Zur »Konsumwirklichkeit« im Nationalsozialismus der Stadt Augsburg 1933 bis 1945


Thesis (M.A.), 2013

98 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

Einleitung ... 1

1 Zum Wirtschaftsaufschwung im Nationalsozialismus ... 3

1.1 Die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands Anfang der 1930er Jahre ... 3

1.2 Forschungskontroverse: Die These vom "Koma vor der »Machtergrei-fung«" versus die These vom "Krisenwendepunkt im Herbst 1932" ... 4

1.2.1 Über die Wirkung der NS-Konjunkturprogramme des Jahres 1933 ... 4

1.2.2 Über die Wirkungen des "Neuen Plans" von 1934 ... 8

1.2.3 Über die Wirkung des "Vierjahresplans" von 1936 ... 11

1.3 Zusammenfassendes Zwischenfazit ... 14

2 Zum Konsum im Nationalsozialismus ... 16

2.1 Definition: Konsum/Konsumgesellschaft (C. Keinschmidt) ... 17

2.2 Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Rüstungswirtschaft & Konsumausweitung aufgezeigt am Beispiel Augsburgs ... 18

2.2.1 Produktions- & distributionspolitische Maßnahmen ... 18

2.2.1.1 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit ... 19

2.2.1.2 "Hurrah, die Butter ist alle!" – Zur Verwaltung des Mangels ... 30

2.2.1.3 Die Lage auf dem Markt: Ein Zwischenfazit ... 50

2.2.2 Lohn- & Preispolitik: Eine Betrachtung im Spiegel der amtlichen Statistik ... 52

2.2.2.1 Die Entwicklung der Löhne & Gehälter ... 53

2.2.2.2 Die Entwicklung der Preise ... 62

2.2.3 Vom Volksempfänger zum Volkswagen – Zur Rolle der "Volksprodukte" ... 69

2.2.3.1 "Radio für jeden Stand!" ... 70

2.2.3.2 Massentourismus durch »Kraft durch Freude«? ... 73

2.2.3.3 Die Technisierung des Haushalts ... 76

3 Zusammenfassendes Fazit und Ausblick ... 78

Anhang: Quellenmaterial ... 84

A.1 Zeitungsausschnitte ... 84

A.2 Statistisches Datenmaterial ... 86

Verzeichnisse ... 89

V.1 Abkürzungen ... 89

V.2 Abbildungen/Tabellen ... 91

V.3 Quellen /Literatur ... 89

Groß ist die Zeit – doch klein sind die Portionen

Was hilft es, wenn Hitlers Fahnen wehn?

Wenn unter diesen Fahnen heute schon Millionen

Viel weniger Brot und keine Freiheit sehn! Lied der Augsburger Wohlfahrts-Erwerbslosen[1]

Einleitung

Lange Zeit diente die Geheime Staatspolizei als zentrale Überwachungs- und Verfolgungsinstanz des »Dritten Reiches« dem Nachkriegsdeutschland zur Rechtfertigung der eigenen Beteiligung am Nationalsozialismus.[2] Die "Einordnung in die ‚Volksgemeinschaft‛" war solchen Erklärungsmustern zufolge durch die Erzeugung eines allgegenwärtigen Klimas der Angst und Bedrohung erzwungen worden. [3] In den 1980er und 1990er Jahren unternommenen, retrospektiven Befragungen von bis zu 3.000 Zeitzeugen gaben allerdings mehr als drei Viertel der Befragten an, sich während der Zeit des Nationalsozialismus niemals von der Staatsgewalt bedroht gefühlt zu haben.[4] Dass sich das NS-Regime entgegen einstiger Rechtfertigungsversuche insgesamt auf eine weitreichende Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung stützte, zeigen ferner auch andere sozialwissenschaftlich angelegte Studien.

Mit Götz Alys "Hitlers Volksstaat" geriet im Jahr 2005 nun ein Buch in den Blick der Öffentlichkeit, das die "Symbiose von Volksstaat und Verbrechen" thematisiert und damit einen anderen, nämlich die Perspektive wechselnden Forschungsansatz "von der Elitenverantwortung" hin "zum Nutznießertum des Volkes" vollzieht. Die darin aufgestellte These von einer »Gefälligkeitsdiktatur«, die ihre Bürger mit steuer- und sozialpolitischen Konzessionen sowie mittels der Verbreitung des "Gefühl[s] von ökonomischer Erholung" oder besser gesagt durch die in Aussichtstellung "einer nahen Zukunft, in der das Geld [quasi] auf der Straße liegen" bzw. "in der Milch und Honig fließen" würde, bestochen habe, erfährt am Ende des Buches ihre Zuspitzung in einem Zitat eines britischen Offiziers namens Julius Posener, der im April 1945 festgestellt haben soll: "Die Leute entsprachen der Zerstörung nicht. Sie sahen gut aus, rosig, munter, gepflegt und recht gut gekleidet. Ein ökonomisches System, das von Millionen fremder Hände und mit dem Raube desganzen Erdteiles bis zum Ende aufrechterhalten wurde" – so heißt es weiter –, zeige "hier seine Ergebnisse." [5]

Angesichts solch pointierter Aussagen, die eine materielle Anhebung der Versorgungslage der breiten Bevölkerung behaupten, hat es sich diese Arbeit, die das Lied der Augsburger Wohlfahrtserwerbslosen zum Titel hat, zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Lebensstandards der Bevölkerung im Nationalsozialismus einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Hierfür wird, nach einer knappen Hinführung zum Thema, in einem ersten Schritt die Frage nach der Existenz eines spezifischen NS-"Wirtschaftswunders" aufgeworfen, zu deren annähernden Klärung zwei sich widersprechende Forschungsmeinungen gegenübergestellt werden. Hauptgegenstand dieser Ausführungen werden einige wirtschaftspolitische Maßnahmen der Regierung Hitler sowie deren Auswirkung auf die Wirtschaft selbst sein.

Erst in einem zweiten Schritt, der die Frage nach der Existenz einer NS-"Konsumgesellschaft" thematisiert, werden nach einer kurzen Erläuterung, was unter den Begriffen »Kon-sum« und »Konsumgesellschaft« zu verstehen ist, diejenigen konsumlenkenden- und beschränkenden Maßnahmen näher in den Blick genommen, die für die Entwicklung des privaten Konsums, aber auch für die Einstellung der Bürger zum Nationalsozialismus nicht folgenlos bleiben sollten. Neben produktions- und distributionspolitischen Eingriffen sowie Eingriffen in die Lohn- und Preisgestaltung kommen hier also auch die so genannten "Volksprodukte" und deren Funktion zur Sprache.

In einem dritten und letzten Schritt werden die gewonnenen Ergebnisse dann schließlich zusammengeführt und die Frage, ob die Regierung Hitler eine "Gefälligkeitsdiktatur" – wie Aly unterstellt – etablierte, noch einmal angerissen.

1 Zum Wirtschaftsaufschwung im Nationalsozialismus

1.1 Die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands Anfang der 1930er Jahre

Spätestens seit 1933 besserte sich die wirtschaftliche Situation Deutschlands zunehmend: Die Zahl der Arbeitslosen, die in den Jahren der Weltwirtschaftskrise (1929-1932) ein bisher noch nie gekanntes Ausmaß erreicht hatte, verminderte sich derart sprunghaft, dass nur wenige Jahre später sowohl im In- als auch im Ausland von einem Wirtschaftsboom die Rede sein sollte, für den "händeringend Arbeitskräfte gesucht wurden". Unter dem Eindruck, die deutsche Wirtschaft sei nach der nationalsozialistischen »Machtergreifung« "wie der Phönix aus der Asche" wieder emporgestiegen, [6] scheint sich im Bewusstsein scheinbar einer ganzen Generation allmählich der Glaube manifestiert zu haben, dass die einsetzende Wirtschaftserholung einzig und allein auf die Entschlossenheit der Person Adolf Hitlers und seiner Regierung zurückzuführen sei.

Dieser Umstand wurde durch die Fähigkeit des NS-Regimes unterstützt, sich werbewirksam zu präsentieren. Schon im Zuge der Gleichschaltung von Presse und Rundfunk, die bereits im Sommer 1933 abgeschlossen war, sorgten anlässlich des Wirtschaftsaufschwungs allseits zu vernehmende mediale Jubelrufe dafür, dass die wirtschaftlichen Erfolge nicht nur nicht in Vergessenheit gerieten, mittels Schlagzeilen wie "Der neue Geist schafft Arbeit und Brot" (s. Anhang A.1 Abb. A.1-1) sorgten sie auch dafür, dass der Glaube an den Nationalsozialismus – dem mutmaßlichen Architekten des »deutschen Wirtschaftswunders« – stets aufs neue genährt wurde. Nur allzu genau wissend, dass neben der Fähigkeit, ein bestimmtes Konsum-niveau sicherzustellen, v. a. die Schaffung von Arbeitsplätzen zu einer der wichtigsten Legitimationsgrundlagen politischer Herrschaft gehört, wurden Schlagzeilen solcher Art dabei nicht müde, immer wieder auch die sinkenden Arbeitslosenzahlen zu skandieren. Während diesbezüglich angebrachte Vergleiche mit dem europäischen Ausland dem Leser suggerieren sollten, dass die Regierung Hitler Deutschland zum "erfolgreichsten Land im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit" [7] gemacht habe, verkündeten in den Betrieben aufgehängte Plakate dem Arbeiter ihrerseits: "Deinen Arbeitsplatz verdankst Du dem Führer".[8] Aber: War dem wirklich so? Konnte Hitler wirklich als Überwinder der Arbeitslosigkeit und damit als Initiator eines »Wirtschaftswunders« gelten?

