Carbon Lock-in im Amazonasgebiet? Das isolierte Energiesystem in Brasilien und die Erdöl-Abhängigkeit. Welche Alternative ist denkbar?


Bachelorarbeit, 2012

46 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis.

Tabellenverzeichnis.

Abkürzungsverzeichnis.

Symbolverzeichnis.

Kurzfassung.

1.Einleitung.

2.Begriffserläuterung.
2.1.Lock-in.
2.2.Carbon lock-in.
2.3.De-Locking.

3.Kurzüberblick Energiesystem Brasiliens.
3.1.Energiesystem Brasiliens.
3.2.Die isolierten Systeme.
3.2.1.Marajó.
3.2.2.Subventionen.
3.2.3.Kostenberechnung der Diesel-Verwendung.

4.Methode für Analyse.

5.Analyse: Erdöl-Abhängigkeit in der Zukunft, Perspektiven, Alternativen.

5.1.Windenergie.
5.1.1.Ökonomische Folgen.
5.1.2.Ökologische Folgen.
5.1.3.Soziale Folgen.
5.2. Photovoltaik.
5.2.1.Ökonomische Folgen.
5.2.2.Ökologische Folgen.
5.2.3.Soziale Folgen.

6.Fazit

Anhang.

Literaturverzeichnis.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Brasilianisches Übertragungsnetz

Abbildung 2: Die brasilianische Region Para

Abbildung 3: Carbon lock-in

Abbildung 4: Windkraftpotential in Brasilien

Abbildung 5: Windkraftpotential in der nördlichen Region Brasiliens

Abbildung 6: Tägliche, globale Sonneneinstrahlung - typischer, jährlicher Durchschnitt

Abbildung 7: spezifische Lernkurven

Abbildung 8: Vergleich Stromgestehungskosten in Deutschland, Prognose

Abbildung 9: Formel zur Berechnung von Stromgestehungskosten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Stromgestehungskosten Diesel

Tabelle 2: Installierte Kapazitäten von Windenergie in Brasilien auf Basis des GWEC

Tabelle 3: Stromgestehungskosten Diesel, Wind

Tabelle 4: Stromgestehungskosten Diesel, Wind, Photovoltaik

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kurzfassung

In der vorliegenden Bachelorarbeit wird der Carbon lock-in Effekt im brasilianischen Amazonasgebiet behandelt. Das Amazonasgebiet und im speziellen Fall die Region Marajó, ist eine einkommensschwache, ländliche und dünn besiedelte Region in einem aufstrebenden, von Wirtschaftswachstum getriebenen Land. Diese Region ist in Bezug auf die Energieversorgung weitgehend isoliert und, trotz guter geographischer Potentiale für erneuerbare Energien, stark vom endlichen Rohstoff Erdöl abhängig. Die Kuriosität dabei ist, dass dieser über viele hunderte und tausende Kilometer transportiert werden muss, um in den thermischen Kraftwerken der isolierten Systeme genutzt zu werden. Diese ineffiziente Nutzung wird in der vorliegenden Arbeit ebenso wie verschiedene Einflussfaktoren genannt, die zu dieser Erdölnutzung beitragen. Im Zentrum der Arbeit steht dann eine Analyse zur Problematik des Carbon lock-in in der Region Marajó. Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob eine Änderung dieser historisch gewachsenen Situation sinnvoll und praktikabel ist. In diesem Kontext wird weiterhin thematisiert, ob ein De-Locking durch die Alternativen der Photovoltaik- und Windenergienutzung vor Ort möglich ist.

1. Einleitung

"Ordem e progresso"

Ordnung und Fortschritt lautet die Inschrift der brasilianischen Nationalflagge.

