Einzelne Exzesstäter im Tilsiter Blutsommer? Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958 in der öffentlichen Wahrnehmung


Tesis de Máster, 2014

94 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Forschungsüberblick
2. Quellenüberblick

II. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess
1. Justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in der BRD
2. Die deutsche Gesellschaft 1958 - Zeitgeschehen während des Prozesses
a) „Blutrichter-Kampagne“der DDRabMai 1957
b) Bayreuther Prozess gegen KZ-Arrestverwalter Martin Sommer
c) Prozess gegen KZ-Arzt Hanns Eisele
3. Tätigkeiten der Einsatzgruppe A im Dritten Reich
a) Einsatzgruppe A
b) Durchführung der ersten Erschießung durch das Einsatzkommando Tilsit
4. Ermittlungen gegen Bernhard Fischer-Schweder
a) Fischer-Schweders Untertauchen nach dem Krieg
b) Die Enttarnung Fischer-Schweders
c) Ausweitung der Ermittlungen
d) Anklageerhebung
5. Der Prozessverlauf
a) Die Ankläger
b) Zeugenprobleme
c) Verteidigungsstrategie
d) Urteilsverkündung

III. Der Prozess im Spiegel der Medien
1. Medienberichterstattung über NS-Verbrechen
2. Berichterstattung über die Verfahrenseröffnung am 28. April 1958
3. August 1958: Verteidiger und Staatsanwälte halten ihre Plädoyers
4. Berichterstattung überdasUrteil
5. NS-Verbrecher als kriminelle Einzeltäter
6. Wandel in der Presseberichterstattung 1958

IV. Die öffentliche Wahrnehmung - Briefe von Außenstehenden an das Gericht
1. Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach
2. Quellenbasis: Briefe an das Gericht
3. Negative Reaktionen auf den Prozess
4. Positive Reaktionen auf den Prozess
5. Unentschiedene Reaktionen
6. Die Rolle des Ulmer Einsatzgruppenprozesses und seine Auswirkungen

V. Schluss

Literatur- und Quellenverzeichnis

I. Einleitung

„Hier steht niemand vor Gericht, weil er einmal Nationalsozialist gewesen ist. [...] Dieser Prozess hat die Tötung von Hunderten und Tausenden von Menschen zum Gegenstand. Vergessen Sie ob der Größe der Zahlen nicht, dass hinter jeder Zahl das Schicksal eines einzelnen Menschen steht.“1

Im Ulmer Einsatzgruppenprozess standen 1958 zehn ehemalige Angehörige des Einsatzkommandos Tilsit vor Gericht. Ihnen wurde vorgeworfen während des Zweiten Weltkriegs über 5500 Menschen im deutsch-litauischen Grenzstreifen erschossen zu haben. Das obige Zitat stammt aus dem Plädoyer des Oberstaatsanwalts Erwin Schüle. Der Ulmer Prozess gilt als „Wendepunkt im Umgang der bundesdeutschen Justiz mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen“2 und ebenso als erster Wendepunkt der öffentlichen Debatte der BRD um die eigene NS-Vergangenheit.3 Er konfrontierte erstmals ein breites Publikum mit den Massenerschießungen durch die Einsatzkommandos im Osten und führte vor Augen, dass immer noch viele dieser Täter unerkannt in der westdeutschen Gesellschaft lebten. Daneben stellt er das erste große NS-Verfahren vor einem deutschen Gericht dar und gilt als einer der wichtigsten NS-Prozesse der BRD. Anfangs trug er noch die exaktere Bezeichnung ,Einsatzkommando-Prozess‘, ehe sich im Laufe der Zeit die Bezeichnung Ulmer Einsatzgruppenprozess durchsetzte.4 Als Reaktion auf den damals umfangreichsten Strafprozess wegen Mordes der bundesrepublikanischen Justizgeschichte wurde noch im selben Jahr die Ludwigsburger Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, kurz die Zentrale Stelle, gegründet, die bis heute ermittelt. Trotz seiner Wichtigkeit und des Vorbildcharakters des Verfahrens für spätere NS-Prozesse ist dieser heute allerdings weitestgehend in Vergessenheit geraten, da im öffentlichen Bewusstsein eher solche Prozesse wie der Auschwitz-Prozess von 1963 haften geblieben sind. Wie sah jedoch die zeitgenössische öffentliche Wahrnehmung des Prozesses in der von einer Schlussstrich-Mentalität geprägten Bundesrepublik aus? Erfuhr die breite Bevölkerung vom Ulmer Verfahren und wenn ja, welche Ansicht hatte diese zum Prozess?

Zunächst soll der Beginn der Ermittlungen zum Ulmer Prozess vorgestellt werden und am Beispiel des Hauptverdächtigen Bernhard Fischer-Schweder dargelegt werden, wie NS-Täter nach 1945 in der Gesellschaft untertauchen konnten. Im Hauptteil soll untersucht werden, wie die Presse über den Ulmer Prozess berichtete und ob diese die Angeklagten als Exzess- und Einzeltäter darstellte. Insbesondere soll dabei der Frage nachgegangen werden, ob es eine kritische Öffentlichkeit gab und inwieweit Zeitungsjournalisten dazu beitrugen. Es soll untersucht werden, wie die öffentliche Meinung zum Ulmer Prozess war und ob sich diese durch selbigen veränderte. Norbert Frei kritisiert zu Recht, dass sich mit der bloßen Wiedergabe von zeitgenössischen Presseartikeln kein verlässliches Bild der zeitgenössischen Öffentlichkeitsmeinung formen lasse, da es immer einige Gedenkartikel oder kritische Artikel zur NS-Verdrängung gegeben habe.5 Dies lasse aber keine großen Rückschlüsse auf die Meinung der breiten Bevölkerung zu. Die Antwort darauf könnte eine groß angelegte Analyse mehrerer Zeitungen sein und die statistische Analyse des Auftauchens von Artikeln zum Prozess (so fehlen auch bei Claudia Fröhlich6 jegliche statistischen Angaben zur Häufigkeit von Artikeln, lediglich Kröger7 liefert diese). Da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, soll im Folgenden hinzukommend die Meinung der Bevölkerung untersucht werden, die sich in Briefen an das Ulmer Gericht äußerte. Hierzu sollen im Vergleich Umfragen des Allensbacher Instituts herangezogen werden. Die Umfrageergebnisse werden daraufhin den von Bürgern an das Ulmer Schwurgericht geschriebenen Briefen gegenüber gestellt. Insbesondere die Frage, ob sich mit dem Prozess und dem Jahr 1958 ein politisch­kultureller Umbruch anbahnte, oder ob es nur einzelne Personen in Justiz und Medien zu verdanken war, dass der Prozess derartiges Aufsehen erregte, soll im Fokus stehen.

I.1. Forschungsüberblick

Zum Ulmer Einsatzgruppenprozess ist bisher erstaunlich wenig Literatur erschienen. So gibt es bis heute keine Monographie, die das Prozessgeschehen zum Thema hat - obwohl der Einsatzgruppenprozess den ersten großen deutschen Holocaustprozess vor deutschen Gerichten darstellte. Zum 50-jährigen Jubiläum des Ulmer Verfahrens im Jahr 2008 gab das Haus der Geschichte Baden-Württemberg zu einer in Ulm unweit des Münsters geplanten Ausstellung einen Katalog heraus. Allerdings gibt es außer diesem Katalog bislang keine ausführliche Darstellung des Prozesses, bei denen die im Staatsarchiv Ludwigsburg lagernden Prozessakten untersucht wurden.8 Meist bildete der Prozess in den Forschungsarbeiten zur NS-Vergangenheitsaufarbeitung der BRD lediglich ein Teilkapitel oder wurde nur im Rahmen eines Aufsatzes untersucht. Der Jurist Adalbert Rückerl war der Erste, der in seinem Werk „Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945-1978. Eine Dokumentation.“9 darstellte, dass der Ulmer Einsatzgruppenprozess und seine mediale Berichterstattung zu einem Wandel im Verantwortungsbewusstsein der Öffentlichkeit in der BRD geführt hätten. Seiner Ansicht nach erreichte der Prozess eine „ungewöhnlich große Publizität“10. Er selbst hatte 1961 als Staatsanwalt bei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg angefangen und hatte diese von 1966 bis 1984 geleitet. Claudia Fröhlich wirft ihm vor, in seinem Buch durch die Funktion als Behördenleiter „politisch und interessengeleitet“11 zu argumentieren und versucht zu haben, die Entstehung der Zentralen Stelle zu rechtfertigen. Sie verweist darauf, dass sowohl westdeutsche Juristen als auch die breite Öffentlichkeit die neu gegründete Zentrale Stelle keineswegs guthießen und deshalb ein Wandel erst viel später anzusetzen sei.12

