Geschlechtsspezifische Differenzen im ästhetischen Verhalten von Kindern und Jugendlichen


Hausarbeit, 2015

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Hauptteil
2.1.Geschlechter, Rollenerwartungen, Stereotypen
2.1.1.Geschlechterforschung
2.1.2.Geschlechtsrollen-Identität – Psychologische Erklärungsansätze
2.1.3.Die Entstehung geschlechtsspezifischen Verhaltens
2.2.Geschlechtsschemata im Kunstunterricht
2.2.1.Geschlechtsspezifische Sozialisation vs. ästhetische Sozialisation – das Bewertungsproblem
2.2.2.Geschlechtstypische Präferenzen
2.2.3.Geschlechtsspezifische inhaltliche und ausdrucksbezogene Differenzen im ästhetischen Verhalten
2.2.4.Gestaltungsdifferenzen am Beispiel einiger Arbeiten

3.Fazit

4.Literaturverzeichnis

5.Anhang

I.Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Geschlechtsrollen-Verhalten und daraus resultierenden geschlechtsspezifischen Differenzen im bildnerisch-ästhetischen Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Die Basis sind die Ansätze der Genderforschung und psychologische Erklärungsansätze, die sich mit dem Zustandekommen von geschlechtstypischem Verhalten beschäftigen.

Obwohl die geschlechtsspezifischen Unterschiede in kognitiver Dimension zwischen Mädchen und Jungen in den letzten Jahrzehnten bis heute weitgehend verschwunden sind, bestehen sie in der Fähigkeits- und Verhaltensentwicklung weiterhin.1 Diese können auf dem Hintergrund sozialer Rollenbilder und Rollenerwartungen erklärt werden.

Daher widmet sich die Arbeit eingangs der terminologischen Klärung sowie der Beschreibung der Inhalte der Genderforschung und der sozialen, kognitiven und sozialpsychologischen Theorien. Darauf aufbauend werden im nächsten Teil die Auswirkungen des Geschlechtsrollen-Verhaltens im ästhetischen Bereich behandelt. Nach der Erläuterung der Dilemmata rund um die Bewertung von ästhetischen Arbeiten und der Beschreibung thematischer Präferenzen von Jungen und Mädchen zeigt die Analyse einiger konkreter Schülerarbeiten konkrete Phänomene der bildnerisch-ästhetischen Differenzen auf. Im Fazit werden Perspektiven für die pädagogische Arbeit im Kunstunterricht aufgezeigt.

2. Hauptteil

2.1. Geschlechter, Rollenerwartungen, Stereotypen

Im Zusammenhang mit dem Kunstunterricht rücken geschlechtsspezifische Fragestellungen das typische bildnerisch-ästhetische Verhalten von Mädchen und Jungen ins Zentrum. Die allgemeinen Fragestellungen nach Differenz, Rollen, Stereotypen und Hierarchien bezüglich der Geschlechter sind inzwischen ein gesamtgesellschaftliches Problem und entspringen einem Forschungszweig, der seine Ursprünge in den 1960er Jahren hat: den Gender Studies, der Gender- oder Geschlechterforschung.2 Nachfolgend werden die theoretischen Grundlagen und die wesentlichen Begriffe erläutert.

2.1.1. Geschlechterforschung

Der Begriff gender steht für das sozial konstruierte Geschlecht. In englischer Sprache können zwei unterschiedliche Begriffe das biologische und das soziale Geschlecht ausdrücken: sex und gender. Letzteres meint im Gegensatz zu sex, dem biologischen Geschlecht, die psychologische Geschlechterrolle oder das Geschlechterschema. In der Statistik wandelte sich die Geschlechtsvariable von einem biologischen Faktum zu einem Kulturkonstrukt. sex ist wesentlich für die Ermittlung des gender. In der Forschung wurde die Erstellung von Kategorien notwendig, die durch soziale, historische und kulturelle Betrachtungen geleitet werden. Durch Hinzunahme weiterer Variablen über Verhalten von Personen (gender) erhält die Geschlechtervariable sex größere Aussagekraft.3

