Die Textproduktion bei Grundschülern. Schreibprozesse und ihr Einfluss auf die Gestaltung des Deutschunterrichts


Hausarbeit, 2013

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Betrachtung des Schreibprozesses anhand von Schreibmodellen
2.1. Schreiben als Prozess, Prozedur und Produkt
2.2. Textmodell Hayes und Flower (1980)

3. Didaktisch- methodische Überlegungen zur Textproduktion in der Grundschule
3.1. Der Einfluss der Schreibforschung auf die Lehrpläne und Rahmenrichtlinien der Grundschule
3.2. Der Wert von Schreibaufgaben, -funktionen und –zielen innerhalb didaktischer Unterrichtskonzeption
3.3. Die Textproduktion bei der „Fantasiegeschichte“ anhand ausgewählter Aufsätze von Grundschülern der vierten Klasse

4. Reflexion

5. Literatur

„Schreiben ist nur eine Art des Sprechens, bei der man nicht unterbrochen wird.[1]

1. Einleitung

Ist Schreiben tatsächlich nur eine andere Form des Sprechens? Einfach nur das aufzuschreiben, wie man es gerade sagen würde? Erstellt man so tatsächlich Texte?

„S c h r e i b e n“ – das intellektuelle Produktionsmittel des Menschen[2]. Es gehört zu den Grundfertigkeiten, die jeder beherrschen sollte. Besonders Lesen und Schreiben sind und bleiben die zentralen Bausteine einer modernen Allgemeinbildung. Daher wird dieses auch schon in den frühen Kindheits- und auch Schuljahren gelernt. Es beginnt damit, dass man zuerst seinen eigenen Namen schreibt, dann vielleicht auch noch deren der Eltern und Geschwister. In der Grundschule lernen die Kinder dann „nach und nach“ die Buchstaben des Alphabetes kennen und können diese daraufhin bald zusammensetzen, sodass Wörter entstehen. Aus den gelernten Wörtern entwickeln sich Texte. Doch dieses ist „leichter gesagt bzw. geschrieben, als getan“. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie aus Wörtern Texte werden. Was passiert während des Schreibens mit dem Text? Wie werden Ideen, Rückschlüsse, Veränderungen und Neuformulierungen umgesetzt?

Grundsätzlich sieht man als Laie nur den fertigen Text und setzt sich nicht unbedingt mit der Erschaffung eines Textes auseinander. Meistens passiert dieser Vorgang der Textproduktion bei vielen Erwachsenen, aber auch bei Kindern unbewusst. Sodass sie gar nicht merken, wie sie zu diesem Text gekommen sind oder vielmehr, dass dieser Prozess gar nicht signifikant im Vordergrund steht, sondern nur noch das Resultat zentral ist.

Diese schriftliche Arbeit befasst sich mit dem Thema des „Schreibens“, wobei die Produktion von Texten den Kernpunkt einnimmt. Anhand eines ausgewählten Modells werden Inhalte erarbeitet, wie es möglicherweise zu einer Texterschaffung kommt. Die wechselseitigen Prozesse werden thematisiert und im Folgenden auch diskutiert. Da sich Modelle immer nur an einer allgemeinen, nicht individuellen Struktur orientieren, wird das Denkmuster von SuS[3] der vierten Klasse anhand der Textform „Fantasiegeschichte“ genauer betrachtet und analysiert. Ob hier Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen den allgemeinen theoretischen Modellen von den Wissenschaftlern und den individuellen Texten von zufällig gewählten SuS auftreten, bleibt vorerst abzuwarten.

Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, wie die Prozesse bei SuS ablaufen, bei denen sie aus Wörtern Texte erschaffen. Dabei soll untersucht werden, ob die Vorgehensweise der Denkprozesse von SuS möglicherweise im Unterricht gelehrt und gefördert werden kann, um so das Entwerfen von Texten zu optimieren. Auch die Probleme der SuS bei der Textproduktion, die häufig zu Beginn eines Textes entstehen und von typischen Aussagen, wie z. B. „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll“ wiederkehren, können so minimiert werden.

