Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung ...1
2 Erklärungsstrategien Internationaler Beziehungen ...3
2.1 Neorealismus ...4
2.2 Konstruktivismus ...6
3 Historischer Abriss des israelisch-palästinensischen Konflikts und Status Quo der Zwei-Staaten-Lösung ...9
3.1 Land für Frieden? Israelischer Siedlungsbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem ...13
3.2 „Gespaltenes“ Palästina: Hamas in Gaza, PLO/Fatah im West-Jordanland ...14
4 Neorealistische Analyse ...16
4.1 Israel ...16
4.2 Palästina ...21
5 Konstruktivistische Analyse ...26
5.1 Israel ...26
5.2 Palästina ...30
6 Auswertung der Analysen ...35
7 Fazit ...43
8 Literaturverzeichnis ...45
1 Einleitung
Die Ursache sowie die Lösung für den Nahostkonflikt, genauer dem israelisch-palästinensischen Konflikt, lassen sich an dem UN Teilungsplan[1] vom 29. November 1947 bereits erkennen: Das ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina soll in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufgeteilt werden (vgl. UNITED NATIONS official documents 1947: 131ff.).
Über 65 Jahre später ist dieser Konflikt einer der längsten, nicht gelösten Konflikte der Welt und die vorgeschlagene Zwei-Staaten-Lösung ist, trotz kollektiven Bemühungen der Weltgemeinschaft, bisher nicht umgesetzt worden. Dies führt zur Leitfrage dieser Arbeit: Welches Interesse hat Israel und welches Interesse hat Palästina[2] an der Zwei-Staaten-Lösung (2StL)? Diese Frage soll unter Bezugnahme auf zwei Theorien der Internationalen Beziehungen untersucht werden: dem Neorealismus und dem Konstruktivismus.
In beiden Theorien ist die zentrale Analyseeinheit „Staaten“, die in einem Zustand der Anarchie leben, in der es keine übergeordnete Instanz gibt, die für verbindliches Recht und Sicherheit sorgt. Zu den Primärzielen eines Staates zählen Sicherheit, Autonomie und wirtschaftliches Wohl – diese Ziele können durch Macht erreicht werden - Macht ist aber kein Ziel an sich. Im Neorealismus, geprägt durch Kenneth N. Walz[3], konditioniert die materielle Struktur das Verhalten der Staaten. Im Konstruktivismus, geprägt durch Alexander Wendt[4] wird dies nur bedingt angenommen. Im Neorealismus sind die Beziehungen zwischen Staaten feindlicher Natur und auf den Erhalt im System ausgerichtet, was ein sich permanent erneuerndes Machtgleichgewicht bedeutet (vgl. WALZ 1979: 128). Im Konstruktivismus interagieren Staaten in einem historischen, kulturellen und sozialen Kontext – geprägt von Ideen, Normen und Vorstellungen über die Identität eines Akteurs sowie dessen Verhältnis zu anderen Akteuren (vgl. WENDT 1992: 389).
Im folgenden Kapitel erfolgt eine Vorstellung und Einordnung dieser beiden Theorien in den historischen Kontext der wissenschaftlichen Disziplin „Internationale Beziehungen“ mit seinen vier Paradigmen[5] bzw. Forschungsprogrammen. Kapitel 3 beinhaltet einen historischen Abriss des israelisch-palästinensischen Konfliktes, seine wichtigsten Entwicklungsstationen sowie eine Bestandsaufnahme des Status Quo der Zwei-Staaten-Lösung. Abgesehen von den israelisch-palästinensischen Hauptkonfliktpunkten wie Existenzberechtigung, Grenzen, Sicherheit, Hauptstadt-Frage und Flüchtlinge, wird vor allem dem israelischen Siedlungsbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem ein besonderes Gewicht beigemessen. Genau wie der Tatsache, dass Palästina im Westjordanland und im Gazastreifen von zwei unterschiedlichen Parteien regiert wird und damit regional wie politisch gespalten ist. In Kapitel 4 wird die Leitfrage unter Bezug auf den Neorealismus und in Kapitel 5 bezüglich des Konstruktivismus analysiert. Diese Analyse wird für beide Erklärungsstrategien jeweils für Israel und für Palästina vorgenommen. Die Synthese erfolgt in Kapitel 6 – dort werden die Analysen ausgewertet, die Ergebnisse verglichen und eventuelle Diskussionen angeregt. Am Schluss der Arbeit erfolgt ein Fazit.
