Niedergang und Selbstpreisgabe: Der Niedergang des Parteinstaates zwischen 1930 und 1933. Die Arbeiterparteien KPD und SPD.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Arbeiterklasse

3. Die KPD
a. Die Strategie
b. Die Taktik
1. Kampf dem Sozialfaschismus
2. Einheitsfront von unten“
3. Nationale Befreiung
4. „Der Faschismus ist da!“
5. Hauptfeind Sozialdemokratie
6. „Zwillingsbrüder“ NSDAP und SPD
7. Antifaschistische Aktion
8. Zurück zur ultralinken Linie
9. Nach der Machtübernahme Hitlers

4. Die SPD
1. Tolerierungspolitik
2. Kampfstimmung
3. Die Regierung Papen
4. Nach dem 30. Januar

5. Zusammenfassung

6. Literatur

7. Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

Die Jahre 1930 bis 1933 stellen die Endphase der Weimarer Republik dar. Die Machtübertragung an die Papen-Regierung bezeichnete die Wendung zum autoritären Staat und ebnete den Siegeszug des Nationalsozialismus den Weg. In dieser Zeit der Präsidialregierungen verfügte die deutsche Sozialdemokratie zunächst noch die größte parlamentarische Macht und die KPD konnte als linke Gegenbewegung zur NSDAP auf eine große Anhängerschaft zurückgreifen. Verhindern konnten jedoch beide die schrittweise Entwicklung zur faschistischen Diktatur nicht. Anstatt gemeinsam gegen die NSDAP vorzugehen, zerfleischten sich die Parteien im gegenseitigen „Bruderkampf“ und entschieden sich für grundlegend verschiedene Wege zur Bekämpfung des Nationalsozialismus.

In dieser Arbeit sollen diese gegensätzlichen politischen Handlungsvorstellungen der KPD und der SPD ausführlich dargestellt werden.

Nach einer kurzen Analyse der Arbeiterschaft, die nötig ist, um die Anhänger der beiden Arbeiterparteien differenziert zu betrachten, soll zunächst der politische Werdegang der KPD bis zum Parteiverbot 1933 dargelegt werden. Hierbei wird die kommunistische Politik in Strategie und Taktik unterteilt. Damit schließe ich mich der Unterteilung von Hermann Weber in seinem Text „Hauptfeind Sozialdemokratie“ an. Weber hält fest, dass sich die unveränderbare Strategie der KPD in der starren Haltung gegenüber der SPD und dem Alleinanspruch auf die Führung der Arbeiterschaft wiederspiegelt. Die Taktik des politischen Alltags jedoch war von starken Schwankungen gekennzeichnet.

In einem weiteren Teil soll diese Arbeit die „Tolerierungspolitik“ der SPD untersuchen, von der sie bis zum Ende der Weimarer Republik nicht abwich. Es sollen die Überlegungen, die diese Politik hervorbrachten, sowie die Folgen dieser Entscheidung zum Stillhalten herausgearbeitet werden. Auch die Kampftruppe „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ und ihre Entwicklung soll in diesem Zusammenhang dargestellt werden.

2. Die Arbeiterklasse

Sowohl die KPD als auch die SPD sahen sich in ihrem Selbstverständnis der Weimarer Republik als „klassische“ Arbeiterparteien. So waren 80 Prozent der KPD-Wähler aus der Arbeiterklasse, bei der SPD betrug der Arbeiteranteil immerhin 70 Prozent.

Die soziologische Klassifizierung der Arbeiterschicht dieses Zeitraumes ist jedoch äußerst unscharf und umspannt eine breite Skala von Berufen und sozialen Umfeldern. Etwa 17 Prozent der Arbeiterschicht entsprangen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben, weitere 17 Prozent waren im Dienstleitungssektor beschäftigt. Etwa 15 Prozent entfielen auf Arbeiter in industriellen Kleinbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigten, 30 Prozent war in mittleren und größeren Betrieben, so dass die „klassische“ Arbeiterschaft des großindustriellen Produktionssektors lediglich 10 Prozent zählte.[1]

So ist es auch kaum überraschend, dass die KPD und die SPD mit ihrer Anhängerschaft verschiedene Gruppen dieser Schicht abdeckten.