2. Betrachtung des Schreibprozesses anhand von Schreibmodellen

2.1. Schreiben als Prozess, Prozedur und Produkt

Bei der Auseinandersetzung mit dem Schreibvorgang müssen zuerst die Aspekte des Schreibens und was dies überhaupt heißt, geklärt werden. Somit kann erst anschließend ein Blick auf die Schwierigkeiten gelegt werden, die dann wiederrum behoben werden sollten, um einen optimalen Schreibprozess, sowie ein annehmbares Schreibprodukt zu gestalten. Bei der Definition zum „Schreiben“ findet man viele unterschiedliche Ansätze. Für einige ist das Schreiben, das Festhalten und Mitteilen von Gedanken mittels Buchstaben auf einem Blatt Papier oder dem Computer (oder ähnliches). Aber müssen an dieser Stelle nicht auch die historische Entwicklung des Schreibens sowie kulturelle Aspekte und Unterschiede des Schreibens berücksichtigt werden? Demnach ist das Schreiben nicht nur das bloße Hervorbringen von Buchstaben, sondern umfasst vielmehr eine Art der Kommunikation, Gedankenfixierung und Kulturtechnik. Der Schreibvorgang zeigt einerseits die Ausführungshandlung, wobei sich der Stift auf dem Papier bewegt oder eben auf einem Bildschirm durch Drücken einer Taste, eines Buchstabens oder Schriftzeichen erzeugt wird. Andererseits laufen dennoch auf den ersten Blick nicht sichtbare mentale Prozesse ab, die nötig sind, um eine schriftliche motorische Ausführung umzusetzen. Es laufen viele fein aufeinander abgestimmte Tätigkeiten ab, die Vorgänge wie die Konzipierung, Komponierung, Formulierung, Aufzeichnung, Überarbeitung und Veröffentlichung eines Textes sind dabei miteinander stark verknüpft. Somit kann man das Schreiben als eine Fixierung von Gedanken und dessen Weiterentwicklung durch intensive Ausarbeitung oder das Hinzufügen von Gedanken beschreiben.

Bei dem Schreiben laufen drei wesentliche Vorgänge ab, die den Ablauf eines Schreibvorgangs begreifbar machen. Es handelt sich um die „Textherstellung“ (den Schreibprozess), die Routinen oder „Programme“, die den Schreibvorgang vereinfachen sollen (die Prozeduren) und die Ergebnisse des Schreibens (die Produkte).[4]

Die Schreibprozesse sind in einem zeitlichen Verlauf zu betrachten, die bei der Erzeugung des schriftlichen Textes in Anspruch genommen werden. Dabei umfasst der Schreibprozess drei wesentliche Aufgaben. Zum Einen die Identifizierung, bei der die beobachtende Aktivität als Notwendigkeit angesehen wird. Zum Anderen die Periodisierung, bei der ein Anfangs- und Endpunkt bestimmt wird, wobei der Endpunkt nicht das endgültige Schreibprodukt sein muss. Und als letztes die Segmentierung, die den Schreibprozess in verschiedene Teilprozesse eingrenzt, die zeitlich parallel oder sequentiell ablaufen. Der Schreibprozess ist immer personengebunden und somit individuell.

Die Schreibprozeduren dagegen lassen sich aufteilen in: personale, kooperative und mediale Prozeduren. Sie sind nicht beobachtbar und daher auch nur Modelle, die einen Bestandteil des Schreibprozesses und des Schreibprodukts erklären sollen. Die personalen Prozeduren definieren ein Modell des Schreibens, das der Person direkt zugeordnet werden kann, also das persönliche Wissen und Können. Demgegenüber umfassen die kooperativen Prozeduren, dass schreiben eben nicht nur an die Person gebunden, sondern auch fest mit dem sozialen System verankert ist. Hierbei ist in erster Linie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Funktionsträger wichtig, die ihren jeweiligen spezifischen Sprachanweisungen folgen, bis der Text entsteht. Um nicht personengebundene Aspekte geht es auch bei den medialen Prozeduren. Hier spielen die bestimmten Schreibmedien eine wichtige Rolle. Zum Beispiel werden bei einem Formular andere Schreibprozeduren in „Gang gesetzt“ als bei einem Bericht.

Bei den Schreibprodukten handelt es sich um die materielle Darstellung von Schreibprozessen, die dem Symbolsystem der Schriftsprache zugeordnet werden. An dieser Stelle folgt ein Interpretationsprozess. Die Schreibprodukte sind dabei in den meisten Fällen der am Einfachsten zu beobachtende Aspekt und werden daher häufig in der Schule als Ergebnisse für die Leistungsbeurteilung genommen, während der Prozesscharakter immer mehr in den Hintergrund gerät. Dieses wird jedoch erst in den darauffolgenden Kapiteln mit dem didaktisch-methodischen Vorgehen und deren Konsequenzen genauer analysiert. Des Weiteren müssen die Schreibprodukte noch in das Endprodukt und Zwischenprodukte, die auf dem Weg des Schreibens eine große Hilfe bieten, unterschieden werden.

