Zur Entstehung von Sozialen Phobien im Kindes- und Jugendalter. Die Bedeutung von frühen familiären Bindungen


Bachelorarbeit, 2013

57 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Störungsbild der sozialen Phobie
2.1 Erscheinungsform und Symptomatik
2.2 Epidemiologie und Verlauf
2.3 Komorbiditäten
2.4 Soziale Phobie bei Kindern und Jugendlichen
2.4.1 Erstmanifestation und kritische Entwicklungsphasen
2.4.2 Diagnostische Kriterien

3. Ätiologie und Risikofaktoren
3.1 Das Entstehungsmodell von Rapee und Spence
3.2 Erklärungsansätze verschiedener Psychologieschulen

4. Frühe familiäre Beziehungen
4.1 Bindungen und Bindungsverhalten
4.2 Einfluss der elterlichen Erziehung auf die Störungsentwicklung
4.3 Unterschiedliche Einflüsse durch Mutter und Vater
4.4 Einfluss durch Geschwister auf die Störungsentwicklung

5. Empirische Befunde zur Bedeutung der elterlichen Erziehung
5.1 Frühere Forschungsergebnisse
5.2 Aktuelle Studien ab dem Jahr
5.3 Kritische Auswertung und Diskussion der Studienlage

6. Zusammenfassende Schlussbetrachtung und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabelle 1: Diagnostische Kriterien für die Soziale Phobie nach DSM-IV

Tabelle 2: Diagnostische Kriterien der Sozialen Phobie nach der ICD-10

Tabelle 3: Diagnostische Kriterien der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters nach der ICD-10

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Entstehungsmodell zur Sozialen Phobie von Rapee und Spence

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Diagnostische Kriterien für die Soziale Phobie nach DSM-IV

Tabelle 2: Diagnostische Kriterien der Sozialen Phobie nach der ICD-

Tabelle 3: Diagnostische Kriterien der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters nach der ICD-10

1. Einleitung

Die Familie stellt das erste und zunächst engste Umfeld eines Kindes dar. Hier entwickelt es die ersten Beziehungen zu anderen Menschen, insbesondere den Eltern, und erlernt die ersten sozialen Fähigkeiten und Kompetenzen. Demzufolge ist es naheliegend, dass in der Familie die ersten Weichen für die soziale Entwicklung des Kindes gestellt werden. So kann angenommen werden, dass die einzelnen Familienmitglieder einen Einfluss darauf haben, wie sich das Kind in sozialen Kontexten verhält, ob es erfolgreiche Kontakte knüpfen und aufrechterhalten kann oder ob es soziale Situationen eher als eine Bedrohung und als etwas Beängstigendes, Verunsicherndes wahrnimmt. Letzteres kann in schwerwiegenden Fällen in eine Soziale Angststörung bzw. eine Soziale Phobie münden.

Obwohl es sich bei der Sozialen Phobie um eine der häufigsten Angststörungen im Kindes- und Jugendalter, aber auch um eine der häufigsten Störungen im Erwachsenenalter, handelt, galt sie lange Zeit als eine vernachlässigte oder auch „verborgene“ Störung (Furmark, 2000; Katsching, 1998; Wittchen & Fehm, 2003). Sie wurde nur selten von Allgemeinmedizinern erkannt und insgesamt nur wenig behandelt (Müller, Beloch & Wittchen, 1998). Erst in den letzten drei Jahrzehnten gewann sie durch zunehmende Erforschung und die Aufnahme in die dritte Version des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-III) an Bedeutung. Hierbei wurden erstmalig auch Kinder und Jugendliche berücksichtigt, für die eine eigene Kategorie für Angststörungen („Angststörungen im Kindes- und Jugendalter“) eingeführt wurde, in der auch die Soziale Phobie klassifizierbar war (Anastassiou-Hadjicharalambous, 2009). Diese Kategorie wurde zwar in der vierten DSM-Version wieder aufgegeben, doch wurden die allgemeinen Klassifikationskriterien einer Sozialen Phobie für Erwachsene zur Differenzierung um spezifische Hinweise für Kinder und Jugendliche ergänzt (Saß, Wittchen, Zaudig, & Houben, 2003; Tuschen-Caffier, Kühl & Bender, 2009).

Mit Blick auf die Ursachenforschung wurde hierbei die Familie bereits sehr früh mit einbezogen, zumal anhand von entsprechenden Studien eine familiäre Häufung der Störung festgestellt worden ist, was auf eine genetische Komponente hindeutet (Hofmann, Heinrichs & Kim, 2002; Lieb & Müller, 2002; Rapee & Spence, 2004). Im Folgenden sollen jedoch weniger die genetischen Faktoren als vielmehr die Bedeutung von frühen familiären Beziehungen, die im Kindes- und Jugendalter bedeutsam sind, in Bezug auf die Störungsentstehung thematisiert werden. Dabei ist zu erwähnen, dass sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich auf die Beziehung zu den Eltern konzentriert, wobei mit „Eltern“ die primären Bezugspersonen des Kindes gemeint sind. Diese sind meist die leiblichen Eltern, müssen es aber nicht zwangsläufig sein.