1.2 Forschungskontroverse: Die These vom "Koma vor der »Machtergreifung«" versus die These vom "Krisenwendepunkt im Herbst 1932"

Zunächst einmal besteht innerhalb der Forschung Einigkeit darüber, dass der Tiefpunkt der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise in Deutschland bereits 1932 erreicht wurde. Strittig ist jedoch, ob der Krisentiefpunkt gleichzeitig auch einen Krisenwendepunkt markierte – mit anderen Worten also auch die Frage, welchen Beitrag das NS-Regime zum wirtschaftlichen Aufschwung für das Jahr 1933 entgegen der eigenen Propaganda tatsächlich geleistet hatte. Um zu einem angemessenen Urteil in dieser Frage gelangen zu können, werden im Folgenden deshalb zwei miteinander konkurrierende Thesen – nämlich einmal die These vom "Koma vor der ‚Machtergreifung‛" (W. Abelshauser) und zum anderen die These vom "Krisenwendepunkt im Herbst 1932" (C. Buchheim) – zu einer näheren Untersuchung gegenübergestellt. Dabei soll die Betrachtung einiger der von den Nationalsozialisten eingesetzten Maßnahmen, die augenscheinlich zu einer Abnahme der Arbeitslosigkeit und damit zur Mystifizierung Hitlers als Überwinder der Arbeitslosigkeit beigetragen haben, nicht außer Acht gelassen werden.

1.2.1 Über die Wirkung der NS-Konjunkturprogramme des Jahres 1933

Werner Abelshauser vertritt die These, dass sich die Konjunktur zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« zunächst auf ihrem niedrigsten Niveau nahezu stabilisiert, die deutsche Wirtschaft also trotz der Konjunkturprogramme der Vorgängerregierungen gewissermaßen in einem "Koma" verharrt hätte. Zu einer "Trendwende" oder gar einem "Ende der Depression" sei es – so die Argumentationslinie – insbesondere mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen, die zum Jahreswechsel 1932/33 sogar einen den Vorjahreswinter noch übertreffenden Tiefstand erreichten, bis dato aber nicht gekommen. Erst die Regierung Hitler habe es – nämlich mittels einer dem keynesianischen Ansatz [sic!] folgenden Krisenpolitik, d. h. im Wesentlichen mittels kreditfinanzierter Arbeitsbeschaffungsprogramme in Milliardenhöhe – vermocht, die für den Januar 1933 in den Arbeitsamtstatistiken ausgewiesene Zahl der Arbeitslosen von 6.014.000 auf 3.745.000 im September bzw. auf 4.059.000 im Dezember desselben Jahres zu reduzieren.[9]

Der Rückgang der Arbeitslosenzahl in dieser Größenordnung ist, selbst wenn dieser zum Teil auch auf beschönigende Veränderungen in der statistischen Erfassung zurückzuführen ist, in der Tat beträchtlich und – wie auch Christoph Buchheim festhält – mit saisonalbedingten Schwankungen nicht zu erklären. Anders als Abelshauser jedoch, sieht er die Ursache dieser Entwicklung nicht in der nationalsozialistischen Konjunkturpolitik, sondern im Werk "spontaner Auftriebskräfte", d. h. v. a. in den der »Machtergreifung« vorausgegangenen Investitions- und Produktionssteigerungen begründet, die einerseits durch die "Reinigungsfunktion" der Weltwirtschaftskrise, andererseits aber auch durch die verzögert einsetzenden Wirkungseffekte der Arbeitsbeschaffungsprogramme der Vorgängerregierungen bereits schon im Herbst 1932 zum tragen kamen.[10] Von der bloßen Verwendung der Arbeitslosenzahl als einen zuverlässigen Frühindikator konjunktureller Wendepunkte schon deshalb nichts haltend, weil die Zahl der unsichtbaren, also nicht registrierten Arbeitlosen in dem Maße zunehmen musste, als "die Anspruchsvoraussetzungen der Arbeitslosenunterstützung im Verlauf der Krise verschärft und ihre Höhe und Bezugsdauer wiederholt stark gekürzt wurden"[11], hält Buchheim der Abelshauserschen These entgegen, dass von den nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Jahres 1933 kaum eine, die wirtschaftliche Erholung ausreichend erklärende Wirkung ausgegangen sein könne. Denn erstens – so die Begründung – sei dem Kraftfahrzeugsteuergesetz vom 10. April, das eine Steuerbefreiung für alle neu angeschafften Personenwagen und Motorräder vorsah, aufgrund des zeitlich schon früher einsetzenden Aufschwungs in der PKW-Produktion bereits im 1. Quartal 1933 eine deutliche Erhöhung der Zahl der Beschäftigten in der Automobilindustrie vorausgegangen. Zweitens – dies muss Abelshauser selbst einräumen – seien die im Rahmen des im Juni verabschiedeten Gesetzes über die Einrichtung des Unternehmens Reichsautobahn beschäftigten 3.900 Arbeiter in der Arbeitslosenstatistik des Jahres 1933 nahezu vernachlässigbar. Und drittens hätten von der am 1. Juni im ersten Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit bereitgestellten Milliarde RM für Maßnahmen zur direkten Arbeitsbeschaffung u. a. in Form von Instandsetzungs- und Tiefbauarbeiten aufgrund "unvermeidlicher Wirkungsverzögerungen" bis Ende 1933 insgesamt nur 95 Millionen RM ausgezahlt werden können. [12] Daneben – so Buchheim weiter – seien sowohl die im selben Programm enthaltene »Förderung von Eheschließungen« als auch die »Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen« aus konjunkturpolitischer Sicht von zweifelhafter Wirkung gewesen. Denn zum einen hätten die "in Form von Bedarfsdeckungsscheinen [für] Möbel und Hausgerät"[13] zur Förderung von Eheschließungen vergebenen Ehestandsdarlehen von bis zu 1.000 RM – Abelshauser bezeichnet sie als eine der "populärsten Maßnahmen" der Regierung Hitler und attestiert ihnen, ohne hierfür einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, eine nicht zu verkennende Auswirkung auf die Beschäftigung in der Verbrauchsgüterindustrie –[14] mit Blick auf den hiervon unbeeindruckten Umsatz des Einzelhandels v. a. dem vornehmlichen Zweck gedient, Frauen vom Arbeitsmarkt abzuziehen, war ihre Vergabe doch an die Aufgabe der weiblichen Berufstätigkeit gebunden. Jedenfalls spräche auch die Tatsache, dass die Summe der vergebenen Ehestandsdarlehen, von denen bis Ende 1935 etwa 523.000 bewilligt worden waren, bereits schon im Juli 1933 durch einen »die Ehestandshilfe« genannten Zuschlag zur Einkommenssteuer lediger Arbeitnehmer aufgebracht wurde – Abelshauser verliert hierüber kein Wort –, im besten Falle eher für eine Stag-nation des Einzelhandels. Die Steuerbefreiung für gewerbliche oder landwirtschaftliche Ersatzbeschaffungen von inländischen Maschinen und Geräten ohne Rationalisierungseffekt hingegen mochte ihrerseits zwar für die Arbeitslosenstatistik, weniger aber für Produktionssteigerungen nicht nur im hierdurch begünstigten Maschinenbau verantwortlich gewesen sein. [15]

Ohne weiter auf die nachfolgenden NS-Konjunkturprogramme des selben Jahres – hierzu zählen z. B. die Gesetze über Steuererleichterungen[16] vom 15. Juli sowie das 2. Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit [17] vom 21. September, das eine weitere halbe Milliarde RM für Umbau- und Reparaturmaßnahmen an Wohngebäuden, Zinssubventionen für Investoren sowie Steuerbefreiungen für Kleinwohnungen und Eigenheime in Aussicht stellte – näher eingehen zu wollen – aufgrund ihrer Datierung hatten die darin bereitgestellten Mittel ohnehin zunächst eher zu Mitnahmeeffekten geführt –, zieht Buchheim im Ergebnis seiner Ausführungen zunächst zwar wie Abelshauser den Schluss, dass – ähnlich wie im subven-tionierten Baugewerbe – sich im zweiten Halbjahr 1933 auch die Zahl der Inlandsaufträge des Maschinenbaus "[…] um knapp 40 Prozent und damit ebenso schnell wie im ersten", darüber hinaus aber auch in der Folgezeit weiter erhöhte. Unter Berufung auf die von Juli bis April 1934 wieder zunehmend schwächer werdende Produktivität der Automobilindustrie [18] sowie auf die seit Herbst 1932 ansteigenden Aktienkurse, die aufgrund der abwartenden Haltung privatwirtschaftlicher Investoren zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« wieder ins Stocken und trotz guter Gewinnerwartungen auch später nur knapp über das Weimarer Niveau angelangten, kommt er mit Blick auf die schon frühzeitig einsetzenden Markteingriffe von Seiten des NS-Staates jedoch nicht umhin festzustellen:[19] "Die Erholung von der Weltwirtschaftskrise in Deutschland, die im Herbst 1932 begann, setzte sich 1933 fort nicht wegen, sondern trotz der Usurpation der Macht durch die NS-Diktatur."[20]

Eine durchaus gewagte These, zumal die indirekt unterstellte Investitionsschwäche der Weimarer Republik allein der Hervorhebung des von Buchheim angenommenen Krisenwendepunktes dienlich ist – eine Unterstellung im Übrigen, für die es, wie Mark Spörer auf Basis eigener Berechnungen kritisch einwendet, keinen eindeutigen Beleg gibt.[21] Was aber unterscheidet nun die These Buchheims von der Abelshausers im Konkreten?

