Werbung in der Medienforschung


Bachelorarbeit, 2010

41 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Werbung.
2.1 Definitionen
2.2 Verschiedene Arten von Werbung

3. Medienwirkungs- vs. Mediennutzungstheorien
3.1 Reiz-Reaktion Mechanismen
3.1.1 Klassische Konditionierung
3.1.2 Konditionierung des Menschen durch die Medien
3.2 Kritik an dem Erklärungsansatz des Reiz-Reaktions-Mechanismus’ und alternative Theorien
3.3 Mediennutzungstheorien

4. Geschichte der Mediennutzungsforschung
4.1 Von der Medienmanipulation zu Mediennutzungstheorien
4.2 Neue Ergebnisse der Rezipientenforschung

5. Fazit der Arbeit

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Über den Einfluss und die Macht der Werbung diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler[1] seit vielen Jahren. Die einen schreiben der Werbung eine manipulative Macht zu, die ausgeübt wird, ohne dass es dem Rezipienten bewusst ist. Sie soll zu Kaufhandlungen verleiten, die ohne ihren Einsatz nicht durchgeführt worden wären. Es gibt jedoch auch die Gegenposition, welche dem einzelnen Individuum viel Kritikfähigkeit und sogar Macht über die Medien zuspricht. Wie viel Macht Werbung auf den Rezipienten ausüben kann, soll im Folgenden näher betrachtet werden.

Der Erfolg einer Werbung kann nur bedingt gemessen werden. Die Verkaufszahlen allein können nicht wiedergeben, ob die Umsatzsteigerung durch die Werbung bedingt ist oder, ob die Qualität des Produkts oder der allgemeine gesellschaftliche Trend für den Erfolg einer Marke verantwortlich sind. Zudem sollen mit einer Werbung neben dem Verkauf des Produktes meist auch weitere Ziele, wie die Steigerung des Bekanntheitsgrades der Marke, erreicht werden. Der Werbetreibende bekommt in der Regel keine Rückkopplung von dem Empfänger der Werbung und kann sich nicht darauf verlassen, dass die Werbebotschaft wie beabsichtigt aufgenommen wurde.

Mit der Frage, wie man potentielle Kunden so beeinflusst, dass sie sich neben der immensen Konkurrenz für das eigene Produkt und die eigene Marke entscheiden, beschäftigen sich Marketingexperten seit langer Zeit, jedoch scheint es dafür keine allgemeingültige Antwort zu geben. Die zunehmende Sättigung der Märkte lässt Werbung fortwährend wichtiger erscheinen. Rationale Argumentation scheint dabei jedoch nicht mehr zu funktionieren, da viele Produkte in ihrer Qualität austauschbar geworden sind. So wird zunehmend versucht den Kunden auf emotionaler Ebene zu erreichen. Durch Suggestion wird versucht die unbewusste Wahrnehmungsebene anzusprechen und der potentielle Kunde soll, ohne rational über die Vor- und Nachteile des Produkts nachzudenken, zum Kauf verleitet werden.

Jedoch gibt es kein Konzept, welches bei allen Individuen gleichermaßen wirken und den Menschen soweit beeinflussen kann, wie es die Werbetreibenden zu erreichen versuchen. Die zunehmende Ablehnung der Werbung, wegen der vermeintlich manipulativen Wirkung und der zum Teil unehrlichen Aussagen sowie der übersättigte Markt stellen die Werbeexperten vor neue Herausforderungen, um den Kunden zu einer Kaufhandlung zu bewegen.

Ein Konzept, welches in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts weit verbreitet war und worauf sich die Werbeexperten bis zum heutigen Tag beziehen, ist das Modell der klassischen Konditionierung. Durch Konditionierung wird das Erlernen von Stimulus-Response-Mustern erklärt. Die Theorie basiert auf dem Modell der BlackBox, auf der Annahme also, Gefühle und Gedanken seien zu komplex, um wissenschaftlich untersucht zu werden, sodass lediglich der Zusammenhang von Ursache-Wirkung betrachtet wird. Die Theorie, welche ursprünglich die Reiz-Reaktionsbeziehungen eines Tierversuches beschreiben sollte, wurde auf die Medienwirkung des Menschen übertragen. Danach werden Medieninhalte von allen Rezipienten gleich aufgenommen und lösen somit auch die gleichen Reaktionen aus.