Nach dem Werk Rückerls schien der Prozess lange Jahre in der Versenkung zu verschwinden, da sich die Forschung meist eher mit dem Auschwitz-Prozess oder, wenn auch sehr selten, mit dem Majdanek-Prozess beschäftigte. 2001 ging Michael Greve in seiner Darstellung zum Umgang der Bundesrepublik mit den NS-Verbrechen in den 60er-Jahren auch in einigen Absätzen auf den Ulmer Einsatzgruppenprozess ein.13 Er legte dabei den Schwerpunkt darauf, dass der Prozess nur wegen der Fehleinschätzung des Täters Fischer-Schweder entstanden war, der sich im ,Schlussstrich-Klima‘ der BRD zu sicher gefühlt und die strafrechtliche „Verfolgung von NS-Verbrechen für abgeschlossen gehalten hatte“14. Daneben sprach er dem Prozess „eine gewisse Leitbildfunktion für die in den sechziger Jahren dominierende Gehilfenjudikatur“15 zu, da hier erstmals ein NS-Verbrechenskomplex vor Gericht stand und nicht nur gegen Einzelpersonen ermittelt wurde. Der Begriff ,Gehilfenjudikatur‘ geht davon aus, dass von den Gerichten bei NS-Verfahren vor allem niedere Chargen verurteilt wurden und dass diese eher als Gehilfen (Beihilfe zum Mord), denn als eigenständige Täter (Mord), angesehen wurden. Diese Ansicht wurde auch bei der Urteilsverkündung im Ulmer Prozess deutlich. Besonders hilfreich für die vorliegende Arbeit war die fundierte und ausführliche Analyse der Prozessgeschichte von Marc von Miquel, die auch die öffentliche Wahrnehmung mit einbezog.16 Er sieht die langjährigen Ermittlungshindernisse und Verzögerungen des Ulmer Prozesses als ein „Beispiel für den justiziellen Umgang mit NS-Verbrechen in den fünfziger Jahren“.17

Erst mit dem 50-jährigen Jubiläum des Prozesses im Jahr 2008 häuften sich die Beiträge dazu. Anlässlich der Ausstellung im Stadthaus Ulm veröffentlichten Sabrina Müller und Thomas Schnabel mit dem Ausstellungskatalog erstmals ein Sammelwerk, das insbesondere auch die Archivakten miteinbezog.18 Paula Lutum-Lenger sieht hier in ihrem Aufsatz die Wichtigkeit des Prozesses vor allem darin, dass durch ihn erstmals die Massenerschießungen in Osteuropa durch Einsatzkommandos in den Blickpunkt der bundesdeutschen Öffentlichkeit gerieten.19 Sabrina Müller spricht in ihrer detaillierten Darstellung der Ermittlungen zum Prozess vom „umfangreichsten deutschen Strafverfahren der Nachkriegszeit“.20 Ihre Darstellung ist vor allem im Hinblick auf die Auflistung der wichtigsten Archivalien sehr wertvoll. Allerdings sorgte selbst diese mit viel Aufwand vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg beworbene Ausstellung nicht für ein großes Medienecho, da überregionale Zeitungen kaum über die Ausstellung berichteten.21 Auch die Ulmer Bevölkerung schien den Prozess vergessen zu haben, denn bei einer Umfrage in Ulm vor der Ausstellungseröffnung konnte nicht einer der Befragten etwas mit dem Prozess anfangen.22

Bis zu dieser Ausstellung galt es als unumstritten, dass der Ulmer Einsatzgruppenprozess eine breite Medienwirkung auf die Öffentlichkeit gehabt hatte, weshalb er auch als „Zäsur der justitiellen Strafverfolgung in Westdeutschland“23 angesehen wurde. Vielfach wird dabei ein - vermeintlicher - Topos gestrickt, wonach der Ulmer Prozess der breiten Bevölkerung das Ausmaß der ungesühnten NS-Straftaten aufgezeigt hätte, und dabei insbesondere den Blickwinkel auf die brutalen Massenerschießungen im Osten gelenkt hätte. Damit wird der Prozess als wichtigster Schritt zur Gründung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg angesehen. Claudia Fröhlich ließ 2011 schon im Untertitel ihres Aufsatzes “Wahrnehmung und Wirkung des ersten großen Holocaust-Prozesses“ durchscheinen, dass es ihr vor allem um die öffentliche Rezeption des Prozesses ging und kritisierte hier diesen Topos.24 Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass der Ulmer Einsatzgruppenprozess keinen groß angelegten Wandel in der Gesellschaft der BRD zur NS-Aufarbeitung anregte und insbesondere die Presselandschaft nur wenig dazu beitrug. Vielmehr waren es einzelne Akteure, die die häufigere Berichterstattung der Medien als Argument dafür nutzten, „eine Institutionalisierung der juristischen Aufklärung der NS-Verbrechen zu fordern und durchzusetzen“.25 Sie kritisierte insbesondere die Journalisten, die in ihrer Berichterstattung die Verdrängungsklischees der bisherigen Jahre weiterhin benutzten und die Täter als verbrecherische Einzelpersonen charakterisierten. Eine genauere Analyse der von Bürgern an Oberstaatsanwalt Schüle und an die Staatsanwaltschaft gesendeten Briefe lässt sich allerdings auch bei ihr nicht finden. Wie eine Anfrage beim Staatsarchiv Ludwigsburg ergab, hatte sie zudem keine Einsicht in Akten gehabt, sondern hatte sich ihre Informationen wohl aus Sekundärquellen zusammengesucht, obwohl sie die Akteneinsicht in ihren Fußnoten angibt.26

Kurze Zeit später veröffentlichte Patrick Tobin einen Aufsatz mit dem Titel „No Time for ,Old Fightersh Postwar West Germany and the Origins of the 1958 Ulm Einsatzkommando Trial“, der die Hintergründe zur Entstehung des Ulmer Einsatzgruppenprozesses untersuchte und diesen vor allem auf die Interaktion des Hauptangeklagten Bernhard Fischer-Schweder mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft zurückführte.27 An Fischer-Schweders Biographie lassen sich die Möglichkeiten aufzeigen, die ehemalige NS-Verbrecher in der Bundesrepublik hatten, um ein neues Leben zu beginnen. Bernhard Fischer-Schweder hatte die Grenzen einer möglichen Reintegration in die Gesellschaft missachtet und musste deshalb mit den Konsequenzen eines Strafprozesses leben. Tobins Ansicht nach hatte es Mitte der 50er-Jahre einen Wandel in der Nachkriegsgesellschaft gegeben.28 Das von Fischer-Schweder gewählte Opfernarrativ über seine Vergangenheit im Dritten Reich, das auch von vielen anderen ehemaligen NS-Tätern zuvor bemüht worden war, hatte zwar lange Jahre funktioniert, aber war aufgrund seiner Maßlosigkeit an Grenzen gestoßen.29 Seine Identität als Opfer des Dritten Reiches funktionierte nur bis zu einem bestimmten Punkt.

Andreas Eichmüller befasste sich wiederum eher mit der Einordnung des Prozesses in die Aufarbeitung der NS-Zeit seitens der Bundesrepublik.30 Die NS-Prozesse zum Ende der 50er Jahre hätten zu einem „Einstellungswandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit“31 beigetragen, der nicht nur Einzelne erfasste, sondern auch die breite Bevölkerung. Allerdings zeigt Andreas Eichmüller auf, dass der Wandel seine Grenzen hatte und nicht überschätzt werden sollte, denn bereits in der ersten Hälfte der 60er-Jahre forderte eine Mehrheit der Deutschen einen erneuten Schlussstrich.32 Peter Longerich analysiert in seiner Monographie zum Massenmord an der jüdischen Zivilbevölkerung vor allem die Argumentation Helmut Krausnicks, wonach es einen frühen Vernichtungsbefehl gegeben habe.33 Hierfür schildert er detailliert und mit Aktenkenntnis die Entstehung der ersten Erschießung durch das Einsatzkommando Tilsit.34 Cord Arendes sieht das Ulmer Verfahren als sehr bedeutend an, da es als Start für eine erneute Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit diente und Prozesse nun von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden.35 Er plädiert allerdings dafür, keine trennscharfe „Zäsur Ulm“36 zu ziehen, da es in der Berichterstattung und seitens der Auseinandersetzung mit dem Thema große regionale und lokale Unterschiede gab. In einem Ende 2013 erschienenen Aufsatz wählten Karolina Kukielka und Walter Tonio die juristische Perspektive und setzten sich insbesondere mit der Gehilfenjudikatur des Schwurgerichts auseinander.37 Nach einer detaillierten Schilderung des Geschehens rund um die Verhaftung Fischer-Schweders zeigen sie dabei aus der heutigen Perspektive mehrere Verfahrensfehler des Gerichts auf und kritisieren dieses für die viel zu milde gefällten Urteile.38 Annette Weinke ordnet den Prozess als wichtigsten frühen NS-Prozess der BRD ein, weil die im Verfahren behandelten Themen Neuland für die breite Öffentlichkeit waren und das „überdurchschnittliche Engagement der Ermittler“39 Vorbild späterer Verfahren werden sollte. Sie sieht in dem Verfahren auch eine Bedeutung für die Geschichtswissenschaft, weil durch die unkonventionelle Herangehensweise der Ermittler, mit der Einbeziehung des Instituts für Zeitgeschichte, auch der Blickwinkel der Geschichtswissenschaft von der Phase der Machtübernahme von 1933 zumindest kurzzeitig auf den Massenmord an den europäischen Juden ging.40

