Jean-Jacques Roussau, der wohl größte Mitleidsverkünder des 18. Jahrhundert, scheint nur wenig gemein zu haben mit dem "ruchlosen“ Autor Donatien Alphonse Francois Marquis de Sade. Obgleich die Schriften beider den Geist der Aufklärung in sich tragen, könnte ihr Gedankengut kaum gegensätzlicher sein.
In seinem "Discours sur l´origine et les fondements de l´inégalité parmi les hommes" von 1755 macht Rousseau Front gegen die Gesellschaft, die scheinbar all ihren kulturellen und intellektuellen Fortschritt teuer bezahlt hat. Für ihn ist der Ursprung allen Übels, der Niedergang der Moral, einzig dem Aufkommen der Zivilisation zuzuschreiben und keineswegs durch die menschliche Natur, die er vielmehr als Quelle der Moralität versteht, zu rechtfertigen.
Ganz anders de Sade, der in seinem aufgeklärten Rationalismus ein von allen Vorurteilen befreites Bild von der menschlichen Natur zu zeichnen sucht und sich abwendet von der Annahme einer natürlichen Güte im Menschen. In schroffem Gegensatz zu Rousseau erscheint de Sades Anthropologie als eine „gigantische Begründung der natürlichen Bestialität des Menschen“ .
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Thesen der beiden Philosophen in ein Verhältnis zu stellen und zu erörtern, mittels welcher Argumente die Sadeschen Figuren die bonté naturelle, die Rousseau in der Natur zu erkennen glaubt, zu widerlegen suchen. Ferner soll betrachtet werden, welche Folgen sich für die Moral ergeben, wenn – wie de Sade nicht müde wird zu behaupten – das einzige natürliche Bestreben des Menschen seine Bedürfnisbefriedigung ist.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitendes
- De Sade und die Philosophie seiner Figuren
- Die Natur - Richtstab und Quelle der Normativität
- Zwei Triebfedern der menschlichen Natur
- Das natürliche Gesetz des Stärkeren
- Von der Natur zur Kultur
- Mitleid – Die natürliche Tugend des Menschen?
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die Thesen von Jean-Jacques Rousseau und Donatien Alphonse François Marquis de Sade in Bezug auf die menschliche Natur zu vergleichen und zu analysieren. Dabei wird besonders auf die Argumentation der Sadeschen Romanfiguren fokussiert, die die „bonté naturelle" zu widerlegen versuchen, welche Rousseau in der Natur zu erkennen glaubt.
- Die Rolle der Natur als Richtstab und Quelle der Normativität in den Philosophien von Rousseau und de Sade
- Die gegensätzlichen Bilder von der menschlichen Natur bei Rousseau und de Sade
- Die Darstellung der Sadeschen Figuren und deren Argumentation gegen die natürliche Güte des Menschen
- Die Bedeutung der Bedürfnisbefriedigung als primäres naturgegebenes Streben des Menschen in der Philosophie de Sades
- Die Herausforderungen bei der Interpretation des Gedankenguts de Sade im Kontext seiner Romanfiguren
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel bietet eine Einführung in die Thesen von Rousseau und de Sade, wobei der Unterschied in ihren Auffassungen über die menschliche Natur und das Verhältnis von Kultur und Moral deutlich wird.
Kapitel zwei analysiert die Philosophie der Figuren in den Romanen de Sades und beleuchtet die Schwierigkeit, die Position des Autors von den Überzeugungen seiner Figuren zu trennen.
Kapitel drei untersucht die Rolle der Natur als zentralen Bezugspunkt in der Philosophie beider Denker. Es werden die unterschiedlichen Konzepte der Natur bei Rousseau und de Sade und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen bezüglich der menschlichen Natur erörtert. Die beiden Triebfedern des Menschen nach Rousseau, die Selbsterhaltung und das natürliche Mitleid, werden hier detailliert vorgestellt.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Rousseau, de Sade, Natur, Normativität, menschliche Natur, natürliche Güte, Bestialität, Mitleid, Selbsterhaltung, Bedürfnisbefriedigung, libertine Romanfiguren, philosophische Argumentation.
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- Sabrina Hanke (Autor), 2014, Die moralphilosophischen Thesen Rousseaus im Lichte der naturalistischen Argumentationen des Marquis de Sade, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309758