Obwohl das Konzept als überholt gilt, wird sich seitens der Werbeexperten teilweise immer noch darauf bezogen. Wegen seiner einfachen und klaren Struktur kann es leicht für den Grundaufbau einer werbepsychologischen Theorie herangezogen werden und benötigt keine umfangreiche und komplizierte Auseinandersetzung mit den Empfängern der Botschaft. Nach dem Stimulus-Response-Modell kann die immense Vielfalt der einzelnen Rezipienten der Werbung übergangen werden und eine Werbekampagne kann auf diese Weise einfach präsentiert und rechtfertigt werden. Studien, die auf Basis dieses Modells entwickelt wurden, haben den großen Vorteil leicht verständlich und einfach auszuwerten zu sein. Nach dem Modell lösen bestimmte Reize bestimmte Reaktionen aus, sodass eine Werbung, ein Produkt oder eine Marke lediglich mit bestimmten Emotionen verknüpft zu werden brauchen, um die gewünschte Kaufhandlung auszulösen.

Hier wird zudem ein großes Problem der Werbewirkungsforschung deutlich: Im Bereich des Marketings werden Forschungsergebnisse lediglich für einen bestimmten Auftrag ausgewertet und sind somit nur für einen kleinen Kreis von Forschern interessant. Dieses sehr pragmatische Herangehen an die praktische Verwertbarkeit der Ergebnisse führte zu einer sehr eingeschränkten Forschungsweise, die eine dienstleistungsbetriebliche Arbeitsweise zur Folge hatte. Nach Haase kann die Werbewirkungsforschung nicht als Forschung im engeren Sinne bezeichnen werden.

In der Regel handelt es sich um geläufige Routinen, die im besten Falle ad hoc, gegebenenfalls auch geleitet von allgemeinen Theorien der Bezugswissenschaften partikuläre Probleme eines Arbeitgebers entlang tradierter Werbewirkungskriterien beantworten. Theoretischer Erkenntnisfortschritt wird dabei nicht intendiert. Die Auftragsforschung im Interesse privatwirtschaftlicher Unternehmungen dürfte mehr als 90 % der faktisch durchgeführten Werbewirkungsuntersuchungen ausmachen. Ihre Ergebnisse sind im wahrsten Sinne des Wortes indiskutabel. Sie werden verständlicherweise nicht veröffentlicht und stehen der Diskussion nicht zur Verfügung.[2]

Dies führte zu einer zweckgebundenen Aufklärung über Werbung und ihre für den Auftraggeber wichtigen Wirkungsmechanismen. So wurden vor allem monokausale Ursache-Wirkungsbeziehungen berücksichtigt, welche die Unterschiede der Rezipienten und die komplexen Verarbeitungsweisen der Werbebotschaft nicht berücksichtigen. So kommt es, dass in der Werbepraxis zum Teil an Methoden festgehalten wird, die in der Medienwissenschaft als überholt und nicht haltbar gelten.

Das Stimulus-Response-Modell wurde zu einer Zeit eingeführt, in der den Medien eine Allmacht zugeschrieben wurde. Es wurde angenommen, dass die Stimuli über die Massenmedien jedes Individuum erreichen konnten, von jedem Individuum gleich aufgenommen und verarbeitet wurden und somit bei allen Individuen die gleichen Reaktionen auslösen. Die vorherrschende Vorstellung einer Massengesellschaft, in der jeder Mensch anonym und isoliert lebt und so den Stimuli schutzlos ausgeliefert ist ergänzte die medienbezogene Sichtweise.

Diese Auffassung hat sich mit der Zeit stark gewandelt. Der Fokus der Forschung liegt nicht mehr auf der Wirkung der Medien auf die Rezipienten, sondern auf der Nutzung der Medien durch selbige. Es wird nicht mehr danach gefragt, was die Medien mit den Menschen machen, sondern was die Menschen mit den Medien machen. Der medienzentrierte behavioristische Gedanke der linearen Wirkungsweise wurde abgelöst durch den Blick auf den aktiven Rezipienten, der zielgerichtet die Medien nutzt. Daraus wird vor allem in den neuen Medientheorien deutlich, dass es nicht ausreicht, die Werbewirkung auf die Rezipienten beschreiben zu wollen, ohne zu hinterfragen, wie die Werbung rezipiert wird. Die Messung von Einschaltquoten, welche in der Vergangenheit als Indikator für den Erfolg von Werbespots gesehen wurde, sagt nichts darüber aus, wie aufmerksam die Werbung wahrgenommen wird, ob sie überhaupt wahrgenommen wird und ob sie den Rezipienten zu einer Kaufhandlung verleitet. Erst in der letzten Zeit werden die unterschiedlichen Zielgruppen bei der Gestaltung einer Werbebotschaft näher untersucht und es wird versucht auf die verschiedenen Eigenheiten des Rezipienten besser einzugehen, um ihn mit der auf ihn zugeschnittenen Werbung besser erreichen zu können.