Demnach ist festzustellen, dass bei der Untersuchung des Schreibens viele Komponenten berücksichtigt werden, so also auch die kognitive, emotionale, kommunikative und motorische Seite. Dieser vielschichtige Vorgang muss möglichst alle Faktoren miteinbeziehen, während die konventionalisierten und teilweise schematisierten Aspekte des Schreibens keinesfalls außer Acht gelassen werden dürfen. Erkennbar ist nun, dass der Vorgang des Schreibens mehr als das bloße Aufzeichnen von Buchstaben ist, welches dann einen mehr und weniger inhaltlich zusammenhängenden Text ergibt. Daher muss bei einer sachangemessen und schülergerechten Hinführung zum Schreiben darauf geachtet werden, dass die Analyse von Schreibvorgängen unverzichtbar ist. Denn das Wissen um die Prozesse, Prozeduren und Produkte des Schreibens verhilft der Lehrkraft, den SuS zu vermitteln, welche vielfältigen Möglichkeiten es bei der schriftlichen Äußerung gibt, sodass jeder individuell einige Vorgänge stärker, andere schwächer ausgeprägt hat, um dabei eine höhere Schreibmotivation des SuS zu fördern.[5]

2.2. Textmodell Hayes und Flower (1980)

Hayes und Flower sehen das Schreiben als einen komplexen Problemlöseprozess an, den der Schreiber bewältigen muss. Hierbei gibt es einen Ausgangszustand der zu einem Zielzustand überführt werden soll. Bei diesem Ausgangszustand (z. B. der Interpretation einer Schreibaufgabe) werden Operatoren eingesetzt, die dabei helfen sollen, denn Zielzustand zu erreichen. Solche Operatoren wären: Ziele setzen, Informationen generieren (aus dem Langzeitgedächtnis), Informationen anordnen, Versprachlichen der vorliegenden Informationen und Überarbeiten des bisher formulierten Textes. Diese Schritte müssen durchlaufen werden, um den Zielzustand des Textes zu erreichen.

Diesem Schreibmodell[6] kann ein rekursiver als auch ein dialektischer Charakter zugeordnet werden. So kann zum Beispiel das entstandene Produkt immer wieder darauf überprüft werden, ob es den bestimmten Ansprüchen bzw. Kriterien (z. B. Verständlichkeit für den Leser) entspricht. Sollte dieses nicht der Fall sein, so kann der Schreiber in eine der vorangegangenen Phasen des Textproduktionsprozesses zurückkehren.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Hayes und Flower um ein Problemlöseprozess, dessen generelles Problem in Teilprobleme aufgeteilt wird. Diese Teilprobleme bzw. Teilziele sind hier beispielsweise das Sammeln von Ideen, das Anfertigen einer Gliederung oder das spätere Überarbeiten des bisher geschriebenen Textes.

Hayes und Flower überprüften ihre Annahme des Modells mithilfe einer Protokollanalyse. Dabei musste eine Versuchsperson alles versprachlichen, was ihr gerade in den Sinn gekommen ist. Das Wesentliche an so einer Überprüfungssituation ist einerseits, dass nach dem Entgegennehmen der Schreibaufgabe solange an dem Text gearbeitet wird, bis dieser fertig gestellt wird. Andererseits kann der Schreiber während der Textproduktion unmittelbar auf das im Langzeitgedächtnis zur Verfügung stehende Wissen zurückgreifen.[7]

Das Modell von Hayes und Flower beschreibt drei Komponenten: das Aufgabenfeld, das Langzeitgedächtnis des Schreibers, der Schreibprozess und seine Teilkomponente. Das Aufgabenfeld umfasst hierbei die objektiven Handlungsbedingungen, also genauer die Schreibaufgabe und der bisher verfasste Text. Ferner verfügt das Langzeitgedächtnis des Schreibers über Wissen bezüglich des Themas sowie über allgemeine Schreib- und Textpläne. Das bereits erworbene Wissen kann dabei in unterschiedlichen Formen gespeichert sein, z. B. als Spruchweisheit, als Redewendung oder in Bildern. Der letztendliche Schreibprozess untergliedert sich dann nochmal in drei weitere Teilkomponenten: das Planen, das Formulieren und das Überarbeiten.

