Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer


Thèse de Master, 2015

62 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Thema

Literaturverzeichnis

A. Einleitung.
I. Einordnung des Themas.
II. Gang der Arbeit

B. Hauptteil
I. Geschichtliche Entwicklung des Abzugsverbots
1. Jahressteueränderungsgesetz von 1996.
2. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das BVerfG (1999)
3. Steuer-Euroglättungsgesetz (2002)
4. Steueränderungsgesetz 2007.
5. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das BVerfG (2010)
a) Ursprüngliche Vorlagefrage.
b) Erweiterte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit
c) Auswirkungen für den Steuerpflichtigen.
6. Jahressteueränderungsgesetz 2010.
II. Grundsatz: Abzugsverbot § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG
1. Häusliches Arbeitszimmer
a) Räumliche Trennung.
aa) bisherige Rechtsprechung.
bb) anhängiges Verfahren vor dem Bundesfinanzhof
cc) Handlungs-/Hinweise.
b) Lage / Funktion / Ausstattung.
c) Häuslichkeit
aa) Einfamilienhaus.
bb) Mehrfamilienhaus.
cc) Zusammenfassung.
2. Abgrenzung zu den Kosten der Lebensführung.
a) bisherige Rechtsprechung.
b) anhängiges Verfahren vor dem BFH..
3. Abgrenzung zu einer Betriebsstätte.
4. Aufwendungen eines gemischt genutzten Raumes
a) Rechtsprechungsänderung des BFH zum Aufteilungs- /Abzugsverbot
b) Zuletzt hierzu ergangene Rechtsprechung der Finanzgerichte
c) Folgen für die Abzugsfähigkeit gemischter Aufwendungen
d) erwartete Entscheidung des BFH
e) Handlungs-/Hinweise.
5. Schaubild zur Veranschaulichung.
III. Ausnahme: § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG
1. Mittelpunkt der Betätigung.
a) Ausübung einer Erwerbstätigkeit
b) Ausübung mehrerer Erwerbstätigkeiten.
2. Zusammenfassung.
IV. Ausnahme: § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 1. Halbsatz EStG
1. Anderer Arbeitsplatz.
2. Verfügbarkeit
3. Zusammenfassung.
4. Beschränkung auf 1.250 €.
a) derzeitige Rechtsprechung.
b) anhängige Revisionsverfahren vor dem BFH
c) erwartete Entscheidung des BFH
5. Schaubild zur Veranschaulichung
V. Tangierte Aufwendungen.
VI. Gestaltungsmöglichkeiten.
1. Keine Nutzungsmöglichkeit eines anderen Arbeitsplatzes
2. Außerhäusliches Arbeitszimmer / Betriebsstätte
3. Vermietungsmodell
4. Verlegung des Mittelpunkts in das häusliche Arbeitszimmer
5. Vermietung unter Ehegatten.
VII. Feststellungslast / Beweislast:
VIII. Zugehörigkeit zum Betriebs- oder Privatvermögen.

C. Zusammenfassung / Schlusswort

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Thema:

„Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer“

Die nachfolgende Arbeit befasst sich mit der Thematik der einkommensteuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, den damit zusammenhängenden Problempunkten und Abgrenzungsmerkmalen sowie geschichtlichen als auch grundrechtlichen Hintergedanken.

Sie nimmt insbesondere Stellung zu den derzeitig anhängigen Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof, zieht zahlreiche wichtige zuletzt ergangene Entscheidungen der Finanzgerichte heran und eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten für Steuer-pflichtige.

A. Einleitung

I. Einordnung des Themas

Das Arbeiten von zu Hause aus erfreut sich zunehmender Beliebtheit, da es aufgrund der modernen Telekommunikationstechniken in vielen Bereichen für Arbeitnehmer und Selbstständige möglich ist, die von Ihnen zu verrichtende Arbeit auch von der privaten Wohnung aus zu erledigen. Dies führt nachvollziehbarer Weise zu der berechtigten Frage, wann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich geltend gemacht werden können.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die gesetzliche Regelung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, welche neben den Gewinneinkunftsarten ebenso über den Verweis in § 9 Abs. 5 EStG auf die Überschusseinkunftsarten Anwendung findet.1Nachfolgend wird demnach – sofern nicht explizit erwähnt – nicht zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten sowie zwischen Betriebsausgaben und Werbungskosten unterschieden.