Im Folgenden soll nach einer kurzen Einführung in den Gegenstand Werbung untersucht werden, wie die klassische Konditionierung in der Werbung angewendet wird und warum dieser Ansatz starke Kritik erfahren hat und als überholt bezeichnet werden kann. Des weiteren soll der Wandel, von der stark medienorientierten Herangehensweise an medienwissenschaftliche Problemstellungen zu den nutzerorientierten Ansätzen der modernen medienwissenschaftlichen Theorien, dargestellt werden. Diese Auffassung soll im Anschluss, in Hinblick auf die neue rezipientenorientierte Herangehensweise der Werbeexperten zu Gunsten einer Zielgruppen optimierten Werbung, verdeutlicht werden.

2. Werbung

2.1 Definitionen

Nach Siegert und Brecheis impliziert Werbung stets eine absichtliche Beeinflussung des Rezipienten. Sie vermittelt Informationen über ein Produkt und will die Einstellung und Meinung des Adressaten darüber positiv verändern und schließlich ein bestimmtes Verhalten bewirken.[3] Behrens beschrieb Werbung als „eine absichtliche und zwangfreie Form der Beeinflussung, welche die Menschen zur Erfüllung der Webeziele veranlassen soll.“[4] Die American Marketing Association (AMA) geht zudem auch auf die Mittel ein, mit denen die Beeinflussung erzielt werden soll und definiert Webung in ihrem Wörterbuch wie folgt:

The placement of announcements and persuasive messages in time or space purchased in any of the mass madia by business firms, nonprofit organizations, government agencies, and individuals who seek to inform and/or persuade members of a particular target market or audience about their products, services, organisations or ideas.[5]

Nach Bernbach ist Werbung eine Kunst, da sie Überredung darstelle und Überredung eine Kunst sei.[6] Im Gegensatz dazu sieht Clark Werbung nicht als Kunst an, da sie keinen Selbstzweck erfülle und nur ein Mittel zum Zweck sei.[7] Ogilvy wiederum, sieht in der Werbung „weder Unterhaltung noch eine Form von Kunst, sondern vielmehr ein Medium der Information.“[8]

Eine eindeutige Definition kann für Werbung somit nur schwer gefunden werden. Die Herangehensweise an den Gegenstand ist hier entscheidend. Wie die Definition ausfällt hängt beispielsweise davon ab, ob es sich bei dem Verfasser um einen Wissenschaftler, einen Werbeexperten oder den Konsumenten handelt.[9]

Nach Seyffert ist Werbung „[…] eine Form der seelischen Beeinflussung, die durch bewußten Verfahrenseinsatz zum freiwilligen Aufnehmen, Selbsterfüllen und Weiterpflanzen des von ihr dargebotenen Zweckes veranlassen will.“[10] Im Folgenden wird der zuletzt erwähnte Aspekt der Beeinflussung näher betrachtet. Zunächst erfolgt eine Ausdifferenzierung verschiedener Werbetypen.

2.2 Verschiedene Arten von Werbung

Werbung kann in Above-the-Line und Below-the-Line unterteilt werden. Unter Above-the-Line-Werbung versteht man die klassische Werbung, also die Werbung, der sich die Massenmedien als Werbeträger bedienen. Darunter fällt die Werbung in Printmedien, Rundfunk, sowie Kino- und Außenwerbung. Siegert und Brecheis fassen Above-the-Line-Werbung wie folgt zusammen: „Werbung, die sich in Form von Anzeigen und Spots sowie anzeigen- oder spotähnlichen Werbemitteln öffentlich zugängiger Werbeträger bedient.“[11]