Neben Claudia Fröhlich, Sabrina Müller und Marc von Miquel beschäftigte sich lediglich noch Ullrich Kröger mit der öffentlichen Rezeption des Ulmer Prozesses, wobei dieser die Presseberichterstattung über sämtliche NS-Prozesse von 1958-1965 untersuchte. Seine Dissertation zur Ahndung von NS-Verbrechen vor westdeutschen Gerichten blieb unveröffentlicht. Er wies in dieser nach, dass die überregionale Presse nur wenig über den Ulmer Prozess berichtete und nur einige Zeitungen, wie beispielsweise die Süddeutsche Zeitung, häufiger Artikel über den Prozess druckten.41 Zusammenfassend bezeichnet er das Jahr 1958 „im Rahmen der westdeutschen Justizarbeit als Epochejahr“42.

I.2. Quellenüberblick

Das Prozessgeschehen und die Berichterstattung der Medien sorgten für aufgewühlte Reaktionen der Bevölkerung, die aber meist sehr zwiespältig ausfielen. So wurden in den Handakten der Staatsanwaltschaft Ulm die Briefe von Zeitgenossen an Oberstaatsanwalt Schüle und an das Gericht archiviert.43 Die Briefe sind heute im Staatsarchiv Ludwigsburg archiviert. Besonders hilfreich waren dabei die Handakten, die unter der Signatur EL 322 II archiviert sind. Viele der Briefe fanden sich in den Büscheln 17,18, 61, 62, 88 und 89.

Die Briefe stellen dabei kein repräsentatives Meinungsbild dar, da nicht mehr geklärt werden kann, ob wirklich alle an die Staatsanwaltschaft geschickten Briefe auch in den Handakten archiviert wurden, weil seitens dieser kein Zwang dazu besteht, alle Briefe auch aufzubewahren. Stattdessen obliegt die Auswahl der subjektiven Ansicht des jeweils Zuständigen. Manche der Briefe wurden als besonders wichtig erachtet und deshalb in den

Akten der Staatsanwaltschaft abgeheftet und mit einer exakten Nummer versehen. Briefe die in den Handakten verblieben, haben stattdessen keine genaue Nummer.44

Insgesamt sind 113 Briefe an das Gericht überliefert, die die breit ausgefallenen Reaktionen auf den Einsatzgruppenprozess und seine Berichterstattung belegen. Ein Glücksfall ist in jedem Fall, dass Staatsanwalt Schüle auf positive Briefe meist antwortete und seine Antworten in 15 Briefen in den Akten ebenfalls überliefert sind. Von den 113 Briefen sind für die Analyse jene abzuziehen, bei denen derselbe Verfasser mehrere Briefe abschickte. Im Ganzen wurden für diese Untersuchung deshalb 102 Briefe herangezogen. Elf davon stammen von interessierten Lehrern und Dozenten, die gerne mit ihren Schul- und Universitätsgruppen den Prozess besuchen wollten. In manchen der Briefe war den Absendern dabei wohl selbst nicht klar, an welchen Ansprechpartner sie die Briefe abschicken sollten, weshalb der Adressat in einigen Fällen fehlt. Auch verschwiegen viele ihre Namen oder benutzten Pseudonyme, weshalb es eine Vielzahl an anonymen Briefen gibt.

Das Medium Fernsehen fand in der BRD erst in den 60er Jahren weite Verbreitung.45 Im Ulmer Gerichtssaal waren die Kameras untersagt, weshalb über den Ulmer Einsatzgruppenprozess bis auf wenige Ausnahmen im Fernsehen nicht berichtet wurde. In der vorliegenden Arbeit soll der Fokus deshalb auf den Printmedien liegen. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit einzuhalten, wurde auf eine ausführliche Analyse einzelner Zeitungen verzichtet und stattdessen ein möglichst breiter Blickwinkel gewählt, der die Berichterstattung vieler verschiedener Zeitungen abdecken soll.

II. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess

1. Justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in der BRD

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Souveränität war für die Bundesrepublik die Rücknahme der gerichtlichen Beschränkungen bei der Aufklärung von NS-Verbrechen, die die Alliierten der BRD zunächst auferlegt hatten. Zunächst waren deutsche Gerichte nur für von Deutschen an Deutschen oder von Staatenlosen verübten NS-Straftaten zuständig gewesen.46 Die moderne Forschung stellt der Strafverfolgung durch die Alliierten dabei ein eher negatives Zeugnis aus.47 Nachdem diese Beschränkungen ab 1950 teilweise aufgehoben worden waren, gab es einen dramatischen Einbruch der Ermittlungsverfahren gegen NS- Täter.48 Von 1950 bis 1952 sank die Zahl der neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren von 1937 auf 342.49 Die Straftaten wurden dabei nicht systematisch verfolgt, sondern der Beginn neuer Ermittlungen hing oft von regionalen Umständen oder zufälligen Entdeckungen ab.50 Daneben sorgte die milde Urteilspraxis der bundesdeutschen Justiz dafür, dass viele Verfahren nicht eröffnet wurden, da bei diesen damit gerechnet wurde, mit dem Urteilsspruch die festgelegte Grenze zur Amnestie nicht überschreiten zu können.51 Norbert Frei hält weiter gehend fest, dass die politischen Parteien wie die Bevölkerung den allgemeinen ,Schlussstrich' unter die NS-Vergangenheitsbewältigung forderten und deswegen die Justiz zur Nachsicht drängten.52 Klare Aussagen der Politiker zur Schuld von deutschen Soldaten an NS-Verbrechen hätten wohl bis Ende der 50er-Jahre hohe Stimmverluste in der Bevölkerung zur Folge gehabt.53 Eine Umfrage von 1952 zeigt beispielsweise, dass damals 60 Prozent der Befragten die alliierten Maßnahmen gegen die Kriegsverbrecher ablehnten - nur 10 Prozent hatten der Vorgehensweise der Alliierten zugestimmt.54 Die oberflächliche Säuberung westdeutscher Eliten, die Integration von ,Mitläufern‘ und der Einsatz für Amnestien und einen ,Schlussstrich‘ sorgten hingegen dafür, neue Wählerschichten zu binden.55 Daneben hätte auch die Thematisierung der eigentlich schon bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg teilweise ans Tageslicht gebrachten Schuld der Wehrmacht bei den Verbrechen der SS-Einsatzgruppen und der Judenverfolgung im öffentlichen Bewusstsein der 50er-Jahre keine Chance gehabt, weshalb diese noch viele Jahrzehnte unbeachtet blieb. Selbst Bundeskanzler Adenauer unterschied bei Inhaftierten auf der einen Seite stets zwischen ,wirklichen NS-Kriegsverbrechem‘ und auf der anderen Seite verurteilten Soldaten‘, die unschuldig seien und nur ihre Pflicht erfüllt hätten.56 Sein Beharren auf der Wiedereingliederung ehemaliger NSDAP-Parteimitglieder sieht Herf als „Hauptursache für dasjuristische Fiasko der fünfziger Jahre“57. Großzügige Amnestien wurden damit von der Politik unterstützt.