2 Erklärungsstrategien Internationaler Beziehungen
Das Spezialgebiet „Internationale Beziehungen“ (IB)[6] innerhalb des Fachs Politikwissenschaften, wurde nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, als Bestandteil der im Jahre 1919 geschlossenen Versailler Verträge. Hauptanliegen war es, mit wissenschaftlichen Methoden die Ursachen und Bedingungen für Krieg und Frieden zu erforschen um nach Möglichkeit ein friedliches, gesellschaftliches Zusammenleben und eine gerechte Weltordnung zu gewährleisten. Durch internationale Kooperation und Aufklärung sollten künftige Kriege verhindert werden. Diese positive Sichtweise prägte den sogenannten Idealismus als wissenschaftlichen Ansatz und Erklärungsstrategie internationaler Beziehungen.[7] Das Erstarken der Nationalstaaten, der Faschismus und die menschenunwürdigen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs sowie der Ost-West-Konflikt als Auswirkung auf den Zweiten Weltkrieg, bekräftigten die realpolitisch-realistische Weltsicht und damit den Realismus (bzw. Neo-Realismus) als dominantes Paradigma der IB. Nach Ende des Ost-West-Konflikts etablierte sich der Konstruktivismus als interdisziplinäre Perspektive, der das Staatensystem als komplexes, soziales Konstrukt ansieht, in dem es entscheidend auf das Selbst- und Fremdbild der Staaten ankommt (vgl. LIST 2005: 20ff.; SPINDLER/SCHIEDER 2006: 9ff.).
Die Theoriebildungen der IB tragen damit den realen Ereignissen des Weltgeschehens Rechnung: Weltkriege, die Herausbildung eines bipolaren politischen Systems, das Ende des Ost-West-Konfliktes, Globalisation, internationaler Terror, Weltwirtschaftskrise. Diese internationalen, epochalen Umbrüche führen zu einem wie LIST konstatiert „Pluralismus der Herangehensweisen“ (2005: 12ff.), deren Kombination durchaus sinnvoll sein kann. Erkenntnisse aus sozialwissenschaftlichen Nachbarsdisziplinen wie der Soziologie, den Kulturwissenschaften, der Ökonomie, etc., bilden die Komplexität der IB ab und haben ergänzende und bereichernde Effekte für deren Erklärungsstrategien[8] (vgl. MENZEL/VARGA 2000: 21ff.; SPINDLER/SCHIEDER 2006: 10ff.). Im Folgenden werden mit dem Neorealismus und dem Konstruktivismus zwei Paradigmen eingehend beleuchtet und gegenübergestellt, die im Hinblick auf die Leitfrage einen möglichst großen Erkenntnisgewinn versprechen.
2.1 Neorealismus
Der Neorealismus kann als Weiterentwicklung und kritische Auseinandersetzung des traditionellen Realismus verstanden werden. Er entstand im weltpolitischen Kontext des Ost-West-Konfliktes und der sich daraus entwickelten bipolaren Weltordnung. Geprägt wurde er hauptsächlich durch den am Anfang dieses Jahres verstorbenen, amerikanischen Politikwissenschaftler Kenneth N. Waltz.
Dieser unterscheidet zwischen drei Analyseebenen der internationalen Politik, mit denen das Machtstreben von Staaten und die Ursachen von zwischenstaatlichen Konflikten erklärt werden können (vgl. WALZ 1959: 14; DITZEL/HOEGERLE 2011: 15ff.):
- Ebene individueller Akteure und ihrer Eigenschaften wie Aggressivität oder Kooperationsbereitschaft, etc.
- staatliche Ebene und ihre Eigenschaft als Demokratie oder Diktatur, etc.