Im Gegensatz dazu steht die Below-the-Line-Werbung. Während die klassische Werbung für jedermann als solche zu erkennen ist, handelt es sich bei der Below-the-Line-Werbung um versteckte Werbung, die, wenn überhaupt, nur für den direkt Beworbenen als Werbung identifiziert werden kann. Dazu zählen nahezu alle Werbe- und Kommunikationsformen, die nicht als klassische Werbung bezeichnet werden können. Dabei werden meist auf unkonventionellen Kommunikationswegen die Kunden direkt angesprochen.[12] Als Beispiel können hier Artikel über Produkte herangezogen werden, die den Eindruck vermitteln, der Journalist hätte wertfrei über das Produkt berichtet, wobei hingegen der Herausgeber für indirekte Werbung in solchen Artikeln bezahlt wird. Below-the-Line-Werbung kann wie folgt definiert werden: „Unspezifische Sammelkategorie, zu der summarisch alle von der klassischen Werbung (Mediawerbung) abweichenden Formen gezählt werden.“[13]

Auch Direktwerbung, welche auch der Below-the-Line-Werbung zugeordnet werden kann, erweist sich als schwer definierbar, da die Kriterien, die die klassische Werbung von der Direktwerbung abgrenzen immer weniger werden. Direktwerbung ermöglicht es mit dem Rezipienten direkten Kontakt aufzunehmen, wobei hier eine Form der Kontaktadresse benötigt wird. Diese kann in Form einer Telefon- oder Faxnummer, einer Internet- oder postalischen Adresse aussehen. Direktwerbung tritt beispielsweise in Form von Dauerwerbesendungen des Home-Order-Televisions, Telefonsex-Hotlines und Werbespots für Handyklingeltöne auf. In der Print-Werbung werden auch Antwort-Coupons und bei Mailings und Katalogen Bestellformulare und Rückantwortkarten zu der Direktwerbung gezählt.

Allen gemein ist, dass sie so gekennzeichnet werden, dass die Werbungtreibenden den Responce direkt messen und dem jeweiligen Werbeträger bzw. Werbemittel direkt zurechnen können. Zumindest die quantitative Werbeerfolgskontrolle wird damit wesentlich leichter als in der klassischen Werbung.[14]

Auch ist eine Abgrenzung zwischen Marketing und Werbung notwendig, da diese Begriffe häufig fälschlicherweise synonym gebraucht werden. Der wesentliche Teil der Marketingtheorie beschreibt Marketing als marktorientierte Unternehmensführung. Diese bedient sich verschiedener Instrumente, wie der Werbung, Verkaufsförderung oder persönlichem Verkauf. Bei Werbung handelt es sich also um ein Instrument der unternehmerischen Kommunikationspolitik, die wiederum einen Teilbereich des Marketings darstellt.[15]

3. Medienwirkungs- vs. Mediennutzungstheorien

3.1 Reiz-Reaktion-Mechanismen

3.1.1 Klassische Konditionierung

Die klassische Konditionierung zählt zu den behavioristischen Lerntheorien. Sie beruht auf der Schaffung bedingter Reize. Dabei wird zunächst ein natürlicher Reiz („unconditioned stimulus: UCR“) ausgelöst, welcher einen natürlichen Reflex („unconditioned reflex: UCR“) hervorruft.[16] Daraufhin wird ein weiterer natürlicher Reiz präsentiert, der keine Reaktion hervorruft. Werden die beiden Reize zusammen oder kurz nacheinander dargeboten, verbinden sie sich nach zahlreichen Wiederholungen, sodass nach Weglassen des ersten Reizes, der zweite Reiz ebenfalls die natürliche Reaktion auslöst.[17]

Berühmt wurde die klassische Konditionierung durch das Hundeexperiment von Pawlow. Er beobachtete, wie der Hund beim Anblick von Fleisch Magensaft absonderte. Dies stellte die natürliche Reaktion auf einen natürlichen Reflex dar. Das Klingeln einer Glocke löste bei dem Hund keinen Reflex aus. Daraufhin wurde die Glocke zeitgleich mit dem Reichen des Fleisches geklingelt und nach mehrmaligen Wiederholungen, wurde das Fleisch weggelassen und das alleinige Klingeln der Glocke löste den Reflex des Speichelflusses aus. Das Klingeln der Glocke wurde so zu einem bedingten Reiz („CR“). Somit findet bei der klassischen Konditionierung, ein Lernvorgang durch die Erzeugung bedingter Reflexe statt.[18]

