Darstellung der Systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt anhand von Metaphern zum Verhältnis von Theorie und Praxis


Seminararbeit, 2012

49 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Zusammenfassung

Das Verhältnis von Theorie und Praxis ist von besonderem Interesse in den Gesundheitsberufen und deren Ausbildungen.

Es wurde eine Untersuchung der metaphorischen Sprachäußerungen zu dieser Themenstellung anhand von zwei Artikeln aus dem Bereich der Pflege mit der auf der kognitiven Linguistik nach Lakoff & Johnson gründenden Systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt durchgeführt. Das Ziel war die Identifikation von nicht beleuchteten Aspekten zum Verhältnis von Theorie und Praxis, um Forschungsfragen für ein Dissertationsvorhaben in einem bereits breit erforschten Gebiet generieren zu können.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen vier metaphorische Konzepte: das Verhältnis von Theorie und Praxis ist eine zwischenmenschliche Beziehung, das Verhältnis von Theorie und Praxis ist ein Verkehrsweg, Theorie und Praxis sind eine Einheit und Theorie und Praxis sind eine Zweiheit.

Als offen zeigen sich die Fragen nach dem expliziten und impliziten Metapherngebrauch in diesem Gebiet, sowie dem wenig artikulierten Theorie-Praxis-Transfer innerhalb der Lernenden selbst.

Abstract

The relation of theory and practice is an issue of special interest in the area of health care professions and their professional education.

An investigation of metaphors had been conducted using the method of the Systematic Analysis of Schmitt which is based on Lakoff & Johnson´s research in cognitive linguistic. Two articles from the area of nursery addressing this issue were selected through internet search. The aim of this study was to look for hidden aspects of this topic in order to generate not answered questions for further research in this already broad investigated field.

The results show four metaphorical concepts: the relation of theory and practice is a human relationship, the relation of theory and practice is a traffic route, theory and practice are a unity, and theory and practice are dualism. Further research could address the implicit and explicit usage of metaphors in this professional area as well as the not expressed theory-practice transfer in the individuals themselves.

Inhalt

1 Einleitung ...1

2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsbedarf ...1

3 Metapherntheoretische Grundlagen – ein Abriss zur Begründung eines Forschungsansatzes ...2

4 Die Methodik der systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt ...7
4.1 Klärung der Forschungsfrage ...7
4.2 Sammlung der kulturellen Hintergrundmetaphern und Eigenanalyse ...8
4.3 Erhebung des Materials ...9
4.4 Systematische Analyse einer Subgruppe ...9
4.5 Interpretationen mithilfe einer Heuristik ...14
4.6 Methoden-Triangulation und Gütekriterien ...18
4.7 Darstellung ...19

5 Diskussion ...21

Verzeichnisse. 23 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis. 23 Literaturverzeichnis ...23

Anhang ...30

1 Einleitung

Ausgangspunkt für diese Untersuchung ist das Thema der Theorie-Praxis-Bewältigung in der Ausbildung zu Gesundheitsberufen, welches im Dissertationsvorhaben fokussiert wird. Die zurzeit breit angelegte Literaturrecherche dient der Einengung der Thematik. Bei der Recherche im Bereich der Pädagogik/Erziehungswissenschaften, der Hochschuldidaktik im Bereich der Ausbildung zu Gesundheitsberufen sowie angrenzenden Disziplinen zeigte sich, dass das die Beziehung von Theorie und Praxis begrifflich in besonderer Art und Weise Ausdruck findet. Es wird angenommen, dass die bis jetzt in der Literatur recherchierten Begriffe einen metaphorischen Gehalt aufweisen, d.h. noch „mehr“ oder „anderes“ ausgedrückt wird, als es vordergründig erscheinen mag. An diesen Überlegungen anknüpfend wird eine Untersuchung zu gängigen metaphorischen Sprachmustern bezüglich des Verhältnisses von Theorie und Praxis durchgeführt, indem durch systematische Analyse und Interpretation versucht wird, die verwendeten Metaphoriken, metaphorisch gesprochen zu „entschlüsseln“. Das Ziel der Untersuchung ist es, Anhaltspunkte für dahinter liegende metaphorische Konzepte zu erhalten, die die mit dieser Thematik verbundenen Prozesse in einer nicht beachteten Weise beeinflussen und weiterer Untersuchung bedürfen.

