In Abgrenzung zum Geburten fördernden Kaiserschnitt bezeichnete der zeitgenössische Volksmund die Sterilisation als „Hitlerschnitt“. Daran wird deutlich wie sehr die terilisationsgesetzgebung von den Zeitgenossen mit dem NS-Regime identifiziert wurde. Die vorliegende Arbeit will analysieren, inwieweit das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) tatsächlich eine Zäsur in der Geschichte der deutschen Bevölkerungspolitik markiert oder ob es nicht vielmehr im Zusammenhang bevölkerungspolitischer Kontinuitäten zu verorten ist.
Dazu soll zunächst der Inhalt des Gesetzes zusammenfassend vorgestellt werden (Kapitel B). Anschließend soll die Frage der Zwangssterilisation im wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang von Sozialdarwinismus und Rassenhygiene verortet werden (Kapitel C). Außerdem soll auf die politische Rezeption dieser wissenschaftlichen Debatten, insbesondere ihre Zuspitzung auf die Frage der Sterilisation in der Weimarer Republik, eingegangen werden (Kapitel D). Wesentliches Augenmerk hat dabei der Debatte über eine gesetzliche Regelung der Sterilisation zu gelten. Diese wurde zuerst im Rahmen der Reform der allgemeinen Körperverletzungsdelikte der §§ 224 ff. RStGB geführt, bevor sie sich auf Entwürfe zu einem speziell die Sterilisation betreffenden „Sondergesetz“ verlagerte, so namentlich in Preußen.
Vor diesem Hintergrund kann dann die Frage diskutiert werden, inwieweit im GzVeN tatsächlich Kontinuitäten zur vornationalsozialistischen Debatte der Sterilisationsproblematik existieren.
Angesichts des begrenzten Umfangs der vorliegenden Arbeit einerseits und der Fülle zeitgenössischer Quellen sowie Sekundärliteratur, in der einzelne Aspekte oftmals sehr detailliert analysiert werden, konnten nicht alle Aspekte der Diskussion um die Zwangssterilisation im Dritten Reich aufgegriffen werden. Vielmehr war eine thematische Beschränkung geboten, weshalb sozial und kriminalpolitisch indizierte Sterilisationen ebenso wenig in die Arbeit einbezogen werden konnten, wie ein internationaler Vergleich oder der Zusammenhang zwischen Zwangssterilisation und Euthanasie.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung: Das „Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses“ – Eine Zäsur in der deutschen Bevölkerungspolitik?
- B. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
- C. Sozialdarwinismus und Rassenhygiene im Kaiserreich
- I. Die gesellschaftliche und ideengeschichtliche Situation
- II. Die rassenhygienische Bewegung
- 1. Die rassenhygienischen Theorien
- 2. Die Anfänge der rassenhygienischen Bewegung
- 3. Das Selbstverständnis der rassenhygienischen Bewegung und ihre Ziele
- D. Die (Zwangs) Sterilisation in der Weimarer Republik
- I. Die Rassenhygieniker: Forderung nach eugenischer Zwangssterilisation durch öffentliche Propaganda und Praxis der (Zwangs) Sterilisation.
- II. Die praktische Anwendung von Strafvorschriften bei Sterilisationen und die Strafrechtsreform.
- III. Die Nationalsozialisten: Popularisierung der Zwangssterilisation.
- IV. Die Bemühungen um ein Sondergesetz
- 1. Die Boetersche „Lex Zwickau“ und die Folgen des § 226a RStGB
- 2. Der preußische Gesetzentwurf
- E. Die Ausarbeitung des GzVeN
- F. Resümee: Linien der Kontinuität.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Frage, ob das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) eine Zäsur in der Geschichte der deutschen Bevölkerungspolitik darstellt oder ob es sich eher in einen Kontext bevölkerungspolitischer Kontinuitäten einordnen lässt.
- Inhalt und rechtliche Rahmenbedingungen des GzVeN
- Die Entwicklung der rassenhygienischen Bewegung im Kaiserreich und ihre theoretischen Grundlagen
- Die politische Rezeption der rassenhygienischen Debatten in der Weimarer Republik, insbesondere die Frage der Sterilisation
- Die Ausarbeitung des GzVeN vor dem Hintergrund der Debatte über eine gesetzliche Regelung der Sterilisation
- Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Frage der eugenischen Sterilisation zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und NS-Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das GzVeN als Ausgangspunkt der Untersuchung vor und beleuchtet die Debatte um seine Bedeutung für die deutsche Bevölkerungspolitik. Kapitel B bietet eine Zusammenfassung des Gesetzesinhalts, wobei die Definition von „Erbkrankheit“, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sterilisation und die Motive des Gesetzgebers im Vordergrund stehen.
Kapitel C ordnet das Phänomen der Zwangssterilisation in den Kontext des Sozialdarwinismus und der Rassenhygiene im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein. Hierbei wird insbesondere auf die Entwicklung der rassenhygienischen Bewegung im Kaiserreich, ihre theoretischen Ansätze und die Debatte um die Zwangssterilisation eingegangen.
Kapitel D widmet sich der politischen Rezeption der rassenhygienischen Debatten in der Weimarer Republik, wobei der Schwerpunkt auf der Frage der Sterilisation liegt. Es werden die Forderungen der Rassenhygieniker nach eugenischer Zwangssterilisation, die praktische Anwendung von Strafvorschriften und die Debatte über ein „Sondergesetz“ zur Regelung der Sterilisation untersucht.
Kapitel E analysiert die Ausarbeitung des GzVeN vor dem Hintergrund der vorherigen Debatte um die Sterilisation und stellt die Frage, inwieweit im GzVeN Kontinuitäten zur vornationalsozialistischen Debatte der Sterilisationsproblematik existieren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen der Rassenhygiene und der eugenischen Zwangssterilisation, wobei der Fokus auf dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) liegt. Es werden die historisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Debatte um die Zwangssterilisation beleuchtet, insbesondere die Entwicklung des Sozialdarwinismus und der Rassenhygiene sowie die politische Rezeption dieser Debatten in der Weimarer Republik. Die Arbeit analysiert Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Frage der eugenischen Sterilisation im Kontext des GzVeN.
- Quote paper
- Magistra Artium Sarah Heitz (Author), 2008, Die Zwangssterilisation im "Gesetz zur Verhütung Erbkranken Nachwuchses" von 1933, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308311