1.2.2 Über die Wirkungen des "Neuen Plans" von 1934

Dem oben Genannten ist zunächst zu entnehmen, dass Buchheim die Auffassung vertritt, dass sich mit den konjunkturpolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten bedrohliche Hemmungen für das weitere wirtschaftliche Wachstum ergeben hätten. Wie aber ist das zu verstehen? – stellt Buchheim das gesamtwirtschaftliche Wachstum der 1930er Jahre selbst, das – wie in Abb. 1-1 graphisch dargestellt – im Vergleich zu den anderen großen Volkswirtschaften weitaus dynamischer erscheint, wie Abelshauser doch ebenfalls nicht in Frage.

Abb. 1-1 Reales Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 1927-1940

[Dies ist eine Leseprobe. Grafiken und Tabellen sind nicht enthalten.]

Nun, im Kern geht es um die Frage, ob die nationalsozialistischen Konjunkturmaßnahmen willentlich auch eine Steigerung der Konsumgüterproduktion beabsichtigten. Buchheim verneint diese Frage entschieden und führt zur ihrer Begründung u. a. die einseitige Förderung rüstungsrelevanter Industriezweige sowie gemäß den auf Autarkie ausgerichteten Inhalten des neuen Plans auch empfindliche, v. a. die Konsumgüterindustrie treffende Importbeschränkungen von Rohstoffen des westlichen Raums an, die sich auch infolge der Faserstoffverordnung vom 19. Juli 1934 am schnellsten auf dem Gebiet der Textilindustrie bemerkbar machten.[22] So hatte der durch Einsparung von Devisen entstandene Rohstoffmangel bspw. für die Augsburger Textilindustrie, die nach einer Betriebszählung des Monats Juni 1933 zufolge zwar noch 107, 1935 aber nunmehr noch 106 Niederlassungen zählte,[23] schließlich zur Konsequenz, dass deren Beschäftigte spätestens ab September 1934 die 36-Stunden-Woche, speziell die der Kammgarnspinnerei "teilweise sogar [die] 24-Stundenwoche" sowie damit verbundene Lohnkürzungen hinzunehmen hatten.[24] Übertragen auch auf andere Konsumgüterindustrien musste eine solche Kettenreaktion zwangsläufig zu einer frühzeitigen, nicht mehr ausreichend zu befriedigenden Konsumgüternachfrage, aber auch zu einem weitestgehendem Ausbleiben privatwirtschaftlicher Neuinvestitionen nicht nur innerhalb der Konsumgüterindustrie führen. Letzteres – so die Argumentation Buchheims – galt umso mehr noch, als dass die Industrie auch nach 1933 weiterhin skeptisch hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Belebungsmaßnahmen des NS-Regimes blieb. Neuinvestitionen seien deshalb auch nur dann erfolgt, wenn der Staat Amortisationsgarantien, Mindestabnahmemengen oder Abschreibungsvergünstigungen versprach, was er in der Rüstungs- und Ersatzstoffindustrie zumeist auch tat. Ansonsten hätten die Unternehmer "lieber ihre bestehenden Kapazitäten bis zum letzten" ausgelastet, "einen erheblichen Teil der […] verdienten Mittel in Beteiligungen" investiert oder diese aus Liquiditätsgründen als sonstige Spareinlagen zurückgehalten.[25] Angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Investitionen nach 1936 durch die öffentliche Hand vertraglich abgesichert wurde, kann also festgehalten werden, dass es sich bei den nationalsozialistischen Wirtschaftsprogrammen um eine Staatskonjunktur handelte, die mittels indirekter Eingriffe in die Autonomie der Unternehmen – seien diese nun durch Import- wie Exportbeschränkungen, die Faserstoffverordnung oder Ähnlichem erfolgt – nach Buchheim schon vor dem Vierjahresplan zu Lasten der Konsumgüterproduktion ging. Nicht von ungefähr bezeichnet er das wirtschaftliche Wachstum – welches er, wie erwähnt, selbst nicht in Abrede stellt – denn auch als ein "deformiertes", das "höchstens bei sehr oberflächlicher Betrachtung als ein »Wirtschaftswunder«" gedeutet werden könne.[26]

Anders dagegen Abelshauser, der trotz der Bestimmungen des Neuen Plans in den nationalsozialistischen Konjunkturmaßnahmen der Jahre 1933 bis 1936 eine ausschließlich keynesianische Wirtschaftspolitik zu erkennen glaubt, die es, gerade weil sie von einer staatlich gelenkten Planwirtschaft absah und die unternehmerische Autonomie formal nicht anzutasten trachtete, vermocht haben soll, die Investitionstätigkeit der Großunternehmer – auch die der Konsumgüterindustrie zugehörigen – bedeutend zu steigern, zumal diese sich mit den "konjunkturpolitischen Milliardenprogrammen" wie auch den Aufrüstungsplänen der Regierung Hitler "umso leichter" angefreundet hätten, als auch "die längerfristigen Aussichten durch die [1934 vollzogene] Ausschaltung der gewerkschaftlichen Gegenmacht"[27] zusätzliche Gewinnchancen zu versprechen schienen. Denn – so die Argumentation – auch wenn die Rüstungsausgaben seit 1935 das Ausmaß der öffentlichen Investitionen nicht unwesentlich überstiegen, so hätten diese hinsichtlich des konjunkturellen Aufschwungs doch die zivilen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in ihrer Schrittmacherfunktion ersetzt. Indem nämlich die Rüstungsausgaben – angesichts der weiten institutionellen Aufspaltung im Einzelnen freilich nur schwerlich aufzuschlüsseln – u. a. auch Ausgaben für Verpflegung und Versorgung der Wehrmachtsangehörigen sowie Ausgaben für Bau und Instandhaltung von Kasernen vorsahen, trugen sie einerseits zur Entstehung neuer Arbeitsplätze, andererseits aber auch zu einer erhöhten Nachfrage an bestimmten Baustoffen und zu guter Letzt durch die Ausdehnung der Kaufkraft auf einen größeren Teil der Bevölkerung und den schon 1934 durchgesetzten Lohnstopp auch zu einer flächenmäßig breiteren Nachfrage an Konsumgütern bei. [28] Aus einer jüngst über die Stadt Augsburg veröffentlichten Arbeit von Gerhard Fürmetz und Michaela Haibl geht denn auch hervor, dass die 1934 begonnene und bis 1937 abgeschlossene Ausweitung der "kleinen Augsburger Reichswehrwerbestelle" zu einem militärischen Stan-dort beträchtliche Impulse nicht nur für das lokale Baugewerbe, sondern auch für Zulieferfirmen, Fachhandwerker, Gastronomien und Brauereien brachte, die sich einerseits in erhöhten Gewinneinnahmen, zur Freude der Kommune andererseits aber auch "in erhöhter Gewerbesteuer" bemerkbar machten. Einem Zeitzeugenbericht zufolge sei der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt Augsburg dementsprechend auch erst mit den umfangreichen militä-rischen Baumaßnahmen gekommen.[29] Ob eine »symbiotische Verflechtung« dieser Art aber tatsächlich auch zu einer spürbaren Erhöhung der Konsumchancen und damit zu einer Verbesserung des Lebensstandards des Großteils der Bevölkerung führte, sei an dieser Stelle zunächst noch dahingestellt. Nach Abelshauser wäre es aufgrund ausgelasteter Produktionskapazitäten, aber auch aufgrund der "unaufhaltsam" angestiegenen Massenkaufkraft jedenfalls erst ab Mitte 1936 zu ernstzunehmenden Versorgungsengpässen gekommen, die nun umso mehr zu einer Entscheidung "über die künftigen Prioritäten im Produktionsprogramm der deutschen Volkswirtschaft"[30] drängten, als das sie die Rüstungspläne der Regierung Hitler in Frage stellten. In einem Schreiben Walther Darrés, der den Ernst der Devisenlage eben-so erkannt hatte wir die gefährdete Versorgungslage, heißt es hierzu u. a.:

"Nach dem Ergebnis der letzten Schweinezählung (3.12.1935) haben wir ein Anziehen der Produktion von Schweinen feststellen müssen, das eine Entspannung der Fleisch- und Fettversorgungslage aus inländischer Erzeugung – die erforderliche Futtermenge vorausgesetzt – zur Folge haben müsste. Das Ausbleiben der Einfuhr von Futtergetreide […] führt nun demgegenüber zu folgendem: Die Schweineproduktion kann sich nicht so entfalten, wie es nach dem vorhandenen Schweinebestand hätte sein können und vom Versorgerstandpunkt aus hätte sein müssen. Trotzdem ist der Futterbedarf für Schweine und darüber hinaus für alle Viehhaltungen immer noch so groß, daß darin wegen des Fehlens des Futtergetreides eine Gefährdung der Brot- und Speisekartoffelversorgung liegt."[31]

War der Verbraucher aufgrund »überzogener« Konsumwünsche nun etwa selbst Schuld an dieser Misere? – Mitnichten, war die Entscheidung über die Frage der Prioritäten im Produktionsprogramm – wie Abelshauser selbst einräumt – doch prinzipiell schon 1933 gefallen. Um die Rüstungsproduktion in dieser Situation aber nicht nur aufrechterhalten, sondern mit Blick auf die fortschreitenden Kriegspläne gegebenenfalls auch weiter intensivieren zu können, wurden schließlich Maßnahmen erforderlich, die schärfer in den Produktionsprozess eingriffen.[32]