Auch im Humanbereich lässt sich ein Experiment finden, bei dem eine Konditionierung durchgeführt wurde. Watson und Rayner konditionierten 1920 den kleinen Albert so, dass er Angst vor Ratten bekam.[19] Immer wenn Albert eine Ratte berührte, vor denen er zunächst keine Angst verspürte, wurden hinter seinem Rücken zwei Eisen Stangen zusammen geschlagen, was einen lauten Knall verursachte. Der Lärm erschreckte Albert, sodass er nach einigen Wiederholungen zu schreien begann, sobald er eine Ratte sah.[20]

Das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern ist das einfachste Modell zur Beschreibung eines Kommunikationsprozesses.

Es enthält die drei Elemente Kommunikator, Stimulus und Rezipient, für deren Interaktionszusammenhänge im Alltag eine Vielzahl von Metaphern bestehen. Diese lassen sich entweder als Transport von irgendwas beschreiben, oder sie verweisen direkt auf Kommunikation, indem Rollen oder Positionen im Kommunikationsprozess (Sender, Rede, Leser etc.) bezeichnet werden. Diese einfache Auffassung von Kommunikation prägt weitgehend das Verständnis von Kommunikation, obwohl es sich als unhaltbar erwiesen hat.[21]

Der Stimulus erzeugt stets die gleiche Wirkung. Das Modell stütz sich auf Transitivität, Proportionalität, Kausalität und Passivität. Transitivität verweist hier auf Informationsvermittlung und Austausch. Proportionalität impliziert eine Wechselwirkung zwischen der Stärke der Stimulation und der Stärke der Wirkung. Dem Rezipienten wird bei diesem Modell Passivität unterstellt, sodass er der Wirkung wehrlos ausgeliefert ist. Zudem soll ein kausaler Zusammenhang zwischen der Wirkung und der sie hervorbringenden Ursache hergestellt werden.[22]

3.1.2 Konditionierung des Menschen durch die Medien

Nach Kroebel-Riel und Meyer-Hentschel gibt es nur wenige Verhaltensweisen, die stark kognitiv kontrolliert und gesteuert werden. Die Menschen nehmen ihre Handlungsalternativen nur sehr begrenzt bewusst wahr und handeln aus einer Selbstverständlichkeit heraus. Gesellschaftliche Tabus, Sitten und Gebräuche usw. führen zu einer Handelsweise, die nach einem bestimmten Schema verläuft, welches nicht in Frage gestellt wird.[23] Kroebel-Riel und Meyer-Hentschel erkennen dem einzelnen Individuum die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit also ab und weisen selbst bei der Entscheidung zwischen Konsumgütern dem Einzelnen nur eine geringe kognitive Kontrolle über das Verhalten zu. Der Kunde verhält sich aufgrund seiner spontanen Gefühlsregungen meist impulsiv und nur teilweise überlegt. Sie schätzen den Anteil an kognitiv kontrollierten Kaufentscheidungen auf 15 bis 20 Prozent, der Anteil an teilweise überlegten Kaufentscheidungen auf 30 Prozent und die rein emotionsgesteuerten Kaufentscheidungen liegen nach Kroebel-Riel und Meyer-Hentschel bei mindestens 50 Prozent.[24] Sie unterstellen dem einzelnen Individuum eine sehr geringe Entscheidungsfreiheit und Entscheidungsrationalität. Sie beschäftigten sich bevorzugt mit reaktivem Verhalten, also unkontrolliertem Verhalten auf dargebotene Reize. Als Beispiel führen sie Impulsivkäufe auf, bei denen der Konsument ein Produkt wählt, weil ihm die Verpackung ins Auge sticht oder er nimmt Informationen auf, ohne auf den sachlichen Inhalt zu achten, sondern weil sie ihn auf emotionaler Ebene ansprechen.[25] Dabei folgt auf einen Reiz regelmäßig eine bestimmte Reaktion. Dem Menschen ist die Reiz-Reaktionsfolge im Allgemeinen nicht bewusst. „Der ausgelöste Reiz kann ein Symbol (Wort, Bild) oder ein Gegenstand (Produkt, Verkäufer) sein. […] Fernsehzuschauer werden erregt, wenn sie eine erotische Szene beobachten. Sie können nicht anders und sie können nichts dafür!“[26] Diese Reaktion kann sich im Marketing zunutze gemacht werden, indem beispielsweise Autos mit schönen Frauen präsentiert werden und die Fahrzeuge dadurch attraktiver wirken. Durch eine Befragung der Personen wird deutlich, dass diese Wirkung unbewusst wahrgenommen wird, da 90 Prozent behaupten, dass die Attraktivität der Frauen keinen Einfluss auf die Wahrnehmung des Designs des Autos hat. Grund dafür sind zum einen biologisch vorprogrammierte Verhaltensweisen und zum anderen durch Lernen erworbene Verhaltensweisen. Diese von Reizen ausgelösten Reaktionen sollen fast zwanghaft wirken. Der Konsument reagiert auf viele Reize automatisch, wodurch eine Steuerung seines Verhaltens durch die Ausnutzung des reaktiven Verhaltens möglich ist.[27]