Die SPD-Wähler setzten sich vor allem aus einer gewerkschaftlich organisierten Anhängerschaft zwischen 40 und 50 Jahren zusammen. Sie stammten meist aus der Mittel- und Großindustrie und übten erlernte Handwerksberufe aus. Viele waren schon seit mindestens fünf Jahren, oft aber auch länger, Parteimitglieder.

Die KPD konnte im Gegenzug vor allem ungelernte und erwerbslose Arbeiter zwischen 20 und 30 Jahren für sich gewinnen. Die wenigsten von ihnen hatten gewerkschaftliche oder politische Erfahrungen.

Somit zeigt sich, dass sich zwar beide Parteien zu Recht als „Arbeiterparteien“ verstanden, es blieben jedoch starke strukturelle Unterschiede ihrer Anhängerschaft, die eine mögliche Zusammenarbeit von Anfang an behinderten.

3. Die KPD

Die Kommunistische Partei vertrat während der Endphase der Weimarer Republik eine starre Haltung sowohl gegenüber den Präsidialregierungen als auch gegenüber den Sozialdemokraten. Sie betrieben unter dem Schlagwort „Klasse gegen Klasse“ eine ultralinke Isolierungspolitik, die alle anderen politischen Kräfte als „faschistische Feinde“ betitelte.

Im Rahmen dieser ultralinken Gesamtkonzeption gab es jedoch Schwankungen und Nuancen. Diese lassen sich am besten anhand der ursprünglich militärisch gebrauchten Begriffe „Strategie“ und „Taktik“ erklären, die von der KPD selbst als Parteiterminologie genutzt wurden. Stalin definiert Strategie als „die Festlegung des Hauptstoßes des Proletariats auf der Grundlage der gegebenen Etappe der Revolution“ und Taktik als „die Festlegung der Linie des Verhaltens des Proletariats für die verhältnismäßig kurze Periode von Flut oder Ebbe der Bewegung“[2]. Obwohl diese Formeln keineswegs konkret sind, können sie als Anhaltspunkt dienen, die kommunistische Generallinie der KPD in den Jahren 1928 bis 1933 als feststehende Strategie, und das schwankende Verhalten der Partei in der Tagespolitik als Taktik zu verstehen, wobei die Strategie in dieser Periode immer gleich blieb. Da die Taktik jedoch nur zur Erfüllung der Strategie dient, war es in der Wahrnehmung der Partei zulässig, diese zu ändern.

a. Die Strategie

Als Hauptziel verstand die KPD für sich in den Jahren 1928 bis 1933 die revolutionäre Zerschlagung der Weimarer Republik, die als Klassenstaat des Monokapitalismus empfunden wurde. Diese ideologische Eingliederung der Republik war jedoch nicht aus der deutschen Realität abgeleitet, sondern ergab sich aus der dominierenden Fremdbestimmung der Komintern, die ihren ultralinken Stufenplan (vom IX. Plenum des Exekutivkomitees im Februar 1928) auch für Deutschland gelten machte. Dieser beinhaltete die Vorbereitung der nahenden revolutionären Umwälzung mithilfe einer Verschärfung des Klassenkampfes, die Erringung aller politischen Macht und letztlich die Errichtung der Diktatur des Proletariats, also die Einführung des Rätesystems. Somit war die Gesamtkonzeption der KPD als revolutionäre Umsturzpartei und antiimperialistische Offensive von außen strikt vorgegeben und es bestand keinerlei Absicht, weiter innerhalb der Spielregeln des parlamentarischen Systems zu bleiben.[3] Die KPD bereitete sich intensiv auf die Illegalität vor, hatte bei der tatsächlichen Umsetzung der revolutionären Absichten praktische Probleme (Was ist nötig zur Vorbereitung des Aufstands? Wann soll der Umsturz stattfinden?). Tatsächlich war sie an keinem Punkt dieser Zeit fähig, den Volksaufstand durchzuführen.

