Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Was ist Soziale Kompetenz? ...1
2 Die Störungsbilder: Chronische Erkrankungen im Zusammenhang mit sozialer Kompetenz ...2
3 Ältere Menschen als besondere Herausforderung bei verhaltenstherapeutischen Interventionen ...4
4 U. Strehl & N. Birbaumer: Verhaltensmedizinische Intervention bei Morbus Parkinson ...6
5 B. Glier: Chronischen Schmerz bewältigen ... 7
6 Empirische Belege für die Wirksamkeit psychologischer Interventionen bei chronischen Erkrankungen ...8
7 Diskussion ...11
8 Literaturverzeichnis ...14
1 Was ist Soziale Kompetenz?
Soziale Kompetenz oder vor allem Probleme, die entstehen können, wenn Personen defizitäre soziale Fähigkeiten aufweisen, sind bei vielen Störungsbildern von Bedeutung, mit denen sich die Klinische Psychologie befasst. Naheliegend sind hierbei psychische Erkrankungen, die sich direkt auf das soziale Verhalten auswirken, wie beispielsweise bei einer sozialen Phobie. Aber auch Erkrankungen, die nicht primär mit sozialer Kompetenz verknüpft zu sein scheinen, können von dem Themenkomplex beeinflusst sein. Dies soll im Folgenden anhand der Ausführungen zu vordergründig körperlichen Erkrankungen verdeutlicht werden. Die Hausarbeit beschäftigt sich mit chronischen Erkrankungen im Alter, genauer mit den Krankheitsbildern Morbus Parkinson und Chronischer Schmerz.
Zunächst sollte geklärt werden, was mit dem Begriff der Sozialen Kompetenz gemeint ist. Nach Hinsch und Pfingsten (2007) ist das Konstrukt so definiert, dass es verschiedene Verhaltensweisen auf motorischer, kognitiver und emotionaler Ebene umfasst, die gut kontrolliert werden müssen, um in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden zu führen. Es geht im Besonderen auch darum, adäquat abzuwägen zwischen den Wünschen, die man selbst in einer sozialen Situation durchsetzen will, und den Auswirkungen, die die entsprechende Kommunikation auf die Beziehung zum jeweiligen Interaktionspartner hat. Wichtige Themen, bei denen Soziale Kompetenz benötigt wird, sind zum Beispiel auf Kritik angemessen zu reagieren, eigene berechtigte Forderungen standhaft und bestimmt durchzusetzen, selbst Kontakte zu anderen nach eigenen Wünschen zu gestalten, Gefühle klar zu äußern, Schwächen einzugestehen oder um einen Gefallen zu bitten.
Als ätiologische Aspekte für die Entstehung von Sozialen Kompetenzdefiziten sind vor allem die subjektive Wahrnehmung sozialer Überforderung, der Erwerb und die Ausweitung von inadäquatem Verhalten, die Aneignung sozialer Ängste, kognitive Dysfunktionen und ungünstige Selbstverstärkungsgewohnheiten zu nennen. Auch tatsächliche objektive Überforderung aufgrund von Kompetenzmangel, emotionale Probleme, ungünstiges motorisches Verhalten, durch Außenstehende verursachte positive Konsequenzen des unangepassten Verhaltens sowie die Unkenntnis sozialer Gepflogenheiten beeinflussen die Entstehung von problematischem Verhalten in negativ besetzten sozialen Situationen.
GGrundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sozial kompetentes Verhalten gelernt, geübt und somit verbessert werden kann. Aus selbstsicherem Verhalten werden dabei selbstsichere Verhaltensgewohnheiten, die dann in eine selbstsichere Persönlichkeit übergehen. Alle drei der oben angesprochenen Verhaltensebenen, die für Soziale Kompetenz wichtig sind – motorische, kognitive und emotionale – können bei bestimmten Personengruppen beeinträchtigt sein. Im Folgenden soll verdeutlicht werden, inwiefern die Krankheitsbilder Morbus Parkinson und Chronischer Schmerz mit Defiziten in der Sozialen Kompetenz in Zusammenhang zu bringen sind.
