Mit Strukturwandel der Öffentlichkeit veröffentlichte Jürgen Habermas 1962 eines der Pionierwerke, wenn es darum geht, die komplexen Prozesse der Entstehung von Öffentlichkeit zu erklären. Jürgen Habermas hingegen prognostiziert ein gegenläufiges Bild einer konsumierenden Gesellschaft, die von der zunehmenden Komplexität der Moderne überfordert ist. Die Massen der Bevölkerung stellen für Habermas eher eine akklamative und leicht mobilisierbare Ressource der medialen Meinungsindustrien dar. Folgerichtig übernehmen für Habermas anstelle von kritischen Individuen Medienprofis den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung.
Auch in Indien hat Jürgen Habermas‘ Theorem zum Strukturwandel der Öffentlichkeit ein großes wissenschaftliches Echo ausgelöst. Auch in Kulturkreisen fernab westlicher Prägung genießt Habermas‘ Theorie gesteigerte Relevanz. Sehr interessant ist deshalb auch der Versuch, das Modell von Habermas auf andere Regionen und Kulturkreise der Erde zu projizieren, die ethnisch, historisch und intellektuell gänzlich anderen Entwicklungen unterlagen. Besitzt Habermas‘ Modell dennoch Gültigkeit?
Indiens Geschichte kolonialer Herrschaft ist in von der Historie europäischer Gesellschaften maßgeblich zu unterscheiden und hat zu einem anderen Demokratieverständnis geführt. Dieses findet beispielsweise Ausdruck im ausgeprägten Kommunalismus. Bis zur Unabhängigkeit 1947 stellte sich die Presse Indiens noch Stolz in den Dienst des Hindunationalismus und Journalisten betrachteten es als Ehre, dem Freiheitskampf zu dienen.
Ein Faktor, der Indien weiterhin unterscheidet, ist die intellektuelle Beschaffenheit. Entscheidende Initiativen, die zur Alphabetisierung der Bevölkerung beitrugen, fanden in Indien erst zum Beginn des 20. Jhd. statt. Europäische Gesellschaften machten in dieser Hinsicht schon im 17. Jhd. entscheidende Fortschritte.
Die aufgeführten Unterschiede sollen bei der folgenden Anwendung von Habermas‘ Modell berücksichtigt werden.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. EINLEITUNG UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN.
- 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN NACH HABERMAS.
- 2.1. DIE ENTSTEHUNG EINES RÄSONIERENDEN PUBLIKUMS
- 2.2. DAS RÄSONIERENDE PUBLIKUM VERLIERT AN VITALITÄT
- 2.3. DER VERFALL DER POLITISCHEN ÖFFENTLICHKEIT
- 2.4. HABERMAS ZUM POTENZIAL DER MEDIEN, REVISIONEN UND WEITERFÜHRENDE ANSÄTZE
- 3. STRUKTURWANDEL DER ÖFFENTLICHKEIT IN INDIEN
- 3.1. GRUNDLAGEN ZUM VERSTÄNDNIS DER INDISCHEN GESELLSCHAFT
- 3.1.1. SPRACHEN.
- 3.1.2. KASTENSYSTEM UND RELIGIONEN
- 3.1.3. SCHEDULED TRIBES.
- 4. BRITISCH-INDIEN: INDIEN ALS BRITISCHE KOLONIE
- 4.1. KOLONIALPOLITIK: EINFÜHRUNG DES REPRÄSENTATIVSYSTEMS.
- 4.2. IDEOLOGISCHER RAHMEN UND WESEN DER ECUMENE.
- 4.3. NATURAL LEADERS UND BEOBACHTUNG DER PUBLIC ARENAS.
- 4.4. PRESSE IN DER KOLONIALZEIT.
- 4.5. FOLGEN DER KOLONIALPOLITIK FÜR DIE STRUKTUR DER ÖFFENTLICHKEIT
- 5. NATIONALISMUS-BEWEGUNG UND IHR EINFLUSS AUF DIE ÖFFENTLICHKEIT.
- 5.1. IDEOLOGISCHER KONTEXT: KONSTRUKTION EINER HINDU-GESCHICHTE.