- Ebene des internationalen Systems und seiner Eigenschaft, wie uni, bi- oder multipolar, also die Anzahl der sogenannten Supermächte
Für Waltz sind Erklärungen auf der individuellen und staatlichen Ebene nicht relevant[9]. Das Machtstreben von Staaten erklärt sich für ihn allein aus der anarchischen Struktur des internationalen Systems. Der Naturzustand und damit das Misstrauen zwischen den Staaten wird systemisch erklärt, nicht anthropologisch wie im klassischen Realismus und in Anlehnung an Hobbes und seinem negativen Menschenbild. Es wird also nicht mehr von der Natur des Menschen auf ein analoges Verhalten der Staaten im internationalen Kontext geschlossen, wie von Hans J. Morgenthaus, dem berühmtesten Vertreter des klassischen Realismus. „Anarchie“ als terminus technicus, wird als „Naturzustand“ zwischen den Staaten verstanden, als die Abwesenheit einer formalen Hierarchie. Das heißt Staaten sind in keine übergeordnete Regelungs- und Sanktionsinstanz eingebettet, es existiert keine „Weltpolizei“ (vgl. LIST 2005: 14f.).
Zur Grundannahme der Anarchie im internationalen Staatensystem formuliert WALTZ folgende fundamentale Bedingung: „In anarchy, security is the highest end. Only if survival is assured can states safely seek such another goals as tranquility, profit, and power. [...] The first concern of states is not to maximize power but to maintain their positions in the system “(1979: 126).
Die Unsicherheit, die sich aus der anarchischen Ordnung des internationalen Systems ergibt, beeinflusst die Zusammenarbeit und Kooperationsbereitschaft zwischen Staaten. Jeder Staat will sich eine bessere Position sichern, bzw. mehr gewinnen als die anderen Staaten und ist zunächst am relativen Nutzen und nicht am absoluten Nutzen einer Kooperation interessiert (vgl. GRIECO 1990: 37f.)[10]. Eine dauerhafte Zusammenarbeit kommt demnach nur durch die Unterstützung einer Hegemonialmacht – wie zum Beispiel den USA, die für die Sicherheit Israels garantiert, oder als Allianz zur Schwächung der Machtposition einer Hegemonialmacht zustande, – wie im Falle der NATO gegen den Warschauer Pakt.
Sicherheit können Staaten nach neorealistischer Ansicht nur durch Selbsthilfe erreichen, dabei ist ihr Machtpotential im Hinblick auf ökonomische, soziale und vor allem militärische Ressourcen entscheidend. Sie müssen für eventuelle Angriffe durch andere Staaten gewappnet sein und rüsten aus diesem Grund auf. Diese Aufrüstung zur Verteidigung, wird wiederum von anderen Staaten als Bedrohung empfunden und veranlassen diese selbst auf- oder nachzurüsten. Ein sich permanent erneuerndes Machtgleichgewicht ist die Folge. Dies wurde von John H. Herz[11] bereits 1950 als „Sicherheitsdilemma“ bezeichnet. Dieses Wettrüsten und „Gleichgewicht des Schreckens“ hat zumindest in bipolaren Machtkonstellationen eine stabilisierende Wirkung[12] und findet mit der Atombombe seine absurde Entsprechung: Denn der auf einen Atomangriff höchstwahrscheinlich folgende Zweitschlag würde letztendlich zur Selbstvernichtung des eigenen Staates führen (vgl. WALTZ 1988: 619ff.).
2.2 Konstruktivismus
Ist der Neo-Realismus im zeitgeschichtlichen Kontext des Ost-West-Konfliktes zu verorten, liefert der Konstruktivismus für dessen Auflösung Ende der 1980er Jahre Erklärungsansätze, die das aktuelle Weltgeschehen reflektieren: Die machtpolitische Logik kann durch Lernprozesse durchbrochen werden, das Staatensystem selbst ist ein soziales Konstrukt bei dem Fremd- und Selbstwahrnehmung von Staaten eine zentrale Rolle zukommt.
Als wichtigster Vertreter des Konstruktivismus gilt Alexander Wendt, dessen wissenschaftlicher Beitrag aus dem Jahre 1992 bereits im Titel eine Kritik am Waltzschen Neorealismus formulierte und deutlich machte, dass das existierende Analyseinstrumentarium in den IB einer Erweiterung bedarf:„Anarchy is what states make of it: the social construction of power politics“.