Im heutigen postfeministischen4 gender -Ansatz sind die Geschlechterverhältnisse zentral. Sein Ziel ist es, auf die Gestaltung letzterer Einfluss zu nehmen und die Zielgruppe Mann 5 zu integrieren.6 Diese Forschung geht davon aus, dass persönliche Lebensgestaltung und Entfaltung dauerhafter Verhaltensweisen eines Individuums stärker durch die individuelle Geschlechtszugehörigkeit als soziale Kategorie (nicht als biologischer Fakor)7 bestimmt werden als durch seine Fähigkeiten.8 Geschlechterdifferenzen sind mit den Geschlechtsrollen in Verbindung zu bringen und „sind Ausdruck der Geschlechterverhältnisse in einer bestimmten Kultur“9. Der gender -Ansatz vertritt die „These der aktiven Herstellung und symbolischen Aufrechterhaltung“10 der Geschlechterdifferenzen und hinterfragt die Bedingungen, unter welchen geschlechtstypisches Verhalten, Geschlechtsrollen und Geschlechterstereotype entstehen.11 Diese These rückte seit den 1990er Jahren12 innerhalb der theoretischen Diskussionen ins Zentrum, nachdem zuvor Geschlechterdifferenz lediglich als gegebene Ursache betrachtet wurde.13 Durch die Forderung nach der Substituierung des „Geschlecht[s] als relevanter Strukturkategorie“14 durch die Geschlechterdifferenz selbst wurde ein Paradigmenwechsel erforderlich.

Zu Beginn der Frauen- und Geschlechterforschung entstanden im akademischen Bereich erst politisch motivierte Forschungsbestrebungen von Frauen, die dort eine geringere Wertigkeit der weiblichen Geschlechterrolle beobachteten. Dort wurde erst die Defizit-Theorie verfolgt. Diese setzt voraus, dass nicht ein Mangel an Intelligenz, sondern restringierende Sozialisation eine Entfaltung der Begabung von Frauen verhindert. Das führte in der Praxis dazu, dass kompensatorische, bildungsbezogene Maßnahmen gefordert wurden, worauf das Aufgreifen der Differenz-These15 folgte. Diese unterstellt auf Frauenseite eine von Männern unterschiedliche Orientierung, differierende Werthaltungen und Präferenzen.16

Akademikerinnen aus verschiedenen Disziplinen begannen insbesondere die „Geschlechtsneutralität und -objektivität der Wissenschaft“17 anzuzweifeln und eine „Ideologiekritik der Wissenschaften“18 (Feministische Theorie / feministische Kritik) zu entwickeln. Durch den globalen Vergleich von Untersuchungen konnte die Perspektive in der Geschlechterforschung in sozialer, historischer und kultureller Hinsicht ausgeweitet werden. Die Betrachtung der Kontextualität (Lebenssituation, Lebenslage, Volks- und Klassenzugehörigkeit) stellte heraus, dass innerhalb der Geschlechterdifferenzen Variationen je nach Ethnie bestehen, was zu dem Schluss führte, dass weniger das biologische Geschlecht als vielmehr Bildungsstatus und Schichtzugehörigkeit, also psychologische und soziale Faktoren, zu Unterschieden führen und somit sowohl die Gruppe Frau als auch die Gruppe Mann Heterogenität aufweist. Androgynie, welche ebenfalls einen Indikator für sozio-kulturelle Faktoren für Geschlechterdifferenzen darstellt, bezeichnet neben den Unterschieden die Angleichungen zwischen den Geschlechtern.19 Nach aktuellem Forschungsstand gilt der Kontext, d. h. historische, kulturelle und soziale Rahmenbedingungen, als wesentlichstes Unterscheidungskriterium für geschlechtsspezifische Differenzen.20

Die Auffassung, dass Geschlechterdifferenz durch aktive Herstellung sowie symbolische Bekräftigung entsteht und dass dies geschlechtstypisches Verhalten sowie Geschlechterstereotypie bildet, führte in der Geschlechterforschung dazu, dass von nun an die Bedingungen und Mechanismen dieser Aspekte untersucht werden sollten.21

Der Blick auf Rollenerwartungen, die durch „Erwartungshaltungen im Sinne von Wahrscheinlichkeitsannahmen“22 eines sozialen Gegenübers zustande kommen, enthüllt eine Bildung von starren Normen- und Stereotypen. Letztere unterstützen in einem „Reproduktionszyklus“23 die Aufrechterhaltung von Unterschieden durch die Erfüllung der Rollenerwartungen. Dies wirkt sich wiederum auf die individuelle Gestaltung und Präferenzen bei Verhaltensweisen aus.

2.1.2. Geschlechtsrollen-Identität – Psychologische Erklärungsansätze

Für den Erwerb von Geschlechtsrollen sind drei Arten von Theorien wesentlich: die sozialen Lerntheorien, die kognitiven Theorien und die sozialpsychologischen Theorien.24

Die soziale Lerntheorie besagt, dass geschlechtsspezifisches Verhalten durch Beobachtung von Modellen, d. h. weiblichen oder männlichen Vorbildern erworben und durch positive Bekräftigung bei erwünschtem Verhalten unterstützt wird. Die Folge ist geschlechtstypisches Verhalten.