Nach derzeitiger Gesetzeslage dürfen entsprechend § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG2:

„Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.“

II. Gang der Arbeit

Die Regelung zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist in der Vergangenheit mehrfach reformiert worden,3so dass sich die Arbeit vorab mit der geschichtlichen Entwicklung und der vom Gesetzgeber entworfenen Norm beschäftigt. Hierbei wird explizit auf Kollisionen mit Grundrechten der Steuerpflichtigen und ergangene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eingegangen.

Im Anschluss erfolgt zu einer besseren Eingliederung und einem einfacheren Systemverständnis, die Darstellung des Grundsatzes des Abzugsverbots sowie eine Erörterung der jeweiligen Begriffsbestimmungen. Im Nachgang werden die Ausnahmetatbestände sowie deren Voraussetzungen beleuchtet und die unterschiedlichen Abgrenzungsmerkmale veranschaulicht.

Angesichts dessen, dass die Zahl der Streitpunkte rund um den Abzug der Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers kaum noch überschaubar ist, werden die wesentlichen Problempunkte herausgearbeitet und anhand der hierzu ergangenen Rechtsprechung erläutert. Auf wichtige, jüngst ergangene Entscheidungen wird – sofern dies den Umfang der Arbeit nicht sprengen würde – explizit Bezug genommen.

Sodann werden aufgrund der gewonnenen und erarbeiteten Ergebnisse dem Steuerpflichtigen diverse Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, um Probleme bei dem Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu lösen oder gar zu umgehen.

B. Hauptteil

I. Geschichtliche Entwicklung des Abzugsverbots

Die deutsche Besteuerung erfolgt nach dem Fundamentalprinzip der Leistungsfähigkeit, was ein Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG darstellt.4Die Einkommensbesteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip beruht auf dem Grundsatz des objektiven Nettoprinzips5. Dieses gebietet, dass der Steuerpflichtige diejenigen Aufwendungen absetzen darf, welche er zur Erzielung von Einnahmen aufwendet. Nur in bestimmten Ausnahmefällen können und dürfen Ausgaben zur Erzielung steuerpflichtigen Einkommens vom Abzug ausgeschlossen werden.6Zur Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen.7Vor diesem Hintergrund entwickelte und erweiterte der Gesetzgeber im Laufe der Jahre den Katalog der Abzugsbeschränkungen in § 4 Abs. 5 EStG. Die Abzugsbeschränkungen waren aber stets begrenzt auf Aufwendungen, die ohne betriebliche Veranlassung typische Kosten der privaten Lebensführung wären.

1. Jahressteueränderungsgesetz von 1996

Mit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes von 1996 (JStG 1996)8nahm der Gesetzgeber zahlreiche Änderungen des Einkommensteuergesetzes vor, um das Steuerrecht zu vereinfachen. Gemäß Art. 1 Nr. 6 a) cc) JStG 1996 wurden nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG die Buchstaben a) und b) eingefügt. Der neue § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, welcher die Abzugsfähigkeit des häuslichen Arbeitszimmers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach beschränkte, enthielt folgenden Wortlaut:

(5) Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern: …

6b. „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 vom Hundert der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2.400 Deutsche Mark begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.“9

Vor Einführung des § 4 Abs. 5 Satz. 1 Nr. 6b EStG waren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer über die Normen §§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 1 EStG vollumfänglich abzugsfähig, sofern deren Voraussetzungen vorlagen.10Es fand lediglich eine Abgrenzung zu den Kosten der Lebensführung statt, da Aufwendungen für die eigene Wohnung in der Regel Kosten der Lebensführung und als solche nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähige Ausgaben darstellen.11Eine gesetzliche Beschränkung der Absetzungsmöglichkeit gab es bis zum 01.01.1996 noch nicht.12

Hintergrund der Regelung war neben der Steuervereinfachung die ausufernde Inanspruchnahme und begrenzte Nachprüfbarkeit der Voraussetzungen im privaten Wohnbereich (sog. Missbrauchsabwehr).13

2. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das BVerfG (1999)