1.2.3 Über die Wirkung des "Vierjahresplans" von 1936

In diesem Sinne trat zu dem weiter zu Ungunsten der Konsumgüterindustrie modifizierten Neuen Plan im September 1936 schließlich auch der Vierjahresplan hinzu, der wie der Erstgenannte zur Deviseneinsparung zwar ebenfalls auf eine "100%ige Selbstversorgung" all jener Wirtschaftsgebiete abzielte, "auf denen diese möglich" erschien. Zur Erreichung des obersten Zieles der Regierung Hitler, nämlich sowohl die Wirtschaft als auch die Armee innerhalb von vier Jahren in Kriegsbereitschaft zu versetzen – die Erweiterung des Lebensraumes zur Verbesserung der Rohstoff- und Ernährungsbasis galt 1933 schon als eine angeblich unabdingbare Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit des "deutschen Volkes" –, sah der Vierjahresplan darüber hinaus aber auch ein neues System der Wirtschaftslenkung vor, dem sich nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch der Verbraucher "bedingungslos unterzuordnen" hatte. Wenngleich nun auch mit dem Vierjahresplan keinesfalls eine staatliche Planwirtschaft errichtet wurde,[33] so wurden doch spätestens zu diesem Zeitpunkt die unter-nehmerischen Freiheiten – v. a. des Konsumgütersektors – stark beschränkt, bedeutete dieser neben der Schaffung neuer Bürokratien und der Ernennung von Sonderbeauftragten, die bspw. für die Rohstoffzuteilungen zuständig waren, doch gleichzeitig auch die Aufhebung der privaten Verfügungsgewalt über Investitionen. Im Ergebnis konnte die so vollzogene Ausrichtung der Wirtschaft auf Krieg freilich nicht ohne Folgen für die Konsumgüterproduktion bleiben. Dennoch hält Abelshauser die rüstungswirtschaftliche Umschichtung von den Verbrauchs- und den Produktionsgüterindustrien insgesamt jedoch für weitaus weniger umfassend, als das NS-Regime dem Ausland gegenüber aus taktischen Gründen glaubhaft machen wollte. Dementsprechend attestiert er dem Vierjahresplan auch einen »gelungenen« Kurswechsel vom Motto "Kanonen und Butter" hin zum Motto "soviel Butter wie nötig, soviel Kanonen wie möglich". Dass die hochgesteckten Rüstungsziele des Vierjahresplanes letztlich aber nicht erreicht werden konnten, führt er – neben den mit dem Vierjahresplan neu geschaffenen Reibungspunkten von konkurrierender Planung und Befehlsstruktur – v. a. auf die "fast ängstliche Sensibilität" des NS-Regimes "für die Stimmung innerhalb der Bevölkerung" zurück, in deren Folge es zwischenzeitlich zu einer auf Kosten rüstungsrelevanter Rohstoffimporte erfolgten Anhebung des Lebensstandards gekommen wäre. Bis in das Jahr 1942 hinein sei das um seine Legitimation »besorgte« Regime also auf diesem Kurs, der sowohl Elemente der Kriegs- als auch der Friedenswirtschaft enthalten hätte, verblieben.[34] An diesem Befund ändere schließlich auch die 10prozentige Abnahme der industriellen Beschäftigung innerhalb der Jahre 1939 und 1940, in denen infolge des Kriegsausbruchs offensichtlich die größte Verschiebung in Richtung Kriegswirtschaft stattfand, recht wenig, zumal es im Vergleich "mit der Katastrophe des Kriegsstoßes […] nach dem August 1914" zu einer "relativ geringen kriegsbedingten Störung des Produktionsprozesses [sic!]" gekommen wäre, stagnierte doch der Anteil der "engeren Rüstungsindustrie" – 1940 "noch bei bescheidenen 16 Prozent" gelegen – im Jahr 1941, während sich die Konsumgüterindustrie im gleichen Zeitraum nahezu unverändert bei rund 30 Prozent hätte halten können. Freilich muss Abelshauser zwar zugeben, dass von den produzierten Konsumgütern schon Ende 1940 etwa 40 bis 50 Prozent an das Militär abgeführt, d. h. diese dem zivilen Verbrauch entzogen wurden. Die Konsumgüterproduktion sei aber erst 1942 infolge einer Intensivierung der Rüstungswirtschaft, die ihrerseits erst das "Rüstungswunder" ermöglicht hätte, merklich zurückgegangen. [35] Im Zuge dieser Intensivierung – die, wie der Vierjahresplan deutlich macht, sicherlich erst einer die wirtschaftliche Struktur verändernde Vorbereitungszeit bedurfte – kam es denn schließlich auch zu einer Rationalisierung, und zwar im doppelten Sinne:

Um der veränderten Kriegssituation – die "Blitzkriegstrategie" war 1941 in der Sowjetunion ge-scheitert – gerecht werden zu können, sollte eine Vereinfachung der Rüstungsproduktion bei gleichzeitiger Leistungssteigerung erfolgen. Hierfür wurde die Rüstungsindustrie, nachdem es aufgrund von Ressourcenstreitigkeiten innerhalb der "vorherrschenden Planungsanarchie" bereits schon 1940 zur Gründung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und mit diesem zu einer besseren Koordination der Kriegswirtschaft gekommen war,[36] in ein von Fritz Todt entwickeltes, nach dem Best Practice Modell arbeitenden System von Ausschüssen und Ringen gegliedert. Die fünf Hauptausschüsse, zusammengesetzt aus den industriellen Sektoren Munition, Waffen, Panzerwagen, allgemeines Wehrmachtsgerät und Maschinen, hatten neben der Entwicklung von "Bestarbeitsplänen" dabei u. a. auch die Aufgabe, für die Zusammenlegung der Waffen- und Kriegsgerätproduktion in "Bestbetrieben" sowie für die Beseitigung der Typenvielfalt zu sorgen. Überwacht wurde dieser Vorgang, der gewissermaßen auf die Eigenverantwortlichkeit der Unternehmer setzte, aber schließlich durch den Rüstungsbeirat, der den Hauptausschüssen als oberstes Gremium übergeordnet war. Parallel dazu entstanden noch Entwicklungssausschüsse, deren Zuständigkeit sich auf die Standardisierung und Vereinfachung kriegswichtiger Produktionsmodelle erstreckte. Mittels dieser veränderten Struktur der Rüstungswirtschaft war es den zentralen Entscheidungsträgern nun möglich, sowohl Maschinen als auch Arbeitskräfte entsprechend der kriegsbedingten Bedarfslage von einem in den anderen Rüstungsbetrieb zu verlagern. Mit dem Tode Todts, der kurz zuvor noch die Stilllegung kriegsunwichtiger Betriebe und die Errichtung einer Planungsstelle für Rohstoff- und Produktionsfragen veranlasst hatte, erfolgte 1942 noch eine letzte organisatorische Rationalisierung: Albert Speer wurde nicht nur zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition, sondern auch zu Todts Nachfolger, d. h. zum Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan ernannt,[37] so dass nunmehr alle Stränge in einer Hand zusammenliefen. Im Ergebnis dieser doppelten Rationalisierung war es dem NS-Regime 1943 denn schließlich auch gelungen, 70 Prozent des nominellen Bruttosozialproduktes für Kriegszwecke zu mobilisieren.[38]

