Das Konzept der Strategischen Gruppen. Indonesien im Wandel


Hausarbeit, 2010

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Strategische Gruppen in der Theorie – Grundlegende Aussagen
2.1 Von Quasi-Gruppen zu strategischen Gruppen
2.2 Die Aneignungsweisen strategischer Gruppen
2.3 Von strategischen Gruppen zur Klassenbildung

3. Strategische Gruppen in der Praxis – Indonesien im Wandel

4. Das Konzept der strategischen Gruppen in der Kritik

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Im Zuge fortschreitender Globalisierung kommt es auf der ganzen Welt zu gesellschaftlichen Veränderungen. Neue Strukturen und Machtverhältnisse entwickeln sich, werden etabliert, um schließlich wieder neu strukturiert zu werden. Dies trifft in besonderem Maße auf die so genannten Entwicklungsländer zu. Hier finden Veränderungen im Allgemeinen schneller und drastischer statt, als in Ländern Mitteleuropas oder Nordamerikas.

Es fehlte jedoch lange Zeit an geeigneten Konzepten, um diese nachweisbaren Prozesse zu erklären und zu verstehen. Um diesen Missstand in der Wissenschaft zu beheben, griffen in den 1980er Jahren Forscher aus Bielefeld, namentlich Hans-Dieter Evers und Tilman Schiel, das ältere Konzept der „strategic group“ aus dem englischsprachigen Raum auf und entwickelten daraus ihr eigenes Konzept der Strategischen Gruppen[1]. Mit Hilfe dieses Konzepts war es möglich, Klassenbildungs- und Klassenzerfallsprozesse, sowie den in Entwicklungsländern häufig zu beobachtenden Wandel des geltenden politischen Systems zu erklären.

Mit ihren Thesen stießen Evers und Schiel jedoch auch auf Widerstand. Es begann ein wissenschaftlicher Diskurs über den Nutzen und die Anwendbarkeit des Konzepts der Strategischen Gruppen.

Im Rahmen dieser Arbeit sollen im Folgenden zuerst die theoretischen Aspekte des genannten Konzepts aufgezeigt und erklärt werden. Es soll deutlich werden, wie strategische Gruppen entstehen und handeln. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erklärung von aufkommenden Klassenstrukturen auf Grund von strategischen Gruppen. Danach wird das Handeln Strategischer Gruppen noch einmal an Hand der Entwicklung Indonesiens seit der Unabhängigkeit deutlich gemacht. Anschließend werden ausgewählte Kritikpunkte von John P. Neelsen, dem wohl wichtigsten Kritiker des Ansatzes, besprochen. Dabei wird auch auf die direkten Entgegnungen von Evers und Schiel Bezug genommen, sowie eigene Überlegungen zu den Kritikpunkten geäußert.

Zum Schluss sollen noch einmal Funktion und Nutzen des Konzepts rekapituliert werden, um abschließend die Relevanz des Konzepts für die Analyse von Transformationsprozessen deutlich zu machen.

2. Strategische Gruppen in der Theorie – Grundlegende Aussagen

Neben den vorher genannten Funktionen, soll das Konzept der strategischen Gruppen in erster Linie der Analyse langfristiger Entwicklungsprozesse dienen und dabei nicht nur Konflikte zwischen unterschiedlichen Klassen und Schichten erklären, sondern auch Konflikte analysieren, die innerhalb dieser, nämlich zwischen einzelnen strategischen Gruppen, stattfinden (Evers 1997: 155). Doch was genau sind strategische Gruppen eigentlich und wie entstehen sie überhaupt?

2.1 Von Quasi-Gruppen zu strategischen Gruppen

Bevor es zur Bildung strategischer Gruppen kommt, bilden sich so genannte Quasi-Gruppen. Verallgemeinernd kann man sagen, dass sich Quasi-Gruppen dort bilden, wo neue Aneignungsmöglichkeiten entstehen. Dabei kann es sich um die Einführung einer neuen Berufsrolle handeln, aber auch um die Verbreitung neuer Technologien, grundlegender weltwirtschaftlicher Veränderungen oder die Einführung neuer theologischer/religiöser Legitimationsmuster (Evers & Schiel 1988: 10). Ein passendes Beispiel wäre das Wachstum der einheimischen Bürokratien in Entwicklungsländern unmittelbar nach deren Unabhängigkeit. Posten, die während der Kolonialzeit noch mit Ausländern besetzt wurden, werden nun von Inländern besetzt. Die Gruppe der einheimischen Beamten wächst und gewinnt an Bedeutung.

Anfangs haben die einzelnen Personen noch keine starke Bindung zueinander. Eine schwach ausgeprägte gemeinsame Identität entsteht durch Solidarität mit der unmittelbaren sozialen Umgebung oder ethnischer Herkunft (ebd.: 24).

Mehr Zusammenhalt kann aber durch dramatische Ereignisse entstehen, wie etwa eine Bedrohung der für sie zugänglichen Ressourcen. So werden Quasi-Gruppen zu strategischen Gruppen. Strategisch, „weil sie strategisch bedeutsam werden für eine politische Entwicklung, für Konfliktsituationen, für Reform und Revolution in ihren Gesellschaften. Aktiv vertreten sie ihre eigenen wirtschaftlichen oder politischen Zielen.“ (ebd.: 25) Strategische Gruppen definieren sich also durch gemeinsame Interessen, was ein gemeinsames, zielgerichtetes Handeln zur Folge hat. Dieses strategische Handeln ist normativ legitimiert, etwa durch Nationalismus, Ethnizität oder religiöse Bewegungen. Die Ziele gehen dabei über rein ökonomische Interessen hinaus (ebd.: 81; Evers 1997: 156).