Die folgende Arbeit fokussiert im ersten Kapitel den theoretischen Bezugsrahmen und forschungsrelevante Gesichtspunkte. Das nächste Kapitel stellt als Überleitung zur eigentlichen Darstellung der Metaphernanalyse die metapherntheoretischen Grundlagen unter Betrachtung von sozialwissenschaftlichen Kriterien dar. Die Metaphernanalyse nach Rudolf Schmitt (2012, 2003, 1999, 1995) wird darauffolgend in sieben Schritten anhand der gewählten Thematik dargestellt und anschließend zusammenfassend diskutiert.

2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsbedarf

Die Definition eines „Theorie-Praxis-Problems“ entspringt bereits frühen philosophischen Debatten und ist bis heute ein breit diskutierter und zu erforschender Schwerpunkt im Bereich der Pädagogik (vgl. Biggs, 1993, 2007; Korthagen, Kessels, Koster, Lagerwerf, & Wubbels, 2001; Hoffmann & Kalter, 2003; Neuweg, 2004) und des Wissensmanagements (vgl. Pfeffer & Sutton, 2000). Das „Theorie-Praxis-Problem“ beschreibt Schwierigkeiten, die die Verbreitung von wissenschaftlichem, theoretischem Wissen, die Umsetzung von theoretischem Wissen in praktische Handlungskompetenzen sowie die Nutzung der praktischen Erfahrung für die Entwicklung von Theorien verursachen können. Im professionellen Umfeld kann sich dies bei einer Person in einem Unterschied zwischen dem in Bildungseinrichtungen Gelernten und dem tatsächlich im Praxisfeld Angewendeten zeigen. Ebenso kann ein Missverhältnis zwischen dem wissenschaftlichen, theoretischen Wissenskörper einer Profession und der konkreten Praxis der individuellen Professionisten bestehen. Die Übersetzung von theoretischem Wissen in anwendbare Praktiken kann in der methodisch-didaktischen Aufbereitung in Lehr- und Lernprozessen durch Lehrende fehlen bzw. auch innerhalb der Lernenden erschwert sein. In der Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Medizin, der Pflege und anderer Gesundheitsberufe haben diese Schwierigkeiten in den letzten Jahrzehnten zu zahlreichen Untersuchungen (vgl. Benner, 1984; Dale, 1994; Landers, 2000; LeMaistre & Paré, 2004) und zu Veränderungen von Curricula geführt hat.

Zugrunde gelegt wird dieser Thematik eine intensive kognitionstheoretische und erkenntnistheoretische Auseinandersetzung mit Definitionen von Theorie und Praxis, Wissen und Können (vgl. Neuweg, 2004) sowie im weiteren Sinne auch mit der Wertigkeit von theoretischem, wissenschaftlichem Wissen und praktischer Erfahrung in der Gesellschaft (vgl. Altrichter, Kannonier-Finster, & Ziegler, 2005, S. 25 ff.). Diese stattfindenden Diskurse haben zu spezifischen sprachlich-kommunikativen Ausdrucksweisen des Verhältnisses von Theorie und Praxis in den unterschiedlichen Disziplinen geführt. Den Untersuchungen der kognitiven Linguisten Lakoff & Johnson (1980, 1987, 1999) zufolge kann davon ausgegangen werden, dass die spezifischen (alltäglichen) Versprachlichungen eines (abstrakten) Phänomens auf metaphorische Muster gründen, nicht zufällig gewählt sind sowie Denken und Handeln strukturieren.