Andere Familienmitglieder, wie z.B. Geschwister, zählen auch zum engeren Familienkreis und könnten Einfluss auf die Störungsentwicklung nehmen; theoretische Überlegungen sowie empirische Befunde sind in Bezug auf die Eltern-Kind-Beziehung jedoch konsistenter und verbreiteter als in Bezug auf Geschwisterbeziehungen. Auf die Bedeutung von Geschwistern soll daher nur kurz eingegangen werden.

Um dem Leser einen näheren Überblick über das Störungsbild der Sozialen Phobie zu verschaffen, soll es zunächst um allgemeine Merkmale der Sozialen Phobie gehen, bevor auf Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen eingegangen wird. Hinsichtlich des Kindheits- bzw. Jungendbegriffs unterliegen die für die Störungsentwicklung relevanten Altersangaben sowohl in der Literatur als auch in empirischen Untersuchungen sehr großen Schwankungen. Die Mehrheit der Autoren bezieht sich auf eine Altersspanne von 10 bis 20 Jahren, wobei das durchschnittliche Erkrankungsalter bei 10 bis 13 Jahren zu liegen scheint (Morschitzky, 2009; Rapee & Spence, 2004). Zwar kann die Störung auch schon sehr viel früher auftreten, doch aus entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten wird von einem Mindestalter von 8 Jahren ausgegangen, ab dem eine eindeutige Diagnosevergabe möglich ist (Hudson & Rapee, 2000; Stangier, Clark & Ehlers, 2006).

Potenzielle Ursachen für die Störungsentstehung werden allerdings meist in der früheren Kindheit gesucht, insbesondere bei der Betrachtung prägender Beziehungen innerhalb der Familie. Daher wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit die Ätiologie der Störung anhand von verschiedenen Risikofaktoren thematisiert und mithilfe des Entstehungsmodells von Rapee und Spence (2004) veranschaulicht. Aus der Vielzahl von Einflussfaktoren, die zur Entstehung der Sozialen Phobie beitragen, werden im anschließenden Kapitel die familiären Beziehungen als zentraler Aspekt aufgegriffen und in ihrer Bedeutung für die Störungsentwicklung vertiefend dargestellt. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Bachelorarbeit, werde ich mich hierbei auf Bindungsbeziehungen sowie auf das elterliche Erziehungsverhalten konzentrieren, aber auch die Bedeutung von Geschwistern und der Geburtenfolge kurz ansprechen. Der Schwerpunkt wird auf dem Erziehungsaspekt liegen, der zusätzlich anhand empirischer Befunde untermauert werden soll. Nach einer kritischen Betrachtung der Studien folgt das abschließende Fazit, in dem die gewonnen Erkenntnisse dieser Ausarbeitung nochmals zusammengefasst und ausgewertet werden.

2. Das Störungsbild der sozialen Phobie

Die Soziale Phobie gilt als die häufigste Angststörung und – nach Depressionen und Alkoholsuchterkrankungen – als die dritthäufigste psychische Störung im Allgemeinen (Morschitzky, 2009; Stangier et al., 2006; Tuschen-Caffier et al., 2009). Es existieren allerdings auch Hinweise, dass die Spezifische Phobie eine noch verbreitetere Angststörung ist als die Soziale Phobie (z.B. Collimore & Asmundson, 2009).

In westlichen Ländern wird bei der Sozialen Phobie von einer Lebenszeitprävalenz von 7% bis 13% ausgegangen, wobei die Anzahl Betroffener in den letzten Jahren zugenommen hat (Morschitzky, 2009; Rapee & Spence, 2004). Manche Autoren weisen sogar auf Prävalenzraten von bis zu 16 % hin (Iancu & Goldstein, 2009). Diese variierenden Angaben werden, zum einen, mit einem Anstieg sozialer und gesellschaftlicher Leistungsanforderungen begründet (Morschitzky, 2009), zum anderen auf den Einfluss veränderter und differenzierterer Diagnostikkriterien zurückgeführt (Rapee & Spence, 2004). Die Prävalenzrate bei Kindern und Jugendlichen liegt mit etwa 2% bis 7% unter der Erwachsenen-Rate, wobei hierzu bislang nur wenige Untersuchungen vorliegen (Anastassiou-Hadjicharalambous, 2009).

Bevor es um besondere Merkmale bezüglich der Sozialen Phobie im Kindes- und Jugendalter gehen wird, soll im Folgenden das allgemeine Störungsbild in seiner Erscheinungsform vorgestellt und beschrieben werden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Soziale Phobie in der Literatur teilweise auch als „Soziale Angststörung“ (social anxiety disorder) bezeichnet wird. Diese Alternativformulierung wurde im DSM-IV vorgeschlagen (vgl. Tabelle 1 im Anhang), um den umfassenden Charakter der Störung zu verdeutlichen, in Abgrenzung zum eng gefassten Phobie-Begriff (Saß et al., 2003; Stangier & Fydrich, 2002; Tuschen-Caffier et al., 2009). Da sich jedoch die Bezeichnung „Soziale Phobie“ etabliert hat und offiziell zumeist beibehalten wurde, soll dieser Begriff auch in der vorliegenden Arbeit verwendet werden.