Gleichzeitig werden Führer unterstützt, von denen die Gruppe annimmt, dass sie ihre Ziele unterstützen. Die angesprochenen dramatischen Ereignisse, die zu dem Wandel führen, können ein rascher Anstieg der Mitgliederzahl, sowie eine Verknappung der zugänglichen Ressourcen sein. So kommt es unweigerlich zum Konflikt mit anderen Gruppen und damit zu mehr Solidarität der Gruppenmitglieder untereinander (Evers & Schiel 1988: 25). Diese Solidarität spiegelt sich dann in der vermehrten Bildung von Organisationen und Vereinigungen wider. Außerdem kommt es immer öfter zu Bindungen von ganzen Verwandtschaften an die Gruppe: Kinder übernehmen die Berufe oder Rollen ihrer Eltern und heiraten vorzugsweise innerhalb der Gruppe. So wird die soziale Mobilität verringert und der Gruppenzusammenhalt gestärkt (ebd.: 26).

Der Einfluss von strategischen Gruppen wird besonders bei Modernisierungsprozessen deutlich. Nimmt man als Beispiel ein Land, das gerade seine Unabhängigkeit erlangt hat, so hat die strategische Gruppe, die als erstes auftritt, den größten Einfluss. Sie kann das politische und normative System maßgeblich prägen. Andere Gruppen können nur in dem vorher festgelegten Rahmen handeln, sie müssen die Spielregeln ihrer Konkurrenten befolgen oder aber das System radikal ändern, indem sie selbst die Macht ergreifen, um dann schließlich eine neue Herrschaftssequenz einzuleiten. Die prägende strategische Gruppe wird jedoch versuchen, ihre Art der Aneignung von Renten so weit wie möglich zu vergrößern (ebd.). Dabei werden drei unterschiedliche Aneignungstypen unterschieden, die im Folgenden näher erläutert werden sollen.

2.2 Die Aneignungsweisen strategischer Gruppen

Den strategischen Gruppen lassen sich also drei unterschiedliche Aneignungsweisen zuordnen: persönlich, korporativ oder kollektiv. Mit einer bevorzugten Aneignungsweise ergibt sich auch ein bevorzugtes politisches System, dass die verfolgte Aneignungsweise bestmöglich unterstützt und sichert.

Persönliche Aneignungsweise bezeichnet ein Einkommen durch Honorare, Miet- oder Pachteinkünfte. Ein Beispiel für eine strategische Gruppe mit dieser Aneignungsweise wären Rechtsanwälte, Ärzte oder Kleinhändler (Evers & Schiel 1988: 46). Mitglieder einer solchen strategischen Gruppe müssen, wenn sie politisch aktiv werden wollen, erst Organisationen wie Ärzteverbände und Handelskammern schaffen. Um schließlich Interessen zu vertreten und gezielt politischen Einfluss auszuüben, ist daher die Organisation innerhalb von politischen Parteien am günstigsten. Daher werden strategische Gruppen, die persönliche Aneignungsweisen verfolgen, bevorzugt auf die Etablierung einer parlamentarischen Demokratie drängen (ebd.).

Strategische Gruppen mit korporativer Aneignungsweise generieren ihr Einkommen durch Profit und setzen sich folglich aus Industrieunternehmern und Geschäftsleuten zusammen. Sie organisieren sich durch Netzwerke und Patronage-Systeme. Ein bevorzugtes politisches System, wie bei den andern beiden Aneignungstypen, gibt es nicht. Einzige Anforderungen an das System sind, dass es Patronage, Bündnisse zwischen den Akteuren und Wirtschaftswachstum ermöglichen muss (ebd.: 47).

Typische Vertreter, die kollektive Aneignungsweisen verfolgen, sind Staatsbeamte und Militärs. Sie beziehen ihr Einkommen aus Steuern und anderen Abgaben. Um ihre Herrschaft zu sichern, werden sie versuchen ihre Organisation so weit wie möglich auszudehnen. So entsteht zum Beispiel durch die Vergrößerung des Staatsapparates zwangsläufig mehr staatliche Kontrolle. Folglich sind für strategische Gruppen, die kollektive Aneignungsweisen verfolgen, Militärregime oder Ein-Parteien-Systeme am besten zur eigenen Machterhaltung und Machterweiterung geeignet (ebd.).

Das politische System wird also maßgeblich von der dominierenden strategischen Gruppe bestimmt. Je nach bevorzugter Aneignungsweise ergibt sich ein anderes politisches System. Später wird dies an der indonesischen Entwicklung noch einmal deutlich gemacht. Im nächsten Teil soll die Klassenbildung durch strategische Gruppen näher erläutert werden.

[...]


[1] Abgesehen davon hat der Ansatz seine Wurzeln aber vor allem in der Marxistischen Klassentheorie und der Weberschen Soziologie (Evers & Schiel 1988: 9), auf die aber im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Konzept der Strategischen Gruppen. Indonesien im Wandel
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Soziologie afrikanischer Gesellschaften
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
12
Katalognummer
V308481
ISBN (eBook)
9783668073364
ISBN (Buch)
9783668073371
Dateigröße
395 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indonesien, Südostasien, Soziologie, Entwicklungssoziologie, Kultur und Gesellschaft Afrikas, Asien, Strategische Gruppen, Evers, Schiel, Neelsen
Arbeit zitieren
Fabian Speitkamp (Autor:in), 2010, Das Konzept der Strategischen Gruppen. Indonesien im Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308481

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