Brasilien ist ein Land, welches sich auf dem Weg vom Schwellenland hin zum Industrieland befindet. Die wirtschaftliche Entwicklung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, der vergangenen Jahre und Jahrzehnte war positiv1, weshalb die ökonomische und politische Bedeutung Brasiliens weltweit zunimmt. Das deutsche Auswärtige Amt legt in seiner aktuellen Einschätzung dar, dass Wachstumsimpulse infolge der Fußball Weltmeisterschaft 2014, der Olympischen Spiele 2016 sowie der Erschließung neu entdeckter Rohöl- und Erdgasvorkommen zu erwarten sind. Durch die sportlichen Höhepunkte seien Investitionen geplant, welche in Rio de Janeiro bis zum Jahr 2014 auf ca. 88 Mrd. R$ geschätzt würden.2

Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten gilt es neue Probleme zu bewältigen, die aber auch die Chance zukunftsorientierter Investitionen bieten. Dies sollte in einem Schwellenland einfacher zu erreichen sein, als in den meisten entwickelten Industrieländern, da deren Energie-Infrastruktur bereits voll ausgebaut ist und diese somit vielmals älteren Technologien verhaftet sind. Dadurch besteht für die Entwicklungsländer die Möglichkeit den Status der Industriestaaten hinsichtlich klimafreundlicher Technologien und Infrastrukturen hinter sich zu lassen.3 4

In diesem Kontext ist auch das Wort „Fortschritt“ aus der Inschrift der brasilianischen Nationalflagge konkret unterlegt. Im Gegensatz dazu entspricht die „Ordnung“ in Brasilien augenscheinlich noch nicht den Standards entwickelter Industrieländer, wie beispielsweise die Kriminalitätsrate5 verdeutlicht. Für eine weitere positive wirtschaftliche Entwicklung6 wird nun auch von entscheidender Bedeutung sein, ob die staatlichen Strukturen und die Organisation des größten Landes Südamerikas ein adäquates Klima für Zukunftsinvestitionen schaffen können. Dabei gehört es auch dazu die sozialen Ungleichgewichte, speziell was die Bevölkerung im Amazonasgebiet betrifft, in Zukunft möglichst gering zu halten. In den letzten Jahren gab es dabei bereits Fortschritte, so haben z.B. zwölf Millionen Brasilianer Zugang zu Elektrizität erhalten, sodass dieser nun nahezu überall existiert.7 Dennoch sind weitere Schritte zur Armutsbekämpfung notwendig.

Zum Stand der Forschung ist zu sagen, dass insbesondere Gregory C. Unruh den Begriff des Carbon lock-in vielfach wissenschaftlich beschrieben hat. Eine Projektion auf die Problematik in den isolierten Energiesystemen des brasilianischen Amazonasgebietes ist jedoch bislang noch nicht erfolgt.

Ziel dieser Arbeit ist eine Analyse der Erdölabhängigkeit in den isolierten Systemen des Nordens Brasiliens, mit besonderem Fokus auf die Region Marájo. Zudem werden anhand ökologischer, ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte Abwägungen für Alternativen zur derzeit vorherrschenden Erdölverwendung getroffen. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Möglichkeiten der Photovoltaik und der Windenergie (on-shore) genauer betrachtet.

2. Begriffserläuterung

Um zum wesentlichen Teil dieser Arbeit hinzuführen, erscheint es sinnvoll vorab bereits auf drei wesentliche Begrifflichkeiten genauer einzugehen. Dabei handelt es sich zum einen um den allgemeinen Lock-in Effekt8 und zum anderen um den Carbon lock-in Effekt. Letzterer ist ein spezifischer Lock-in Effekt und leitet konkreter zum Thema der Arbeit hin. Als dritte Begrifflichkeit wird auf ein Aufbrechen eines Lock-in Effektes, ein sogenanntes De-Locking, eingegangen.

2.1. Lock-in

Unter einem Lock-in Effekt ist ein Verriegelungseffekt, welcher auf einer Pfadabhängigkeit basiert, zu verstehen. Diese Pfadabhängigkeit stellt einen vergangenheitsdeterminierten, kontinuierlichen Prozess dar, doch dieser Zustand kommt trotz seiner Unterlegenheit gegenüber Alternativen nicht zum Erliegen. Dies war in der Vergangenheit vor allem bei der Entstehung technischer Standards zu beobachten.

Ein Beispiel dafür ist der englische Tastaturen-Standard “QWERTY“. Dieser regelt die Buchstaben-Anordnung der Schreibmaschine und wurde nach seiner Erfindung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum dominierenden Standard. Durch “historische Zufälligkeiten“9 kam es zu dieser Pfadabhängigkeit zugunsten des “QWERTY“ –Standards, denn grundsätzlich wäre auch eine völlig andere Anordnung der Buchstaben möglich gewesen.