Kroebel-Riel und Meyer-Hentschel gehen sogar so weit zu behaupten, dass der Misserfolg vieler Marken darauf zurückzuführen sei, dass die Marktforscher den Endverbrauchern zu viel Rationalität zutrauen.[28] So kann die Einstellung zu Marken ohne sachliche Informationen lediglich durch emotionale Konditionierung beeinflusst werden, ohne dass sich der Umworbene dessen bewusst ist.[29]

Wenn ein bestimmter Begriff (z. B. eine Biermarke oder der Name eines Autos) uns häufig im Zusammenhang mit angenehmen Dingen präsentiert wird (z. B. Biermarke bei einem spannenden Fußballspiel oder Autoname mit attraktiven Menschen), dann verbinden wir – oft gar nicht bewusst – die positiven Gefühle, die ein spannendes Fußballspiel oder attraktive Menschen bei uns auslösen, mit den ursprünglichen neutralen Begriffen: Der Name des Biers erscheint uns attraktiv, der Name des Autos sympathisch. Wir unterliegen – wie so oft in der Werbung – den Prinzipien der klassischen Konditionierung.[30]

Die stetige Sättigung der Märkte und die damit einhergehende Angleichung der Produkte, führten dazu, dass rein informative Werbung immer weiter von der emotionalen Werbung verdrängt wurde.[31]

Um die Wirkung der emotionalen Konditionierung zu beweisen wurde in einem Experiment von Kroeber-Riel eine Situation im Kino nachgestellt, in der vor dem eigentlichen Film, Werbung gezeigt wurde.[32]

Die Werbung bestand u. a. aus Anzeigen für eine Seife mit dem Markennamen Hoba (bedingter Reiz), ein Name ohne emotionale Bedeutung für die Testpersonen. Die Anzeigen zeigten Fotos schöner Frauen, warmherziger Freundschaftsbeziehungen und beliebter Ferienlandschaften (unbedingte Reize), die Gefühle von Erotik, Wärme und Freude erzeugen sollten. Vierundzwanzig Stunden nach der Kinovorführung beschrieben die Untersuchungspersonen ihre Empfindungen gegenüber der Seife Hoba. Die Marke Hoba wurde im Unterschied zum Zeitpunkt vor der Kinovorführung nun stärker mit den Eigenschaften zärtlich, erlebnisreich, fröhlich und erregend verbunden, also mit Eigenschaften, die als Indikatoren der affektiven Einstellung interpretiert werden können.[33]

Es wird angenommen, dass die positiven Gefühle der Fotos auf die Marke übertragen wurden. Der zuvor unbekannten Marke wird somit eine Bedeutung verliehen. In diesem Beispiel wurde die Bedeutung des unbedingten Reizes (Warmherzigkeit der Freundschaft) mit dem unbedingten Reiz (die Marke) gekoppelt.[34] So sollte nach mehreren Wiederholungen, der Markenname die gleichen Reaktionen bei dem Konsumenten auslösen, wie die gezeigten Bilder. Dabei ist das Gelingen der Verknüpfung von der Anzahl der Wiederholungen, der mentalen Passivität des Konsumenten, der Reizstärke und der Gleichzeitigkeit der Präsentation von emotionalem Reiz und Marke abhängig.[35]