3 Metapherntheoretische Grundlagen –ein Abriss zur Begründung eines Forschungsansatzes

Der Begriff Metapher entstammt dem Griechischen „metaphérein“, welches auf Deutsch „anderswo hintragen“ bedeutet und somit selbst eine Metapher ist (vgl. Kruse, Biesel, & Schmieder 2011, S. 64). Metaphern werden in der Rhetorik den Tropen[1] zugeordnet, welche als Stilmittel der Sprache gelten und durch das Ersetzen eines eigentlichen sprachlichen Ausdrucks durch einen anderen „uneigentlichen“ gekennzeichnet sind (vgl. Kruse, Biesel, & Schmieder 2011, S. 63). Die Definition der sprachlichen Metapher geht auf Aristoteles mit folgender Aussage zurück: „Metapher ist die Übertragung eines (fremden) Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird), und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie[2].“ (Aristoteles, 1982, 67f, 1457b zit. in Niedermair, 2001, S. 144). Der Aspekt der rhetorischen Übertragung von Bedeutung von einem auf einen anderen Gegenstand gilt als primäre Eigenschaft und wird als „kleinster gemeinsamer Nenner“ für alle Metapherndefinitionen und -diskussionen in unterschiedlichen Disziplinen wie Sprachwissenschaft und Philosophie angesehen (vgl. Niedermair, 2001, S. 145). Das Verständnis der Metapher reicht heute über das „bloße Ersetzen“ eines Begriffes durch einen anderen hinaus, wie es in der Substitutionstheorie, welche vor allem durch den aristotelischen Metaphernbegriff geprägt ist, postuliert wird. Hier gilt die Metapher als rein rhetorisches und poetisches Stilmittel auf Wortebene (Wortsemantik), vorrangig als dekoratives Hilfsmittel der Rede oder überspitzt auch als „Umweg, umständlich, unklar und überflüssig“ (Niedermair, 2001, S. 148). Eine Erweiterung des Metaphernbegriffes mit Einbeziehung der zwei weiteren semiotischen Dimensionen der Sprache[3], der syntaktischen und pragmatischen Dimension, erfolgt durch die Interaktionstheorie (v. a. Black, 1998 zit. in Niedermair, 2001, S. 149). Die Metapher erhält ihre Bedeutung einerseits durch die Interaktion, der Wechselwirkung der beiden Gegenstände zwischen denen die Übertragung erfolgt[4], woraus sich ein „metaphorischer Mehrwert“ ergibt. Andererseits entsteht die Bedeutung durch das Sinnverstehen der „metaphorischen Aussage“ im jeweiligen Kontext (Niedermair, 2001, S. 149). Damit wird gleichzeitig der Metapher eine erkenntniskonstituierende Funktion zugewiesen, da „die Metapher …nicht nur dazu gut [ist], einen an sich existierenden, eindeutig benennbaren Gegenstand dekorierend zu beschreiben, sondern mit der Metapher …gleichsam aus der Sprache heraus ein neuer Gegenstand in die Welt gesetzt [wird]“ (Niedermair, 2001, S. 150). Die Metapher stellt somit eine Form der Konstruktion sozialer Wirklichkeit dar und erhält ein spezielles Interesse in der qualitativen Sozialforschung, welche die Sprache als „sinnkonstituierendes Symbol- bzw. Zeichensystem im Zusammenhang der Repräsentation von Welt und Wirklichkeit ‚in den Köpfen der Menschen‘“ sieht (Kruse, Biesel, & Schmieder 2011, S. 7).