Neu an der Zielrichtung der KPD war nun aber auch, dass sie sich als einzige Vertreterin der Arbeiterbewegung sah, und somit alle anderen Parteien als konterrevolutionär und faschistisch einstufte. Die aufsteigende NSDAP wurde daher nur als eine nationalfaschistische Partei unter anderen wahrgenommen, während die SPD (aufgrund ihres Legalitätskurses) zum „Hauptfeind“ der Kommunisten avancierte und ihre Anhänger von der KPD als „Sozialfaschisten“ propagiert wurden. Durch diese Radikalisierung und Isolierung innerhalb der Arbeiterklasse erhoffte sich die Parteiführung einen Anhängerzuwachs aus den Reihen der SPD zur eigenen Partei und eine Mobilisierung der Klasse zum Umsturz. Aber auch die Freien Gewerkschaften stellten nun einen „faschistischen Feind“ dar, und ihre Bekämpfung mithilfe inszenierter Massendemonstrationen und Arbeitslosenaufmärschen wurde als wirkungsvolle Methode zur Erreichung der Arbeiter betrachtet.[4]

b. Die Taktik

Während die Strategie der KPD in dem hier behandelten Zeitrahmen durchgängig gleichblieb, zeigt die Taktik der Partei immer wieder Schwankungen und Brüche auf. Diese resultierten hauptsächlich aus der Differenz der, von Moskau vorgegebenen, Formeln und Richtlinien und der tatsächlichen Situation in Deutschland, sowie aus der verworrenen Theoriedebatte über den Faschismus, welche die Partei in dieser Zeit führte.

1. Kampf dem Sozialfaschismus

Bis zum Frühjahr 1930 betrieb die KPD die Radikalisierung der Grundlinie und es kam zu einer exzessiven Auslegung der von der Komintern verlangten Strategie. Die von Moskau aus propagierte Gefahr eines Angriffskrieges der kapitalistischen Staaten gegen die UdSSR wurde als steigende Bedrohung dargestellt und ein „Antikriegskomitee“ geschaffen, um dieser Gefahr vorzubeugen. Besonders absurd war hierbei die Behauptung, die SPD sei die „führende Kraft bei der Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion“[5]. In der SPD, und damit auch in der sozialdemokratisch geführten Regierung, sah die KPD nicht nur den Klassenfeind, sie betrachtete die Sozialdemokraten sogar als „faschistische“ Partei und widmete ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kampf gegen die „sozialfaschistische“ Unterwanderung des Staatsapparates. „Faschistisch“ waren demnach alle Parteien die dem revolutionären Konzept der Kommunisten widersprachen. Dies implizierte zwar auch die aufkommende Rechtsbewegung in Deutschland, doch blieb die Rolle der NSDAP vorerst unterschätzt.

Folge dieser verhärteten Politik war aber, dass die KPD die Möglichkeit zu einer „Einheitsfront von unten“, also dem Versuch, Mitglieder der SPD für sich zu gewinnen und auf diese Art die SPD zu zermürben, vergab und sich selbst in eine isolierte Situation manövrierte, da sie sich aus ihrer ablehnenden Haltung heraus auch immer mehr von den Gewerkschaften entfernte.

Nach dem ersten Reichskongress der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) am

1. Dezember 1929 in Berlin stand fest, dass diese sich mehr und mehr in eine selbständige gewerkschaftliche Organisation entwickelte, deren Ziel es war, Streitkämpfe innerhalb des ADGB voranzutreiben. Genährt wurde diese Zielrichtung der Gewerkschaftsspaltung noch durch den Aufruf der Parteiführung, bei Betriebsratswahlen dürfe es keine Verbindung mit anderen Parteien geben.

Durch den extremen Linkskurs verfehlte die Partei jedoch ihr taktisches Ziel der Arbeitermobilisierung, statt dessen stagnierte die Mitgliederzahl: Ende 1928 zählte die KPD noch 130 000 Mitglieder, im April 1930 jedoch war die Zahl auf 120 000 gefallen.

2. Einheitsfront von unten

Aufgrund dieser Misserfolge und wegen der geänderten politischen Lage in Deutschland bremste Stalin vorübergehend den harten Linkskurs der KPD in Deutschland und die neue Taktik sah nun doch eine „Einheitsfront von unten“ vor. Nachdem die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Hermann Müller am 27. März gestürzt, und durch die Bildung der Regierung Brünings eine weitere politische Machtsituation für die SPD verhindert war, reagierte die KPD, indem sie zwar die Sozialdemokratie weiterhin als den „Hauptfeind“ betrachtete, aber ihre Anhänger und Mitglieder nicht mehr offen bekämpfte, sondern versuchte, sie von der SPD abzulösen und für sich selbst zu gewinnen. Diese taktische Wendung vollzog sich allerdings nur in den Reden und Schriften der Parteiführung; wie die praktische Umsetzung der „Einheitsfront von unten“ im tagespolitischen Alltag tatsächlich aussehen sollte blieb sie der Parteibasis schuldig. Einige Führungsmitglieder sprachen sich auch offen gegen die neue Taktik aus, so vertrat Paul Merker beispielsweise bis zu seiner Absetzung als Leiter der Gewerkschaftsabteilung am 2. Mai rigoros die radikale Linkslinie.

