Das Klavier ist in Jelineks Roman ein zentraler Gegenstand. Es prägt denjenigen, der es bespielt, mehr als die meisten anderen Instrumente auf den Raum. Aufgrund seiner Einbindung in zahlreiche mikro- und makrophysikalische Strukturen der Macht kann es als Disziplinierungsmittel im Sinne von Michel Foucault gesehen werden. Die Bachelorarbeit zeigt daher zunächst das Foucualtsche Konzept der Disziplinarmacht auf. Foucualts Ausführungen zur Disziplin werden als Werkzeugkiste angewandt und zahlreiche 'Teil'-disziplinen werden vorgestellt, die im Roman eine Rolle spielen. Ohne dabei eine Dispositivanalyse leisten zu wollen, wird der historische Bezug – wie bei Foucault darlegt – anhand der Biographie von Carl Czerny verfolgt und anhand von Übebiographien auf die zeitgenössische Ebene weitergeleitet.
Wie zuvor erläutert, markiert die Raumfestsetzung mit der Möglichkeit der Anwendung der Disziplinen ein wesentliches Merkmal in Jelineks Roman. Dies wird über ein Raumraster, das im wesentlichen aus dem Übungsraum, dem Unterrichtsraum und dem Konzertraum besteht, strukturiert und analysiert. In einer Gegenprobe werden die Räume ohne Klavier als Räume der Subversion von Disziplin überprüft.
Mit dieser Arbeit kann die Wirkungsweise des Klaviers als ein Disziplinierungsmittel auf die bei Foucault in Überwachen und Strafen dargestellte Weise belegt werden.
Über die handelnden Subjekte erzeugt es deren Produktivität und ökonomische Effizienz, es erzeugt Wissen-Macht-Komplexe und die Subjektivität der Beteiligten. Das Klavier ist ein Dispositiv in dem Sinne, dass es eine heterogene Gesamtheit knüpft, u.a. aus den Räumen und Gebäuden, in denen Anwendungen und Lehren vermittelt werden, sowie Diskursen ̶ und zwar sowohl auf sprachliche und nicht-sprachliche Weise.
Die konkrete strategische Funktion des Klaviers ist die Dressur des Körpers auf Ökonomie und Effizienz, um Nützlichkeitseffekte für das Produktionssystem zu erzeugen. Die literarisch-künstlerische Bearbeitung Jelineks zielt auf das Klavier als Arbeitsmittel und den darüber sich entfaltenden Hierachieverhandlungen auf grotesk-bizarre Weise.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Vorbemerkung - das Instrument Klavier
- 1 Einleitung
- 2 Die Disziplinarmacht nach Foucault
- 2.1 Das Konzept der Disziplinarmacht
- 2.2 Die Methoden der Disziplin als strategische Technologien der Disziplinarmacht
- 2.2.1 Die gelehrigen Körper: von Raumordnung, Zeitplanung, Übung und Programm
- 2.2.2 Die Mittel der guten Abrichtung vom überwachendem Disziplinarblick über normierenden Sanktion bis Prüfung
- 3 Rolle und Funktion des Klaviers als Disziplinierungsmittel innerhalb der Institutionen Familie und Musik
- 3.1 - beispielhaft erläutert am Leben und Wirken von Carl Czerny (*1791 Wien - gest. 1857 ebd.): das Klavierspielen als Arbeit, Programm, Beruf, Produktivität und Subjektivität
- 3.2 - beispielhaft erläutert anhand zeitgenössischer Übebiographien: Gisela, Georg und Johnny
- 3.3 Zwischenfazit
- 4 Die Disziplinierungsfunktion des Klaviers in Jelineks Roman Die Klavierspielerin
- 4.1 Die Methoden der Disziplin in den Räumen mit Klavier
- 4.1.1 Der heimische Übungsraum I: das eigene Bauernhaus
- 4.1.2 Der Konzertraum: das private Kammerkonzert in einer Patrizierwohnung
- 4.1.3 Der heimische Übungsraum II: das Zuhause in Wien (1)
- 4.1.4 Der Probenraum
- 4.1.5 Der Unterrichtsraum im Konservatorium
- 4.1.6 Der heimische Übungsraum II: das Zuhause in Wien (2)
- 4.1.7 Das Kabinett der Putzfrauen im Konservatorium
- 4.1.8 Der heimische Übungsraum II: das Zuhause in Wien (3)
- 4.2 Die Räume ohne Klavier – Räume ohne die Methoden der Disziplin?
- 4.2.1 Die Straßenbahn: zwischen Verstößen gegen die Methoden der Disziplin und dem selbsterzeugten Ausschluss
- 4.2.2 Die Peep-Show und die Wiener Praterauen: zwischen exponentiell gesteigerter räumlicher Enge als Selbstbestrafung und aktivem Handeln
- 4.2.3 Umkleideraum und Jungenklo: zwischen Aggression, Unterwerfung, Kontrolle und Dominanz
- 4.2.4 Im Stadtpark: zwischen Herrschaftsfantasie und Selbstzüchtigung
- 4.1 Die Methoden der Disziplin in den Räumen mit Klavier
- 5 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Rolle und Funktion des Klaviers in Elfriede Jelineks Roman „Die Klavierspielerin“. Der Fokus liegt auf der Analyse des Klaviers als Disziplinierungsmittel im Kontext der von Michel Foucault entwickelten Theorie der Disziplinarmacht. Durch die Einbeziehung von Beispielen aus der Geschichte des Klavierspiels und zeitgenössischen Übebiographien wird die These aufgestellt, dass das Klavierspiel eine Form der Selbstdisziplinierung darstellt, die in der Familie und im Musikbetrieb geprägt wird und sich im Roman in den Handlungsräumen und -dynamiken manifestiert.
- Disziplinarmacht nach Foucault
- Das Klavier als Disziplinierungsmittel
- Räume und Handlungsdynamiken in "Die Klavierspielerin"
- Selbstdisziplinierung und Subjektivität
- Die Rolle der Familie und des Musikbetriebs
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Vorbemerkung zum Instrument Klavier, die dessen Entwicklung und Bedeutung als Tasteninstrument beleuchtet. Kapitel 1 führt in die Thematik ein und skizziert die Forschungsfrage der Arbeit. Kapitel 2 stellt das Konzept der Disziplinarmacht nach Michel Foucault vor und analysiert die Methoden der Disziplin als strategische Technologien der Disziplinarmacht. In Kapitel 3 werden anhand des Lebens und Wirkens von Carl Czerny sowie zeitgenössischer Übebiographien die Rolle und Funktion des Klaviers als Disziplinierungsmittel innerhalb der Institutionen Familie und Musik untersucht. Kapitel 4 widmet sich der Analyse des Klaviers als Disziplinierungsmittel in Jelineks Roman „Die Klavierspielerin“. Dabei werden die Methoden der Disziplin in den Räumen mit Klavier, sowie die Räume ohne Klavier und ihre Bedeutung für die Handlung des Romans beleuchtet.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Disziplinarmacht, Klavier, Selbstdisziplinierung, Subjektivität, Elfriede Jelinek, "Die Klavierspielerin", Familie, Musikbetrieb, Raum und Handlung.
- Quote paper
- Sabine Gesinn (Author), 2015, Rolle und Funktion des Klaviers in Elfriede Jelineks "Die Klavierspielerin", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308350