- 5.2. GRATWANDERUNG DER HINDU-NATIONALISTEN ZUR UNABHÄNGIGKEIT
- 5.3. PRESSE UND DER HINDU-NATIONALISMUS
- 5.3.1. HINDUNATIONALISTISCHE PRESSE AM BEISPIEL DER AJ
- 5.3.2. HINDUNATIONALISTISCHE LITERATUR AM BEISPIEL PREMCHANDS
- 5.4. MITTELSCHICHTEN UND DER HINDUNATIONALISTISCHE VORMARSCH
- 5.5. FOLGEN DES AUFSTIEGS DER HINDUNATIONALISTEN FÜR DIE ÖFFENTLICHKEIT
- 6. VON DER AUTARKIE ZUR LIBERALISIERUNG: MITTELSCHICHTEN ALS WEGBEREITER DES KAPITALISMUS IM FREIEN INDIEN.
- 7. LIBERALISIERUNG INDIENS 1991: DER BEGINN DES VERFALLS DER INDISCHEN ÖFFENTLICHKEIT?
- 7.1. RURALE ALPHABETISIERUNG
- 7.2. ZEITUNGSEXPANSION, FERNSEHEN UND DEMOKRATISERUNG DER MEDIEN
- 7.3. CHARAKTERISTIK INDISCHER MEDIEN: VIERTE GEWALT ODER GESTEUERT VON KAPITALISTISCHEN INTERESSEN?
- 7.4. INDISCHE MEDIEN UND IHR EINFLUSS AUF POLITISCHE AKTEURE
- 7.5. MINORITÄTEN IM HEUTIGEN INDIEN
- 7.6. INTERNET, SOZIALE MEDIEN UND MASSENDEMONSTRATIONEN
- 8. SCHLUSSTEIL: MEDIEN IN DEMOKRATISCHEN SYSTEMEN - MEHR ALS NUR VIERTE GEWALT?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der öffentlichen Meinung im Kontext des Strukturwandels in Indien. Sie verfolgt das Ziel, die Herausforderungen und Veränderungen der öffentlichen Meinung in Indien im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne zu analysieren. Die Arbeit befasst sich mit der historischen Entwicklung der öffentlichen Meinung in Indien und untersucht, wie die Kolonialzeit, die Indiens Unabhängigkeit, sowie die darauf folgende Liberalisierung die öffentliche Meinung geprägt haben.
- Die Rolle der Medien im Wandel der öffentlichen Meinung
- Der Einfluss von Kolonialismus und Nationalismus auf die öffentliche Meinung
- Die Bedeutung der Mittelklassen für die Entwicklung der öffentlichen Meinung
- Der Einfluss der Liberalisierung auf die öffentliche Meinung
- Die Herausforderungen für die öffentliche Meinung im 21. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Begriff der Öffentlichkeit und die theoretischen Grundlagen von Jürgen Habermas einführt. Im Anschluss werden die grundlegenden Rahmenbedingungen der indischen Gesellschaft beleuchtet. Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Kolonialzeit und untersucht die Einführung eines repräsentativen Systems durch die britische Kolonialmacht und dessen Einfluss auf die öffentliche Meinung. In Kapitel 5 wird die Nationalismusbewegung in Indien beleuchtet, wobei der Fokus auf den Aufstieg des Hindu-Nationalismus und dessen Einfluss auf die öffentliche Meinung liegt.
Kapitel 6 befasst sich mit der wirtschaftlichen Liberalisierung Indiens im Jahr 1991 und ihren Auswirkungen auf die öffentliche Meinung. Schließlich analysiert die Arbeit in Kapitel 7 die Rolle der Medien in der heutigen indischen Gesellschaft und untersucht deren Einfluss auf die öffentliche Meinung.
Schlüsselwörter (Keywords)
Öffentliche Meinung, Strukturwandel, Indien, Kolonialismus, Nationalismus, Liberalisierung, Medien, Demokratie, Tradition, Moderne, Mittelklasse, Hindu-Nationalismus, Public Arena, Habermas, Rassismus, Kastenwesen, Digitalisierung, Social Media.
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- Erik Sabas (Autor), 2015, Die indische Öffentlichkeit im Strukturwandel. Eine Analyse beruhend auf Jürgen Habermas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310171