Für Wendt ist Anarchie kein „Naturzustand“ per se mehr, sondern beruht darauf, welches kognitive und handlungsanleitende Verständnis Staaten von Anarchie haben. Das bei Waltz betonte Sicherheit-Dilemma und der damit einhergehende Zwang zur Selbsthilfe bzw. Aufrüstung der Staaten kommentiert WENDT wie folgt (1992, 402ff.): “Self help is an institution, not a constitutive feature of anarchy. [...]… the meanings in terms of which action is organized arise out of interaction. “
Während der Neorealismus als eine in sich geschlossene Theorie bezeichnet werden kann, nimmt der Konstruktivismus eine stark interdisziplinäre Forschungsperspektive ein und bedient sich der Erklärungsmuster u.a. aus den Disziplinen Soziologie[13] und Kulturwissenschaften. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie in Kulturen ganz bestimmte Werte und Normen, Ideen oder Leit- und Weltbilder entstehen, sich durchsetzen und wandeln, also sozial konstruiert und/oder de-konstruiert werden.
Soziale Konstruktionen entfalten eine konstitutive und regulative Wirkung auf das Verhalten der Akteure in der Weltpolitik. Sie bestätigen oder verändern die bestehenden Strukturen und wirken so wieder auf die Akteure und ihre geteilten Wahrnehmungen zurück. Ob sich Staaten gegenseitig als Freunde, Rivalen oder Feinde wahrnehmen, hängt auch davon ab, wie bestimmend Gewalt im Verhältnis zwischen Akteuren und ihrer Umwelt ist (vgl. Ebd.:1992: 389ff.; Ebd.:1999: 250ff.; LIST 2004: 17ff.; SIEDSCHLAG/OPITZ u.a.: 195ff.). Russland wurde nach dem Ende des Kalten Krieges vom Westen nicht mehr als Feind wahrgenommen, obwohl es sein Waffenarsenal nicht reduziert hatte. Die Perzeption Frankreichs als Atommacht ist eine völlig andere als die des Irans. Spätestens nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf die Türme des World Trade Centers in New York, gilt „der Islam“ in der westlichen Welt als „militant“ und neues Feindbild.
Anhand dieser Beispiele wird die tragende Bedeutung von Bildern und Ideen besonders deutlich und zeigt die Rekonstruktion von Weltbildern. Eine konstruktivistische Analyse von Krisen- und Umbruchsituationen bietet hier ein Erklärungsmuster für einen Identitätswandel. Bestehende Identitäten werden von den Akteuren kritisch hinterfragt, neue Ideen, Wissen und neue Akteure gewinnen an Einfluss und bewirken ein Umdenken. Sie können zur Herausbildung einer neuen staatlichen Identität führen und/oder einen politischen Wandel einleiten. Die konstruktivistische Sichtweise auf die IB analysiert eine Vielfalt an Welt- und Gesellschaftsbilder und verweist auf, je nach Weltregion, unterschiedliche Traditionen, Religionen sowie bewährte soziale Praktiken (vgl. WENDT 1999: 247ff.).
Für die IB ist dabei wichtig, dass der Konstruktivismus nicht einfach Ideen oder Bilder an die Stelle ökonomischer oder militärischer Ressourcen setzt, denn auch Weltbilder üben in mächtigen Staaten eine größere internationale Wirkung aus als in kleinen und peripheren Staaten bzw. werden von den Akteuren verschieden wahrgenommen, obwohl es sich um ein und dieselbe Realität handelt. Außerdem benötigt der Lernprozess der politischen Eliten sowie der Medien Zeit (vgl. HARTMANN 2009: 60ff.). Diese Tatsache spielt bei der Erklärung von Verhandlungsprozessen und Verhandlungsergebnissen auf internationaler Ebene eine wichtige Rolle.
3 Historischer Abriss des israelisch-palästinensischen Konflikts und Status Quo der Zwei-Staaten-Lösung
Sowohl Israel als auch Palästina reklamieren mit Rückgriff auf ihre historisch-religiösen Wurzeln[14] das heutige Staatsgebiet Israel und die besetzten Gebiete der Palästinenser Gaza, Westjordanland (auch Westbank genannt) und Ostjerusalem. Mit Kanaanäer, Hebräer und Philister können beide Bevölkerungsgruppen auf Vorfahren bis in die Bronzezeit (2200-800 v. Chr.) verweisen. Der Landstrich war als Nahtstelle zwischen Orient und Okzident stets Schauplatz einer politisch äußert konflikt- und abwechslungsreicher Herrschaftsgeschichte.