Der Lock-in Effekt ist in diesem Beispiel damit zu erklären, dass sich sowohl Benutzer, Hersteller, potentielle Arbeitgeber als auch Schulen, welche das Maschinenschreiben ihren Schülern erlernen, auf diesen Standard eingestellt haben. Es wurden beispielsweise Produktionsmittel und Lehrmaterialien angeschafft. Davon nun abzuweichen, da vielleicht durch neue Erkenntnisse10 eine schnellere oder schonendere Buchstaben- Anordnung der Tastaturen verfügbar ist, stellt alle beteiligten Gruppen vor Probleme, da mit einer Änderung vielfältige Kosten verbunden wären. Darunter kann man sich z.B. Anschaffungskosten neuer Technik und neuer Materialien oder Schulungskosten des Lehrpersonals vorstellen.

Darauf wird verzichtet und in der Folge der einmal geschaffene und ineffizient gewordene Standard weiter fortgeführt und verstetigt. Es kann festgestellt werden, dass eine einmal getroffene Festlegung dazu führt, dass sich die Nutzerzahl erhöht und damit auch die Attraktivität der Technologie steigt.11 Somit determiniert die Vergangenheit zu einem gewissen Grad die Zukunft12.

Desweiteren erhöhen “[s]owohl zunehmende Skalenerträge als auch positive Rückkopplungen […] den Nutzen einer Technologie in selbstverstärkender Weise und verhindern damit ein Abweichen vom einmal eingeschlagenen Entwicklungspfad.“13

Neben Technologien werden auch für Verhaltensmuster Lock-ins und Pfadabhängigkeiten beobachtet. Beispiele dafür sind „[…] das Rechtsfahren im Autoverkehr, der Gebrauch einer Währung oder das Sprechen einer Sprache.“14 Am Beispiel der Sprache kann man feststellen, dass diese in ihren Grundzügen über einen langen Zeitraum relativ konstant bleibt. Es fallen zwar im Laufe der Zeit Wörter weg oder es kommen neue hinzu, aber im Hinblick auf die Komplexität einer Sprache ist dies doch als vergleichsweise sehr geringe Veränderung wahrzunehmen.15

Oftmals ist in vielen Entscheidungsprozessen auch der Staat direkt oder durch staatliche Beteiligungen an Unternehmen indirekt beteiligt. Es zeigt sich, dass dieser sich äußerst starr verhält und somit Lock-in Situationen begünstigt. Eine „Veränderungsresistenz im Sinne eines vollständigen Lock-in ist äußerst selten, jedoch weisen die Institutionen eine hohe Stabilität auf, wandeln sich also nur graduell in ihren Entscheidungen.“16

2.2. Carbon lock-in

Um nun dem Titel dieser Arbeit entsprechend den Carbon lock-in Effekt im Amazonasgebiet zu untersuchen, so ist es notwendig diesen Begriff näher zu erläutern.

Der Begriff Carbon lock-in basiert auf dem vorangegangen bereits beschriebenen Begriff des Lock-in Effektes und ist durch die technologische und institutionelle Pfadabhängigkeit der Industriestaaten in fossile Treibstoffe entstanden.17 Der Prozess wurde durch das Bestreben steigende Skalenerträge zu erzielen, getrieben.18

Um das Phänomen des Carbon lock-in zu verstehen, erscheint es sinnvoll sich die systematischen Beziehungen von Technologien und Institutionen anzuschauen. So ist etwa der Sektor der Stromerzeugung ein komplexes System mit einer engen Verknüpfung von staatlichen und privaten Teilnehmern.

Dabei bedingen sich Technologien, Organisationen und Institutionen19 gegenseitig. Ist dieses Lock-in einmal entstanden, so ist es sehr schwer, dieses aufzubrechen und es bleibt in der Regel für eine lange Zeit bestehen und grenzt alternative Technologien aus.

Infolgedessen entsteht eine Abhängigkeit untereinander, was dazu führt, dass über einen längeren Zeitraum dieser Pfad nicht verlassen wird und somit konkurrierende Technologien einen sogenannten Lock-out erfahren, also ausgeschlossen oder von der Entwicklung abgekoppelt werden.20 Dies ist aus verschiedenen Gründen nicht wünschenswert, da dadurch die Vorteile überlegener Technologien in ökonomischer und/oder ökologischer Sicht nicht oder zumindest nicht vollständig genutzt werden. Es besteht die reelle Gefahr für langfristige, negative Wachstums-Effekte in einer Ökonomie.