2.1 Erscheinungsform und Symptomatik

Grundsätzlich ist die Soziale Phobie durch eine anhaltende und intensive Angst gekennzeichnet, in sozialen Situationen durch bestimmte Verhaltensweisen oder durch sichtbare körperliche Angstsymptome unangenehm aufzufallen und von anderen Menschen als lächerlich bewertet zu werden (Stangier et al., 2006; Stangier & Fydrich, 2002). Diese Angst kann sich sowohl auf interpersonelle Interaktionen als auch auf Leistungssituationen („Performance“ -Situationen) beziehen. Interpersonelle Interaktionen beinhalten beispielsweise das Sprechen mit Fremden, den Umgang mit dem anderen Geschlecht sowie die Interaktion mit Autoritätspersonen. Leistungssituationen sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass andere Personen auf die eigenen Handlungen aufmerksam werden und diese bewerten könnten, wie z.B. beim Sprechen, Essen, Trinken oder Schreiben in der Öffentlichkeit, aber auch bei Bewerbungsgesprächen oder beim Betreten eines Raumes, in dem bereits andere Menschen sitzen (z.B. im Wartesaal). Grundsätzlich sind hiermit alle Situationen gemeint, in denen die Person öffentlich in Erscheinung tritt und daher dem Urteil anderer ausgesetzt ist (Morschitzky, 2009; Stangier et al., 2006; Stangier & Fydrich, 2002).

Dabei wird deutlich, dass bestimmte negative Kognitionen in Form von Erwartungen und Befürchtungen hinsichtlich einer negativen Bewertung des eigenen Verhaltens durch andere Personen eine bedeutende Rolle spielen. Die Soziale Phobie geht dementsprechend mit einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit, mit perfektionistischen Denkmustern bezüglich sozialer Standards, einem negativen Selbstwertgefühl sowie einer intensiven Beschäftigung mit den als bedrohlich empfundenen sozialen Ereignissen einher (Stangier & Frydrich, 2002). Gleichzeitig sind auch emotionale Aspekte, wie z.B. Schamgefühle, von großer Bedeutung (Morschitzky, 2009; Resch, 1998), auf die an späterer Stelle noch ausführlicher eingegangen werden soll. Neben den kognitiven und emotionalen Merkmalen äußern sich die Ängste auch fast immer in Form von körperlichen Symptomen, wie intensives Herzklopfen, Übelkeit, Durchfall, Muskelanspannung, Zittern, Erröten oder Schwitzen. Diese können in sehr kritischen Situationen auch zu Panikattacken führen (Stangier et al., 2006).

Paradoxerweise sind sich die meisten Betroffenen der Übertriebenheit ihrer Ängste bewusst. Dennoch ist auf der Verhaltensebene, neben verschiedenen Arten von sogenannten Sicherheitsverhaltensweisen, eine stark ausgeprägte Flucht- und Vermeidungstendenz bezüglich der angstauslösenden Situationen zu verzeichnen (Collimore & Asmundson, 2009). Dieses charakteristische Vermeidungsverhalten trägt wiederum dazu bei, dass die negativen Erwartungshaltungen und Befürchtungen nicht widerlegt werden können und somit die Ängste aufrechterhalten werden (Stangier & Feydrich, 2002).

Die Soziale Phobie wird in der Literatur zumeist in zwei verschiedene Subtypen, den generalisierten und den nicht-generalisierten Subtypen, unterteilt. Während der generalisierte Subtyp Ängste umfasst, die sich auf die meisten bzw. fast alle sozialen Situationen beziehen, beschränkt sich der komplementäre nicht-generalisierte Subtyp nur auf bestimmte einzelne Leistungssituationen (Collimore & Asmundson, 2009; Katsching 1998; Stangier et al., 2006; Stangier & Fydrich, 2002). Es ist jedoch nicht festgelegt, ab welcher Anzahl von Situationen das Kriterium „generalisiert“ zutrifft bzw. wie die verschiedenen Situationen eindeutig voneinander abzugrenzen sind (Antony & Rowa, 2008; Tuschen-Caffier et al., 2009).

