In dieser Bachelorarbeit werden zwei Fragen bearbeitet: Wie äußert sich Christa Wolfs Kultur- und Literaturkritik, also das von Wolf schon oben formulierte „unheimliche Wirken von Entfremdungserscheinungen“ formal und inhaltlich in ihrem Kassandraprojekt, und wird schon ein Lösungsansatz in dem Werk verankert?
Im ersten Kapitel wird dazu der Begriff Mythos erklärt. Darauf folgend wird speziell die Entstehung des Mythos um den Trojanischen Krieg und die Bearbeitung des Mythos durch Homer und Aischylos, auf die Christa Wolf rekurriert, beschrieben. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, warum eine in der DDR lebende Schriftstellerin einen antiken Mythenstoff aufgreift.
Im zweiten Teil der Arbeit soll Christa Wolfs Mythosverständnis erörtert werden. Dabei wird ein in der Rezeption öfter angesprochener Kritikpunkt aufgegriffen: Meint Wolf, mit ihrer Mythenadaption den wahren Kern des Mythos gefunden zu haben oder stellt ihre Erzählung Kassandra eine Remythologisierung dar?
Im dritten Teil dieser Arbeit soll die inhaltliche Umsetzung von Christa Wolfs Kritik an den tradierten Formen beschrieben werden. Ihre Umarbeitungen und Umdeutungen des Mythos sollen in Bezug auf das Stichwort Entmythologisierung beschrieben werden.
Im vierten Kapitel wird Wolfs Umformung des Stoffs unter formal-poetologischen Aspekten skizziert. Es wird Christa Wolfs Konzept der Subjektiven Authentizität vorgestellt und die Anwendung dieses Konzepts auf das Kassandraprojekt nachgewiesen. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob dieses Konzept eine Ästhetik des Widerstands beinhaltet.
Als übergreifendes Thema wird im fünften Teil der Arbeit erklärt, warum das Kassandraprojekt als Zivilisationskritik verstanden werden muss, was nach Wolf gleichbedeutend mit einer Patriarchatskritik ist.
Im sechsten Kapitel wird der Zeitbezug für das 20. Und 21.Jahrhundert aufgezeigt. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf die Verwendung verschiedener temporaler Formen im Hinblick auf die Hervorhebung zentraler universeller Werte gelegt werden. Abschließend soll Wolfs Verständnis von der Rolle der Literatur als sinnstiftendes Element, „gegen das unheimliche Wirken von Entfremdungserscheinungen“, dargelegt werden.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Mythos und Mythosbearbeitungen um den Trojanischen Krieg
- Bedeutung, Entstehung und Entwicklungsmöglichkeiten des Mythos
- Funktion des Mythenkanons für die Entwicklung der abendländischen Zivilisation
- Christa Wolfs Motive für die Bearbeitung des Stoffes
- Historisierung des mythischen Stoffes bei Christa Wolf
- Zur Debatte über die Existenz von früheren Matriarchaten
- Zur Entmythologisierung des Stoffes bei Christa Wolf
- Wolfs Umdeutung von Aischylos' Orestie
- Beinhaltet das Kassandraprojekt eine Remythologisierung?
- Inhaltliche Umsetzung der Kritik in Kassandra
- Aus weiblicher Perspektive: Suche nach menschlicher Perspektive
- Funktionalsierung des Mythos bei Homer und Aischylos
- Psychologisierung als Entmythologisierungsarbeit
- Dekonstruktion der Helden
- Frauen zwischen Gut und Böse – Frauen mit komplexen Charakteren
- Kassandra als weiblicher Individuationsprozess
- Humanisierung von Kassandras Wahn-Sinn
- Dekonstruktion der Kriegsgründe
- Säkularisierung des Stoffes
- Entmystifizierung der Sehergabe
- Ungläubige Priester und betrogenes Volk – Zur Funktionalisierung der Religion
- Formal-poetologische Umformung des Stoffs im Kassandraprojekt
- Subjektive Authentizität vs. „objektive“ Norm
- Das Kassandraprojekt als „Alternative zur herrschenden Ästhetik“?