In besonderen Fällen, wie beispielsweise bei der Erdöl-Abhängigkeit, ist der Lock-in mit einem endlichen Rohstoff verknüpft. Da über die Erdölverfügbarkeit in den nächsten Dekaden keine sicheren Voraussagen gemacht werden können, kann dieser Carbon lock-in Effekt dazu führen, dass im „Gutglauben“ an die Verfügbarkeit dieser endlichen Ressource der Pfad eine lange Zeit nicht verlassen wird, bis ein Schock dazu führt, eine Unabhängigkeit erreichen zu müssen. Durch ein früheres Verlassen des Pfades, ein sogenanntes De-Locking, in diesem Fall also eine frühzeitige Abkopplung der Wirtschaft, des Transportes und der Stromversorgung vom Rohstoff Erdöl, kann dies vermieden oder abgemildert werden.

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, haben Entwicklungsländer einen Vorteil gegenüber Industrieländern, einen Carbon lock-in zu verhindern. Da sie noch nicht über eine historisch gewachsene, hoch entwickelte Energie-Infrastruktur verfügen, erscheint es für diese einfacher einen Entwicklungssprung zu machen.21 Aber das vermeintliche Risiko einen neuen Weg zu gehen, wird in den Entwicklungsländern im Hinblick auf möglichst schnelles Wachstum gemieden. Stattdessen vertraut man auf sich bereits etablierte Technologien und auf bewährte Prozesse der Industrieländer, die schließlich als Vorbilder fungieren.22

Es ist ein Verhalten zu beobachten, indem sich wider besseren Wissens oder besserer Alternativen, die Akteure schützend vor traditionelle Technologien stellen. So würde man z.B. rational handelnden Akteuren unterstellen, dass eine fehlgeleitete, ineffiziente Subventionierung durch staatliches Wirken verhindert wird. Doch anstelle einer Korrektur dieser fehlerhaften Politiken werden Fehlanreize durch Subventionierung und die Politik der Regierungen verstärkt.23

In diesem Kontext ist auch die Verknüpfung des systemischen Zustandes mit der Klimadebatte von enormer Bedeutung. Denn global gesehen stehen gerade in Bezug auf CO2 Klimaschutzziele gewaltige Aufgaben bevor. Vor dem Hintergrund der wachsenden Welt-Bevölkerung auf 8-10 Milliarden Menschen ist es dringend erforderlich, bereits vorhandene Technologien zu nutzen, welche eine signifikante CO2 Reduktion versprechen24 und kostenneutral oder sogar kostengünstiger sind.25

Es bleibt festzuhalten, dass ein Carbon lock-in ein persistenter Zustand ist, welcher systematische Markt- und Politikbarrieren gegenüber Alternativen aufbaut. Und kohlenstoffarme Technologien trotz ihrer scheinbaren ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile in deren Entwicklung massiv hemmt.26

2.3. De-Locking

Ein sogenanntes De-Locking, damit ist ein Aufbrechen dieser bereits beschriebenen Lock-in Situation aufgrund einer Pfadabhängigkeit gemeint, ist nur selten ohne externe Schocks möglich. „In vielen Ländern wird daher die Verbreitung innovativer Energietechnologien stark subventioniert, einerseits um einen selbsterhaltenden Diffusionsprozess in Gang zu bringen bzw. zu beschleunigen und andererseits um Lock-in-Situationen zu überwinden.“27

Einem „Lock-in kann also am ehesten durch gezielte Nischenpolitik begegnet werden.“28 Dies bedeutet, dass mögliche, aussichtsreiche Alternativen frühzeitig gestärkt werden. Im Energiesektor kann dabei als Beispiel eine sinnvolle Subventionierung regenerativer Energietechnologien dienen. Ist eine neue Technologie zu Beginn der Entwicklung erst in Folge einer geeigneten Subventionierung marktfähig, so kann diese durch Lerneffekte29 zu einer echten, selbst tragenden Alternative zu den bisher „gelockten“ Technologien werden und nach Möglichkeit einige Jahre später auch ohne Subventionierung konkurrenzfähig sein. Dies hätte gegebenenfalls ein De-Locking der bestehenden Energieträger zur Folge.