Der Konflikt in seiner heutigen Form und die moderne jüdische Besiedlung Palästinas gehen auf die europäische Kolonialgeschichte, den europäischen Antisemitismus und der daraus resultierenden zionistischen Bewegung ab Mitte des 19. Jahrhunderts zurück (vgl. JOHANNSEN 2011: 12f.; BRENNER 2008; TIMM 2003: 4f.). Das Gebiet, das seit 1517 zum Osmanischen Reich gehörte, war für Großbritannien von strategisch wichtiger Bedeutung. Es liegt auf halben Weg zwischen London und Neu-Delhi und fungierte als Stützpunkt für den Handelsweg nach Indien. Im 1. Weltkrieg wurde das Osmanische Reich zerschlagen und noch während der kriegerischen Auseinandersetzung hatte Großbritannien den beteiligten Akteuren widersprüchliche Versprechen[15] bezüglich des Territoriums gegeben, die nicht zu realisieren waren: Die „Husain-McMahon Korrespondenz“ von 1915/1916, die eine arabische Unabhängigkeit versprach; das „Sykes-Picot Abkommen“ von 1916 wollte die Aufteilung des Gebiets zwischen Frankreich und Großbritannien und die „Balfour-Erklärung“ von 1917 versprach der jüdischen Nationalbewegung die Schaffung einer "nationalen Heimstätte" (vgl. LIST 2013: 11; PHILIPP 2008; WOLFFSOHN 2008).
Im Bericht der Peel Commission 1937 wird zum ersten Mal die Teilung des Gebietes in einen jüdischen und einen arabischen Staat fixiert. Auslöser war die dramatische Zuwanderung von Juden aus dem Nazi-Deutschland und die damit verbundenen Unruhen in Palästina. Der Teilungsvorschlag wurde vom zionistischen Weltkongress angenommen, von den palästinensischen Arabern aber abgelehnt (vgl. JOHANNSEN 2011: 19f. ; PHILIPP 2008). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab Großbritannien das seit dem Ersten Weltkrieg bestehende Mandat für Palästina an die nach 1945 gegründeten Vereinten Nationen (UN) ab. Diese beschlossen 1947 die UN-Resolution 181(II), die eine Teilung Palästinas vorsah. Der jüdischen Seite wurden 56 Prozent und der arabischen Seite 43 Prozent des Territoriums zugeteilt. Jerusalem sollte unter internationale Verwaltung gestellt werden. Die Resolution erhielt von der UN-Vollversammlung die nötigte Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle arabischen Staaten lehnten den Vorschlag jedoch ab und drohten mit militärischem Widerstand. Zum damaligen Zeitpunkt stellten die Juden ca. ein Drittel der Bevölkerung und waren in Besitz von zehn Prozent der Gesamtfläche (LIST 2013: 11; vgl. Ebd.: 21). Israels Staatsgründung erfolgte nach Abzug der letzten britischen Soldaten am 14. Mai 1947 – woraufhin Ägypten, Syrien, Libanon, Transjordanien und der Irak den neugegründeten Staat angriffen. Die arabischen Staaten sprechen vom Palästinakrieg, für Israel war es der Unabhängigkeitskrieg, in dessen Verlauf sich Israel ca. 78 Prozent des ehemaligen Mandatsgebiets sichern konnte. Diese Grenze entspricht der sog. „Green Line“, die das israelische Staatsgebiet bis zum Sechs-Tage-Krieg 1967 umfasst. Das Gebiet außerhalb der „Green Line“ ist gemäß einer Zwei-Staaten-Lösung für Palästina vorgesehen. Im Laufe des Krieges mussten 750.000 Palästinenser[16] fliehen – und bekamen auch nach Kriegsende keinen palästinensischen Staat: Gaza kam unter ägyptische Verwaltung, das Westjordanland und Ost-Jerusalem unter Verwaltung Jordaniens und West-Jerusalem sicherte sich Israel (vgl. Ebd.: 2011: 22ff.).
[...]
[1] Genauer: Resolution 181 (II), von der UN-Generalversammlung angenommen.
[2] Die palästinische Seite ist nicht wie Israel ein Staat, wird aber in dieser Arbeit als „autonome, politische Einheit“ gleichwertig behandelt.