Ein bedeutender Beitrag, welcher der Untersuchung von Metaphern einen eigenen Platz in den Sozialwissenschaften eingeräumt hat, wurde durch die Arbeiten der kognitiven Linguisten Lakoff & Johnson (1980, 1987, 1999) geleistet. Sie bieten eine kognitivistische Sicht der metaphorischen Sprachäußerungen sowie Anhaltspunkte für eine konkrete Analyse durch eine Metapherntypologie. Lakoff & Johnson verstehen Sprache an sich als metaphorisch und basierend auf den Ansätzen der kognitiven Linguistik bedingen die sprachlich-kognitiven Figuren die Versprachlichung selbst (vgl. Schmitt, 2004). Übertragen wird nach diesem Ansatz „nicht mehr eine sprachliche Bedeutung auf eine andere, sondern primär ein Konzept auf ein anderes, welches sekundär eine Handlung strukturiert und sich erst tertiär als sprachliche Metapher zeigt“ (Niedermair, 2001, S. 152). Im Zusammenhang sämtlicher in den letzten zwei Jahrzehnten entstandenen metaphernanalytischen Ansätzen in den Sozialwissenschaften werden die Autoren Jakoff & Johnson genannt (vgl. Niedermair, 2001, S. 151), die folgende Metapherneigenschaften postulieren (vgl. Schmitt, 2004; Kruse, Biesel, & Schmieder 2011):

- Metaphern gelten nicht als rhetorischer Schmuck, sondern Träger einer kognitiven Struktur, die Sprache und Handlungen partiell[5]strukturieren.

- Metaphern sind kulturell tradierte Schemata einerseits, andererseits basieren sie in der Regel auf körpernahen, sinnlichen Erfahrungen. Es finden sich „heterogene Metaphorisierungen“ in einer Kultur für ein Phänomen.

- Wir leben in einer Welt metaphorischer Vorstrukturierungen. Unsere Begriffe von Wahrheit und Verstehen sind auf einen Hintergrund gemeinsamer metaphorischer Schemata angewiesen.

- Metaphern nutzen eine bekannte Gestalthaftigkeit[6] um einer anderen Sache Gestalthaftigkeit zu verleihen.

- Metaphern transportieren und übersetzen Bedeutung von einem bekannten zu einem unbekannten Zusammenhang, von einem abstrakten zu einem weniger abstrakten Konzept, von „unfassbaren“, „nicht begreifbaren“ in konkrete Zusammenhänge.

- Metaphern verringern Komplexität durch Konturierung und dem Setzen künstlicher Grenzen, daher können die Eigenschaften des Zielgegenstandes auf die Eigenschaften des bildgebenden Gegenstandes reduzierend wirken bzw. auch Eigenschaften verbergen.

- Metaphern werden eingeteilt in konzeptuelle, orientierende und ontologische Metaphern:

a. Konzeptuelle Metaphern[7] sind sprachliche Bilder, die zwischen bildspendende (bezeichnet auch als Quelle, einer „sinnlich-konkreten Sphäre“ entstammend) und bildempfangenden Gegenstand (bezeichnet als Ziel, unscharfer und unstrukturierter Gegenstand) übertragen.

b. Orientierende Metapher[8] sind sprachliche Äußerungen, die auf eine räumliche Strukturierung von Kognitionen und Emotionen schließen lassen (oft Präpositionen, Adjektive oder Substantive). Diese Metaphern haben ihre Wurzeln in der physischen und kulturellen Erfahrung. Dies bedingt, dass Metaphern nicht beliebig bildbar, sondern von physischer Erfahrung abhängig sind. Auf der Basis der räumlichen Orientierung lässt sich meistens dann eine konzeptuelle Metapher formulieren, d.h. die räumliche Konzeptualisierung geht der metaphorischen Konzeptualisierung voraus.

c. Ontologisierende (vergegenständlichende) Metapher[9] behandeln komplexe Erfahrungen und Begriffe als Ding d.h. es kommt zu einer Materialisierung eines Sachverhalts, indem Ereignisse und Handlungen zu Objekten, Tätigkeiten zu Substanzen, Zustände zu Gefäßen werden bzw. auch zähl- und messbar werden (Kruse, Biesel, & Schmieder 2011). Dabei werden die körperliche Grunderfahrung des abgeschlossenen Körperschemas auf diese Begriffe projiziert, um sie handhaben zu können, ohne dass diesen Begriffen eine solche Abgeschlossenheit zukäme. Auf diese Vergegenständlichung baut dann in der Regel eine konzeptuelle Metapher auf. Wie bei den orientierenden Metaphern geht der Konzeptbildung daher ein anderer kognitiver, schemabildender Mechanismus voraus. In späteren Publikationen (Lakoff, 1987; Johnson, 1987) wurden die orientierenden und die ontologisierenden Metaphern zu präverbale Schemata zusammengefasst (Schmitt 2004, § 18).