2 Die Störungsbilder: Chronische Erkrankungen im Zusammenhang mit sozialer Kompetenz
Parkinson-Patienten sind in verschiedenen Bereichen durch ihre Krankheit eingeschränkt. Neben einigen Störungen der vegetativen Funktionen wie dem Schlaf oder der Sexualität, die hier nicht weiter ausgeführt werden, leiden sie vor allem unter Störungen von Bewegungsabläufen. Die Betroffenen zeigen ein charakteristisches Zittern, den sogenannten Tremor, der meist an den Fingern, manchmal auch im Bereich des Kiefers auftreten kann. Das zweite Kardinalsymptom der Parkinson-Krankheit wird als Rigor bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Erhöhung der Muskelspannung, was zu einer verkrümmten Körperhaltung und schmerzhaften Krämpfen führen kann. Die Akinese schließlich äußert sich sowohl durch eine Verminderung und Verlangsamung aller Bewegungen als auch in der Schwierigkeit der Patienten, einen neuen Bewegungsablauf zu initiieren. Der typische kleinschrittige Gang der Betroffenen ist diesem Symptom zuzuschreiben. Die motorischen Beeinträchtigungen wirken sich auch auf das Sprechen und die Mimik aus. Parkinson-Patienten sprechen oft sehr leise und langsam und können auch hier Schwierigkeiten haben, den Beginn des Satzes zu initiieren. Es kann außerdem vorkommen, dass sie bestimmte Laute undeutlich artikulieren. Aufgrund des Rigor sind ihre Gesichtszüge häufig verspannt und starr. Die Symptomatik erschwert den Patienten viele Verrichtungen im Alltag, vor allem im feinmotorischen Bereich. Zusätzlich sind Parkinson-Patienten kognitiv und psychisch beeinträchtigt. Strehl und Birbaumer (1996) berichten von eingeschränkten Fähigkeiten bei der aktiven Wiedergabe von Gedächtnismaterial. Zudem können Komorbiditäten mit dementiellen Erkrankungen auftreten. Ein großes Problem der Patienten besteht darin, dass ihre Gefühlswelt aufgrund der Verarmung an mimischen und gestischen Ausdrucksmöglichkeiten von Außenstehenden oft verkannt wird. Die daraus resultierende soziale Isolation, die unter anderem auch dadurch befördert wird, dass den Betroffenen ihr Zustand peinlich ist, kann bis in die Depression führen. Außerdem können sich die beschriebenen motorischen Symptome bei Stress verschlimmern, weshalb viele Patienten versuchen, bestimmte Situationen zu vermeiden, in denen ihre Hilflosigkeit oder Langsamkeit besonders auffällig zutage treten würde. Wenn man betrachtet, welche Attribute sozial inkompetenten Personen üblicherweise zugeschrieben werden, so wird schnell deutlich, wieso das Konstrukt Soziale Kompetenz von großer Bedeutung für die Parkinson-Krankheit ist. Zu diesen Eigenschaften zählen nämlich lange Reaktionszeiten, leise und undeutliche Sprache, kurze Antworten, wenig Blickkontakt und Gestik, mehr Sprechpausen und Stottern und eine zittrige oder unsichere Stimme. Außerdem werden als Merkmale selbstunsicheren oder ängstlich-vermeidenden Verhaltens eine zusammengesunkene Körperhaltung, ein „festgefrorenes“ Lächeln und ein ausweichender Blick aufgezählt. Alle diese Merkmale können bei einem an Morbus Parkinson erkrankten Menschen auftreten und sind durch seine verschiedenen motorischen Beeinträchtigungen leicht zu erklären.
Chronische Schmerzpatienten zeigen zwar meist keine direkten körperlichen Symptome, die als sozial inkompetentes Verhalten fehlinterpretiert werden könnten. In dem anderen hier beschriebenen Bereich, dem eigenen sozialen Rückzug und einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten, sind sie jedoch mindestens so eingeschränkt wie die Parkinson-Patienten. Typisch für Chronische Schmerzen ist, dass sie nicht die übliche Warn- oder Schutzfunktion für den Körper erfüllen, da keine physische Ursache für den Schmerz existiert. Subjektiv ist der Schmerz für die Betroffenen aber allgegenwärtig, was zu Angst, Hilflosigkeit und depressiven Verstimmungen führen kann. Die Patienten leiden darunter, die Ursache des Schmerzes nicht durch Verhaltensregulationen beseitigen zu können. Häufig entwickeln Patienten in dieser Situation das sogenannte chronische Krankheitsverhalten, das mit Verringerung von Freizeitaktivitäten, Schonverhalten, missbräuchlicher Verwendung von Medikamenten und allgemein häufiger Inanspruchnahme von medizinischer Behandlung sowie zunehmender Passivität einhergeht (Glier, 2002). Chronische Schmerzen sind als Ergebnis einer maladaptiven Krankheitsverarbeitung zu sehen, die auch fehlerhafte schmerzbezogene Kognitionen wie das sogenannte Katastrophisieren und eine depressive Grundhaltung beinhaltet. Vermeidungs- und Schonverhalten verschlimmert die Symptomatik genauso wie eine somatische Fixierung auf eine unbedingt existente physische Ursache, die nur noch entdeckt werden muss. Soziale Kompetenzdefizite wirken sich somit in mehrerlei Hinsicht ungünstig auf dem Umgang mit dem Schmerzproblem aus und können zu einer aufrechterhaltenden Bedingung für die Schmerzstörung werden. Außerdem können sie, genauso wie affektive Störungen, auch eine beeinflussende Rolle bei der Entstehung eines Schmerzproblems spielen. Depressivität und sozialer Rückzug stehen außerdem in ständiger Wechselwirkung, können sich gegenseitig bedingen und verschlimmern.