1.3 Zusammenfassendes Zwischenfazit

Vor dem Hintergrund einer drohenden Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bewirkte die Weltwirtschaftskrise, welche die kapitalistische Wirtschaftsordnung und mit ihr die in den Industrieländern vorherrschenden Machtverhältnisse prinzipiell in Frage gestellt hatte, die Herausbildung einer neuen, gleichsam die bisherigen Freihandelslehren ablösenden Theorie. Benannt nach ihrem Begründer John Maynard Keynes (1883-1946) geht diese Theorie unter der Erkenntnis, dass der Kapitalismus längst nicht mehr als ein "a priori intaktes System" angesehen werden könne, davon aus, dass die ökonomischen Grundgegebenheiten – die in jedem Falle beizubehalten wären – besonders in Krisenzeiten der regulierenden Eingriffe des Staates bedürfen. Da die keynesianische Theorie – hier gekürzt dargestellt – in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die entscheidende Größe sowohl für den Produktions- als auch für den Beschäftigungsgrad einer Gesellschaft sieht, bedingt durch die Krisenerfahrung gleichzeitig aber auch annimmt, dass selbige aufgrund einer unterstellten Sparneigung des Verbrauchers und eines ebenfalls unterstellten unternehmerischen Hangs zur Liquidität mehr als wechselhaft ist, will sie die auf diesem Wege entstandenen öffentlichen Defizite (deficit spending) durch staatliche Intervention behoben wissen. Damit das erwirtschaftete Sozialprodukt aber wieder in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess zurückgeführt und nachfragewirksam werden kann, ist die Vollbeschäftigung zwingend notwendig. Bereits die Vorgänger der Regierung Hitler haben diese durch die Vergabe von Investitionsanreizen – man denke z. B. an das Schleicher-Sofort-Programm, das auch als Vorlage für die NS-Programme diente – zu erreichen gesucht. Von der unternehmerischen Investitionstätigkeit (Multiplikator) selbst erhoffte man sich schließlich eine größere Nachfrage nach Produktions- und Konsumtionsmitteln, die ihrerseits – ein arbeitsteiliges Wirtschaftssystem vorausgesetzt – zu Nachfolgeinvestitionen (Akzelerato-ren) in weiteren, der Nachfrage entsprechenden Produktionszweigen und damit zu einer Produktionsausweitung und in der Folge auch zu einem hohen Beschäftigungsniveau führen sollten.[39] Nach Buchheim ist dieses Ziel nun insofern erreicht worden, als das der gegen Ende 1932 zu beobachtende Anstieg unternehmerischer Investitionstätigkeit auch die Auftragslage verbessert hat. Entsprechend der Theorie des Keynesianismus weist er gleichzeitig aber auch darauf hin, dass unternehmerische Investitionsentscheidungen längerfristig weniger von der künstlich erzeugten Nachfrage als viel mehr von den zu erwarteten Profiten abhingen. Es stellt sich also unweigerlich die Frage, ob der besagte Aufschwung bereits zum Jahreswechsel 1932/33, spätestens jedoch – und unter Ausklammerung der politischen Veränderungen – am Ende des Jahres 1933 fähig war, sich selbst zu tragen. Entgegen Buchheim verneint Abelshauser diese gewissermaßen spekulative Frage. Den Verdienst des Aufschwungs rechnet er denn auch allein den Konjunkturmaßnahmen der Regierung Hitler an, die obendrein dem key-nesianischen Ansatz gefolgt wären. Dass die Wirkung der NS-Konjunkturprogramme sich – wie Buchheim plausibel macht – im Wesentlichen erst ab 1934 entfalten konnte, das Regime also von den Wirtschaftsprogrammen der Vorgängerregierungen profitierte, lässt Abelshauser in seiner Haltung aber ebenso außer Acht, wie er auch die sich zum Nachteil des Konsumgütersektors auswirkenden produktions- und distributionspolitischen Eingriffe und mit ihnen die Militarisierung insgesamt verharmlost. Denn selbst wenn die schon frühzeitig militärisch ausgerichtete Wirtschaft enorm an Auftrieb gewonnen und auch der Konsumgüterindustrie wichtige Wachstumsimpulse gegeben haben mag, so ist doch nicht zu übersehen, dass sich eine solche ohne einen "starken Staat", der gleichzeitig ihr wichtigster Konsument ist, dauerhaft nicht halten kann. Gerade das ist es aber, was die keynesianische Theorie beabsichtigt: Eine reibungslos verlaufende, auf Massenkonsum ausgerichtete Wirtschaft. Der Staat hat hiernach alles daran zu setzen, dass die Verwertungsbedingungen der Investitionsmittel verbessert bzw. der Verbrauch im gesamtgesellschaftlichen Maßstab angehoben wird.[40] Freilich muss dieser Vorgang eine Militarisierung nicht zwangsläufig ausschließen, weshalb Abelshauser auch nur in den Jahren 1933 bis 1936 eine keynesianische Wirtschaftspolitik zu erkennen glaubt. Allein die verheerende Wirkung der Import- und Exportbeschränkungen und der Faserstoffverordnung für die Textilindustrie und ihrer Beschäftigten jedenfalls, die auch in Augsburg zu vermehrter Kurzarbeit und Lohneinbußen führten, lässt jedoch erhebliche Zweifel an einem ohne größere Reibungsverluste verlaufenden Wirtschaftsablauf aufkommen. Es spricht demnach vieles dafür, dass der Nationalsozialismus tatsächlich eher ein "deformiertes Wachstum" im Sinne Buchheims als einen mit Massenkonsum verbundenen Wirtschaftsaufschwung hervorbrachte.

Da die Gegenüberstellung der These Abelshausers mit der Buchheims letztlich aber zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, d. h. sowohl die rein zahlenmäßige Betrachtung der Investions- und Produktionstätigkeit als auch die beispielhafte Anbringung einzelner ausgewählter Betriebszweige, keine Aussage darüber zulässt, ob es sich bei dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1930er Jahre um ein spezifisch nationalsozialistisches »Wirtschaftswunder« gehandelt haben kann oder nicht, soll im Folgenden der Frage nach der im Nationalsozialismus vorzufindenden Konsumwirklichkeit nachgegangen werden. Dabei wird zu fragen sein, welche Rolle und Bedeutung dem Konsum für die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik zukam und ob die Alltagserfahrung der Zeitgenossen – wie Abelshauser behauptet –, "vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, nach 1933" tatsächlich eher "durch die Verbesserung des Lebensstandards im weitesten Sinne als durch drückende Rüstungslasten ge-prägt"[41] war, auch wenn der reale Konsum pro Kopf der Jahre 1935 und 1936 auf dem 1934 erreichten Niveau stagnierte.[42]

2 Zum Konsum im Nationalsozialismus

Konsum und Konsumgesellschaft sind Begriffe, die in den Lexika entweder gar nicht – wie dies in den politisch-sozialen der Fall ist – oder aber in nur sehr karg gehaltener Definition vorzufinden sind. Denn je nach Fachrichtung und zeitlicher Einordnung werden sehr unterschiedliche Aspekte von Konsum in den Vordergrund gestellt, die entweder ökonomischer, anthropologischer oder aber auch technischer Art sein können. Dieser Befund, zusammengetragen von Christian Kleinschmidt, verdeutlicht die Vielschichtigkeit der Bedeutungen beider Termini, die sich schon deshalb "nicht auf überzeitliche Probleme und Ideen festlegen lassen", weil sie je nach epochalem Hintergrund nicht nur unterschiedliche Konnotationen und Wertungen beinhalten, sondern darüber hinaus auch sehr differente "Zugänge und Partizipationsmöglichkeiten von Ständen, Klassen und Schichten sowie der Geschlechter und Generationen am Konsum" widerspiegeln.[43] Zur Klärung der Frage, ob der Nationalsozialismus eine eigens zu klassifizierende Konsumgesellschaft hervorbrachte, erscheint die Vornahme einer begrifflichen Bestimmung der Bedeutung von Konsum bzw. Konsumgesellschaft daher mehr als angebracht.

2.1 Definition: Konsum/Konsumgesellschaft (C. Keinschmidt)

Es ist für diese Festlegung daher ein Ansatz zu wählen, der sowohl den wirtschaftspolitischen Theorien, den technischen Möglichkeiten, den kulturellen Vorstellungen als auch den gesellschaftlichen Wünschen der zu betrachtenden Zeit am ehesten gerecht wird. Da sich in Deutschland aufgrund des amerikanischen Vorbilds schon in den 1920er Jahren ein Wertewandel in Richtung moderner Konsumpräferenz vollzogen, [44] die Regierung Hitler also nicht zuletzt auch deshalb eine "klassenlose" Konsumgesellschaft propagiert hatte, ist dies also ein sehr zeitgemäßer, den Kleinschmidt wie folgt auf eine Formel bringt:

"Konsum meint den Verzehr und Verbrauch materieller und immaterieller Güter und Dienstleistungen durch den Endverbraucher. In einer Konsumgesellschaft erfolgt der Verbrauch und Verzehr von Gütern und Dienstleistungen über die Bedürfnisbefriedigung hinaus. Dies setzt Wahlmöglichkeiten und eine ausreichende Produktion der Angebotsseite voraus. Die Konsumgüter und Dienstleistungen sind einem Großteil der Bevölkerung durch zunehmende Marktintegration zugänglich."[45]

Der Begriff Konsum bzw. Konsumgesellschaft geht hiernach also deutlich über die Bedeutung einer Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Wohnung zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung hinaus, schließt dabei aber die Aspekte Freizeit, Kultur und Individualität ebenso ein, wie die Aspekte Produktion und Verteilung. Als Endverbraucher schließlich gelten hier private Haushalte, aber auch der Staat. Letzterer, der allein aus fiskalischen Gründen ein besonderes Interesse daran hat, dass "immer größere Mengen an Konsumgütern einem zunehmend größeren Bevölkerungsteil zugänglich gemacht" werden, greift durch Vorgaben und Verbote dabei lenkend in den Produktions- und Konsumtionsprozess ein, sei dies nun ordnungspolitisch, gesellschaftlich, ideologisch oder sonst wie begründet.[46]

2.2 Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Rüstungs wirtschaft & Konsumausweitung aufgezeigt am Beispiel Augsburgs

Auch Hitler machte regen Gebrauch von den Mitteln der Konsumlenkung, betrachtete er die Wirtschaft im Ganzen doch als ein zweckdienliches Instrument zur Erreichung seiner Ziele. Während diese nämlich auf dem Gebiet der Außenpolitik sowohl der Lebensraum- als auch der Rassenpolitik zu dienen hatte, kam ihr auf dem Gebiet der Innenpolitik eine systemstabilisierende Funktion zu. Auch deshalb geriet der private Verbrauch schon frühzeitig in den Blick der Regierung Hitler, die es wohl verstand, sich nicht nur als Überwinder der Arbeitslosigkeit, sondern auch als Befürworter einer auf Massenkonsum ausgerichteten, klassenlosen Gesellschaft zu präsentieren. Wie ließ sich das propagierte Ziel der Konsumausweitung mit den Aufrüstungs- und Autarkieplänen Hitlers aber nun im Konkreten in Einklang bringen? Konnte ein solches Vorhaben überhaupt gelingen? Und: Welche Rolle haben die Kommunen dabei übernommen?