- Metaphern bilden ein Netz von ineinander greifenden Strukturierungen, wobei die Beziehungen zwischen Metaphern konsistent oder kohärent sein können. Konsistent sind Metaphern, wenn sie das gleiche Bild hervorrufen. Kohärent sind Metaphern hingegen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Konzepte gemeinsame Ableitungen haben[10].

Mit der kognitiven Metapherntheorie von Lakoff & Johnson wurde eine wertvolle Basis für einen Einsatz bei Textanalysen in der qualitativen Sozialforschung geschaffen (vgl. Schmitt 2004). Niedermair (2001) bezeichnete die Metaphernanalyse als ein „transdisziplinäres Projekt“, in dem vor allem die Sprachwissenschaft und die qualitative Sozialforschung zusammenwirken. Er sieht darin die „Chance eines Brückenschlages“, bei dem es darum geht „die Sprachblindheit der qualitativen Forschung aufzuheben“ und gleichzeitig „die Engführung durch die Übernahme verkürzter linguistischer Metaphernmodelle“ zu vermeiden (ebd. S. 144). Niedermair (2001) betont auch, dass die Grenzen in der Sprachwissenschaft bei der Untersuchung der pragmatischen Dimension der Metapher erreicht ist, da das soziale Handeln keine Domäne der Sprachwissenschaft sondern der Sozialwissenschaft sei (ebd. S. 151).

Obwohl Schmitt (2004) klar in seiner Rezension von Jakoff & Johnsons „Metaphor we live by“ betont, dass deren Arbeiten durch ihre Auseinandersetzung mit der Wirklichkeitskonstruktion Anlass geben, in der qualitativen Sozialforschung zur Kenntnis genommen zu werden, weist er gleichzeitig darauf hin, dass die Autoren die dargestellten Metaphoriken zur eigenen Theorieuntermauerung nutzen. Auch Niedermair (2001) gibt zu bedenken, dass die „vorgeschlagenen Basiskonzepte als vorab fixiertes Kategoriensystem eine entgegen der Prinzipien der qualitativen Sozialforschung“, „verengende Wirkung bei der Generierung neuer Theorien riskiert“ (ebd. S. 155). Damit die Metaphernanalyse einen ernst zu nehmenden Platz in der sozialwissenschaftlichen Methodik erhalten kann, wird daher die Beachtung unterschiedlicher Kriterien diskutiert (Schmitt 2004, § 52). Betont wird vor allem die Gegenstandsangemessenheit für einen konkreten Bereich eines Phänomens, eine explorierende Forschungshaltung, die Präsentation des gesamten metaphorischen Konzeptsystems sowie die Einbindung des Kontextes in die Interpretation. Zu achten ist auch auf Aspekte wie Anschlussfähigkeit an Theoriehintergründe, Intersubjektivität und Methodentriangulation (vgl. Flick 2009, S. 216ff), die Unterscheidung kultureller, subkultureller und individueller metaphorischer Muster sowie die Formulierung der Grenzen ihrer Anwendbarkeit.

Die Metaphernanalyse weist eine Nähe zu anderen sozialwissenschaftlichen Methoden auf und findet für unterschiedliche Fragestellungen Anwendung: metaphernanalytische Ansätze in der Diskursanalyse nach Foucault (Maasen & Weingart, 2000; Döring, 2005; Karl, 2006; Bock, von Wülfingen 2007), Metaphernanalyse als Analyse von „Deutungsmustern“ (Wiedemann, 1989, Schmitt, 2005), metaphorische Konzepte als Elemente des von Geertz (1987) definierten „common sense“ (Schmitt 1995), Metaphernanalyse zur Analyse therapeutischer Beziehungen (Buchholz & Kleist 1995, 1997), Metaphern als figurativer Kern in der Theorie der sozialen Repräsentationen nach Moscovici (Wagner, 2007; Oberlechner, Slunecko, & Kronberger 2004; Wagner & Hayes 2005), Metaphern als Aspekte von Bourdieu´s „Habitus“ (Schachtner, 1999; Geffert, 2006) sowie Metaphern als „Skripte“ im Sinn der kognitiven Psychologie (Moser 2000, 2001) und „implizites Wissen“ nach Polányi (1985) (zusammengefasst in Schmitt 2011, S.62).