Grundsätzlich kann es für ein besseres Störungsverständnis jedoch von Vorteil sein, die Soziale Phobie nicht innerhalb bestimmter Kategorien zu betrachten, sondern das Merkmal der sozialen Ängstlichkeit im Sinne eines Kontinuums zu verstehen. Dieses Kontinuum erstreckt sich von dem niedrigsten sozialen Angstniveau über milde Formen von Schüchternheit bis hin zur höchsten Intensität sozialer Angst (Antony & Rowa, 2008; Rapee & Spence, 2004). Hierbei ist jedoch zwischen den Begriffen der „sozialen Angst“ und der „Sozialen Phobie“ zu differenzieren. Letzteres bezeichnet die klinisch definierte Diagnose, während sich das Merkmal der sozialen Ängstlichkeit auf die verschiedenen Abstufungen bzw. die unterschiedlich starken Angstausprägungen des Kontinuums bezieht und daher auch nicht-klinische Ängste umfasst. Die höchste Form sozialer Angst auf dem Kontinuum entspricht in aller Regel der Diagnose einer Sozialen Phobie oder ggf. auch die einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung (Antony & Rowa, 2008; Rapee & Spence, 2004). Beide Störungen weisen eine hohe Ähnlichkeit auf und sind daher nicht immer leicht voneinander abzugrenzen. Allerdings wird die Vermeidend-Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung meist als die gravierendere Form betrachtet (Antony & Rowa, 2008; Hudson & Rapee, 2000; Rapee & Spence, 2004).

2.2 Epidemiologie und Verlauf

Die Soziale Phobie weist einen früheren Beginn auf als andere Angststörungen. Gleichzeitig entwickelt sie sich langsamer und unterliegt in der Regel einem sowohl chronischen als auch phasenhaften Verlauf mit fluktuierender Symptomatik (Morschitzky, 2009). Auch wenn es Hinweise auf mögliche Spontanremissionen gibt (vgl. Katsching, 1998), kommen diese nur in seltenen Fällen vor. Empirische Befunde deuten sogar darauf hin, dass die Sozialphobie die niedrigste Vollremissionsrate unter den Angststörungen aufweist, insbesondere in Kombination mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen wie z.B. der Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung (Rapee & Spence, 2004). Allgemein gilt, dass eine unbehandelte Soziale Phobie langfristige und gravierende Beeinträchtigungen bezüglich der emotionalen, beruflichen und sozialen Funktionsfähigkeit zur Folge haben kann. Hierbei ist u.a. ein erhöhtes Risiko für Schulabbrüche, Arbeitslosigkeit sowie Alkoholmissbrauch zu nennen. Im privaten Bereich weisen Sozialphobiker eine höhere Scheidungsrate auf, sind insgesamt seltener verheiratet und häufiger partnerlos (Morschitzky, 2009; Müller et al., 1998; Sartory, 1997; Stangier et al., 2006).

Frauen und Mädchen weisen im Allgemeinen ein etwas höheres Risiko auf, eine Soziale Phobie zu entwickeln, als Männer und Jungen. Allerdings sind in klinischen Stichproben vergleichbare Werte zwischen Männern und Frauen bezüglich der Prävalenzraten zu verzeichnen (Collimore & Asmundson, 2009; Melfsen, 2002; Morschitzky, 2009).

2.3 Komorbiditäten

Aufgrund des frühen Störungsbeginns ist es nicht erstaunlich, dass sich infolge der auftretenden Defizite schneller und häufiger weitere psychische Störungen ausbilden. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um andere Formen von Angststörungen wie spezifische Phobien, Agoraphobien, Panikstörungen oder auch Posttraumatische Belastungsstörungen. Auch affektive Störungen, insbesondere Depressionen, sowie Substanzabhängigkeiten zählen zu den verbreitetsten Komorbiditäten einer Sozialen Phobie. Depressionen stellen hierbei eine sehr häufige Begleit- oder Folgeproblematik dar, welche in aller Regel aus der Unzufriedenheit mit der jeweiligen Lebenssituation (u.a. Vermeidung von Sozialkontakten und Vereinsamung) resultiert (Antony & Rowa, 2008; Morschitzky 2009; Stangier et al., 2006).

Eine Soziale Phobie begünstigt zudem die Ausprägung einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung, welche als Ausdruck einer Verfestigung der entsprechenden Einstellungen und Verhaltensweisen anzusehen ist (Morschitzky, 2009). Demzufolge kann die Soziale Phobie auch im Sinne einer „Einstiegsstörung“ und damit als Risikofaktor für die Entwicklung weiterer psychischer Störungen verstanden werden. Umgekehrt zählt die Soziale Phobie selbst zu den häufigsten Komorbiditäten bei anderen psychischen Erkrankungen (Morschitzky, 2009; Stangier et al., 2006).

Ähnlich verhält es sich mit Kindern und Jugendlichen, bei denen neben der Sozialen Phobie häufig Anzeichen von Generalisierten Angststörungen, Spezifischen Phobien und Trennungsängsten zu beobachten sind. Sehr oft wird auch eine übermäßige Schüchternheit und Gehemmtheit mit der Sozialphobie in Verbindung gebracht (Melfsen, 2002). Hierbei ist meist der Begriff der Verhaltenshemmung (behavioral inhibition) vorzufinden. Die Verhaltenshemmung ist ein biologisch-bedingtes Persönlichkeitsmerkmal, das durch ängstliche Verhaltensweisen gegenüber unbekannten Situationen, Menschen oder Objekten gekennzeichnet ist und als ein Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer Sozialen Phobie angesehen wird (Hofmann et al., 2002; Merikangas, Lieb, Wittchen & Avenevoli, 2003). Darüber hinaus findet sich neben einem erhöhten Ausmaß an Depressivität eine Tendenz zu zwanghaften Verhaltensweisen sowie ein geringeres Vertrauen in die eigenen kognitiven Fähigkeiten (Melfsen, 2002).