2.2.1 Produktions- & distributionspolitische Maßnahmen

Zunächst kann kein Zweifel daran bestehen, dass die rüstungswirtschaftlichen Ziele in den Augen Hitlers eine absolute Vorrangstellung einnahmen, zielte ein Großteil der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen doch von Anfang an auch auf die Aufrüstung ab. Hieraus aber den voreiligen Schluss ziehen zu wollen, dass der Konsumausweitung nur ein untergeordnetes Interesse galt, wäre schon deshalb verfehlt, weil dem Konsum der keynesianischen Theorie nach eine außerordentliche volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Unter rein fiskalischen Gesichtspunkten aus betrachtet, scheint es jedenfalls mehr als denkbar, dass die propagierte Konsumausweitung von den Nationalsozialisten zunächst v. a. auch deshalb tatsächlich beabsichtigt worden war, weil die über den Weg der vermehrten Konsumtion langfristig möglich werdenden Staatsüberschüsse auch der geplanten Militarisierung hätten zugeführt werden können. Zur Klärung der Frage, ob der Konsum im nationalsozialistischen Deutschland eine "überragende volkswirtschaftliche Bedeutung"[47] besaß oder ob ihm ggf. gar eine ganz andere Rolle zugedacht wurde, bedarf es allerdings einer Gegenüberstellung der von der Regierung Hitler angewandten konsumlenkenden und -beschränkenden Maßnahmen. Da im Rahmen dieser Arbeit freilich nicht alle konsumpolitischen Maßnahmen einer genaueren Betrachtung unterzogen werden können, zumal eine jede wirtschaftspolitische Maßnahme immer auch konsumpolitische Implikationen in sich bergen mag, werden sich die folgenden Ausführungen zunächst auf diejenigen staatlichen aber auch städtischen Instrumentarien der Konsumlenkung und den hieraus resultierenden Folgen beschränken, welche direkten Einfluss auf die Angebots-, darüber hinaus aber auch auf die Nachfrageseite ausübten. Es handelt sich hierbei in erster Linie um An- und Verordnungen, welche sowohl Produzenten als auch Verbraucher hinzunehmen hatten.

2.2.1.1 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit

Zu Beginn der NS-Herrschaft konzentrierte sich die Wirtschaftsstruktur der Stadt Augsburg vornehmlich auf die Textil- und Metallindustrie. [48] Mit 16.580 Beschäftigten (ca. 25 Prozent) war die Textilindustrie gegenüber der Metallindustrie, die lediglich rund 7.466 Arbeitskräfte (ca. 13 Prozent) zählte, zu diesem Zeitpunkt noch der größte Arbeitgeber in Augsburg.[49] Während die Metallindustrie zwar in hohem Maße exportabhängig war, angesichts der Autarkiepläne der Regierung Hitler aber neben staatlichen Subventionen zunehmend auch durch profitable Heeresaufträge gefördert, d. h. deren Produktion in der Folge weitestgehend auf den Binnenmarkt gelenkt wurde,[50] bekam die Textilindustrie, welche als Konsumgüterindustrie ihre Rohstoffe vornehmlich aus Importen bezog,[51] infolge der zur Deviseneinsparung vorgenommenen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen von Rohstoffen bzw. Fertigwaren – wie an anderer Stelle bereits deutlich wurde – sehr bald schon die negativen Auswirkungen der nationalsozialistischen Lenkungseingriffe zu spüren. So setzte die Faserstoffverordnung vom 19. Juli 1934 aufgrund der verminderten textilen Rohstoffimporte nicht nur eine 30prozentige Herabsetzung der Arbeitszeit in all jenen Textilbetrieben fest, "in denen ausschließlich oder teilweise Wolle, Baumwolle, Hanf oder Jute" verarbeitet wurde, zur Vermeidung von Entlassungen bzw. zur Reduzierung des Rohstoffbedarfs verfügte sie darüber hinaus auch, dass bereits stillgelegte Maschinen nur dann wieder in Betrieb genommen werden durften, "wenn in entsprechendem Leistungsumfange andere Maschinen außer Betrieb gesetzt" würden. Ferner wurde den hiervon betroffenen Betrieben auch die Erweiterung ihrer Produktion, sofern sich diese auf importierte Rohstoffe stützte, untersagt.[52] Der durch die Faserstoffverordnung intendierte Zwang zu unrentabler Produktion, verschärft noch durch das Spinnstoffgesetz vom 6. Dezember 1935, dass zur besseren Kontrolle der Textilwirtschaft neben der Führung von Lagerbüchern auch die staatlich festgesetzte Kontingentierung der zu verarbeitenden Mengen von Wolle, Baumwolle, Hanf, Hartfaser und Jute vorsah,[53] sollte die Unternehmer der Textilbranche, auch wenn der Textlaut beider Verordnungen von einem expliziten Beimischungszwang absah, zweifelsohne zu einer stärkeren Inanspruchnahme »heimischer« Rohstoffe wie Zellwolle oder Viskose veranlassen. Dass die Wirkung dieser Bestimmungen mit zunehmender Textilregulierung und zur Neige gehender Lagerbestände nicht lange – wenn zunächst auch nicht im gewünschten Umfang –[54] auf sich warten ließ, zeigt sich schon daran, dass textile Mischprodukte bereits Ende 1934 vermehrt auf den Markt gelangten. So haben etwa die Augsburger Baumwollspinnereien bzw. Spinnwebereien, die sich infolge des Rohstoffmangels zunächst noch gegenseitig mit Rohbaumwolle aushalfen, es laut eines Sopade-Berichts schon im August 1934 nicht nur "nicht mehr [so] genau" mit "den Mischungsverhältnissen der einzelnen Baumwollsorten"[55] genommen, sondern die "hiesige Textilindustrie" arbeitete darüber hinaus auch schon längst an der Herstellung von Ersatzstoffen,[56] worunter – wie es hieß – auch die Qualität der Garne beträchtlich litt.

Wie andernorts so reagierte auch die Augsburger Bevölkerung mit allergrößter Besorgnis auf derartige Veränderungen, die nun daran ging, Stoffe, Zwirne und Kleidungsstücke alter Machart in Massen zu hamstern. Den einsetzenden Hamsterkäufen, die mitunter einen "panikartigen Charakter" annehmen mochten, suchten die südbayerischen Behörden schließlich mit der Vorgabe zu begegnen, dass in den Textilgeschäften jeweils nur ein Damenrock, ein Hemd, eine Rolle Zwirn etc. pro Person verkauft werden dürfe. Da sich die Befürchtungen der Bevölkerung infolge dieser Maßnahme aber eher zu bestätigen schienen, blieb der von den Behörden erhoffte Effekt nicht nur aus, er kehrte sich vielmehr in sein Gegenteil um. Denn indem die Leute nun jedes Geschäft abzurennen begannen, wurde der »Mangel« für jedermann derart offenkundig, dass es zu einer weiteren Zunahme der "Hamsterwut", d. h. zu einem erhöhten Andrang an den Textilgeschäften, der nunmehr immer beängstigendere Formen annahm, kam. Rundfunk und Presse, ja selbst Gerüchte, "dass demnächst Haussuchungen nach gehamsterten Waren durchgeführt würden", schienen dem Zustand – wie es hieß – kein Ende bereiten zu können. [57]

Tab. 2-1 Gewerbean- und Abmeldungen in der Augsburger Textilindustrie 1934-1936

[Dies ist eine Leseprobe. Grafiken und Tabellen sind nicht enthalten.]

Angesichts solcher Szenarien, die sich als Folge der Importbeschränkungen sowie der Faserstoff- bzw. Spinnstoffverordnung in dieser Weise nicht nur in Augsburg abgespielt haben, zieht ein Teil der Forschung – hierunter zählen auch die Arbeiten von Buchheim – den Schluss, dass die Produktion der Konsumgüterindustrie, allen voran die der Textilbetriebe, im »Dritten Reich« auch in quantitativer Hinsicht stark beeinträchtigt wurde. Betrachtet man allerdings die in Tabelle 2-1 für die Augsburger Textilindustrie dargestellten Gewerbean- und Abmeldungen innerhalb des Zeitraums 1934 bis 1936, so ergibt sich zumindest aus rein rechnerischer Sicht für Augsburg ein ganz anderes Bild. Hiernach nämlich nahm die Zahl der Betriebe nicht ab – wie an anderer Stelle noch zur Stärkung der These Buchheims unterstellt –, sondern im Gegenteil sogar zu. Wie ist das zu erklären? Nun, nachdem zur Herstellung textiler Produkte für den Binnenmarkt schließlich ein Beimischungszwang von 16 Prozent eingeführt, gleichzeitig Zellwolle aufgrund bestehender Versorgungsengpässe aber zusehends kontingentiert und eine weitere Kürzung der erlaubten Verarbeitungsmengen von Baumwolle beschlossen wurde, [58] ist anzunehmen, dass es sich bei den 17 Gewerbeabmeldungen innerhalb des genannten Zeitraumes neben zeitweiliger Stilllegungen v. a. um all jene verarbeitenden Textilbetriebe gehandelt haben dürfte, deren Erzeugnisse in hohem Maße importbeschränkte Rohstoffe wie Baumwolle verbrauchten, während auf der Seite der 21 Gewerbeanmeldungen neben Wiederinbetriebnahmen dagegen eher die Entstehung neuer Kunstfaserfabriken, zumindest aber neuer Kunst- oder Ersatzfaser verarbeitender Betriebe zu vermuten ist. Letztere waren jedenfalls sowohl von den Bestimmungen der Faserstoff- als auch von der Spinnstoffverordnung ausgenommen. Für das Jahr 1936 berichtet die Sopade sogar folgendes:

"In allen Landesteilen sind neue Kunstseidenfabriken errichtet worden, die jetzt allmählich in Betrieb kommen und die Zellwolle für den durch den Beimischungszwang entstehenden Bedarf liefern. Die Fabriken arbeiten zu 51% mit staatlichem Kapital [sic!], den Rest mussten die regionalen Baumwollverarbeiter aufbringen."[59]