Metaphernanalytische Untersuchungen vermögen kulturübergreifende (Lakoff & Johnson, 1999; Wolf, 1996), kulturspezifische (Nieraad, 1977; Baldauf 1997; Schmitt 1999) subgruppenspezifische (Pollio, Barlow, Fine, & Pollio 1977; Buchholz & Kleist, 1997; Schachtner, 1999), interaktionssteuerende (Pollio, Barlow, Fine, & Pollio 1977: Buchholz & Kleist, 1995) sowie individuelle (Schmitt, 1996; Kronberger, 1999) Metaphoriken aufzugreifen (Schmitt, 2000 § 4).

4 Die Methodik der systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt

Die hier vorgestellte siebenstufige Vorgangsweise zur Durchführung der Metaphernanalyse basiert auf dem Grundgerüst der systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt (2012, 2003, 1995), welche aus der Metapherntheorie und den Untersuchungen von Lakoff & Johnson entwickelt wurde. Die von Schmitt empfohlene Grundlagenliteratur „Leben in Metaphern“ von Lakoff & Johnson (1980, ins Deutsche übersetzt 1999) war ein wichtiges Hilfsmittel für die Identifizierung und Kategorisierung der Metaphern. Herangezogen wurden auch die Ausführungen bezüglich der Grundlagen für die rekonstruktive Sozialforschung in dem kürzlich erschienenen Buch von Kruse, Biesel & Schmieder (2011) „Metapherenanalyse – ein rekonstruktiver Ansatz“, welches sich bei der Analyse an frühere Publikationen von Schmitt (1997) anlehnt. Für die Durchführung wurde die Auswertungssoftware MAXqda mit den handwerklichen Anleitungsschritten für die Metaphernanalyse von Schmieder (2010) angewendet.

Eine vorgängige Sozialisation in der Sprache der zu untersuchenden Lebenswelt sowie Feldkompetenz wird für diese Methode vorausgesetzt (vgl. Schmitt, 2003), welche hier aufgrund langjähriger Mitarbeit in Institutionen des Gesundheitswesens und in Ausbildungsstätten für Gesundheitsberufe als gegeben angenommen werden kann.

4.1 Klärung der Forschungsfrage

Die Metaphernanalyse benötigt wie jede qualitative Forschungsmethodik eine vorherige Benennung eines Themas und die Präzisierung der Fragestellung/en.

In dieser Untersuchung wird nach „alltagssprachlichen metaphorischen Füllungen“ (Schmitt 2003, § 6) für den Zielbereich „Verhältnis von Theorie und Praxis“ gesucht. Diese Untersuchung versucht zu klären, wie Theorie und Praxis „zueinander stehen“. Hierbei kann festgestellt werden, dass bereits alle Versuche der Versprachlichung dieses Phänomens selbst eine Metapher sind.

4.2 Sammlung der kulturellen Hintergrundmetaphern und Eigenanalyse

Um den eigenen Konditionierungen des metaphorischen Sprachgebrauchs zu der untersuchenden Thematik zu unterlaufen, werden die Auseinandersetzung mit Hintergrundmetaphern und eine gezielte Eigenanalyse vor der eigentlichen Untersuchung einer Subgruppe vorgeschlagen (Schmitt, 2004, §27).