Ein Beispiel für ein De-Locking zeigt sich derzeit in der Mobilfunkbranche. Seit sich Handys in unserem alltäglichen Leben etabliert haben, sind den Verbrauchern mehrere namhafte Hersteller bekannt. Der Produkt-Lebenszyklus dieser Geräte beträgt jedoch oftmals nicht wesentlich mehr als zwei Jahre30. Da nun nahezu jeder Handyhersteller ein eigenes Ladegerät entwickelt hat, sind diese nicht mit Handys anderer Hersteller kompatibel. In der Folge wird mit fast jedem Handykauf ein neues Ladegerät nötig. Dies erscheint weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. In der Folge war dies Gegenstand der Betrachtung der EU-Kommission.31 Daher wird es in Zukunft ein Universal-Ladegerät geben. Der Lock-in –Effekt, indem jeder Verbraucher unmittelbar an das spezifische Ladegerät des jeweiligen Handy-Herstellers gebunden ist, wird somit künftig unterbrochen. Es entstehen durch dieses De-Locking viele Vorteile: zum einen hat der Verbraucher geringere Anschaffungskosten, zum anderen wird auch der Umweltaspekt, durch eine Verringerung von Elektroschrott, berücksichtigt.

Dieses Beispiel soll illustrieren, dass ein De-Locking viele positive Effekte erzielen kann. Dennoch ist der Weg dahin nicht schnell und unproblematisch, da verschiedene Interessen – wie im Abschnitt zur Entstehung des Lock-in beschrieben – auf diese Pfadabhängigkeit einwirken, sie somit verstetigen und großes Interesse an der Beibehaltung besitzen.

Wie in diesem Fall besteht das Problem darin, dass es oftmals nur einer unabhängigen, staatlichen oder supranationalen32 Organisation per Gesetz möglich ist, das komplexe System eines Lock-in aufzubrechen.

3. Kurzüberblick Energiesystem Brasiliens

Im folgenden Kapitel 3 wird nun das Energiesystem Brasiliens und im speziellen Fall das Energiesystem in der Untersuchungsregion Marajó kurz vorgestellt.

3.1. Energiesystem Brasiliens

Brasilien ist mit 191 Mio. Einwohnern und etwa 8,5 Mio. km² Fläche33 das größte und bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas sowie das fünftgrößte Land der Welt.34 Es wird demokratisch regiert und pflegt freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarländern.35

Das Energiesystem in Brasilien besteht aus zwei Teilsystemen. Zum einen die isolierten Systeme im Norden des Landes und zum anderen das nationale Energiesystem. Im Gebiet des nationalen Energiesystems, unter anderem mit der Hauptstadt Brasilia und den Großstädten Sao Paulo und Rio de Janeiro, leben etwa 185 Millionen Menschen36.

Das Amazonasgebiet liegt im Norden des Landes und ist mit 45% der brasilianischen Landesfläche und den sieben Staaten: Acre (AC), Amazonas (AM), Pará (PA), Amapa (AP), Rondonia (RO), Roraima (RR) und Mato Grosso (MT) vorrangig ländlich geprägt. Die Bevölkerung macht nur 3% der Gesamtbevölkerung Brasiliens aus und konsumiert 3,4% der gesamten Stromerzeugung Brasiliens.37

In Abbildung 1 sind die deutlichen Unterschiede beider Systeme in Bezug auf den Energienetzausbau dargestellt. Während die Regionen im Osten und Süden eine vergleichsweise hohe Netzdichte aufweisen, ist das Amazonasgebiet nur sehr geringfügig an ein überregionales Stromnetz angeschlossen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Brasilianisches Übertragungsnetz38

3.2. Die isolierten Systeme

Die isolierten Energiesysteme im Norden und Nordwesten des Landes sind vorrangig ländlich geprägt. Die Systeme werden in drei Kategorien unterschieden: Landeshauptstädte, die mittels thermischer Kraftwerke versorgt werden, andere Städte, welche durch das örtliche Netz mit kleinen und mittleren thermischen Kraftwerkseinheiten versorgt werden und verstreut liegende, einkommensschwache Gemeinden, die sich mit kleinen Diesel-Generatoren selbst versorgen.39 Die Infrastruktur ist nur spärlich ausgebaut, so gibt es nahezu keine Wege oder Straßen.