Bei der Linie der RGO verhielt sich die KPD jedoch weiterhin konstant: Bei den Betriebsratswahlen im Jahr 1930 stellte die KPD in 1200 Betrieben eigene Listen auf, wobei sie allerdings eine schwere Niederlage hinnehmen musste. Sie verlor gegenüber dem Vorjahr 50 Prozent der Stimmen. Diese Enttäuschung versuchte die Partei mithilfe von verstärkten Arbeiterstreiks wettzumachen und dadurch die Gewerkschaftsspaltung zu beschleunigen.

Unverändert blieb auch die Einschätzung der NSDAP. Noch immer hielt das Polbüro die NSDAP für eine gefährliche, faschistische Partei wie alle anderen; noch immer erkannte die Partei den Unterschied zwischen Faschismus und Sozialdemokratie nicht an.

3. Nationale Befreiung

Am 24. August 1930 veröffentlichte die KPD die „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“. Dieser Erklärung wurde viel Bedeutung zugemessen, da die deutsche KPD sich seit dem Beginn der Partei kein eigenes Programm mehr gegeben hatte und sie inhaltlich als Vorgabe für die Reichstagswahlen im September gewertet wurde.

Das Programm enthielt immer noch die Idee eines Angriffskriegs auf die UdSSR, sowie die Verteufelung des deutschen Staates als faschistisch und klassenfeindlich.

Inzwischen hatte die Partei jedoch scheinbar erkannt, dass die Politik der NSDAP den schärfsten Klassengegner darstellte, da sich Saalschlachten und Mordanschläge zwischen den beiden Parteien häuften. Die Erklärung versuchte nun die neue Haltung gegenüber der NSDAP in Worte zu fassen. Dabei verzettelte sie sich aber erneut in den undifferenzierten Parolen „Faschismus“, „Sozialfaschismus“ und „Nationalismus“ und verfiel schnell wieder in die Hsastiraden auf die SPD. Außerdem machte sich die KPD in ihrem Wahlkampf nun ebenfalls die Parolen des „Nationalismus“ gegen den Young-Plan und gegen den Versailler Vertrag zu eigen, die zuvor den Nationalsozialisten regen Zulauf erbracht hatten und belegte durch diese widersprüchliche Haltung endgültig die fehlende klare programmatische Richtung innerhalb der Partei.

[...]


[1] Vgl.: Falter, Jürgen W.: Hitlers Wähler. München: Beck 1991. S. 198 ff.

[2] Stalin, Josef: Fragen des Leninismus. Moskau: 1938. S. 73 ff.

[3] Vgl.: Schönhoven, Klaus: Strategie oder Nichtstun? Sozialdemokratischer Legalismus und kommunistischer Attentismus in der Ära der Präsidialkabinette. In: Winkler, Heinrich August (Hrsg.): Die deutsche Staatskrise 1930 – 1933. Handlungsspielräume und Alternativen. München: Oldenbourg 1992. S. 65 f.

[4] Vgl.: Weber, Hermann: Hauptziel Sozialdemokratie. Strategie und Taktik der KPD 1929 – 1933. Düsseldorf: Droste 1982. S. 18 f.

[5] Waffen für den Klassenkampf. Beschlüsse des XII. Parteitages der KPD. Berlin o.J. (1929). S.25. Zitiert aus: Weber, Hermann: Hauptziel Sozialdemokratie. A.a.O.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Niedergang und Selbstpreisgabe: Der Niedergang des Parteinstaates zwischen 1930 und 1933. Die Arbeiterparteien KPD und SPD.
Hochschule
Universität Mannheim  (Lehrstuhl für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Wähler und Wahlen 1871 bis 1933
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V30854
ISBN (eBook)
9783638320290
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Niedergang, Selbstpreisgabe, Niedergang, Parteinstaates, Arbeiterparteien, Hauptseminar, Wähler, Wahlen
Arbeit zitieren
Katharina Stutz (Autor:in), 2004, Niedergang und Selbstpreisgabe: Der Niedergang des Parteinstaates zwischen 1930 und 1933. Die Arbeiterparteien KPD und SPD., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30854

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