Für die Sammlung der Hintergrundmetaphern empfiehlt Schmitt (2004) analog zu Lakoff & Johnson vorzugehen und für das eigene Forschungsthema Metaphern in wissenschaftlicher Literatur und alltäglicher Kommunikation "botanisierend" zu suchen, um einen breiteren Metaphernraum kennen zu lernen, bevor konkrete Analysen unternommen werden (ebd. §27). Dieser Vorgang wurde von Schmitt als expliziter Schritt erst in späteren Publikationen hinzugefügt, nachdem bei einer Untersuchung einer Subgruppe bestimmte, metaphorische Konzepte nicht auftauchten, die jedoch bekannt waren. Es dient der Forschungsvorbereitung und Dokumentation des kulturellen Möglichkeitsraumes, ein Phänomen zu beschreiben (Schmitt 2003, § 8) und kann wesentlich für die Erhöhung der „Sensibilität für phänomenspezifische bereits gängige Sprachbilder“ (Schmitt, 2000, § 8) gesehen werden. Dies kann einerseits den Horizont der Analyse erweitern, jedoch auch einschränkend wirken, weil bereits nach bestimmten Metaphern gesucht wird.

Ein weiterer Schritt der von Schmitt empfohlen wird, ist sich durch Selbsterfahrung für die eigenen gewählten Metaphoriken in Zusammenhang mit der untersuchten Thematik zu sensibilisieren. Dies kann durch Analyse eines eigenen Interviews oder eigener Texte erfolgen, um die „Metaphern zu erkennen, durch die man selbst die Welt und das Phänomen sieht“ (Schmitt, 2004, § 27).

Ergebnisse

Die Sammlung der Hintergrundmetaphern erfolgte durch das Explorieren von Artikeln in diversen fachbezogenen Internetdatenbanken (Pädagogik, Gesundheitsberufe), welche mit bereits bekannten Schlüsselwörtern gesucht wurden. Folgendes Inventar an Hintergrundmetaphern wurde erstellt:

„Theorie-Praxis-Problem“, „Theorie-Praxis-Konflikt“, „Theorie-Praxis-Dualismus“, „Theorie-Praxis-Kluft“, „Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis“, „Theorie-Praxis-Relation“, “Theorie-Praxis-Bewältigung”, „Theorie-Praxis-Verhältnis“, “Theorie-Praxis-Verbindung”, „Theorie-Praxis-Verknüpfung“, „know-do gap“, „knowing-doing gap“, „knowing-doing divide“, „knowing-doing problem“, „knowing-doing relationship“, „theory-practice gap“, „knowledge-practice gap“, „theory-practice linkage“, „theory-practice integration“, „dialectic between theory and practice“, „theory-practice dichotomy“.

[...]


[1] Weitere Tropen: „Metonymie: Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen Ausdruck, der zu ihm in einer realen Beziehung steht, aber eine andere Klassenebene bezeichnet. Beispiel: „einen Becher trinken“ (das Gefäß steht für den Inhalt). Synekdoche: Ein Teil des Ganzen wird anstelle des Ganzen gesetzt. Beispiel: „ihr sterbt durch die Klinge“ (ein Teil des Schwertes steht für das ganze Schwert – und für die Person, die es führt). Antonomasie: Ein Eigenname wird durch eine Umschreibung ersetzt. Beispiel: „die Tour der Leiden“ (der Eigenname „Tour de France“ wird durch eine Umschreibung ersetzt). Vossianische Antonomasie: Eine Umschreibung wird durch einen Eigennamen ersetzt. Beispiel: „sibirisches Klima“. Personifikation: Abstrakten Begriffen, unbelebten Erscheinungen, Tieren und Pflanzen werden Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeordnet, die nur Personen zukommen. Beispiel: „die Biologie sieht diesen Unterschied nicht“ (der Zielbereich ist nicht-menschlich, der Herkunftsbereich ist menschlich)“ (Kruse et al 2011, S. 75ff).

[2] „unter Analogie verstehe ich eine Beziehung, in der sich die zweite Größe zur ersten verhält wie die vierte zur dritten. Dann verwendet der Dichter statt der zweiten Größe die vierte oder statt der vierten die zweite. […]. Oder: das Alter verhält sich zum Leben, wie der Abend zum Tag; der Dichter nennt also den Abend „Alter des Tages“, oder, wie Empedokles, […] das Alter „Abend des Lebens“ oder „ Sonnenuntergang des Lebens“. (Aristoteles 1982, 67f, 1457b zit. in Niedermair 2001, S. 144).