Auf die Sozialphobie im Kindes- und Jugendalter soll im Folgenden näher eingegangen werden.

2.4 Soziale Phobie bei Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche, die unter einer Sozialen Phobie leiden, werden häufig mit bestimmten charakteristischen Merkmalen in Verbindung gebracht. Ihnen wird oft eine geringe soziale Kompetenz zugeschrieben sowie ein niedriges Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Darüber hinaus gelten sie als eher verschlossen und introvertiert, gleichzeitig jedoch als sehr perfektionistisch und übersensibel bei Kritik. Weitere assoziierte Merkmale sind ein geringes Durchsetzungsvermögen und ein unterwürfiges Verhalten in Beziehungen. Oft sind sie daher Opfer von Hänseleien und Bloßstellung, was meist zu einem noch stärkeren Rückzug aufseiten der Betroffenen und damit zu einer noch größeren Isolierung führt (Anastassiou-Hadjicharalambous, 2009). Aufgrund des starken Vermeidungsverhaltens machen betroffene Kinder und Jugendliche altersspezifische (soziale) Erfahrungen in aller Regel erst später als andere Gleichaltrige. Auffällig ist außerdem, dass Kinder und Jugendliche mit einer Sozialen Phobie nicht nur im Vergleich zur Normalpopulation ein höheres Maß an Angst aufweisen, sondern auch im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen mit anderen Angststörungen (ebd.).

Neben der Angst, von der Gruppe ausgelacht zu werden, sind die Schulphobie und die Prüfungsangst die häufigsten Formen sozialer Ängste unter Kindern und Jugendlichen. Diese können sich, aufgrund von auftretenden angstbedingten Blockaden und häufiger Vermeidung des Unterrichts, negativ auf die schulischen Leistungen der Betroffenen auswirken (Morschitzky, 2009). Hierbei wird deutlich, dass eine Soziale Phobie im Kindes-und Jugendalter gravierende Folgen haben kann, da nicht nur die Möglichkeit, Kontakte zu anderen aufzubauen, stark eingeschränkt ist, sondern auch die Schulleistungen und damit die grundsätzlichen Zukunftschancen von der Störung betroffen sein können.

2.4.1 Erstmanifestation und kritische Entwicklungsphasen

Auf Basis epidemiologischer Befunde ist davon auszugehen, dass der Erkrankungsbeginn einer Sozialen Phobie typischerweise im Kindes-und Jugendalter liegt und daher eine Erstmanifestation außerhalb der dafür sensiblen Entwicklungsphase äußerst selten vorkommt (Hudson & Rapee, 2000; Stangier et al., 2006; Wittchen & Fehm, 2003). Wie bereits angesprochen, liegt der durchschnittliche Beginn einer Sozialen Phobie im Alter von 10 bis 13 Jahren (Rapee & Spence, 2004). Diese Erkenntnis ist insofern nicht verwunderlich, als es sich beim frühen Jugendalter grundsätzlich um eine Lebensphase handelt, in der soziale Interaktionen und Aktivitäten an Bedeutung gewinnen und diesbezügliche Sorgen und Ängste verstärkt auftreten. Somit kann das frühe Jugendalter als eine kritische Entwicklungsstufe für die Ausbildung sozialer Ängste angesehen werden (Anastassiou-Hadjicharalambous, 2009; Rapee & Spence, 2004).

Doch auch das spätere Jugend- und frühe Erwachsenenalter stellen im Hinblick auf die Störungsentwicklung relevante Lebensphasen dar, da sie deutlichen kognitiven und sozialen Veränderungen unterliegen. Während dieses Lebensabschnitts hat sich das Individuum normalerweise in die Arbeitswelt zu integrieren und seinen Platz im sozialen System zu finden. Die wachsende Eigenverantwortung kann bei einer hohen sozialen Ängstlichkeit zu der Überzeugung führen, nicht über ausreichende Kompetenzen zu verfügen und den Anforderungen nicht zu genügen (Hudson & Rapee, 2000).