- Zivilisationskritik im Kassandraprojekt
- Reflexionen über die Ausgrenzung des Weiblichen in Geschichte und Kultur
- Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat nach Bachofen und Engels
- Trojas Übergang vom Matriarchat ins Patriarchat in der Erzählung
- Das lebendige Dritte: Biologismus oder integrierender Feminismus?
- Die Zitadelle als Symbol für die aufkommende zivilisatorische Welt
- Die Bedeutung des Kassandraprojekts für das 20. und 21. Jahrhundert
- „Die Barbarei der Neuzeit“: Zeitkritik im Kassandraprojekt.
- Die Gegenwelt am Idaberg - ein Modell für die Zukunft?
- Der Begriff der Utopie versus den Begriff der Heterotopie nach Foucault bezogen auf die Gemeinschaft am Idaberg.
- Zeitumschläge als „Erinnerungsscharniere“.
- Schreiben als „Ästhetik des Widerstands“ für eine Renaissance des Bewusstseins
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit Christa Wolfs Kassandraprojekt, das aus den beiden Texten "Kassandra" und "Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra" besteht. Sie analysiert die Kritik an der traditionellen Mythosbearbeitung, insbesondere an Homer und Aischylos, und die damit verbundene Entmythologisierungsarbeit. Dabei wird die Frage nach der formalen und inhaltlichen Umsetzung der Kritik im Kassandraprojekt sowie nach möglichen Lösungsansätzen im Werk untersucht.
- Entmythologisierung des Trojanischen Kriegsmythos
- Zivilisationskritik und Patriarchatskritik
- Die Rolle der weiblichen Perspektive
- Formal-poetologische Umformung des Stoffes
- Die Bedeutung des Kassandraprojekts für das 20. und 21. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in den Begriff des Mythos und seine Bedeutung für die Entwicklung der abendländischen Zivilisation. Sie beleuchtet Christa Wolfs Motive für die Bearbeitung des Stoffes und die Historisierung des mythischen Stoffes bei Christa Wolf.
Im zweiten Teil der Arbeit wird Christa Wolfs Mythosverständnis und ihre Kritik an den tradierten Formen von Homer und Aischylos erörtert. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob Wolf mit ihrer Mythenadaption den wahren Kern des Mythos gefunden hat oder ihre Erzählung Kassandra eine Remythologisierung darstellt.
Im dritten Teil der Arbeit wird die inhaltliche Umsetzung von Christa Wolfs Kritik an den tradierten Formen beschrieben. Es werden ihre Verfahren der Historisierung, Psychologisierung, Dekonstruktion, Humanisierung und Säkularisierung im Hinblick auf das Stichwort Entmythologisierung analysiert.
Das vierte Kapitel skizziert Wolfs Umformung des Stoffes unter formal-poetologischen Aspekten. Es werden Christa Wolfs Konzept der Subjektiven Authentizität vorgestellt und die Anwendung dieses Konzepts auf das Kassandraprojekt nachgewiesen.
Im fünften Teil der Arbeit wird erläutert, warum das Kassandraprojekt als Zivilisationskritik verstanden werden muss, was nach Wolf gleichbedeutend mit einer Patriarchatskritik ist. Die Theorien zu den Zusammenhängen der Entstehung des Patriarchats mit seiner Ausgrenzung des Weiblichen, welche Wolf als theoretische Grundlage bei der Abfassung ihres Kassandraprojekts gedient haben, werden vorgestellt.
Der letzte Abschnitt der Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des Kassandraprojekts für das 20. und 21. Jahrhundert. Es wird untersucht, inwiefern das Kassandraprojekt eine Zeitkritik und ein Modell für die Zukunft darstellt.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Entmythologisierung, Zivilisationskritik, Patriarchatskritik, weiblicher Perspektive, formal-poetologische Umformung und der Bedeutung des Kassandraprojekts für das 20. und 21. Jahrhundert. Wichtige Begriffe sind Kassandraprojekt, Trojanischer Krieg, Homer, Aischylos, Christa Wolf, Matriarchat, Patriarchat, Entfremdung, Subjektive Authentizität, Ästhetik des Widerstands.
- Quote paper
- Sigrid Lehmann-Wacker (Author), 2014, Ästhetischer Widerstand als Zivilisationskritik in Christa Wolfs Kassandraprojekt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307868