Als weiters bekanntes Experiment zur emotionalen Konditionierung von Markennamen kann der PEPSI-Test von Montague herangezogen werden. Sein Untersuchungsziel bestand darin, die Wirkung von Pepsi-Cola und Coca-Cola zu vergleichen. Hierfür bot er Probanden die beiden Cola-Sorten an, ohne dass sie wussten, um welche Cola es sich handelte. Die meisten bevorzugten die Pepsi-Cola. Mittels der fMRT-Technik untersuchte er, dass dabei das Belohnungszentrum im Gehirn fünfmal so stark, wie bei der Coca-Cola aufleuchtete.[36]

Staats und Staats betonen, dass eine gleichzeitige Darbietung der Reize genügt und der Rezipient den Zusammenhang zwischen dem Produkt und den Reizen nicht nachvollziehen braucht. Die emotionale Konditionierung von Markennamen erfolgt in zwei Schritten:

1. Prozeß: Die Konditionierung der Wortbedeutung: Ein Markenname wie „Tschibo-Kaffee“ wird durch fortwährende Darbietung zusammen mit angenehmen Reizen emotional aufgeladen. Er erhält für die Umworbenen dadurch eine positive Bedeutung.
2. Prozeß: Die Auswirkungen auf das Verhalten: Die emotionale Aufladung des Markennamens führt zu einer Änderung der Einstellung. „Tschibo-Kaffee“ wird aufgrund der stärkeren positiven Haltung tatsächlich vorgezogen.[37]

In der Werbung werden meistens nicht die Produkte selbst, sondern lediglich ihre Symbole, wie die Namen, Abbildungen u. Ä. dargestellt. Die Informationen, die der Rezipient erhält sind stets an die Symbole und nicht an die Produkte gebunden. Der Kunde verbindet zunächst mit dem Markennamen eine bestimmtes Emotion und nicht mit der Marke selbst. Es wird also versucht die Markennamen mit bestimmten, der Marke entsprechenden Emotionen zu belegen.[38]

Die Vermittlung von Emotionen in einer Werbung wird vor allem durch stoßkräftige Reize erreicht und muss mit dem angestrebten Image der Marke übereinstimmen. Die Reize müssen der angepeilten Zielgruppe entsprechen, den Rezipienten aktivieren können und sich wahrnehmbar von den Angeboten anderer Marken unterscheiden.[39] Dabei sind für die Vermittlung von Emotionen sowohl Bilder, Musik als auch Worte geeignet. Bilder eignen sich besonders gut, da sie weniger analytische Verarbeitung benötigen als Worte und deswegen sehr gut wahrgenommen werden und im Gedächtnis bleiben.[40] Nach Kroeber-Riel eignen sich biologisch vorprogrammierte Erlebnisschemata, wie erotische Darstellungen, kulturelle geprägte Erlebnisschemata, wie Landschaften, Verhaltensformeln, soziale Ereignisse und zielgruppenspezifisch gelernte Erlebnisschemata, wie Sport, Geschäftswelt, prominente Personen, Hausfrau und das Studentenleben.[41] Bei der Musik können sowohl bekannte Melodien, als auch neue Kompositionen verwendet werden, wobei bekannte Melodien bereits mit bestimmten Emotionen verbunden sind. Hier kann es zu einer Konditionierung höherer Ordnung kommen, welche wegen der unterschiedlichen Erfahrungen der Rezipienten mit dem Musikstück nur begrenzt kontrolliert werden können.[42]

Worte können die durch Bilder ausgelösten Emotionen verstärken aber auch selbst Emotionen auslösen. Sie können Sachverhalte nahe legen und Assoziationen an positive Erlebnisse auslösen. Häufig werden emotional besetzte Worte in scheinbar sachlichen Aussagen verwendet wie z. B. „Vertrauen“, „Sicherheit“ und „Qualität“.[43]

Nach Staats und Staats läuft emotionale Konditionierung meistens automatisch ab. Sie wirkt manipulativ und ohne, dass sich die Versuchsperson dessen bewusst ist.