Die Soziale Phobie kann jedoch auch schon zu sehr viel früheren Zeitpunkten auftreten. Die meisten Forschungsergebnisse stützen sich diesbezüglich auf retrospektive Studien mit betroffenen Erwachsenen, die angeben, bereits von frühster Kindheit an unter sozialen Ängsten und Schüchternheit zu leiden (Antony & Rowa, 2008; Melfsen, 2002). Allerdings ist im Hinblick auf die Störungsentwicklung zu beachten, dass Befürchtungen vor einer möglichen Bewertung durch andere Personen auch eine „reflexive Komponente“ (Resch, 1998, S.82) beinhalten und daher gewisse kognitive Kompetenzen voraussetzen. Dazu gehört z.B. neben der Fähigkeit des Perspektivwechsels auch die Fähigkeit, einen Selbstbezug herzustellen. Diese Voraussetzungen sind bei sehr jungen Kindern noch nicht ausreichend gegeben (Anastassiou-Hadjicharalambous, 2009; Melfsen, 2002; Stangier, et al., 2006; Wittchen & Fehm, 2003).

Obwohl es zum Teil Hinweise dafür gibt, dass sich negative Gefühle bezüglich Kritik bereits im Alter von zwei bis drei Jahren entwickeln und sich die Fähigkeit, Verlegenheit zu empfinden, bei Vier- bis Fünfjährigen auszubilden scheint (Hudson & Rapee, 2000), wird eine Sozialphobie-Diagnose frühestens ab einem Alter von 8 Jahren gestellt. Es wird angenommen, dass sich das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, negative soziale Urteile zu antizipieren, in diesem Alter entwickeln und daher eine Befangenheit und übertriebene Sorge über die Angemessenheit des eigenen Verhaltens erst zu diesem Zeitpunkt nachweisbar sind (Hudson & Rapee, 2000; Stangier et al., 2006).

2.4.2 Diagnostische Kriterien

Die Angstsymptomatik bei Kindern äußert sich teilweise in etwas anderer Form als bei Erwachsenen, wie z.B. durch Weinen, Schreien, Wutanfälle, Lähmungserscheinungen oder Anklammern an vertraute Personen (Moraschitzky, 2009; Tuschen-Caffier et al., 2009). Für eine bessere Differenzierung wurden daher die Klassifikationskriterien im aktuell gültigen DSM-IV-TR zusätzlich um spezifische Hinweise ergänzt (vgl. Tabelle 1 im Anhang). Gleichzeitig soll anhand dieser Ergänzungen sichergestellt werden, dass es sich nicht um entwicklungsbedingte Ängste handelt, welche in der Regel wieder verschwinden und daher nicht pathologisch sind (Saß et al., 2003; Tuschen-Caffier et al., 2009). Die Übergänge zwischen subklinischen und klinisch bedeutsamen Ängsten sind oft fließend und daher nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass ein deutlicher Leidensdruck vorliegen oder die Funktionsfähigkeit der betroffenen Person in verschiedenen Lebensbereichen beeinträchtigt sein muss, um die Diagnose der Sozialen Phobie vergeben zu können (Melfsen, 2002; Stangier & Fydrich, 2002; Tuschen-Caffier et al., 2009). Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren müssen zudem die Symptome mindestens sechs Monate anhalten (Saß et al., 2003).

Überdies tritt die Angst bei einer Sozialen Phobie im Kindesalter, laut DSM-IV-TR, nicht nur im Kontakt mit Erwachsenen, sondern auch in der Interaktion mit Gleichaltrigen auf, da auch Kinder ohne pathologische Ängste fremden Erwachsenen gegenüber häufig mit Zurückhaltung reagieren. Darüber hinaus muss für die Diagnosestellung gewährleistet sein, dass das Kind im Umgang mit vertrauten Personen über altersgemäße soziale Kompetenzen verfügt und mindestens eine altersangemessene soziale Beziehung außerhalb des Familienkreises aufweist. Mit diesen Einschränkungen erfolgt eine Abgrenzung zu anderen Störungen wie dem Autismus oder der Schizoiden Persönlichkeitsstörung, die zwar ebenfalls mit Auffälligkeiten in der Interaktion einhergehen, bei denen jedoch die Vermeidung von sozialen Situationen auf ein fehlendes Interesse an Sozialkontakten zurückzuführen ist.

Ein weiteres Differenzierungskriterium zwischen Kindern und Erwachsenen betrifft die Einsicht in die Übertriebenheit der Ängste, die bei Kindern nicht unbedingt vorliegen muss (Saß et al., 2003; Tuschen-Caffier et al., 2009).

Das internationale Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICD), in welchem die Diagnose der Sozialen Phobie erst in der zehnten Version aus dem Jahr 1992 aufgenommen wurde, beinhaltet eine sehr ähnliche, allerdings weniger detaillierte Beschreibung der einzelnen Kriterien im Vergleich zum DSM-IV-TR (Stangier et al., 2006; Tuschen-Caffier et al., 2009). Bei Kindern und Jugendlichen kann im ICD-10 sowohl eine „Soziale Phobie“ (F40.1, vgl. Tabelle 2 im Anhang) mit den gleichen Kriterien wie bei Erwachsenen als auch eine „Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters“ (F93.2, vgl. Tabelle 3 im Anhang) aus der Kategorie „emotionale Störungen des Kindesalters“ (F93) kodiert werden (Dilling & Freyberger, 2000). Die entsprechende Diagnosevergabe ist davon abhängig, ob der Erkrankungsbeginn vor oder nach dem sechsten Lebensjahr liegt. Hierbei müssen die Symptome bei Kindern unter sechs Jahren mindestens vier Wochen andauern (ebd.). Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ist jedoch eine eindeutige Diagnosestellung bei Kindern unter 8 Jahren eher kritisch zu betrachten.

