"Aline et Valcour", Donatien Alphonse François Marquis de Sades philosophischer Briefroman, ist wahrscheinlich eines der kontroverst diskutierten Werke der französischen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Zur Zeit der Französischen Revolution, als die Herrschaft des Nationalkonvents zum Direktorium in Frankreich überging, ist dieses Werk noch heute Gegenstand und Inspirationsquelle wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.
Einer der Gründe für die Beschäftigung mit Werken Marquis de Sades mag sicherlich der Autor selbst sein. Bereits zu Lebzeiten war der französische Aristokrat für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannt. Als Verfasser verschiedener erotisch-sadistischer Lektüren, die im Frankreich des 18. Jahrhunderts als amoralisch und gefährlich galten, wurde der Libertin mehrfach inhaftiert. Auch regimekritische Werke, wie "Aline et Valcour" eines im weitesten Sinne darstellt, zählten zu seinem Métier.
Marquis de Sades 1785-1788 verfasster und 1795 veröffentlichter Briefroman „Aline et Valcour –ou le Roman philosophique“ geht über aufklärerische Erzählformen hinaus und thematisiert in einer Rahmenhandlung das unerfüllte Liebesverhältnis der beiden jugendlichen Protagonisten Aline und Valcour. Weitestgehend von Alines und Valcours Geschichte separiert, werden die utopische Südseeinsel Tarnoé und das dystopische Königreich Butua von Sades Nebencharakter Saintville auf der Suche nach seiner verschollenen Geliebten Léonore bereist.
Den Ausgangspunkt dieses Werkes und auch dieser Hausarbeit bildet die Analyse des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft. Es soll kurz untersucht werden, ob das Individuum entweder als Opfer oder Gestalter der heutigen Gesellschaft fungiert und in welchem Maße ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Komponenten besteht. Dabei werden die Auffassungen der Philosophen Aristoteles, Immanuel Kant und Thomas Hobbes berücksichtigt und miteinander verglichen.
Da der Entwurf Tarnoés in seinen Grundzügen dem Prototypen Utopia in Thomas Mores gleichnamigem Werk entspricht, soll zudem ein Vergleich zwischen Tarnoé und Utopia stattfinden. Abschließend soll diskutiert und zusammengefasst werden, ob es sich bei de Sades Gesellschaftskonzepten um ein Beispiel radikaler Individualität handelt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft
- Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag
- Marquis de Sades Gesellschaftsprinzip
- Definition: Utopie und Dystopie
- Butua - Eine tyrannische Dystopie
- Tarnoé - Eine frühsozialistische Utopie
- Résumé
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Marquis de Sades philosophischen Briefroman "Aline et Valcour" und untersucht, ob dieser als Beispiel radikaler Individualität betrachtet werden kann. Sie befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft und setzt Sades Gesellschaftskonzept in Beziehung zu den Ideen von Philosophen wie Aristoteles, Kant und Hobbes.
- Das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft in "Aline et Valcour"
- Die Rolle des Gesellschaftsvertrags bei der Gestaltung von Gesellschaften
- Die Darstellung von Utopie und Dystopie in Sades Roman
- Die Frage nach der radikalen Individualität in Sades Gesellschaftskonzepten
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung gibt einen Überblick über den historischen Kontext von "Aline et Valcour" und stellt die zentrale Forschungsfrage der Arbeit vor. Sie erläutert, dass der Roman als Beispiel für eine radikale Individualität betrachtet werden soll.
- Das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft: Dieses Kapitel analysiert die unterschiedlichen Auffassungen von Individuum und Gesellschaft bei Aristoteles, Kant und Hobbes. Es stellt die Frage nach dem Verhältnis zwischen individueller Freiheit und staatlicher Ordnung.
- Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag: Dieses Kapitel fasst die Kernaussagen aus Rousseaus "Contrat social" zusammen. Es zeigt, wie Rousseau die Rückkehr zu einem ursprünglichen Naturzustand durch einen Gesellschaftsvertrag vorschlug.
- Marquis de Sades Gesellschaftsprinzip: Hier wird Sades eigenes Gesellschaftsprinzip in Bezug auf Rousseaus "Contrat social" analysiert. Es wird erörtert, wie Sades Konzept von den Ereignissen der Französischen Revolution beeinflusst wurde.
- Definition: Utopie und Dystopie: Dieses Kapitel definiert die Begriffe Utopie und Dystopie und beschreibt die beiden Gegenentwürfe Butua und Tarnoé, die in "Aline et Valcour" präsentiert werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Individuum, Gesellschaft, Gesellschaftsvertrag, Utopie, Dystopie, radikale Individualität, Französische Revolution, Marquis de Sade, Aline et Valcour, Jean-Jacques Rousseau, Aristoteles, Kant, Hobbes.
- Arbeit zitieren
- Sarah Leenen (Autor:in), 2013, Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in Marquis de Sades "Aline et Valcour", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308883