Auf der einen Seite wirken also vor allem bei Morbus Parkinson verschiedene krankheitsbedingte Verhaltensschemata auf Außenstehende sozial inkompetent, da sie dieses Verhalten von Personen kennen, die schüchtern sind oder Probleme mit sozialen Situationen haben. Dazu gehört die eingeschränkte Motorik, im Besonderen der Gesichtsmuskulatur: Die Patienten wirken teilnahmslos oder kalt auf ihre Mitmenschen. Auf der anderen Seite ziehen sich viele chronisch Erkrankte immer mehr von ihren Sozialkontakten zurück und vermeiden früher geschätzte Zusammentreffen aus Angst, aufgrund ihrer Krankheit in für sie als nicht zu bewältigend wahrgenommene Situationen zu geraten. Die oftmals mit einer chronischen Erkrankung einhergehende Depression und Hilflosigkeit sowie Passivität ist ein weiterer Grund für das häufig verarmende Sozialleben von Parkinson-Patienten und Chronischen Schmerzpatienten, was die Krankheit massiv negativ beeinflussen kann.
3 Ältere Menschen als besondere Herausforderung bei verhaltenstherapeutischen Interventionen
Obwohl inzwischen völlig außer Frage steht, dass Menschen jeden Alters von verhaltenstherapeutischen Maßnahmen profitieren können, ist es dennoch angebracht, sich verschiedene Besonderheiten dieser speziellen Patientengruppe, nämlich der älteren Menschen, bewusst zu machen. Zunächst einmal ist zu beachten, dass ältere Menschen in ihrem Leben weniger Erfahrungen mit psychologischen Behandlungsmethoden gemacht haben dürften als jüngere Menschen. Viele ältere Patienten sind auch heute noch psychisch unterversorgt. Dieser wenig ausgeprägte Erfahrungsschatz kann zu genereller Skepsis dem Psychologen oder Psychotherapeuten gegenüber führen und sollte möglichst abgebaut werden, indem jeder einzelne Therapieschritt und auch das Selbstverständnis des Therapeuten genau erläutert und transparent gemacht wird. Dieses Bemühen um größtmögliche Transparenz stellt auch sicher, dass etwaige Befürchtungen der Patienten, sie könnten durch die Therapie in irgendeiner Art geistig entmachtet oder entmündigt werden, zerstreut werden können. Es sollte im Gegenteil deutlich gemacht werden, dass die verhaltenstherapeutische Maßnahme dazu beitragen kann, den Patienten zu mehr Eigenständigkeit zu verhelfen. Ein weiteres Problem, dem Therapeuten vermutlich gegenüberstehen, ist das ausgeprägte somatische Krankheitsverständnis älterer Menschen, also die rein physische Herangehensweise an verschiedene vordergründig körperliche Krankheitsbilder. Dies wird auch dadurch beeinflusst, dass sich tatsächliche körperliche Gebrechen natürlich mit zunehmendem Lebensalter häufen und ältere Menschen häufig verschiedene Fachärzte aufsuchen und Medikamente einnehmen müssen. Diesem Umstand sollte Rechnung getragen werden, indem den Patienten auch die Behandlung in unkonventionellen Umgebungen, wie zum Beispiel am Krankenbett, ermöglicht wird. Ein enger Kontakt zu behandelnden medizinischen Kollegen ist zudem unabdingbar, auch um über mögliche Nebenwirkungen der eingenommenen Medikamente Bescheid zu wissen, die die Therapie eventuell beeinflussen könnten.
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