[3] Drei semiotische Dimensionen der Sprache: Syntax – innersprachliche Beziehung der Zeichen untereinander, in der Grammatik auch als Satzlehre bezeichnet. Semantik – Bedeutung der Zeichen und Beziehung der Zeichen zu den bezeichneten Tatsachen. Pragmatik – Beziehung der Zeichen zu den Sprachbenutzern (vgl. www.wikipedia.org).

[4] Im Kontext einer bestimmten metaphorischen Aussage „interagieren“ die beiden Gegenstände auf folgende Weise: (I) das Vorhandensein des Primärgegenstandes reizt den Zuhörer dazu, einige der Eigenschaften des Sekundärgegenstandes auszuwählen; und (II) fordert ihn auf, einen parallelen „Implikationszusammenhang“ zu konstruieren, der auf den Primärgegenstand passt; und umgekehrt (III) wiederum parallele Veränderungen im Sekundärgegenstand bewirkt (Black 1998b, 392; vgl. Black 1998a, 75f zit. in Niedermair 2001, S. 149).

[5] Partielle Strukturierung bezieht sich auf die beleuchtenden und verbergenden Funktionen von einem bildgebenden Gegenstand (Quellgegenstand) auf einen Zielgegenstand (vgl. Schmitt 2004), wodurch ein Sachverhalt nicht gänzlich, sondern nur teilweise strukturiert wird (vgl. Kruse, Biesel, & Schmieder 2011).

[6] Lakoff & Johnson verstehen unter “Gestalten” “vieldimensionale strukturierte Ganzheiten” als Bündel von Eigenschaften, Schemata, Skripte, die die Komplexhaftigkeit von Phänomenen organisieren (Kruse, Biesel, & Schmieder 2011, S. 69).

[7] Beispiel von Jakoff & Johnson zit. in Schmitt 2003, S. 17: „Das Leben ist ein Weg“ (das war eine Gratwanderung, sie kommt nicht voran mit ihrer Arbeit, auf die schiefe Bahn geraten, Vergangenheit)

[8] Beispiele von Jakoff & Johnson zit. in Schmitt 2003, S. 18: „Freude und Erfolg ist oben, Trauer und Verlust ist unten“ (high sein, erhebendes Gefühl, himmelhoch jauchzend, hohe Motivation, sich aufraffen, niederschmetternd, versumpfen, bedrückt, er ist tief gesunken, down sein“.

[9] Beispiele von Jakoff & Johnson zit. in Schmitt 2003, S. 18f: „Psyche ist ein Gefäß“ (er kommt aus sich heraus, verschließt sich, öffnet sich, er hat einen Sprung in der Schüssel, Dampfablassen Gefühlsstau, innere Leere auffüllen).

[10] Konsistente Metaphern: „Die Sprache stirbt“, „Die Sprache lebt“ – beide Metaphern beziehen sich auf das Bild der Sprache als Lebewesen. Kohärente Metaphern: „Die Sprache erblüht in neuer Stärke“ (Sprache ist eine Pflanze), „Fremdwörter vergewaltigen unsere Sprache“ (Sprache ist ein Lebewesen mit eigenem Willen) (Kruse et al 2011, S. 68)

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Darstellung der Systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt anhand von Metaphern zum Verhältnis von Theorie und Praxis
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
49
Katalognummer
V308409
ISBN (eBook)
9783668067349
ISBN (Buch)
9783668067356
Dateigröße
707 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
darstellung, systematischen, metaphernanalyse, schmitt, metaphern, verhältnis, theorie, praxis
Arbeit zitieren
Elisabeth Hartig (Autor:in), 2012, Darstellung der Systematischen Metaphernanalyse nach Schmitt anhand von Metaphern zum Verhältnis von Theorie und Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308409

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