1955 wurde die Gerichtsbarkeit von den Alliierten wieder vollständig in die Hände der BRD übergeben. Damit wäre erst recht der Weg für die westdeutschen Justizbehörden frei gewesen, ungesühnte NS-Verbrechen zu verfolgen, aber dies wurde kaum verwirklicht. Zwar gab es einen leichten Anstieg von 161 neu eröffneten Verfahren auf 279, aber die Zahl blieb danach bis 1957 konstant.58 Vor allem die Vielzahl von Endphasenverbrechen, die im letzten Kriegsjahr in Deutschland begangen worden waren, zogen aufgrund der geringen zeitlichen und räumlichen Distanz Gerichtsverfahren nach sich.59 Ansonsten sorgte die immer größer werdende Zeitspanne seit dem Ende des Weltkriegs dafür, dass die Verantwortlichen die sinkenden Zahlen der Strafverfahren als völlig normal betrachteten, zumal die Mehrheit der Bevölkerung und die Presse nur wenig Interesse an diesen zeigten.60 Mit zunehmender Zeitdauer nahmen auch die Anzeigen von Geschädigten ab, sowie die Erinnerungsleistung von Zeugen.61 Daneben verjährten mindere Tatbestände wie einfache Körperverletzung spätestens fünf Jahre nach Kriegsende und es gab zahlreiche Amnestien, wie die Straffreiheitsgesetze.62 Die Anzahl der Verfahren selbst spiegelt dabei noch nicht die Anzahl der verurteilten Täter wider, beispielsweise waren es 1957 bei 324 Verfahren nur 29 verurteilte NS-Täter.63 Mit dazu beigetragen hatte sicher eine weiter geltende Klausel, nach der bereits von den Alliierten verurteilte NS-Verbrecher wegen neuer Informationen nicht erneut vor Gericht gestellt werden konnten.64 Die Alliierten hatten diese festgesetzt, um die von ihren Gerichten gefällten Urteile zu schützen, da sie ebenfalls über die breite Ablehnung der alliierten Kriegsverbrecherprozesse wussten.65

Die Öffentlichkeit lehnte neue NS-Verfahren ab, denn schließlich hatte aus ihrer Sicht in den unmittelbaren Kriegsjahren mit den Nürnberger Prozessen und den Nachfolgeprozessen bereits genug Aufarbeitung stattgefunden. Da es zudem langwierige Verhandlungen um die Freilassung von ,Kriegsverurteilten‘ aus alliierter Kriegsgefangenschaft gab, hatten sich weite Teile der Bevölkerung mit diesen solidarisiert.66 Norbert Frei ist der Ansicht, dass die „nationalsozialistische Volksgemeinschaft damals ihre sekundäre Bestätigung“67 erfuhr. Die Bevölkerung war der Ansicht, dass die NS-Verbrechen von wenigen allein verantwortlichen ,Hauptschuldigen‘ in der NS-Führung verübt worden waren und wähnte sich von diesen verführt und somit unschuldig. Die Pläne der Alliierten zur Entnazifizierung wurden damit als pauschaler Schuldvorwurf an die gesamte deutsche Bevölkerung angesehen, der von dieser radikal abgelehnt wurde.68 Eine bundesdeutsche Mehrheit sehnte sich nach „Ruhe und Normalität“69.

Ab Mitte der 50er.Jahre war es zudem insgesamt zu einer Abnahme der Presseberichterstattung über NS-Prozesse gekommen.70 Diese erfolgte meist nur noch über lokale Prozesse. Zwar gab es vereinzelt Debatten über die milden Strafurteile in NS- Verfahren, aber diese wurden kaum überregional von der Presse aufgegriffen.71 Auch die verschiedenen Opferverbände versuchten höchst selten Diskussionen anzustoßen, denn deren Mitgliederzahl war aufgrund der Zersplitterung in verschiedene Verbände nur klein und viele Mitglieder waren in erster Linie mit anderen Themen, wie der Wiedergutmachung, beschäftigt.72 Norbert Frei konstatiert auch bei den politischen Parteien ein klares Defizit in deren Abgrenzung zu den Taten des Nationalsozialismus und zu den Tätern von NS- Verbrechen.73 An einer staatlichen Aufklärungsarbeit über NS-Verbrechen bestand laut Michael Greve kein Interesse.74

Auch im Bereich der Justiz war die Schlussstrich-Mentalität weit verbreitet, erst Recht als ohne großes Aufsehen immer mehr ehemalige NS-Funktionäre wieder in der Justiz zu arbeiten begannen. Die beiden Juristen Karolina Kukielka und Tonio Walter folgern daraus, dass „die personelle Kontinuität in der Rechtspflege [...] nicht selten der juristischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Weg [stand]“75. Ebenso wie Claudia Fröhlich heben sie hervor, dass es letztlich dem tatkräftigen Engagement einzelner Personen zu verdanken war, wenn es zur Aufklärung von NS-Verbrechen und zu Prozessen kam.76 Die Aufklärung von NS-Straftaten seitens der Justiz war oftmals davon geprägt, „daß sie ohne Systematik oder eine auch nur ansatzweise erkennbare Verwirklichung des verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatzes verlief“77. Vielmehr waren es meist regionale Besonderheiten oder Zufälle, die ausmachten, ob überhaupt und wenn ja, dann in welcher Weise, mit bekannt gewordenen NS-Belastungen umgegangen wurde.78 Die gleiche Beobachtung machte selbst der zuständige Richter des Ulmer Einsatzgruppenprozesses, Edmund Wetzel, der bei einem Pressegespräch vor Prozessbeginn darauf verwies, dass oftmals der Zufall eine große Rolle spiele, ob NS-Verbrechen aufgedeckt und vor Gericht kämen oder nicht.79

Ein großes Problem Ende der 50er-Jahre war daneben die Tatsache, dass es in der Bundesrepublik nur sehr wenige Anklagevertreter gab, die genaue Kenntnisse der besonderen Bedingungen von NS-Straftaten vorweisen konnten.80 Der Richter Klaus Beer gibt an, dass viele Kollegen Ende der 50er-Jahre immer noch von Dankbarkeit erfüllt waren, weil sie den erneuten Sprung in die Justiz geschafft hatten und wieder richten durften, und dass es ihnen in erster Linie nur darum ging, die Justiz von Schuldzuweisungen freizusprechen.81 Andreas Eichmüller wertete die juristischen Fachzeitschriften und die Fachliteratur der 50er-Jahre sowie die Seminarthemen an den Universitäten aus und kommt zu dem Ergebnis, dass die strafrechtliche Verfolgung von NS-Tätern auch hier nicht thematisiert worden war.82 Die Öffentlichkeit erfuhr generell von anstehenden NS-Verfahren erst, wenn die Ermittlungen soweit fortgeschritten waren, dass sie ins Prozessstadium gehen konnten83 - wobei die wenigsten Ermittlungen überhaupt in dieses Stadium gelangten. Michael Greve sieht deshalb als Fazit der Strafverfolgung von NS-Verbrechen in den 50er Jahren ein gesellschaftliches Klima, das auf Verdrängung und Schuldabwehr ausgerichtet war und in dem „Solidarität mit und Engagement für NS-Täter stärker ausgeprägt waren als der Wille und die Bereitschaft, sie für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.“84

II.2. Zeitgeschehen während des Prozesses

a) „Blutrichter-Kampagne“ der DDR ab Mai 1957

Ein wichtiges Thema rund um den Ulmer Prozess stellte in der BRD die sogenannte „Blutrichter-Kampagne“ der DDR dar. Ab Mai 1957 hatte die DDR-Führung begonnen, eine Broschüre, auch ,Braunbuch‘ genannt, mit 29 westdeutschen Richtern und Staatsanwälten zu veröffentlichen, die nach 1945 im Ausland wegen ihrer NS-Todesurteile als Kriegsverbrecher gesucht worden waren.85 In den nächsten Jahren wurde alle sechs Monate ein neues Verzeichnis mit 200 Namen veröffentlicht, das die früheren Funktionen der Richter und Staatsanwälte und Statistiken über deren gefällte Urteile enthielt.86 Häufig hatten die jeweiligen Personen in der BRD nach 1949 hohe Positionen erreicht, was den Eindruck „einer geradezu stromlinienförmigen ,Refaschisierung‘“87 der bundesdeutschen Justiz erweckte. Zwar erkannte die Öffentlichkeit, dass die Berichte nicht Aufklärung bringen, sondern in erster Linie die Bundesrepublik deligitimieren sollten, doch lieferten sie trotzdem dem Ausland und Kritikern der westdeutschen Justiz laufend neue Munition.88 Gerade in angelsächsischen und nordischen Ländern war das Misstrauen gegenüber der Justiz der BRD geweckt worden, die offenbar Jahre nach dem Krieg immer noch große Probleme mit ihrer „unbewältigten Vergangenheit“89 hatte. Dabei waren die Enthüllungen der DDR selbst nicht immer zuverlässig.90 Westdeutsche Verantwortliche, wie der Bundesjustizminister, lehnten die Enthüllungen radikal ab, weshalb sein Ansehen im Ausland schwer litt.91 Daneben schien es der bundesdeutschen Justiz nicht zu gelingen, das Vertrauen in sie zu stärken, da ihr im Frühjahr 1958 binnen zwei Wochen zwei NS-Beschuldigte abhanden kamen. Dem wegen antisemitischer Äußerungen angezeigten Offenburger Studienrat Ludwig Zind war rechtzeitig vor seiner Verhaftung die Flucht gelungen, ebenso wie dem KZ-Arzt Hanns Eisele, dessen Fall in II.2.c) vorgestellt werden soll.92 Norbert Frei sieht die Kampagnen der DDR zur Destabilisierung der BRD als wichtigen Beitrag dazu, dass sich bei der westdeutschen strafrechtlichen Verfolgung von NS-Verbrechen eine Wende vollzog.93 Parallel zur ,Blutrichter-Kampagne‘ der DDR sorgte auch das Verfahren gegen den KZ-Arrestverwalter aus Buchenwald Martin Sommer für öffentlichen Wirbel.

