Vgl. Foucault (1997) 35.

[22] S. Foucault (1997) 35.

[23] Vgl. Foucault (1997) 36. Zu der Personenbenennung im Allgemeinen vgl. Greub (2001) 9, der auch darauf hinweist, dass wir die exakte Personenbenennung Palomino (1724) verdanken. S. Anhang Bild 2.

[24] Dies haben die Raumberechnungen von Moffitt (1983) 40ff. ergeben. S. Dazu auch Abbildung 4 im Anhang.

[25] Vgl. dazu auch Stoichta (1986) 215.

[26] S. Foucault (1997) 36.

[27] Diese These äußerte Asemissen (1981) zuerst.

[28] Vgl. zu dem Bildvergleich Abbildung 3 im Anhang.

[29] Jedoch sei darauf hingewiesen, dass die Spiegelung nicht konsequent durchgehalten wird: Der Maler würde sich dann als Linkshändler bekennen und auch die Gemälde im Hintergrund entsprechen nicht dieser Spiegelbildthese.

[30] Auf diesen Punkt werde ich später noch genauer die dem Vergleich der Arnolfini-Hochzeit von Jan van Eyck eingehen.

[31] Vgl. dazu auch Foucault (1997) 43.

[32] Als Hofmarschall hatte José Nieto die Aufgabe, dem König immer zur Seite zu stehen, auch um ihm etwa die Tür zu öffnen. Vgl. Hierzu Brown (1978) 153.

[33] Vgl. Foucault (1997) 41–45.

[34] Vgl. Foucault (1997) 41.

[35] Vgl. Foucault (1997) 41.

[36] Vgl. Foucault (1997) 42. Vgl. zu der Raumansicht Abbildung 4 im Anhang nach Moffitt (1983) 40ff..

[37] Vgl. zu dieser These Brown (1978) 150–169.

[38] Vgl. dazu Marqués (1997).

[39] Vgl. Marqués (1997) 259.

[40] Vgl. Marqués (1997) 270.

[41] Vgl. Marqués (1997) 264.

[42] S. Marqués (1997) 274.

[43] Vgl. zu dem Gemälde Abbildung 5 im Anhang.

[44] Vgl. zu dem Gemälde Abbildung 6 im Anhang.

[45] Vgl. z.B. Alpers (1983) 196. Die Beziehung dieser beiden Gemälde ist schon oft bemerkt und diskutiert worden. Zu weiteren Literaturangaben zu diesem Thema vgl. Beyer (2009) 33, Anmerkung 74. Beyer (2009) verweist hier auch u.A. auf Alpers (1983) und Stoichita (1986).

[46] Vgl. Beyer (2009) 33, Anmerkung 74, und 169ff..

[47] Vgl. zu einer Detailansicht der beiden Spiegel Abbildung 7 im Anhang.

[48] Vgl. auch Beyer (2009) 169.

[49] Vgl. dazu auch Beyer (2009) 172.

[50] S. Foucault (1997) 36.

[51] Vgl. Foucault (1997) 35f..

[52] S. Foucault (1997) 36.

[53] Hier möchte ich an das oben genannte Marin-Zitat erinnern: Marin (2005) 10: „An der Stelle von etwas, das woanders präsent ist, ist hier etwas anderes präsent. Am Ort der Repräsentation ist also etwas, das zeitlich oder räumlich absent oder vielmehr ein anderes ist …“.

[54] S. Foucault (1997) 36.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Las Meninas" im Kontext der Lehre von den Epistemen nach Michel Foucault
Hochschule
Kunstakademie Münster Hochschule für Bildende Künste  (Kunstwissenschaft)
Veranstaltung
Macht der Bilder. Kunst und Politik im Barock
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V306745
ISBN (eBook)
9783668047471
ISBN (Buch)
9783668047488
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Foucault, Las Meninas, Diego Velásquez, Arnolfini-Hochzeit, Jan van Eyck, Francisco de Goya, Familie Karl IV
Arbeit zitieren
Lena-Katharina Krüger (Autor:in), 2013, "Las Meninas" im Kontext der Lehre von den Epistemen nach Michel Foucault, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306745

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