Für die Wirkung der emotionalen Werbemaßnahmen genügt es, wenn die Werbung als solche (der Fernsehspot oder die Anzeige) wahrgenommen wird. Eine gedankliche Auseinandersetzung mit der Werbung ist nicht erforderlich. Die Reizwahrnehmung entfaltet automatisch und ohne gedankliche Mitwirkung der Betroffenen ihre Wirkung.[44]

Emotionale Konditionierung wirkt insbesondere bei nicht erklärungsbedürftigen Produkten und bei solchen, bei denen der Konsument nicht an sachlichen Informationen interessiert ist. Auch bei Produkten, die sich nicht sonderlich von der Konkurrenz unterscheiden macht die Anwendung von emotionaler Konditionierung Sinn.[45] Bei vielen etablierten Konsumgütern vertraut der Konsument ohnehin darauf, dass die Produkte einem vorgegebenen Standard entsprechen. Die Vorzüge der einzelnen Marken werden dann lediglich aufgrund des emotionalen Erlebniswertes unterschieden. Diese Bedingungen sind unter anderem auf Konsumgütermärkten für Reinigungsmittel, Nahrungsmittel und Genussmittel zu finden. Hier kann die Werbung emotional aufgeladen werden, ohne eine einzige Information über die

[...]


[1] Im Folgenden verwende ich aus Gründen der Übersichtlichkeit das generische Maskulinum. Selbstverständlich ist dabei stets auch die weibliche Form gemeint.

[2] Joachim Bongard: Werbewirkungsforschung. Grundlagen – Probleme – Ansätze. 2002 Münster, S. 3.

[3] Vgl. Gabriele Siegert und Dieter Brecheis: Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft: Eine kommunikationswissenschaftliche Einführung. 2010 Wiesbaden, S.24-36.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Gundolf Meyer-Hentschel: Alles was Sie schon immer über Werbung wissen wollten. 1996 Wiesbaden, S. 9.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Vgl. ebd.

[10] Michael Schenk, Joachim Donnerstag, Joachin Höflich: Wirkungen der Werbekommunikation. 1990 Köln, S. 5.

[11] Gabriele Siegert und Dieter Brecheis: Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft, S. 34.

[12] Vgl. ebd.

[13] Ebd. S. 36.

[14] Ebd. S. 37.

[15] Vgl. ebd. S. 45-46.

[16] Vgl. Hartwig Schröder: Lernen – Lehren – Unterricht. 2002 München/ Wien, S. 33.

[17] Vgl. ebd.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. Rudi F. Wagner; Arnold Hinz; Adly Rausch; Brigitte Becker: Modul pädagogische Psychologie. 2009 Bad Heilbrunn, S. 28.

[20] Vgl. ebd.

[21] Siegfried. J. Schmidt: Handbuch Werbung. 2004 Münster, S. 251.

[22] Vgl. ebd. S. 252.

[23] Vgl. Werner Kroebel-Riel; Gundolf Meyer Hentschel: Werbung. S. 13.

[24] Vgl. ebd. S. 14.

[25] Vgl. ebd.

[26] Ebd. S. 15.

[27] Vgl. ebd.

[28] Vgl. ebd. S. 20.

[29] Vgl. ebd. S. 122.

[30] Ebd. S. 29.

[31] Vgl. Evelin Baszczyk: Werbung. Frau. Erotik. 2003 Marburg, S. 65.

[32] Vgl. Klaus Moser: Wirtschaftspsychologie. 2007 Heidelberg, S. 91.

[33] Ebd. S. 91-92.

[34] Vgl. ebd. S.92.

[35] Kerstin Hiller: Werbung als Schlüsselfaktor bei der Einführung neuer Produkte. 2007 Wiesbaden, S. 110.

[36] Vgl. Evelin Baszczyk: Werbung. Frau. Erotik. S. 65.

[37] Werner Kroebel-Riel; Gundolf Meyer-Hentschel: Werbung. S. 119.

[38] Vgl. ebd. S. 120.

[39] Vgl. Lutz von Rosenstiel und Alexander Kirsch: Psychologie der Werbung. 1996 Rosenheim, S. 115.

[40] Vgl. ebd.

[41] Vgl. ebd. S. 116.

[42] Vgl. ebd.

[43] Ebd.

[44] Werner Kroeber-Riel und Gundolf Meyer-Hentschel: Werbung. S. 122.

[45] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Werbung in der Medienforschung
Hochschule
Universität Paderborn
Veranstaltung
Medienpädagogik
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
41
Katalognummer
V310053
ISBN (eBook)
9783668085039
ISBN (Buch)
9783668085046
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbung, Medienforschung, Werbeforschung, Medienwissenschaft, Medienpädagogik, Einfluss der Werbung, Mediennutzungstheorien, Konditionierung
Arbeit zitieren
Irina Palatai (Autor:in), 2010, Werbung in der Medienforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310053

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