b) Bayreuther Prozess gegen KZ-Arrestverwalter Martin Sommer

Die bundesweite Presse hatte eine lange Anlaufzeit benötigt, um ausführlichere Berichte über NS-Verbrechen in die Zeitungen zu bringen, denn erst seit der Mitte des Jahres 1958 schien sich eine Veränderung der Berichterstattung anzubahnen.94 Erstmals wurde dies bei einem Verfahren deutlich, das am 11. Juni 1958 in Bayreuth eröffnet wurde. Hier stand Martin Sommer vor Gericht, der wie Fischer-Schweder aufgrund eines falschen Namens der Entnazifizierung entgangen war. Da Sommer in Folge von Kriegsverletzungen und einem halb amputierten Bein schwer krank war, musste der Prozess innerhalb von nur zehn Tagen durchgeführt werden.95 Nach Ansicht Marc von Miquels war diese „Verdichtung des Prozessgeschehens“96 wohl dafür verantwortlich, dass Besucher der Verhandlung und anwesende Journalisten von den geschilderten Grausamkeiten besonders erschüttert waren und es daraufhin zu einer verstärkten Presseberichterstattung kam.97 Andreas Eichmüller verweist allerdings auch darauf, dass vor allem die ,Sensationsgier‘ der Presse die Dynamik in der Berichterstattung vorantrieb.98 Ausführlich schilderte die westdeutsche Presse bundesweit die im Prozess enthüllten von den KZ-Mannschaften durchgeführten Grausamkeiten. Davon hoben sich die „gefühlskalten Einlassungen Sommers“99 ab. Schon hier war in der Presse die Tendenz zu sehen, einen Einzeltäter herauszugreifen und diesen als Urheber alles Bösen festzumachen, was sich auch in der von Eugen Kogon stammenden Bezeichnung „Henker von Buchenwald“100 für Sommer widerspiegelte, die von der Presse wiederholt benutzt wurde, während andere Medien ihn abwechselnd als ,Bestie‘, ,Massenmörder‘ oder ,Totschläger‘ deklarierten.101 Die geschilderten ungeheuerlichen Vorgänge und die Berichterstattung führten dazu, dass bei der Urteilsverkündung am 3. Juli 1958 Zuschauer lautstark die Todesstrafe forderten.102 Der Angeklagte wurde schließlich wegen Mordes in 25 Fällen zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.103

c) Prozess gegen KZ-Arzt Hanns Eisele

Für eine ähnliche Betroffenheit sorgte das Verfahren gegen den ehemaligen Lagerarzt von Buchenwald, Hanns Eisele, dem noch mehr Morde als Martin Sommer nachgewiesen werden konnten. Eisele war zuvor bereits von einem amerikanischen Militärgerichtshof wegen Verbrechen in Buchenwald und Dachau zum Tode verurteilt worden, hatte aber letztlich nur sieben Jahre Haft bis 1952 im Gefängnis verbracht.104 Danach hatte die württembergische Entnazifizierungs-Spruchkammer die Ermittlungen gegen ihn eingestellt und ihm ein neues bürgerliches Leben ermöglicht, in welchem er wieder Hausarzt in München wurde.105 Während des Bayreuther Sommer-Prozesses wurden dann neue Anschuldigungen laut, die Hanns Eisele aber schon nicht mehr erreichten. Der Arzt war rechtzeitig nach Ägypten geflohen und gab dort in Kairo Interviews, in denen er angab, „Opfer jüdischer Verfolgung“106 zu sein. Schon während des Ermittlungsverfahrens gegen Sommer hatte es ab 1955 Verdachtsmomente gegen Eisele gegeben - unter anderem auch die Zeugenaussage eines Überlebenden aus Buchenwald, der von den Mordtaten Eiseles berichtete. Der leitende Staatsanwalt Max von Decker hatte diese aber sämtlich ignoriert.107 Marc von Miquel verweist deshalb darauf, dass „unter westdeutschen Staatsanwaltschaften eine solche Trägheit in NS-Strafsachen eher die Regel als die Ausnahme“108 darstellte. In den gleichen Zeitraum fiel ironischerweise die Freilassung der letzten wegen NS-Verbrechen verurteilten Häftlinge aus dem Gefängnis in Landsberg, die am 9. Mai 1958 erfolgte. An diesem Datum wurden die ursprünglich mit Todesstrafen belegten Einsatzgruppenführer Ernst Biberstein, Martin Sandberger und Adolf Ott freigelassen.109 Laut Marc von Miquel brachte erst das schon angesprochene Verfahren gegen den ehemaligen Arrestverwalter Sommer ein Umdenken mit sich, da die Öffentlichkeit jetzt zu begreifen schien, dass die Strafverfolgung von NS- Straftaten immer noch nicht überwunden sei.110 Dabei hätte es schon zuvor genug Anhaltspunkte für eine Debatte gegeben, denn von Miquel stellt fest, dass im Vergleichsfall ein „durchschnittlich engagierter“111 Staatsanwalt wie Max von Decker nur schwer Gefallen daran finden konnte, angesichts der Freilassung der letzten inhaftierten Massenmörder ein Verfahren gegen Eisele anzustrengen. Von Miquel kritisiert hier vor allem die Presse, die diese Debatte nicht sah - oder vielleicht auch absichtlich ignorierte.112 Andreas Eichmüller stellt daneben auch eine fehlende Sensibilität der Ermittlungsbehörden bei NS-Verbrechen fest.113 Insgesamt sorgte die Flucht Eiseles für eine erstmalige harsche Kritik der breiten deutschen Öffentlichkeit an Justiz und Polizei, was ein Anzeichen für einen Wandel der öffentlichen Meinung im Vergleich zur ersten Hälfte der 50er-Jahre darstellt.114

II.3. Tätigkeiten der Einsatzgruppe A im Dritten Reich

a) Einsatzgruppe A

Zeitgleich mit den Planungen für das Unternehmen Barbarossa‘, dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, wurden vier Einsatzgruppen aus Sicherheitspolizei (SiPO: Gestapo und Kriminalpolizei) und Sicherheitsdienst (SD) aufgestellt.115 Am 28. April wurden die Aufgaben der Einsatzgruppen in der „Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verbande der Wehrmacht“116 festgehalten. Als der Überfall am 22. Juni 1941 erfolgte, war das Ziel der Einsatzgruppen, hinter der vorrückenden Wehrmacht neu eroberte Gebiete abzusichern. Diese Sicherung sollte in polizeilicher Hinsicht erfolgen und auch festgestellte politische Abwehrtätigkeiten und Spionageversuche beinhalten.117 Dazu gehörte vor allem, dass potentielle Gegner aufgespürt und nach ihrer Festnahme einer sogenannten ,Sonderbehandlung‘ unterzogen werden sollten. Diese ,Sonderbehandlung‘ beinhaltete die Ermordung der jüdischen Bevölkerung, verdächtiger Kommunisten und sonstiger verdächtiger Partisanen, wobei insbesondere die jüdisch-bolschewistische Intelligenz‘ liquidiert werden sollte.118 Die Einsatzgruppen arbeiteten dabei äußerst schnell und ,effektiv‘, weshalb nach nur zehn Monaten eine besonders grausame Bilanz bestand: Bereits 500.000 Menschen waren in den neu eroberten Gebieten den Einsatzgruppen zum Opfer gefallen.119 Dokumentiert wurden die Taten in den ,Ereignismeldungen UdSSR‘, die minutiös Zeit, Ort und die Zahl der getöteten Personen enthielten.120 Die übermittelten ,Ereignismeldungen4 wurden unter höchster Geheimhaltung vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) ausgewertet und archiviert und sollten später beim Ulmer Prozess ein wichtiges Beweismittel darstellen.121 Die für die ,Säuberung‘ des Baltikums zuständige Einsatzgruppe A war dabei mit 990 Personen die zahlenmäßig größte Einsatzgruppe.122 Als Teil der Heeresgruppe Nord war sie Franz Walter Stahlecker unterstellt. 89 Mitglieder (9 Prozent) gehörten der Gestapo an, 41 (4 Prozent) der Kripo und dem von der NSDAP finanzierten Sicherheitsdienst (SD) 35 (4,5 Prozent) Personen123. Daneben waren der Einsatzgruppe zur Unterstützung noch 133 (13,4 Prozent) Ordnungspolizisten und 340 (34,4 Prozent) Waffen-SS-Angehörige hinzugefügt worden.124 Die Einsatzgruppe A war in Einsatzkommandos untergliedert, von denen eines das Einsatzkommando Tilsit bildete, das unter der Leitung von Hans-Joachim Böhme stand.125