Aufgrund zahlreicher verfassungsrechtlicher Bedenken wurde durch einen Steuerpflichtigen gegen ein vom Bundesfinanzhof im Jahr 1997 getroffenes Urteil14sowie mittelbar gegen § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 07.12.1999 die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bejaht. Das BVerfG führte aus, dass die Beschränkung des Werbungskostenabzugs nicht gegen materielles Verfassungsrecht verstoße, da eine Nachprüfung der Nutzung durch die Finanzbehörden wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich sei.15Ein in der Privatwohnung des Steuerpflichtigen liegender Raum kann auch für andere als berufliche Zwecke genutzt werden, ohne dass die Finanzbehörden eine Kontrollmöglichkeit haben.16Dies als Tatsache zugrunde gelegt, wurde auch die Höhe des zulässigen Abzugs als verfassungsrechtlich bedenkenlos eingestuft, da das Einkommensteuergesetz durch die Festlegung einer typisierenden Höchstgrenze individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen kann.17

3. Steuer-Euroglättungsgesetz (2002)

Im Jahr 2002 mit der Einführung / Umstellung auf den EURO wurde die Regelung durch das Steuer-Euroglättungsgesetz18dahingehend geändert, dass die abziehbaren Aufwendungen anstatt 2.400 Deutsche Mark nunmehr 1.250 EUR betrugen.19

4. Steueränderungsgesetz 2007

Durch das Steueränderungsgesetz 2007 hob der Gesetzgeber die Sätze 2 und 3 des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auf und ersetzte diese durch folgenden Satz, wodurch die Abzugsmöglichkeit weiter eingeschränkt wurde:20

„Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet;“

Der Gesetzgeber machte den „Mittelpunkt-Begriff“, welcher unter Punkt B. III. 1. näher erläutert wird, zu der einzigen Abzugsvoraussetzung dem Grunde nach, wohingegen eine Prüfung der Höhe nach entfiel.21Diese Gesetzesänderung führte demnach dazu, dass die Kosten für ein Arbeitszimmer entweder voll abziehbar waren oder gar nicht.22Begründet wurde diese Gesetzesänderung seinerzeit lediglich mit dem Ziel, dem Fiskus zusätzliche Einnahmen durch eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu verschaffen.23

5. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das BVerfG (2010)

Im Mai 2009 kam es zu einem Finanzprozess vor dem Finanzgericht Münster24, worauf dieses dem Bundesverfassungsgericht die zu erwartende Frage vorlegte, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2007 geltenden Fassung verfassungsgemäß ist.25

a) Ursprüngliche Vorlagefrage

Die an das Bundesverfassungsgericht vorgelegte Streitfrage lautete:

„Ist die Abschaffung jeglicher Abzugsmöglichkeiten für die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers auch dann verfassungskonform, wenn dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht?“26

Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 06. Juli 2010 die Verfassungswidrigkeit der Norm wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.27Soweit die Neuregelung die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausschließt, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, findet die Abweichung vom objektiven Nettoprinzip keine hinreichende sachliche Rechtfertigung.28Aufwendungen die objektiv zur Einnahmeerzielung dienen und nicht die private Lebensführung berühren, stehen nicht zur Disposition des Gesetzgebers.29

Darüber hinaus stellte das Ziel der Einnahmenvermehrung für den Fiskus für sich genommen keinen hinreichend sachlichen Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Ausgestaltung einkommensteuerlicher Belastungsentscheidungen dar.30

Bemerkenswerterweise hat das BVerfG nicht lediglich die Verfassungswidrigkeit der Norm festgestellt und den Gesetzgeber dazu verpflichtet bis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt für einen verfassungskonformen Zustand zu sorgen, sondern den Gesetzgeber – ebenso wie bei der Pendlerpauschale31– dazu verpflichtet, durch eine rückwirkende Gesetzesänderung auch für die Vergangenheit einen verfassungsgerechten Zustand herzustellen.32Demnach musste der Gesetzgeber den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 01. Januar 2007 durch eine Neufassung beseitigen.

b) Erweiterte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

Aus dem Beschluss haben sich noch weitere wichtige Informationen entnehmen lassen, die das BVerfG über die Vorlagefrage hinaus geprüft und entschieden hat.