[3] Walz war ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler (1924-2013).
[4] Wendt ist ein Deutsch-amerikanischer Politikwissenschaftler (*1958).
[5] Als Paradigmen (in Deutschland als Gross-Theorien bezeichnet) der politikwissenschaftlichen Teildisziplin „Internationale Politik“, gelten: Realismus, Idealismus/Institutionalismus, Kognitivismus/Konstruktivismus und der gesellschafts-kritische Ansatz. „Internationale Beziehungen“ wird dabei als Synonym verwendet (vgl. LIST: 2005, 11ff.; ebd.:25).
[6] Ideengeschichtlich haben IB und ihre Implikationen wie Staatenbildung, Bedingungen von Krieg und Frieden, etc. eine lange Tradition, auf die alle Forschungsprogramme zurückgreifen. Mit den Namen Thukydides, Aristoteles, Machiavelli, Hobbes und Kant seinen nur einige philosophische Vertreter genannt.
[7] Die akademischen Disziplin IB, wird großgeschrieben, der Gegenstand ihrer Untersuchung, - internationale Beziehungen -, als Abgrenzung klein.
[8] Diese Theorienvielfalt führte auch immer wieder zu kontroversen Diskussionen innerhalb der wissenschaftlichen Disziplin (vgl. MENZEL 2000: 24ff.; MEYERS 2011: 500ff.).
[9] In der aktuellen Forschung und damit in der Weiterentwicklung u. Auseinandersetzung mit Waltz wird hingegen die Wichtigkeit von sub-systemischen Erklärungen, wie z.B. dem außenpolitischen Verhaltens von Staaten, durchaus Relevanz beigemessen (vgl. Politikwissenschaftler wie u.a. Randall Schweller, Robert L. Gilpin, Charles Kupchan – eine gute Übersicht bietet MASALA 2010: 61ff.).
[10] Joseph M. Grieco ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler und hat die sogenannte Kooperationstheorie entwickelt.
[11] John H. Herz war ein deutsch-amerikanischer Politikwissenschaftler (1908-2005).
[12] Unter dem Titel „Why Iran should get the bomb–nuclear balancing would mean stability“ greift Waltz in einem Artikel für die Juli/August 2012 Ausgabe von Foreign Affairs genau dieses Argument im Hinblick auf den israelisch/(amerikanisch)-iranischen Atomstreit auf.
[13] So rezipiert Wendt in seinem genannten Beitrag die Sozialwissenschaftler Peter L. Berger u. Thomas Luckmann, die bereits 1966 mit „The Social Construction of Reality“ das Standardwerk des (Sozial-)Konstruktivismus verfassten.
Auch im Konstruktivismus haben sich im Laufe der Jahre eine Vielzahl an Strömungen herausgebildet: Staats-, Sozial-, linguistischer, epistemologischer, philosophischer, reflexiver Konstruktivismus. Mit Checkel, Onuf und Klink seien nur einige Vertreter genannt (siehe FRIEDRICH/ KÖLTZOW/TILLY 2011: 35ff.; ULBERT 2010: 446ff.).
[14] Juden wie Muslime berufen sich u. a. auf Abraham als Urvater ihrer Religion, dessen Grab liegt in Hebron, ein Ort, der für Juden wie Palästinenser als heilig gilt. Hebron wurde durch den Oslo-Vertrag zur geteilten Stadt, in der es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis u. Palästinensern kommt. In der von den Palästinensern verwalteten Zone H2, der Altstadt, leben ca.800 meist national-religiöse Siedler zwischen 30.000 Palästinensern. (vgl. LAU 2012:37)
[15] Offizieller Wortlaut der Erklärungen unter: Bundeszentrale für politische Bildung – bpb
[16] Sie flohen teilweise in die arabischen Nachbarstaaten und in eigens von der UN eingerichtete Flüchtlingscamps. Die 2StL sieht für sie ein Rückkehrrecht in die besetzten Gebiete vor sowie eine von Israel festzulegenden Quote zur Rückkehr ins israelische Kernland um den jüdischen Charakter Israels nicht zu gefährden. Außerdem sind Ausgleichs- u. Entschädigungszahlungen vorgesehen (vgl. LIST 2013: 13; JOHANNSEN 2011: 154ff.).