b) Durchführung der ersten Erschießung durch das Einsatzkommando Tilsit

Zu Beginn des Unternehmens Barbarossa‘ stießen deutsche Wehrmachteinheiten beim Vormarsch in der Nähe des litauischen Dorfes Garsden auf überraschend starken Widerstand. Weil sich auch Zivilpersonen an den Widerstandshandlungen beteiligten, sollten nach einem Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit kollektive Strafmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung getroffen werden.126 Hierfür war aber nicht genug Personal vorhanden, weshalb der Polizeidirektor von Memel, Bernhard Fischer-Schweder, angefragt wurde, ob er ein Kommando aus Schutzpolizisten zur Verfügung stellen könne, um das Gelände weiträumig abzusperren.127 Dieser ergriff aus fragwürdigen Motiven und wohl auch, um die Chance zur eigenen Machterweiterung zu ergreifen, die Initiative und stellte nicht nur ein Absperrungskommando, sondern gleich auch ein Exekutionskommando bereit.128 Dabei folgte das Einsatzkommando keinem Tötungsbefehl, sondern es waren mehrere Initiativen entscheidend dabei, dass es zu den Massenerschießungen kam.129 Um die Erschießungen förmlich zu gestalten und um ihr einen militärischen Tonfall zu verleihen, einigten sich die Beteiligten auf die Erschießungsformel: „Sie werden wegen Vergehens gegen die Wehrmacht auf Befehl des Führers erschossen.“130 Zunächst mussten die meist jüdischen Gefangenen Wertsachen in einen Blecheimer werfen, um danach ihre Jacken abzulegen und ihr eigenes Grab zu schaufeln.131 Danach wurden sie hinter die Mauer eines zerschossenen Gebäudes gebracht, damit sie nicht mehr die Erschießungsstätte überblicken konnten. Es gab kein Aufbäumen der unter Schock stehenden Opfer, die sich über ihre Lage im Klaren gewesen sein mussten: „Sie fügten sich im Gegenteil mit bewunderungswürdiger Gefaßtheit, nachdem sie ihre grausiges Schicksal erkannt hatten, beteten, faßten sich an den Händen und gingen stoisch dem Tod entgegen.“132

Jeweils zehn Opfer wurden unter Schlägen und lauten Schreien der Mitglieder des Einsatzkommandos zur Erschießungsstätte getrieben.133 Dort mussten sie am Rand der ausgehobenen Gräber stehen bleiben, das Gesicht zu ihren Mördern gerichtet. Dem eigentlichen Erschießungskommando gehörten neben dem Kommandanten 20 Polizisten an, sodass jeweils zwei Polizisten auf ein Opfer schossen. Waren diese trotzdem nicht tödlich getroffen, so gaben die Polizisten ,Gnadenschüsse‘ ab. Danach wiederholte sich der gesamte Vorgang, mit dem einzigen Unterschied, dass die neu angekommenen Opfer zunächst die Leichen in die Gräber werfen mussten. Fischer-Schweder spielte sich dabei als Leiter auf und gab selbst zahlreiche Fangschüsse ab, die zum endgültigen Tod der Opfer führten.134 Bei dieser ersten vom Einsatzkommando Tilsit durchgeführten Erschießung fanden 201 Gefangene, darunter ein Kind und eine Frau, den Tod.135 Nach getaner Arbeit erhielten die Mitglieder des Einsatzkommandos Schnaps und durften die Wertsachen der Ermordeten plündern. Aus Zeugenberichten ging hervor, dass die Täter sich oftmals in Posen an den Exekutionsstätten fotografieren ließen und anschließend gemeinsam mit dem Geld der Toten Gasthäuser aufsuchten.136 Dieses Muster der Erschießungen lässt sich mit kleinen Änderungen hinsichtlich der Tatorte auch auf die folgenden Erschießungen übertragen, von denen es im Zeitraum Juni bis August 1941 21 weitere gab.137 Häufig waren auch litauische Kollaborateure und Einheiten der Wehrmacht beteiligt und einige Male kam es sogar vor, dass litauische Landräte und Bürgermeister die Erschießungen als Zeugen beobachteten und anschließend zum Essen eingeladen wurden.138

Erst ab Mitte August 1941 wurden die separat gefangen gehaltenen Frauen und Kinder ebenfalls erschossen, wohl um nichts der ohnehin schon knappen Nahrung an diese abgeben zu müssen.139 Die Erschießungen der Frauen und Kinder ging nach demselben Ablauf wie die der Männer vor sich, mit dem einzigen Unterschied, dass die Erschießungen größtenteils von litauischen Polizisten durchgeführt wurden, die zuvor unter Alkoholeinfluss gesetzt worden waren.140 Bis September 1941 gab es etwa zehn solcher Exekutionen.141 In einer weiteren Exekution, bei der mindestens 120 jüdische Frauen und Kinder ums Leben kamen, mussten sich die Opfer unter dem Vorwand einer ärztlichen Untersuchung zunächst in einer Scheune entkleiden, um danach von litauischen Polizisten am Erschießungsort mit Eisenstangen geschlagen und mit Bajonetten erstochen zu werden. Diese Art der Tötung dauerte zu lange, sodass man sich entschloss, die restlichen Opfer zu erschießen.142 Angeblich soll der bei der Erschießung beiwohnende Leiter des Grenzpolizeikommissariats in Memel, Dr. Frohwann, im Anschluss an die grausamen Taten kommentiert haben: „Das mache ich in Zukunft nicht mehr mit, das ist keine gute Visitenkarte für die Polizei“143. Eine besondere Bedeutung kam bei diesen Aktionen den SD- und Sipo-Führern zu, die über Leben und Tod entscheiden konnten. Da diese aber ihre „zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume zumeist voll ausschöpften“144, wurden insgesamt bis Ende 1941 130.000 Personen ermordet, was 65 Prozent der insgesamt fast 200.000 litauischen Juden ausmachte. Die Angeklagten aus dem Einsatzkommando Tilsit waren dabei für den Tod von über 5500 Personen verantwortlich.145

II.4. Ermittlungen gegen Bernhard Fischer-Schweder

a) Fischer-Schweders Untertauchen nach dem Krieg

Die berufliche Laufbahn Bernhard Fischer-Schweders und sein Agieren nach dem Kriegsende können als ein typisches Verhalten gesehen werden, das viele ehemalige Nationalsozialisten nach dem Krieg an den Tag legten.146 Die Vertuschung war in der deutschen Gesellschaft möglich, weil diese nach der ,Stunde Null‘ nicht nur den Wiederaufbau einleitete, sondern sich zusehends von der NS-Herrschaft zu distanzieren versuchte und jede Erinnerung daran verdrängen wollte. Vielen NS-Tätern war es so gelungen, sich der Entnazifizierung zu entziehen.147