Soweit eine Norm zulässigerweise dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird, ist diese unter allen erdenkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Gegenstand des Verfahrens.33Das BVerfG ist nicht darauf beschränkt die Verfassungsmäßigkeit nur unter demjenigen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, den das vorgelegte Gericht überprüft haben möchte.34Von diesem umfassenden Prüfungsrecht hat vorliegend das BVerfG Gebrauch gemacht und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2007 in seiner Gesamtauswirkung überprüft. Hierbei hat sich das BVerfG auch mit der Frage beschäftigt, ob der Ausschluss des Abzugs der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wie die berufliche oder betriebliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v. H. der gesamten beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit umfasst.35

Die Karlsruher Richter waren der Ansicht, dass diesbezüglich kein Verstoß gegen Art. 3 GG vorlag.36Zwar hat der Gesetzgeber der Einkommensteuer das Nettoprinzip zugrunde zu legen, wonach nur das Nettoeinkommen, also die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen besteuert wird,37der Gleichheitssatz des Art. 3 GG fordert allerdings nicht, dass der Gesetzgeber stets den gewillkürten tatsächlichen Aufwand berücksichtigt.38Vielmehr ist es ausreichend, dass er für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines in realitätsgerechter Höhe typisierten Betrages gestattet.39Eine solche Handhabung ist insbesondere dann möglich, wenn die Erwerbsaufwendungen die Kosten der allgemeinen Lebensführung im Sinne des § 12 EStG berühren. In einem solchen Fall ist es zur Vereinfachung sowie zur Klarstellung sinnvoll, die Erwerbsaufwendungen in einem unwiderleglichen Regeltatbestand zu erfassen, wodurch zugleich die Ermittlungen im Privatbereich, der den Schutz des Art. 13 GG genießt, eingegrenzt werden können.40

Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts ist bei einer typisierenden Betrachtung der Ausschluss dieser Fallgruppe vertretbar, da der prozentuale Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers jedenfalls dann ein schwaches Indiz für dessen Notwendigkeit ist, wenn dem Steuerpflichtigen ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Darüber hinaus fehlt es – anders als bei der Frage ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht – an leicht nachprüfbaren objektiven Anhaltspunkten, welche es für die Kontrolle der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Arbeitszimmers bedarf.

Dieses Ergebnis ist konsequent und entspricht dem, was das BVerfG im Jahre 1999 (unter Punkt B. I. 2.) hinsichtlich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. vom JStG 1996 entschieden hat.

c) Auswirkungen für den Steuerpflichtigen

Von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2010 konnten unmittelbar nur solche Steuerpflichtige profitieren, die ihre diesbezüglichen belastenden Bescheide mit Rechtsbehelfen offen gehalten hatten. Zwar wurde in Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Literatur41teilweise die Ansicht vertreten, auch einschlägige bestandskräftige Steuerbescheide seien zu ändern, dem ist zwischenzeitlich allerdings das Finanzgericht Münster entgegengetreten.42Nach dessen in der Tat zutreffenden Ausführungen ist es zwar unerfreulich, dass festgestellte Verfassungsverstöße regelmäßig nur zu einer Änderung noch offener Steuerfestsetzungen führen, dennoch gibt es für eine andere Entscheidung keine Rechtsgrundlage. Eine Änderung wegen neuer Tatsachen nach § 173 AO scheitert in diesen Fällen daran, dass die Tatsache „Arbeitszimmer vorhanden“ deshalb nicht rechtserheblich war, weil die Finanzverwaltung die Kosten derartiger Räume vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2010 auch dann nicht zum Abzug zugelassen hätte, wenn sie von dessen Nutzung zur Erzielung von Einkünften Kenntnis gehabt hätte.

6. Jahressteueränderungsgesetz 2010

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2010 den Mittelpunkt als Voraussetzung für die Abziehbarkeit dem Grunde nach wieder aufgehoben und die bis heute gültige Fassung beschlossen.43Im Wesentlichen wurde die Rechtslage vor 2007 wieder hergestellt,44mit der Ausnahme, dass das neue Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG auch gilt, wenn das häusliche Arbeitszimmer trotz eines beruflichen Arbeitszimmers zu mehr als 50 von Hundert genutzt wird.45

Die Begrenzung der Abzugshöhe ohne Mittelpunkt auf einen anfallenden Betrag von 1.250 EUR ist nicht zu beanstanden, wie dem Grunde nach das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung aus dem Jahr 1999 und 2010 bereits bestätigte. Die heutige gesetzliche Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist gerechtfertigt und deswegen verfassungsgemäß.

II. Grundsatz: Abzugsverbot § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG

Seit dem Jahressteueränderungsgesetz von 1996 enthält §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG eine sachliche und betragsmäßige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für steuerlich anzuerkennende, ausschließlich betrieblich genutzte Arbeitszimmer. Die Norm unterscheidet drei Fallgruppen, den Grundsatz und zwei Ausnahmen hiervon.