Da es in dieser Arbeit hauptsächlich um die Entstehung der Sozialen Phobie gehen soll, werden nun im nachfolgenden Kapitel mögliche Entstehungsbedingungen und Risikofaktoren thematisiert.

3. Ätiologie und Risikofaktoren

Mit Blick auf die Ätiologie scheint es sehr vielfältige Möglichkeiten zu geben, eine Soziale Phobie zu entwickeln, von denen jedoch keine zwangsläufig zu einer Sozialen Phobie führen muss. Bislang herrschen immer noch viele Unklarheiten darüber, warum manche Menschen die Störung ausbilden und andere nicht (Hudson & Rapee, 2000; Rapee & Spence, 2004). So ist davon auszugehen, dass die Störung auf einer komplexen Interaktion zwischen genetischen Faktoren, Persönlichkeitseigenschaften, familiärem Umfeld und persönlichen Erfahrungen beruht, wobei nach wie vor nicht eindeutig festzustellen ist, auf welche Weise diese Faktoren miteinander interagieren (Iancu & Goldstein, 2009; Merikangas et al., 2003). Am häufigsten wird in diesem Zusammenhang das Vulnerabilitäts-Stress-Modell hinzugezogen (Brook & Schmidt 2008; Hudson & Rapee, 2000; Rapee & Spence, 2004). Dieses verbindet biologische und psychologische Faktoren sowie Umweltfaktoren miteinander und kann mittlerweile als ein schulenübergreifend anerkanntes Modell angesehen werden.

In den verschiedenen Studien zu einem solchen Vulnerabilitäts-Stress-Modell werden zumeist folgende Bereiche beschrieben, die zur Ätiologie beitragen sollen:

- Genetische Faktoren und Persönlichkeitseigenschaften
- kognitive Aspekte
- Eltern-Kind-Interaktionen und ungünstige Umweltbedingungen
- soziale und kulturelle Einflüsse

Einen detaillierten Überblick hierzu, insbesondere zu den umweltbedingten Risikofaktoren in Bezug auf eine Soziale Phobie, geben Brook und Schmidt (2008).

Der Begriff „Vulnerabilität“ meint bei diesem Modell eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bei einer Person, aufgrund bestimmter Eigenschaften eine psychische Störung – in diesem Fall eine Soziale Phobie – auszubilden. Diese Eigenschaften interagieren zugleich mit stressvollen Erfahrungen in der Umwelt (Hofmann et al., 2002). Demzufolge ist davon auszugehen, dass bei einer größeren zugrunde liegenden Vulnerabilität für eine Soziale Phobie umso geringerer Stress benötigt wird, um entsprechende Verhaltensmuster auszulösen (Brook & Schmidt 2008). Jedoch muss es sich bei den Vulnerabilitätsfaktoren nicht ausschließlich um rein biologische bzw. genetische Merkmale handeln, wie häufig angenommen wird. Auch Umwelteinflüsse, die aus der zwischenmenschlichen Interaktion und dem sozialen Kontext heraus resultieren, sind als Risikofaktoren von Bedeutung (Hofmann et al., 2002; Murray, Creswell & Cooper, 2009). Als Beispiel für ein solches Vulnerabilitäts-Stress-Modell, wie es oben beschrieben wurde, soll im Folgenden das Modell von Rapee und Spence (2004) dargestellt und erläutert werden. Hierbei ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Soziale Phobie und ihre Entwicklung im Sinne eines Kontinuums zu verstehen sind (vgl. Kapitel 2.1).

3.1 Das Entstehungsmodell von Rapee und Spence

Wie in Abbildung 1 dargestellt, wird das Individuum bereits durch bestimmte genetische Merkmale in seiner Persönlichkeit beeinflusst, welches sich u.a. in der Emotionalität (z.B. negative Affektivität) und der Geselligkeit des betreffenden Individuums niederschlägt. Dadurch wird das Individuum bereits entlang des Kontinuums in Richtung eines bestimmten Grads der sozialen Ängstlichkeit gelenkt, dem sogenannten „ Set Point“, welcher als eine Art Schwellenwert verstanden werden kann. Dieser Set Point ist relativ konstant und stabil, kann jedoch gleichzeitig von verschiedenen, zumeist umweltbedingten Faktoren beeinflusst werden. Die Stärke des Einflusses durch einen Umweltfaktor ist abhängig von dem Zeitpunkt seines Auftretens, seiner Intensität und Bedeutung für das Individuum sowie von seiner Einwirkungsdauer. So kann sich, laut Rapee und Spence (2004), ein Individuum mit geringer genetischer Vulnerabilität durch bestimmte traumatische Erlebnisse oder Umwelteinflüsse entlang des Kontinuums aufwärts in Richtung hoher sozialer Ängstlichkeit bewegen und gegebenenfalls eine Soziale Phobie entwickeln. Umgekehrt kann allerdings auch das Niveau der sozialen Ängstlichkeit eines Individuums mit einer hohen genetischen Disposition verringert werden, solange es in einem stark unterstützenden Familienumfeld aufwächst, welches soziale Interaktionen und das Eingehen sozialer Risiken ermutigt. Die Autoren nehmen jedoch an, dass Veränderungen durch Umwelteinflüsse meist eher gering und temporär sind. So fällt das Individuum häufig wieder auf den ursprünglichen Set Point zurück, sobald der betreffende Einflussfaktor nicht mehr vorhanden ist. Große Schwankungen im Laufe des Lebens eines Individuums sind daher relativ selten (Rapee & Spence, 2004).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Entstehungsmodell zur Sozialen Phobie von Rapee & Spence