Bernhard Fischer-Schweder war bereits 1925 Mitglied der SA und vier Jahre später zu einem vollwertigen Parteimitglied geworden, in der er mit seiner niedrigen Mitgliedsnummer 17.141 als einer der ,alten Kämpfer der Partei galt.148 Schon vor seiner SA-Mitgliedschaft war er ab 1921 aktives Mitglied im rechtsextremen ,Freikorps Fürstner‘ gewesen, war 1923 zur ,Schwarzen Reichswehr‘ gewechselt und hatte die Weimarer Republik aufs Erbittertste bekämpft.149 Er arbeitete sich in der Partei nach oben, wurde 1931 Gauredner und später zum SA-Oberführer befördert.150 1934 wurde er infolge des Röhm-Putsches inhaftiert, aber schnell freigelassen, weil ihm nichts Belastendes nachgewiesen werden konnte. 1941 erhielt er die Beförderung zum Polizeidirektor von Memel und trat damit auch in die SS ein.151 Seine wichtige Position in der Partei wird durch einen Dankesbrief belegt, den er 1942 an den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, schrieb und in dem er sich für ein Geburtstagsgeschenk bedankte.152 Später war er Mitglied in mehreren Panzerdivisionen der Waffen-SS und wurde schließlich in den letzten Kriegstagen verwundet, wobei er Kriegsschäden davontrug und fortan leicht behindert war. Nach seiner Genesung wurde er in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager in Bayern überstellt, wo er seinen Entnazifizierungsbogen ausfüllen musste. Patrick Tobin verweist darauf, dass den Menschen beim Ausfüllen der Fragebögen weitestgehend vertraut werden musste, da es wenig Möglichkeiten gab, die in großer Anzahl ausgefüllten Bögen sorgfältig zu überprüfen oder mit anderen detaillierten Personenangaben abzugleichen.153 So gelang es vielen früheren SS- Offizieren einen längeren Aufenthalt in Entnazifizierungslagern zu vermeiden. Bernhard Fischer-Schweder änderte seinen Namen in Bernd Schweder und nannte beim Geburtsdatum den 13. Februar 1904, anstatt des eigentlichen Datums, dem 12. Januar 1904.154 Er gab lediglich zu, Polizeidirektor in Memel gewesen zu sein und verschwieg seine SS- Mitgliedschaft und die dort bekleideten Ränge. Die Spruchkammer stufte ihn damit 1947 als Mitläufer ein.155 Diese Taktik des Namenswechsels verwendeten viele ehemalige Nationalsozialisten, die deshalb als „braune U-Boote“156 bezeichnet wurden. Fischer- Schweder hatte auf diesem Weg zwar erfolgreich seine Inhaftierung umgangen, war aber wohl trotzdem anfangs noch vorsichtig, was seine Berufswahl anging. 1952 begann er in Stuttgart als Staubsaugervertreter zu arbeiten. Daneben erlebte auch sein Privatleben eine ,Stunde Null‘. Kurz nach dem Krieg ließ er sich von seiner Frau scheiden, heiratete 1949 erneut und wurde Vater.157

Begünstigt durch den erfolgreichen Lebenswandel und den sehr laxen Umgang der Adenauerregierung mit den ehemaligen NS-Tätern, begann Fischer-Schweder neues Selbstbewusstsein zu fassen. Im Mai 1951 wurde Artikel 131 GG verabschiedet, nach dem öffentlich Bedienstete, die im Rahmen der Entnazifizierung nicht als Hauptschuldige oder Beschuldigte eingestuft worden waren, wieder als Beamte arbeiten durften.158 Das Gesetz ermöglichte 55.000 ehemaligen NS-Beamten, wieder zurück in ihre alten Berufe zu gelangen und brachte vor allem auch die ehemaligen NS-Funktionseliten zurück an alte Positionen.159 Zunächst zögerte Fischer-Schweder noch, den Status nach Artikel 131 GG zu erwerben. Erst 1953 meldete er sich bei den Behörden, um auf Fehler bei seinen Meldeunterlagen hinzuweisen. Im Zuge dessen schickte er zwei Bewerbungen ab, von denen die eine an das Regierungspräsidium Nord-Württemberg ging und in der er erneut seinen falschen Namen und das falsche Geburtsdatum benutzte.160 Im Dokument, das ihm den Status nach Artikel 131 GG zusichern sollte, gab er allerdings seinen wahren Namen und das richtige Geburtsdatum an. Aus den Archivakten geht nicht hervor, ob er dies absichtlich oder aus Versehen tat. Patrick Tobin kann keine der beiden Möglichkeiten ausschließen.161 Fischer-Schweder machte wiederum keinerlei Angaben zur Parteizugehörigkeit und der SS-Mitgliedschaft. Die Behörden wurden nach einem Aktenvergleich nun erstmals hellhörig und befragten ihn zu den widersprüchlichen Angaben. Fischer-Schweder argumentierte, dass er als Angehöriger der Waffen-SS bei Kriegsende im Lazarett gelegen habe: „Um der Haft und der evtl.

[...]


1 Zitiert nach: Lutum-Lenger, Paula (2008): "Die Mörder sind unter uns". Eine Ausstellung zum Ulmer Einsatzgruppenprozess von 1958. In: Sabrina Müller und Thomas Schnabel (Hg.): Die Mörder sind unter uns. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958. Stuttgart. S. 23-26. S. 26.

2 Müller, Sabrina (2009): Zum Drehbuch einer Ausstellung. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess von 1958. In: Jürgen Finger, Sven Keller und Andreas Wirsching (Hg.): Vom Recht zur Geschichte. Akten aus NS-Prozessen als Quellen der Zeitgeschichte. Göttingen. S. 205-216. S. 205.

3 Vgl. zur öffentlichen Wirkungen anderer Prozesse Osterloh, Jörg und Vollnhals, Clemens (2011): Einleitung. In: Dies. (Hg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR. Göttingen. S. 11-32. S. 13.

4 Von Miquel, Marc (2004): Ahnden oder amnestieren? Westdeutsche Justiz und Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren. Göttingen. S. 156.

5 Frei, Norbert (1996): Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München. S. 10 f.

6 Fröhlich, Claudia (2011): Der "Ulmer Einsatzgruppen-Prozess" 1958. Wahrnehmung und Wirkung des ersten großen Holocaust-Prozesses. In: Jörg Osterloh und Clemens Vollnhals (Hg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR. Göttingen. S. 233-262.

7 Kröger, Ullrich (1973): Die Ahndung von NS-Verbrechen vor westdeutschen Gerichten und ihre Rezeption in der deutschen Öffentlichkeit 1958 bis 1965. Hamburg.

8 Fröhlich, Einsatzgruppen-Prozess. S. 234.

9 Rückerl, Adalbert (1979): Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945-1978. Eine Dokumentation. Heidelberg.

10 Ders. (1982): NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung. Heidelberg. S. 140.

11 Fröhlich, Einsatzgruppen-Prozess. S. 251.

12 Ebd.

13 Greve, Michael (2001): Der justitielle und rechtspolitische Umgang mit den NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren. Frankfurt: Lang (Europäische Hochschulschriften. Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 911).

14 Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 47.

15 Ebd. S. 153.

16 Von Miquel, Ahnden.

17 Ebd. S. 150 f.

18 Müller, Sabrina und Schnabel, Thomas (2008): Die Mörder sind unter uns. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958. Stuttgart.

19 Lutum-Lenger, Paula (2008): "Die Mörder sind unter uns". Eine Ausstellung zum Ulmer Einsatzgruppenprozess von 1958. In: Sabrina Müller und Thomas Schnabel (Hg.): Die Mörder sind unter uns. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958. Stuttgart. S. 23-26. S. 23.

20 Müller, Mörder. S. 44.

21 Krösche, Heike (2008): Ausstellungs-Rezension zu: Die Mörder sind unter uns 16.02.2008-13.07.2008, Stadthaus Ulm. In: H-Soz-u-Kult, 21.06.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu- berlin.de/rezensionen/id=63&type=rezausstellungen>. Zuletzt abgerufen am 22.7.2014.

22 Lutum-Lenger. Ausstellung. S. 24.

23 Osterloh, Einleitung. S. 27.

24 Fröhlich, Einsatzgruppen-Prozess. S. 249.

25 Ebd. S. 262.

26 Vgl. Ebd. S. 258 f.

27 Tobin, Patrick (2011): No Time for "Old Fighters": Postwar West Germany and the Origins of the 1958 Ulm Einsatzkommando Trial. In: Central European History (44). S. 684-710.

28 Ebd. S. 710.

29 Ebd. S. 709.

30 Eichmüller, Andreas (2012): Keine Generalamnestie. Die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen in der frühen Bundesrepublik. München (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Band 93).

31 Ebd. S. 221.

32 Ebd. S. 222.

33 Longerich, Peter (1998): Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. München.

34 Longerich, Vernichtung. S. 326 ff.

35

Arendes, Cord (2012): Zwischen Justiz und Tagespresse. "Durchschnittstäter" in regionalen NS-Verfahren. Paderborn.

36 Arendes, Tagespresse. S. 165.

37 Kukielka, Karolina und Tonio, Walter (2013): Vergangenheitsbewältigung durch Strafrecht?: Der Einsatzgruppen-Prozess von Ulm. In: Journal der Juristischen Zeitgeschichte (14). S. 61-88.

38 Ebd. S. 77 ff.

39 Weinke, Annette (2008): Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich selbst. Die Geschichte der Zentralen Stelle Ludwigsburg 1958 - 2008. Darmstadt. S. 14.