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung dürfen grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, unabhängig von der betrieblichen bzw. beruflichen Veranlassung.

Der Begriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ fand erst mit Einführung der Norm Eingang in das Einkommensteuergesetz. Bemerkenswert ist, dass sich weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Definition dieses Begriffes auffinden lässt.46Es handelt sich um einen Typusbegriff mit fließenden Grenzen und Übergangsformen.47Mangels einer Legaldefinition ist vorab anhand der ergangenen Rechtsprechung herauszuarbeiten, welche Räumlichkeiten unter den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers zu subsumieren sind.

Die Qualifizierung als „häusliches Arbeitszimmer“ hat weitreichende Folgen. Sofern der Arbeitsraum als „außerhäusliches Arbeitszimmer“ oder als „Betriebsstätte“ zu qualifizieren ist, sind die hierauf entfallenden Aufwendungen steuerlich in voller Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar, da die normierte Abzugsbeschränkung in einem solchen Fall nicht einschlägig ist.48Fallen die Aufwendungen hingegen unter die Kosten für die private Lebensführung, so ist ein Betriebsausgaben- / Werbungskostenabzug bereits dem Grunde nach entsprechend § 12 Nr. 1 EStG nicht möglich.

1. Häusliches Arbeitszimmer

Als häusliches Arbeitszimmer kann nachvollziehbarer Weise nicht jeder Raum gewertet werden, in dem einer beruflichen Arbeit nachgegangen wird. Eine solche Subsumtion würde zwar den beruflichen Bezug getrennt von der privaten Lebensführung herstellen, jedoch die Abgrenzung zu einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO unmöglich machen. Demgemäß hat der Bundesfinanzhof den Begriff des Arbeitszimmers zwar nicht als Gegenstück zur häuslichen Betriebsstätte definiert, ihn jedoch abgegrenzt von betriebsähnlichen Räumen im Wohnungsbereich wie etwa einer Werkstatt oder einem Ausstellungsraum.49

In einem Urteil vom 19.09.2002 führte der 6. Senat des BFH aus, dass unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG jeder Raum fällt, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. verwaltungsorganisatorischer Arbeiten dient50und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken genutzt wird.51

Der 11. Senat des BFH griff ebenso diese Definition in seinem Urteil vom 16.10.2002 auf und lehnt sich bei der Beschreibung des Typusbegriffs an die hierzu bis zum JStG 1996 ergangene Rechtsprechung sowohl des BFH wie zuvor des Reichsfinanzhofs52an.53

Für eine Qualifizierung der Räumlichkeit nicht relevant ist die Frage, für welche Einkunftsart das Arbeitszimmer genutzt wird oder werden soll.

a) Räumliche Trennung
aa) bisherige Rechtsprechung

Der Bundesfinanzhof spricht im Rahmen seiner getätigten Definition eines häuslichen Arbeitszimmers von einem „Raum“, welcher bestimmten Anforderungen gerecht werden muss. Bereits angesichts des Wortlautes lässt sich vermuten, dass nur ein separater Raum in der Privatwohnung ein häusliches Arbeitszimmer darstellen kann.

Hiervon ging bis zur Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 19.05.201154die Rechtsprechung aus. Auf der Grundlage einer typisierten Lebenserfahrung wurde die räumliche Trennung bzw. Abgeschlossenheit als unabdingbare Voraussetzung für die auszuschließende private Mitbenutzung des häuslichen Arbeitszimmers angesehen.55Man ging der Annahme, dass andernfalls die Nutzung des einen Raumes nicht möglich sei, ohne dass die Nutzung des anderen Raumes beeinträchtigt wird und die offenen Räume insofern als Einheit beurteilt werden müssen.

[...]


1Sie gilt auch bei der Ermittlung der als Sonderausgaben abziehbaren Ausbildungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 EStG.

2G. v. 08.12.2010 (BGBl. I S. 1768); erstm. Anwendung s. § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG.

3Bleschick NWB 1/2012 S.16.

4Hey in Tipke/Lang S. 72 Rn. 40.

5Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 34. Auflage § 4 Rn. 521.

6Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 34. Auflage § 4 Rn. 521.

7Pohl in Bordewin/Brandt § 4 Rn. 2361; Kirchhof/Söhn § 4 Rn. Lb 23.

8Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995, BGBl. I S. 1250.

9Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995; Bundesgesetzblatt Teil S. 1250.

