Bereits der Titel der vorliegenden Arbeit unterstellt dem Fach der Osteuropaforschung eine verstärkte Funktionalisierung durch die Politik. Die ideologische Einfärbung der Osteuropaforschung während des Kalten Krieges war wandelbar, so dass sie sich der jeweiligen politischen Großwetterlage angleichen konnte. Als Instrument zur Ideologisierung nutzte sie ein reiches Repertoire stereotyper Vorurteile, die seit Jahrhunderten fest verankert sind und derer sich je nach Situation bedient werden konnte.
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Ideologisierung der Osteuropaforschung in Westdeutschland während des Kalten Krieges. Um ein grundlegendes Verständnis zu gewährleisten, wird zunächst in groben Zügen aufgezeigt, in welcher Situation das Fach im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gegründet wurde. Obwohl die „Ostforschung“ eine Mitschuld an den Verbrechen im Nationalsozialismus trägt, konnte das Fach nach 1945 von Neuem etabliert werden. Um eine mögliche Funktionalisierung im Kalten Krieg aufzudecken, müssen zu Beginn die historischen Rahmenbedingungen der Wiederetablierung des Faches nach 1945 dargestellt werden. Im Anschluss daran möchte ich aufzeigen, inwiefern die Osteuropaforschung der Politik im Kalten Krieg als ideologischer Partner zur Seite stand. Abschließend werde ich versuchen darzulegen, welchen Herausforderungen sich die Osteuropaforschung nach dem Zusammenfall der Sowjetunion stellen musste.
Ursprünglich war es meine Intention, die Genese der osteuropäischen Geschichtswissenschaft während des Kalten Krieges bis 1990/91 zu beleuchten. Jedoch kam ich während meiner Arbeit zu dem Schluss, dass die Disziplinen der Osteuropawissenschaft in so engem Verhältnis zueinander stehen, dass eine strenge Differenzierung der einzelnen Fachgebiete kaum möglich ist. Gerade weil die Osteuropaforschung bei ihrer Wiederetablierung nach 1945 vor allem zur Lösung gegenwärtiger politischer und gesellschaftlicher Probleme beitragen sollte, würde die ausschließliche Konzentration auf die osteuropäische Geschichtswissenschaft nicht genügen.
Meine Ausführungen werden sich demnach nicht nur auf die Genese der Fachwissenschaft der Osteuropäischen Geschichte beschränken, sondern die Osteuropaforschung interdisziplinär betrachten. Dabei sollen meine Ausführungen keinen vollständigen Abriss aller Disziplinen leisten. Sie sollen vielmehr wichtige Akzentsetzungen in der Forschung nachzeichnen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Ideologische Vorprägung: Die Etablierung des Osteuropabegriffs
- III. Das Fach als ideologischer Partner im Kalten Krieg
- 1. Wiederetablierung des Fachs in Westdeutschland
- 2. Die Verwendung des Osteuropabegriffs in der Wissenschaft
- 3. Osteuropaforschung in den 1950er Jahren
- 4. Paradigmenwechsel der Forschung ab den 1960er Jahre
- 5. verdeckter Antikommunismus in der Publizistik Klaus Mehnerts
- IV. Osteuropaforschung nach dem Zusammenfall der Sowjetunion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die ideologische Prägung der Osteuropaforschung in Westdeutschland während des Kalten Krieges und beleuchtet die Funktionalisierung des Fachs durch die Politik. Sie analysiert die historischen Rahmenbedingungen der Wiederetablierung des Fachs nach 1945 und zeigt auf, wie die Osteuropaforschung als ideologischer Partner im Kalten Krieg agierte. Abschließend wird die Arbeit die Herausforderungen untersuchen, denen sich die Osteuropaforschung nach dem Zusammenfall der Sowjetunion stellen musste.
- Die Etablierung des Osteuropabegriffs und die damit verbundenen Stereotype
- Die Rolle der Osteuropaforschung im Kalten Krieg und ihre ideologische Prägung
- Die Verwendung des Osteuropabegriffs als Werkzeug der Ideologisierung
- Die Herausforderungen der Osteuropaforschung nach dem Ende des Kalten Krieges
- Die Bedeutung des Osteuropabildes für die gegenwärtige Politik
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und beleuchtet die ideologische Einfärbung der Osteuropaforschung während des Kalten Krieges. Sie skizziert die historischen Rahmenbedingungen der Wiederetablierung des Fachs nach 1945 und die Bedeutung der Osteuropaforschung für die gegenwärtige Politik.
II. Ideologische Vorprägung: Die Etablierung des Osteuropabegriffs
Dieses Kapitel untersucht die Entstehung des Osteuropabegriffs und die damit verbundenen Stereotype. Es zeigt auf, wie sich das Russlandbild im 19. Jahrhundert vom „Retter Europas“ zum „asiatischen Barbaren“ wandelte und wie der Ost-West-Dualismus etabliert wurde.
III. Das Fach als ideologischer Partner im Kalten Krieg
Kapitel III behandelt die Rolle der Osteuropaforschung im Kalten Krieg. Es analysiert die Wiederetablierung des Fachs in Westdeutschland und die Verwendung des Osteuropabegriffs als Werkzeug der Ideologisierung. Darüber hinaus werden die Paradigmenwechsel der Forschung ab den 1960er Jahren und der verdeckte Antikommunismus in der Publizistik Klaus Mehnerts diskutiert.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit behandelt die Themen Osteuropaforschung, Kalter Krieg, Ideologie, Stereotype, Ost-West-Dualismus, Russlandbild, historische Rahmenbedingungen, Wiederetablierung des Fachs, Funktionalisierung durch die Politik.
- Quote paper
- Pia-Sophie Schillings (Author), 2015, Die westdeutsche Osteuropaforschung während des Kalten Krieges. Zur politischen Ideologisierung einer Wissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309219