40 Ebd. S. 16.

41 Kröger, Rezeption. S. 168.

42 Ebd. S. 67.

43 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 322 II Bü 61, 88-89.

44 Mündliche Auskunft von Dr. Elke Koch, Staatsarchiv Ludwigsburg, 1.7.2014.

45 Vgl. Classe, Christoph (1999): Bilder der Vergangenheit. Die Zeit des Nationalsozialismus im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland 1955-1965. Köln. & Horn, Sabine (2009): Erinnerungsbilder. Auschwitz-Prozess und Majdanek-Prozess im westdeutschen Fernsehen. Essen.

46 Kukielka, Strafrecht. S. 62.

47 Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. S. 303 ff. und zur Forschungsgeschichte zur westdeutschen Vergangenheitsbewältigung S. 8 ff.

48 Von Miquel, Ahnden. S. 146.

49 Rückerl, Strafverfolgung. S. 125.

50 Weinke, Gesellschaft. S. 12.

51 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 399.

52 Ebd. S. 398 f.

53 Vgl. zur Argumentation Adenauers und der politischen Parteien Ebd. S. 401 ff. & Herf, Jeffrey (1998): Zweierlei Erinnerung. Die NS-Vergangenheit im geteilten Deutschland. Berlin. S. 455 ff.

54 Osterloh. Einleitung. S. 23.

55 Herf, Erinnerung. S. 460.

56 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 403.

57 Herf, Erinnerung. S. 447.

58 Eichmüller, Generalamnestie. S. 226.

59 Zu den Endphasenverbrechen vgl. Keller, Sven (2013): Volksgemeinschaft am Ende. Gesellschaft und Gewalt 1944/45. München.

60 Eichmüller, Generalamnestie. S. 145.

61 Ders., NS-Verbrechen. S. 55.

62 Vgl. zu weiteren Amnestiegesetzen Ebd. S. 55 f.

63 Ders., Generalamnestie. S. 226.

64 Ebd. S. 141.

65 Ebd. S. 141.

66 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 304.

67 Ebd.

68 Ebd. S. 397.

69 Eichmüller, NS-Vergangenheit. S. 56.

70 Ders., Generalamnestie. S. 167.

71 Ebd.

72 Ebd.

73 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 305 f.

74 Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 59.

75 Kukielka, Strafrecht. S. 72.

76 Ebd.

77 Weinke, Gesellschaft. S. 12.

78 Ebd.

79 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 48/2 I Bü 3125.

80 Von Miquel, Ahnden. S. 183.

81 Beer, Ulm. S. 237.

82 Eichmüller, Generalamnestie. S. 194.

83 Ebd. S. 145.

84 Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 17.

85 Weinke, Gesellschaft. S. 20.

86 Vgl. zur Entwicklung der Kampagne Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 99 ff.

87 Weinke, Gesellschaft. S. 21.

88 Eichmüller, Generalamnestie. S. 179.

89 Zitiert nach Weinke, Gesellschaft. S. 21.

90 Eichmüller, Generalamnestie. S. 179.

91 Von Miquel, Ahnden. S. 172.

92 Weinke, Gesellschaft. S. 21.

93 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 406.

94 Von Miquel, Ahnden. S. 146.

95 Ebd.

96 Ebd.

97 Ebd.

98 Eichmüller, Generalamnestie. S. 180.

99 Von Miquel, Ahnden. S. 147.

100 Kogon, Eugen (1946): Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. München. S. 83.

101 Eichmüller, Generalamnestie. S. 181.

102 Von Miquel, Ahnden. S. 147.

103 Eichmüller, Generalamnestie. S. 181.

104 Miquel, Ahnden. S. 147.

105 Ebd.

106 Zitiert nach Ebd.

107 Miquel, Ahnden. S. 148.

108 Ebd.

109 Frei, Vergangenheitspolitik. S. 302.

110 Miquel, Ahnden. S. 149.

111 Ebd.

112 Ebd.

113 Eichmüller, Generalamnestie. S. 182. Für weitere Entwicklungen im Eisele-Prozess vgl. Miquel, Ahnden. S. 148 ff. sowie Eichmüller, Generalamnestie. S. 182 ff.

114 Vgl. zur öffentlichen Reaktion auf den Fall Eisele Ebd. S. 184 ff.

115 Für die Tätigkeit der Einsatzgruppen in der Sowjetunion vgl. Krausnick, Helmut und Wilhelm, Hans-Heinrich (1981): Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938­1942. Stuttgart.

116 Erlass des Oberkommandos des Heeres, abgedruckt in: Broszat, Martin u.a. (Hgg.) (1965): Anatomie des SS- Staates. Freiburg im Breisgau. S. 204-205.

117 Kukielka. Strafrecht. S. 63.

118 Weinke, Gesellschaft. S. 14.

119 Kukielka. Strafrecht. S. 64.

120 Vgl. hierzu beispielsweise Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 322 II Bü 80, Beweisstück 9 i.

121 Kukielka. Strafrecht. S. 64.

122 22 Scheffler, Wolfgang (1997): Die Einsatzgruppe A 1941/1942. In: Peter Klein und Andrej Angrick (Hg.): Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion, 1941/42. Die Tätigkeits- und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD. Berlin. S. 29-51.

123 Scheffler. Einsatzgruppe A. S. 29

124 Ebd.

125 Kukielka. Strafrecht. S. 64.

126 Ebd. S. 67.

127 Ebd.

128 Ebd.

129 Vgl. Longerich, Vernichtung. S. 330. & Matthäus, Jürgen (1996): Jenseits der Grenze. Die ersten Massenerschießungen von Juden in Litauen (Juni-August 1941). In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2). S. 101-117.

130 Aussage Harms, Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 322 II Bü 2, Bl. 493.

131 Dam, Hendrik George und Giordano, Ralph (Hg.) (1962): KZ-Verbrechen vor deutschen Gerichten: Einsatzkommando Tilsit. Der Prozess zu Ulm. Frankfurt am Main. S. 101.

132 Ebd. S. 103.

133 Kukielka, Strafrecht. S. 68.

134 Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 153.

135 Kukielka, Strafrecht. S. 68.

136 Müller, Mörder. S. 64.

137 Kukielka, Strafrecht. S. 68.

138 Müller, Mörder. S. 64.

139 Kukielka, Strafrecht. S. 70.

140 Ebd.

141 Ebd.

142 Ebd.

143 Dam, Ulm. S. 375.

144 Weinke, Gesellschaft. S. 15.

145 Ebd. Vgl. auch die Tabelle der Erschießungen in Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 322 II Bü 1.

146 Tobin, Old Fighters. S. 684 f.

147 Müller, Mörder. S. 30.

148 Ebd. S. 36.

149 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 48/2 I Bü 3125.

150 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 48/2 I Bü 3125.

151 Tobin, Old Fighters. S. 696.

152 Brief von Bernhard Fischer-Schweder an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler vom 14.12.1942. Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 48/2 I Bü 3125.

153 Tobin, Old Fighters. S. 689.

154 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 20/1 II Bü 1, Bl. 9.

155 Spruchkammer Bad Neustadt to Bernd Fischer, 9. April 1947, Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 20/1 II Bü 1.

156 Weinke, Gesellschaft. S. 13.

157 Müller, Mörder. S. 31.

158 Tobin, Old Fighters. S. 691.

159 Greve, NS-Gewaltverbrechen. S. 16.

160 Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 20/ 1 III Bü 1, Bl. 9.

161 Tobin, Old Fighters. S. 692.

Final del extracto de 94 páginas

Detalles

Título
Einzelne Exzesstäter im Tilsiter Blutsommer? Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958 in der öffentlichen Wahrnehmung
Universidad
LMU Munich  (Historisches Seminar der LMU)
Calificación
1,3
Autor
Año
2014
Páginas
94
No. de catálogo
V309444
ISBN (Ebook)
9783668077768
ISBN (Libro)
9783668077775
Tamaño de fichero
1310 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Ulmer Einsatzgruppenprozess, Ulm, 1958, Tilsit, Einsatzgruppen, Fischer-Schweder, Befehlsnotstand, Einsatzkommando Tilsit, Zweiter Weltkrieg, Allensbacher Institut, Deutsche Öffentlichkeit, Drittes Reich, NS-Gewaltverbrechen, öffentliche Wahrnehmung, 50er Jahre, Schlussstrichmentalität, Antisemitismus, Holocaust
Citar trabajo
Michael Hellstern (Autor), 2014, Einzelne Exzesstäter im Tilsiter Blutsommer? Der Ulmer Einsatzgruppenprozess 1958 in der öffentlichen Wahrnehmung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309444

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