(Quelle: Rapee & Spence, 2004, S. 756)

Anhand des Modells wird deutlich, dass verschiedene Risikofaktoren auf die Ausprägung der Störung einwirken. So haben die Eltern besonders im frühen Kindesalter einen großen Einfluss auf die Störungsentwicklung. Hierbei sind vor allem Bindungsstile und ein bestimmtes Erziehungsverhalten wie Überbehütung und Kontrolle von Bedeutung sowie die Übernahme bestimmter sozialer Verhaltens- und Denkweisen durch das sogenannte Modelllernen. Dem Kind kann dadurch z.B. die Überzeugung vermittelt werden, dass andere Menschen grundsätzlich sehr kritisch eingestellt sind und dass das Kind selbst nicht über ausreichende Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt (Rapee & Spence). Durch die Pfeile zwischen den jeweiligen Komponenten wird in Abbildung 1 ein wechselseitiger Einfluss zwischen Eltern und den Eigenschaften des Kindes aufgezeigt. Denn nicht nur das Verhalten der Eltern hat Auswirkungen auf das Kind, sondern auch die Persönlichkeitseigenschaften des Kindes, wie z.B. Schüchternheit oder Verhaltenshemmung, beeinflussen umgekehrt das elterliche Erziehungsverhalten (Hofmann et al., 2002; Hudson & Rapee, 2000; Rapee & Spece, 2004). Die Rolle der Eltern bei der Entstehung einer Sozialen Phobie und insbesondere die Bedeutung des Erziehungsverhaltens sollen in den folgenden Kapiteln ausführlicher thematisiert werden (vgl. Kap. 4; Kap. 5).

Da sich das Kind nicht nur im Elternhaus, sondern in verschiedenen Lebenswelten wie Kita, Schule oder (Sport-)Vereinen bewegt, wächst mit zunehmendem Alter der Einfluss durch andere gleichaltrige Kinder, die sogenannte Peergruppe (Asendorpf, 2002). Hierbei können insbesondere Erfahrungen wie Missachtung, Zurückweisung oder Hänseleien bis hin zum Mobbing als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Sozialen Phobie betrachtet werden (Rapee & Spence, 2004). Gleichzeitig können jedoch soziale Akzeptanz und soziale Unterstützung durch andere Gleichaltrige sowie eine als hoch empfundene Freundschaftsqualität als Schutzfaktoren fungieren (vgl. Kap. 5.2) (Festa & Ginsburg, 2011).

Bezüglich der Modell-Abbildung wäre an dieser Stelle allerdings kritisch anzumerken, dass es sich bei der Interaktion mit der Peergruppe ebenfalls um eine Reziprozität handelt, da sich Auftreten und Verhalten des betreffenden Individuums auf das Verhalten seiner Mitmenschen auswirkt. So verhält sich ein Kind mit ängstlichen Charakterzügen häufig in einer bestimmten Art und Weise, die es von der Gruppe abspaltet und somit anfälliger für deren Ablehnung und Hänseleien macht (Hudson & Rapee, 2000). Das wechselseitige Zusammenspiel zwischen Sozialverhalten des Kindes und dem Verhalten der Gruppenmitglieder wird in diesem Modell noch an anderer Stelle thematisiert. Dennoch wäre auch hier eine entsprechende Kennzeichnung des Einflusses durch das Kind auf die Peergruppe sinnvoll.

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Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Zur Entstehung von Sozialen Phobien im Kindes- und Jugendalter. Die Bedeutung von frühen familiären Bindungen
Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Stendal
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
57
Katalognummer
V307785
ISBN (eBook)
9783668061705
ISBN (Buch)
9783668061712
Dateigröße
694 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entstehung, sozialen, phobien, kindes-, jugendalter, bedeutung, bindungen
Arbeit zitieren
Katharina Jenner (Autor:in), 2013, Zur Entstehung von Sozialen Phobien im Kindes- und Jugendalter. Die Bedeutung von frühen familiären Bindungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307785

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