Die kognitive Entwicklungstheorie geht von der Fähigkeit des Menschen im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Umwelt zur Kategorisierung männlich / weiblich und Selbstklassifikation in das entsprechende Geschlecht aus. Kognitive Konstruktionen von zwei Geschlechtern beeinflussen Selbstbild und Verhalten, was wiederum die Stabilität bei der Geschlechtsidentität bewirkt. Die Geschlechterschema-Theorie setzt bei der menschlichen Wahrnehmung als konstruktivem Prozess an und legt Schemata25 als kognitive Strukturen zugrunde, welche die menschliche Wahrnehmung organisieren. Sie geht von individuell entwickelten Geschlechterschemata aus, die eingehende Informationen nach geschlechtstypischem Gehalt organisieren.

[...]


1 Vgl. Angelika Blum-Brunner: Lesen & Unterricht: Eine Frage des Geschlechts? Zürich 2001. S. 30.

2 Der Wissenschaftszweig wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Vgl. z. B. Harald Martenstein: Schlecht, schlechter, Geschlecht. In: ZEITmagazin No 24/2013. 8. Juni 2013.

3 Vgl. Blum-Brunner (2001), S. 28 – 29.

4 Vgl. ebd., S. 25.

5 Der bildungspolitischen „Vernachlässigung“ von Jungen widmeten sich die Printmedien seit der Jahrtausendwende häufig (vgl. Esther Richthammer: Geschlechtsspezifische Interessen von Mädchen und Jungen - Herausforderungen für den Kunstunterricht. In: Constanze Kirchner (Hg.): Kinderzeichnung und jugendkultureller Ausdruck. Forschungsstand – Forschungsperspektiven. München 2010. S. 291).

6 Vgl. Blum-Brunner (2001), S. 25.

7 Vgl. ebd., S. 24.

8 Vgl. ebd., S. 25.

9 Ebd.

10 Ebd.

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. Esther Richthammer: Anleitung zur Herstellung geschlechtsspezifischer Unterschiede – Das Verhältnis des kunstpädagogischen Diskurses zur Kategorie „Geschlecht“. In: Frank Schulz; Ines Seumel (Hg.): U20 – Kindheit Jugend Bildsprache. München 2013. S. 368.

13 Vgl. Blum-Brunner (2001), S. 25.

14 Ebd., S. 25.

15 Vgl. hierzu auch Richthammer (2010), S. 296.

16 Vgl. Blum-Brunner (2001), S. 23 – 24.

17 Ebd., S. 24.

18 Ebd.

19 Vgl. ebd., S. 24.

20 Vgl. Blum-Brunner (2001), S. 40.

21 Vgl. ebd., S. 25.

22 Ebd.

23 Ebd., vgl. auch Abb. 1 im Anhang

24 Vgl. ebd., S. 26 – 27.

25 Schemata repräsentieren Wissen, welches durch Lernen erworben wird (vgl. ebd., S. 27).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsspezifische Differenzen im ästhetischen Verhalten von Kindern und Jugendlichen
Hochschule
Hochschule der Bildenden Künste Saar
Veranstaltung
Zum ästhetischen Verhalten von Kindern und Jugendlichen
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
22
Katalognummer
V308053
ISBN (eBook)
9783668067950
ISBN (Buch)
9783668067967
Dateigröße
1295 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Gender Studies, Kunsterziehung, Kunstunterricht, Geschlechterstereotype, Geschlechterforschung, Geschlechtsrollen, Geschlechterrollen, Bewertung, Benotung, Kunstpädagogik, Geschlechtsrollen-Verhalten, Rollenbilder, Rollenerwartungen, Schülerarbeiten, Jungen, Mädchen, Stereotype, Geschlechterhierarchien, Genderforschung, Geschlechterverhältnisse, Genderansatz, Gender-Ansatz, geschlechtstypisches Verhalten, Geschlechterdifferenz, feministische Theorie, feministische Kritik, Geschlecht, soziales Geschlecht, Geschlechterschema, geschlechtstypisch, Geschlechtsrollen-Identität, Geschlechtsrollenidentität, Lerntheorie, kognitive Entwicklungstheorie, männlich, weiblich, Geschlechtsidentität, Geschlechterschema-Theorie, sozialpsychologische Theorie, Geschlechterrollen-Entwicklung, Geschlechterrollenentwicklung, Rollenverteilung, Androgynie, Geschlechtsrollen-Typisierung, Geschlechtsrollenverhalten, Geschlechtsverhalten, Geschlechtsspezifische Unterschiede, geschlechtsspezifische Differenzen, sozio-kulturelle Prägung, Geschlechtsspezifität, Peergroup, Zensuren, Notengebung, Lieblingsfach, Kunst-Leistungskurs, ästhetische Sozialisation, Sozialisation, Geschlechtersegregation, ästhetisches verhalten, Bildende Kunst, Zeichenunterricht, Schemaphase, Double-Bind
Arbeit zitieren
Kerstin Arand (Autor:in), 2015, Geschlechtsspezifische Differenzen im ästhetischen Verhalten von Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308053

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