10Paul in H/H/R § 4 Rn. 1490; Eismann in DStR 2013 S. 117.

11Ramisch in „Das häusliche Arbeitszimmer im Steuerrecht“ S. 4 Rn. 5; Broudré FR 3/2000 S. 122.

12Kirchhof/Söhn § 4 Rn. Lb 1.

13Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 34. Auflage § 4 Rn. 591; Kirchhof/Söhn § 4 Rn. Lb 19.

14BFH v. 21.11.1997 VI R 4/97.

15Entscheidung des BVerfG vom 07.12.1999, 2 BvR 301/98; BVerfGE 101, 297.

16Entscheidung des BVerfG vom 07.12.1999, 2 BvR 301/98; BVerfGE 101, 297.

17Broudré FR 3/2000 S. 127; BVerfGE 101, 297.

18Steuer-Euroglättungsgesetz vom 19. Dezember 2000; Bundesgesetzblatt Teil 1 S.1790.

19Paul in H/H/R § 4 Rn. 1490.

20Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006, Bundesgesetzblatt Teil I S. 1652.

21Bergkemper DB 2010 S.1674.

22Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 26. Auflage § 4 Rn. 594.

23BT Drucks 16/1545 S. 1, 8, 12.

24Finanzgericht Münster vom 08. Mai 2009, 1 K 2872/08 E (EFG 2009, 1224).

25Haufe Steuer Check-up 2010 S. 41.

26FG Münster, Vorlagebeschluss vom 08. Mai 2009 – 1 K 2872/08 E.

27Paul in H/H/R § 4 Rn. 1495; Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09.

28Bergkemper DB 2010 S.1675; Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09.

29Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 26. Auflage § 4 Rn. 521.

30Bergkemper DB 2010 S.1675.

31BVerfG v. 09.12.2008, 2 BvL 1/08 u.a.

32Bergkemper DB 2010 S.1675.

33BVerfGE 90, 226; 93, 121; 120, 125; 122, 210.

34BVerfG v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09.

35BVerfG v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09.

36Bergkemper DB 2010 S.1675.

37Beschluss des BVerfG vom 11.11.1998; 2 BvL 10/95; BVerfGE 99, 280.

38Entscheidung des BVerfG vom 07.12.1999; 2 BvR 301/98; BVerfGE 101, 297.

39Paul in H/H/R § 4 Rn. 1495; BVerfG vom 10.04.1997, 2 BvL 77/92; BVerfGE 96,1.

40Beschluss des BVerfG vom 11.11.1998; 2 BvL 10/95; BVerfGE 99, 280.

41Schüßler DStR 19/2011 S. 890 ff..

42FG Münster vom 18.01.2012, 11 K 431910.

43Jahressteuergesetz 2010 vom 08.10.2009, Bundesgesetzblatt Teil 1 S. 3366.

44Marcinek/Thönnes Steuer und Studium 2011 S. 380.

45Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 26. Auflage § 4 Rn. 590.

46Eismann DStR 4/2013 S. 117.

47Woring FR 9/2011 S. 422; Wied in Blümich EStG Kommentar § 4 Rn. 838.

48Günther EStB 2011 S. 157.

49Heinicke in Schmidt EStG-Kommentar 34. Auflage § 4 Rn. 591; BFH VI R 74/98.

50BFH Urteil vom 19.09.2002, VI R 70/01; BStBl II 2003 S. 139.

51Schönwald Steuer und Studium 3/2005 S. 148; Bundessteuerblatt 2001 Teil 1 S. 195.

52Bundesgesetzblatt I 1996 S. 1250.

53Zimmers DStR 17/2003 S. 676, 677; BFH Urteil vom 16.10.2002, XI R 89/00; BStBl. II 2003 S. 185.

54FG Köln Urteil vom 19.05.2011 10 K 4126/09.

55Ramisch in „Das häusliche Arbeitszimmer im Steuerrecht“ S.14 Rn. 22.

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Résumé des informations

Titre
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
Cours
Steuerwissenschaften
Note
1,7
Auteur
Année
2015
Pages
62
N° de catalogue
V308022
ISBN (ebook)
9783668064546
ISBN (Livre)
9783668064553
Taille d'un fichier
544 KB
Langue
allemand
Mots clés
abzugsfähigkeit, aufwendungen, arbeitszimmer
Citation du texte
Dipl.jur. Mathias Martin (Auteur), 2015, Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308022

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