An dieser Stelle steht das Planen für das Generieren von Ideen durch Assoziationsketten unter Hinzunahme des Langzeitgedächtnisses. Die Auswahl der Idee hängt von dem Thema, der Motivation und dem Adressaten ab. Außerdem werden bei diesem Teilprozess auch die Formulierungen von Teilzielen (z. B. im Hinblick auf die weitere Überarbeitung) sowie die Organisation der Inhalte vorgenommen. Die nächste Phase schließt somit das Formulieren der ausgewählten Inhalte an. Diese müssen nun sprachlich verfasst, also in vollständige Sätze gebracht werden. Dabei werden durchaus Notizen, die in der Planungsphase entstanden sind, miteingebracht. Der letzte Teilprozess des Überarbeitens meint die anschließende Korrektur. Der fertiggestellte Text wird nun noch einmal von dem Schreiber durchgelesen, wobei hier inhaltliche Veränderungen oder aber auch rein formale Aspekte, die geändert werden müssen, möglich sind. An dieser Stelle sind die Zielformulierungen der eigenen vorgegebenen Anforderungen handlungsleitend. Ob diese dann systematisch überarbeitet werden, hängt von der Schreiberfahrung des Schreibers ab.

Der Schreibprozess verläuft demnach nicht linear, sodass es eine übergeordnete Überwachungsinstanz gibt, welche die Koordination der einzelnen Teilprozesse unbedingt notwendig macht, um einen erfolgreichen Schreibprozess zu gewährleisten. Dafür steht der Monitor, der die Übergänge zwischen den Teilprozessen reguliert. Im Schaubild ist diese Wechselwirkung des Informationsflusses durch Verbindungslinien der Komponenten gekennzeichnet.[8]

Abschließend ist daher festzustellen, dass das Schreibmodell von Hayes und Flower die Prozesshaftigkeit und den Handlungscharakter des Schreibens betont. Demzufolge ist Schreiben kein gradliniger oder eindimensionaler Vorgang, sondern bezieht sich vielmehr auf die Schreibziele, die hierarchisch organisiert sind. Das heißt, nach dem Aufstellen von Hauptzielen entwickelt der Schreiber untergeordnete Teilziele, die dazu helfen, die Hauptziele und den Endzustand, also den fertigen Text, zu erreichen.

3. Didaktisch- methodische Überlegungen zur Textproduktion in der Grundschule

3.1. Der Einfluss der Schreibforschung auf die Lehrpläne und Rahmenrichtlinien der Grundschule

Im weiteren Verlauf geht es um die Möglichkeiten einer Lehrkraft, die ihnen im Deutschunterricht in der Grundschule zur Verfügung stehen, welche die Textproduktion der Schülerinnen und Schüler angemessen fördern sollten. Die Einsichten zu den Schreibprozessen und die sich daraus ergebenen Schlussfolgerungen sind elementar für das Planen und Vorgehen der Lehrkraft, damit die Unterrichtshandlungen verstanden werden und auch von den SuS angewendet werden können.

[...]


[1] Von Jules Renard (1864 - 1910), französischer Roman- und Tagebuchautor)

[2] Von Utz Maas (*1942, Bonn), deutscher Sprachwissenschaftler)

[3] SuS = Schülerinnen und Schüler

[4] Vgl. Baurmann J./ Weingarten R.: Schreiben. Prozesse, Prozeduren und Produkte, Opladen 1995, S. 8.

[5] Vgl. Baurmann J./ Weingarten R.: Schreiben. Prozesse, Prozeduren und Produkte, Opladen 1995, S. 10-14.

[6] Abbildung des Schreibmodells: siehe Anhang S. I.

[7] Vgl.: Becker-Mrotzek: Schreibentwicklung und Textproduktion. Opladen 1997, S. 92f.

[8] Vgl.: Grießhaber, W.: Modell des Schreibprozesses nach Hayes und Flower. Onlineveröffentlichung unter: http://spzwww.uni-muenster.de/griesha/eps/wrt/prozess/hayesuflowers.html (letzter Aufruf 21.11.13 um 12:38 Uhr).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Textproduktion bei Grundschülern. Schreibprozesse und ihr Einfluss auf die Gestaltung des Deutschunterrichts
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V310043
ISBN (eBook)
9783668088313
ISBN (Buch)
9783668088320
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schreiben, textproduktion, detuschunterricht
Arbeit zitieren
Isabell Stock (Autor:in), 2013, Die Textproduktion bei Grundschülern. Schreibprozesse und ihr Einfluss auf die Gestaltung des Deutschunterrichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310043

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