[...]


1 Vgl. The World Bank 2012

2 Vgl. Auswärtiges Amt 2012a

3 Vgl. Unruh und Carrillo-Hermosilla 2006, S.1186

4 Vgl. Ebd.: Die zukünftige Entwicklung der Energiestruktur der Entwicklungsländer ist ein wichtiges Thema, da aufgrund einiger Prognosen mind. 70% des zukünftigen Weltenergiebedarfs in den Entwicklungsländern erwartet wird.

5 Vgl. Auswärtiges Amt 2012b: „Überfälle und Gewaltverbrechen sind in Brasilien leider nirgends völlig auszuschließen. Besonders Großstädte wie Belém, Recife, Salvador, Rio de Janeiro und São Paulo weisen hohe Kriminalitätsraten auf (Eigentumsdelikte, Gewaltverbrechen, Entführungen; siehe auch Allgemeine Reiseinformationen). Grundsätzlich ist Vorsicht angebracht, auch in als sicher geltenden Landes- oder Stadtteilen. Besonders betroffen sind Elendsviertel (Favelas). Von Favela-Besuchen wird dringend abgeraten. Diese Gebiete werden teilweise von Kriminellen kontrolliert. Bewaffneten Auseinandersetzungen, auch mit der Polizei, fallen häufig auch Unbeteiligte zum Opfer.“

6 Vgl. Pereira et al. 2012, S.2: „Dem “The Economist“ zufolge wird erwartet, dass die brasilianische Ökonomie von der 9. zur fünftgrößten der Welt bis 2025 aufsteigt.“

7 Ebd.

8 Auch “Einschlusseffekt“ genannt

9 Vgl. Werle 2007, S.119

10 Vgl. Unruh 2002, S. 321: „Ein häufig zitiertes Beispiel stammt von David (1985), welcher argumentiert, dass eine Zeitersparnis von 20 - 30% unzureichend war, um zu einem Wechsel von QWERTY zu Dvorak-Tastaturen zu führen.“

11 Vgl. Werle 2007, S.120

12 Vgl. Ebd.

13 Vgl. Werle 2007, S.121

14 Vgl. Ebd., S.122

15 Vgl. Ebd.

16 Vgl. Ebd., S.122f.

17 Vgl. Unruh 2000, S.817

18 Vgl. Ebd.

19 Vgl. Unruh 2000, S.817

20 Vgl. Ebd., S.818

21 Vgl. Unruh und Carrillo-Hermosilla 2006, S.1186

22 Vgl. Ebd., S.1188

23 Vgl. Unruh 2000, S.817

24 Vgl. Unruh 2002, S.318

25 Vgl. Unruh 2000, S.817

26 Vgl. Ebd., S.818

27 Vgl. Madlener 2006, S.35

28 Vgl. Ebd., S.33

29 Vgl. Werle 2007, S.121 „Lerneffekt: Nutzungserfahrungen verbessern den Umgang mit einer Technik und erhöhen so ihre Leistungsfähigkeit.“

30 Vgl. Porzelt 2012

31 Vgl. Europäische Kommission 2012

32 Oder auch: überstaatlichen

33 Vgl. Pereira et al. 2012, S.2

34 Vgl. Helmke 2009, S.10

35 Vgl. Pereira et al. 2012, S.2

36 Vgl. Weinsziehr 2011, S.24 Schlussfolgerung: 97% x 191 Mio. Einwohner = 185,27 Mio. Einwohner

37 Vgl. Ebd.

38 Gomez und Silveira 2010, S.6253

39 Vgl. Weinsziehr 2011, S.25

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Carbon Lock-in im Amazonasgebiet? Das isolierte Energiesystem in Brasilien und die Erdöl-Abhängigkeit. Welche Alternative ist denkbar?
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
46
Katalognummer
V308031
ISBN (eBook)
9783668065055
ISBN (Buch)
9783668065062
Dateigröße
1458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
carbon, lock-in, amazonasgebiet, energiesystem, brasilien, erdöl-abhängigkeit, welche, alternative
Arbeit zitieren
Robert Patzig (Autor:in), 2012, Carbon Lock-in im Amazonasgebiet? Das isolierte Energiesystem in Brasilien und die Erdöl-Abhängigkeit. Welche Alternative ist denkbar?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308031

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