Auf welche Art von Textilbetrieben sich die Gewerbean- und Abmeldungen für Augsburg im Einzelnen auch immer bezogen haben mögen, so wird an dieser Stelle doch deutlich, dass – auch wenn der Aufschwung in der Textilbrache durch staatlich verordnete Devisen- und Rohstoffbewirtschaftung erheblich gehemmt wurde – von einer Benachteilung der Textilindustrie in der oftmals behaupteten Pauschalität keineswegs die Rede sein kann. In Anbetracht auch der immer geringer werdenden Zuteilungen von Zellwolle verwundert es jedenfalls nicht, wenn zur Verbesserung der eigenen Rohstofflage auch Augsburger Textilbetriebe an der Gründung und Finanzierung der ersten bayerischen Faserstofffabrik mit Sitz in Kelheim a. D. beteiligt waren. [60] Freilich war es der »heimischen« Ersatzfaserstoffproduktion entgegen den nationalsozialistischen Autarkieplänen auch über die anfänglichen Anlaufschwierigkeiten hinaus zu keinem Zeitpunkt gelungen, den Binnenmarkt auch nur annähernd ausreichend mit Rohstoffen zu beliefern. Die zahlreichen, in den Quellen zu vernehmenden Klagen der Augsburger Textilunternehmer, die aufgrund der mangelnden Rohstofflage auch nach 1934 immer wieder zur Kurzarbeit übergehen, darüber hinaus aber auch zeitweilige Schließungen ganzer Betriebsabteilungen ins Auge fassen mussten, legen hiervon genügend Zeugnis ab.[61] Dass es bis zur Proklamation des totalen Krieges insgesamt betrachtet in Augsburg aber zu keinen größeren Betriebsstilllegungen gekommen war,[62] ist der besonderen Wirtschaftsstruk-tur Augsburgs gedankt. Denn die Augsburger Stadtverwaltung, deren finanzielle Kräfte infolge der Einführung der Kurzarbeit aufgrund der am Ende der Weimarer Zeit betriebenen brüningschen Deflationspolitik, welche die Fürsorgelasten der von der Wirtschaftskrise hart getroffenen Arbeitslosen weitestgehend den Kommunen überlies,[63] ohnehin schon "bis zum letzten angespannt" waren, konnte es sich nicht leisten, die Textilbranche als größten Arbeitgeber der Stadt dem Bankrott ausliefern zu lassen, hätte dies doch unweigerlich zur Folge gehabt, dass es aufgrund des arbeitsteiligen Systems in Augsburg zu weiteren, den Textilfabriken angeschlossenen Betriebsschließungen gekommen wäre. Nicht nur, dass eine zusätzliche, d. h. durch Entlassungen oder weiteren Arbeitszeitbeschränkungen bedingte Kaufkraftminderung der Bevölkerung auch die gemeindlichen Steuereinnahmen bedeutend verringert hätten; die Stadtverwaltung hätte in einem solchen Falle darüber hinaus auch für die Mehraufwendung der ohnehin schon erdrückenden Wohlfahrtslasten nicht mehr aufkommen können. Für die Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wären damit freilich aber keine Mittel mehr zur Verfügung gestanden.[64] Dem entsprechend war sie bei den einschlägigen Stellen denn auch sichtlich darum bemüht, den Textilunternehmern Sonderkontingente an Rohstoffen zukommen zu lassen.[65] Wie erfolgreich diese Bemühungen angesichts des vorherrschenden Mangels an Rohstoffen auf Dauer nun auch gewesen sein mögen, die Textilunternehmer ihrerseits waren sich über ihr Drohpotential durchaus bewusst. So konnte allein schon die bloße Ankündigung von bevorstehenden Betriebsschließungen – eingesetzt als taktisches Mittel – etwa bewirken, dass die Stadtverwaltung im November 1934 alles daran setzte, um der Augsburger Textilindustrie Heeresaufträge […] zu verschaffen, damit – wie man hoffte – in der Folge auch "eine etwas stärkere Zuweisung an Rohstoffen und Devisen" erreicht werde. [66] Den Beschäftigungszahlen der in den Augsburger Textilfabriken beschäftigten Arbeitskräften nach zu urteilen (s. Tab.2-2), schien die Stadtverwaltung mit ihrem Anliegen dabei durchaus auf Gehör gestoßen zu sein. Jedenfalls fielen diese bis Anfang des Krieges nicht mehr auf das Niveau von 1933 herab. Der in dem Zeitraum von 1936 bis einschließlich 1938 erfolgte Abhang der Beschäftigungszahlen lässt dabei auf einen vornehmlich aus Lohngründen bedingten Wechsel in die Metall- bzw. Rüstungsindustrie schließen, zumal auch die Behörden aufgrund des Arbeitskräftemangels innerhalb der Rüstungsindustrie den in diese Richtung hin unternommenen Bestrebungen nicht im Wege standen.[67] Für die Augsburger Textilindustrie ergibt sich ferner, dass sie innerhalb der Krisenzeit keine negativen Bilanzen aufwies. Jedoch blieben die von ihr erzielten Gewinne weit hinter denjenigen der Metallindustrie zurück.[68]

[...]


[1] Deutschland-Berichte der Sopade 1934, S. 513.

[2] Überblicksartige Literatur zu den veränderten Sichtweisen innerhalb der Forschung: Rübner, H., Nischengesellschaft oder "Gefälligkeitsdiktatur"? Neuere Untersuchungen zum Verhältnis von Anpassung, Zustimmung und Dissens im "Dritten Reich", in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 42 (2006), S. 333-349, hier S. 333 – Thamer, H.-U., Das Dritte Reich. Interpretationen, Kontroversen und Probleme des aktuellen Forschungsstandes, in: K.-D. Bracher u. a. (Hg.), Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft (Studien zur Geschichte und Politik), Bonn 1992, S. 507-531.

[3] Schneider, M. Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999, S. 480-482, Zitat S. 480.

[4] Vgl. Rübner, Nischengesellschaft oder "Gefälligkeitsdiktatur"?, S. 345 – Vgl. hierzu auch Reuband, K.-H., Das NS-Regime zwischen Akzeptanz und Ablehnung. Eine retrospektive Analyse von Bevölkerungseinstellungen im Dritten Reich auf Basis von Umfragedaten, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 32 (2006), Heft 3, S. 314-343.

[5] Aly, G., Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus (Die Zeit des Nationalismus), Frankfurt a. M. 2006, hier S. 11, 365, 49, 361f.

[6] Vgl. Spoerer, M., Demontage eines Mythos? Zu der Kontroverse über das nationalsozialistische "Wirt-schaftswunder", in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 31 (2005), Heft 3, S. 415-438, hier S. 413.

[7] Süddeutsche Woche. Bilderbeilage der Neuen Augsburger Zeitung, Jg. 1933, Nr. 45.

[8] Vgl. Hampel, J., "Kanonen statt Butter". Die Wirtschaft im Dienst der Aufrüstung, in: J. Hampel (Hg.), Der Nationalsozialismus. Band II: Friedenspropaganda und Kriegsvorbereitung 1935 – 1939, München 1993, S. 83-97, hier S. 83.

[9] Vgl. Abelshauser, W., Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 47 (1999), S. 503-538, hier S. 305f – Hinsichtlich der genannten Zahlen siehe Wagemann, E., Konjunkturstatistisches Handbuch 1936, Berlin 1935, S. 16.

[10] Vgl. Buchheim, C., Die Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich – Mehr Desaster als Wunder. Eine Erwiderung auf Werner Abelshauser, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 49 (2001), Heft 4, S. 653-664, hier S. 654f.

[11] Buchheim, C., Die Erholung von der Weltwirtschaftskrise 1932/33 in Deutschland, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1 (2003), S. 13-26, hier S. 14f – Eine auf W. Hemmer stützende Berechnung über das Ausmaß der Verzerrungen der Arbeitslosenstatistik im Dritten Reich für das Jahr 1933 findet sich in: Ders., Zur Natur des Wirtschaftsaufschwungs in der NS-Zeit, in: Ders. (Hg.), Zerrissene Zwischenkriegszeit. Wirtschaftshistorische Beiträge. Knut Borchard zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1994, S. 97-119, hier S. 105ff; Die Zahl der Arbeitslosigkeit im Winter 1933/34 belief sich hiernach noch immer auf 6 Millionen.

[12] Buchheim, Erholung von der Weltwirtschaftskrise, S. 19f.

[13] Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, 01.06.1933, in: Reichsgesetzblatt. Teil 1, Jg. 1933, hg. v. Reichsministerium des Innern, Berlin 1933, S. 323-329 , S. 327 (RGBl 1933 I ).

[14] Vgl. Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 507f.

[15] Buchheim, Erholung von der Weltwirtschaftskrise, S. 20f – Mangels finanzieller Mittel wurden seit November 1939 Ehestandsdarlehen nur noch bis zu einem Höchstbetrag von 100,- RM bewilligt; StadtAA, WA Wohlfahrtsamt, Nr. 256, Reichsminister der Finanzen, 17.11.1939.

[16] Gesetz über Steuererleichterungen, 15.07.1933, in: RGBl 1933 I, S. 491f.

[17] Vgl. Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, 21.09.1933, in: RGBl 1933 I, S. 651-653.

[18] Buchheim, Erholung von der Weltwirtschaftskrise, S. 20 u. 22 – Zum Zeitraum der abnehmenden Produktivität in der Automobilindustrie: Wagemann, E., Konjunkturstatisches Handbuch 1936, Berlin 1935, S. 237.

[19] Vgl. Buchheim, Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich, S. 658f – Ders., Erholung von der Weltwirtschaftskrise, S. 22.

[20] Buchheim, Erholung von der Weltwirtschaftskrise, S. 26.

[21] Vgl. Spörer, Demontage eines Mythos?, S. 420.

[22] Vgl. Buchheim, Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich, S. 658 u. 656 – Vgl. Faserstoffverordnung, 19.07.1934, in: RGBl I, 1934, S. 713-717.

[23] Vgl. Kleines Statistisches Lexikon der Stadt Augsburg 1938, S. 43 u. 100.

[24] Lagebericht der Polizeidirektion Augsburg, 01.09.1934 u. 01.10. 1934, in: W. Steitz (Hg.), Quellen zur Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus. 1. Teilband: 1933-1939 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd. XXXIX), Darmstadt 2000, hier S. 28.

[25] Vgl. Buchheim, Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich, S. 656f u. 659.

[26] Ebd., S. 662 u. 658.

[27] Vgl. Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 518, Zitat: S. 509.

[28] Vgl. Ebd., S. 512 u. 515.

[29] Fürmetz, G., Haibl, M., Militärstandort Augsburg. Wehrmacht, Kasernenbau und Stadtentwicklung (1933-1941), in: M. Cramer-Fürtig u. a. (Hg.), "Machtergreifung" in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 4), S. 189-204, hier S. 193.

[30] Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 515, 518 u. 522.

[31] Schreiben Walther Darrés an Hjalmar Schacht vom 16.03.1936, in: Steitz, Quellen zur Dt. Wirtschafts- & Sozialgeschichte, S. 82-84, hier S. 83f.

[32] Vgl. Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 518.

[33] Denkschrift Hitlers über die Aufgaben eines Vierjahresplans vom August 1936, in: Steitz, Quellen zur Dt. Wirtschafts- & Sozialgeschichte, S. 84-92, hier S. 86 u. 90f.

[34] Vgl. Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 522-526, Zitat: S. 525 u. 526.

[35] Ebd., S. 527.

[36] Gemeint sind die Ressourcenkämpfe zwischen dem Wirtschaftsministerium, der Vierjahresplanorganisation und dem Wirtschafts- & Rüstungsamt sowie jene zwischen den einzelnen Teilstreitkräften – Ebd., S. 529.

[37] Vgl. Fix, B., "Menschenmaterial" und "Bedarfsdeckungswirtschaft" im Einsatz für Lebensraum- und Rassenpolitik. Die deutsche Kriegswirtschaft 1939-1945, in: J. Hampel (Hg.), Der Nationalsozialismus. Bd. III: Das Bittere Ende 1939-1945, München 1993, S. 353-395, hier S. 373-375.

[38] Vgl. Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 529f.

[39] Vgl. Meißner, H. (Hg.), Geschichte der politischen Ökonomie. Grundriß, Berlin 1985, darin Kapitel 21: Der Keynesianismus, S.501-529, hier S. 501-517, Zitat: S. 514.

[40] Vgl. Ebd., S. 513f.

[41] Abelshauser, Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder, S. 526.

[42] Vgl. Buchheim, Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich, S. 657.

[43] Vgl. Kleinschmidt, C., Konsumgeschichte (Grundkurs Neue Geschichte), Göttingen 2008, S. 7-13, hier: S. 7 u. 12f.

[44] Berghoff, Gefälligkeitsdiktatur oder Tyrannei des Mangels. Neue Kontroversen zur Konsumgeschichte des Nationalsozialismus, in: Geschichte in Wissenschaft & Unterricht, Bd. 58 (2007), Heft 9, S. 502-518, hier S. 517.

[45] Kleinschmidt, Konsumgeschichte, S. 13.

[46] Vgl. Ebd., S. 9f, Zitat: S. 12.

[47] Berghoff, H., Methoden der Verbrauchslenkung im Nationalsozialismus. Konsumpolitische Normensetzung zwischen totalitärem Anspruch und widerspenstiger Praxis, in: D. Gosewinkel, Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 180: Das Europa der Diktatur, Bd. 4), S. 281-316, S. hier S. 281.

[48] Vgl. Borromäus Murr, K. Augsburgs Industrie in der NS-Zeit, in: M. Cramer-Fürtig u. a. (Hg.), »Machtergreifung« in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 4), Augsburg 2008, S. 167-178, hier S. 167.

[49] Vgl. Kleines statistisches Lexikon der Stadt Augburg 1936, hg. v. Statistischen Amt und Wahlamt der Stadt Augsburg, Augsburg 1935, S. 81. Die Metallbranche hatte im Zuge der Wirtschaftskrise fast die Hälfte ihrer Belegschaft verloren. Neben dem Baugewerbe stellte sie daher den größten Anteil an Arbeitslosen.

[50] Vgl. Borromäus Murr, Augsburgs Industrie in der NS-Zeit, S. 168f.

[51] Infolge der fortschreitenden Industrialisierung, der damit verbundenen Begrenzung der Weidemöglichkeiten sowie der Zunahme der Schafherden in den Überseeländern waren die Schafbestände in Deutschland von ca. 30 Millionen Stück im Jahre 1860 auf ca. 3 Millionen Ende des Jahres 1933 zurückgegangen. Für die deutsche Textilwirtschaft hieß dies, dass der Verbrauch an Schafwolle nur zu etwa 5 Prozent aus einheimischer Produktion gedeckt werden konnte – vgl. hierzu StadtAA, Bestand 34, Nr. 1014, Zeitungsartikel "Schafwolle – Haupteinfuhrhafen" aus der Bremer Zeitung vom 08.06.1935.

[52] Faserstoffverordnung, 19.07.1934, RGBl I, 1934, S. 713f u. S. 716.

[53] Vgl. Spinnstoffgesetz, 06.12.1935, in: RGBl I, 1935, S. 1411-1416, hier S. 1412.

[54] Die Zuteilung von »heimischen« Ersatzfasern war aufgrund bestehender Produktionsschwierigkeiten noch ungenügender als die von Wolle; vgl. StadtAA, Bestand 36, Nr. 682, Fragebogen über die Produktionseinschränkung bzw. Betriebsstilllegung der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, 26.11.1934.

[55] Deutschlandberichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934-1940, 7 Bde., Frankfurt a. M. 1980, hier: Erster Jahrgang 1934, S. 410f .

[56] Vgl. Berichte der Sopade 1934-1940, Erster Jahrgang 1934, S. 412 – Die Augsburger Kammgarnspinnerei mischte ihren Garnen bereits schon im Jahre 1934 30 Prozent Kunstseide bei; vgl. hierzu StadtAA, Bestand 36, Nr. 682, Fragebogen zur Betriebsstilllegung der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, 26.11.1934.

[57] Berichte der Sopade, Erster Jahrgang 1934, S. 412 u. 635.

[58] Vgl. Borromäus Murr, Augsburgs Industrie in der NS-Zeit, S. 175 – Die »heimische« Kunstfaserproduktion konnte bis einschließlich 1934 mit 2 Prozent noch nicht einmal 10 Prozent des Gesamtbedarfs an Textilrohstoffen decken; vgl. StadtAA, Bestand 36, Nr. 682, Industrie- und Handelskammer Augburg an die Regierung von Schwaben und Neuburg, 08.10.1934 – Ebd., Oberbürgermeister der Stadt Augsburg an das Reichswirtschaftsministerium Berlin, 03.10.1934.

[59] Berichte der Sopade 1934-1940. Dritter Jahrgang 1936, S. 699.

[60] Vgl. StadtAA, Bestand 36, Nr. 682, "Kunstseide", Zeitungssausschnitt aus der Frankfurter Zeitung, 02.05.1934.

[61] Vgl. z. B. Ebd, Kammgarnspinnerei an den Verein dt. Wollkämmer und Kammgarnspinner, 08.10.1934.

[62] Vgl. Filser, K., Sobczyk, P., Augsburg im Dritten Reich, in: G. Gottlieb u. a. (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984, S. 614-637, hier S. 632.

[63] Einen Überblick zu den Wohlfahrtslasten der Stadt Augsburg in der Krisenzeit geben z. B.: Holly, K. Öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und kommunale Finanzkrise, in: M. Cramer-Fürtig u. a. (Hg.), »Machtergreifung«. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 4), Augsburg 2008, S. 87-96 – Götz, R., Das kommunale Problem der Wohlfahrtserwerbslosen. Die Fürsorgepolitik des Augsburger Wohlfahrtsamtes im Nationalsozialismus, in: Ebd., S. 97-107.

[64] Vgl., StadtAA, Bestand 36, Nr. 682, Oberbürgermeister der Stadt Augsburg an das Reichswirtschaftsministerium Berlin, 30.08.1934.

[65] Vgl. Ebd., Oberbürgermeister der Stadt Augsburg an das Reichswirtschaftsministerium Berlin, 03.10.1934.

[66] Ebd., Vormerkung des Oberbürgermeisters der Stadt Augsburg, 10.11.1934 – Vgl. hierzu auch Sobcyk, P. L., Partei, Industrie und Arbeiterschaft in Augsburg 1933-2945, Augsburg, Univ., Diss., 1984, S. 90.

[67] Vgl. Filser, Sobczyk, Augsburg im Dritten Reich, S. 622.

[68] Vgl. Borromäus Murr, Augsburgs Industrie in der NS-Zeit, S. 175f.

Excerpt out of 98 pages

Details

Title
Zur »Konsumwirklichkeit« im Nationalsozialismus der Stadt Augsburg 1933 bis 1945
College
University of Augsburg
Course
Neuere und Neueste Geschichte
Grade
1,0
Author
Year
2013
Pages
98
Catalog Number
V310069
ISBN (eBook)
9783668085077
ISBN (Book)
9783668085084
File size
1171 KB
Language
German
Notes
„Groß ist die Zeit – doch klein sind die Portionen […]“. Zur »Konsumwirklichkeit« im Nationalsozialismus am Beispiel der Stadt Augsburg 1933-1945
Keywords
Konsum, Nationalsozialismus, Augsburg
Quote paper
Jacqueline Hänig (Author), 2013, Zur »Konsumwirklichkeit« im Nationalsozialismus der Stadt Augsburg 1933 bis 1945, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310069

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