Die Interlinearversion der Benediktinerregel. Kulturüberschreitende Aspekte


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Sachgrundlagen
2.1 Aspekte der Überlieferung
2.2 Inhalt und historischer Kontext der Handschrift

3. Analyse der Interlinearversion: Transkulturelle Übergänge zwischen Lateinischer Schriftkultur und deutscher Volkssprache
3.1 Vergleichende Textanalysen
3.1.1 Schriftbild und Textgestaltung
3.1.2 Transkulturelle Dimensionen der Textgegenüberstellung
3.2 Die Interlinearglossierung als Moment eines transkulturellen Prozesses
3.3 Thesen zum Resultat des transkulturellen Prozesses
3.4 Vergleich mit anderen transkulturellen Prozessen der Epoche

4. Fazit und Ausblick

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Interlinearversion der Benediktinerregel aus Cod. Sang. 916 unter transkulturellen Aspekten zu betrachten und eine Vorstellung von transkulturellen Funktionen und Bezügen dieser Interlinearversion im Kontext der Übergänge zwischen Latein als Bildungssprache und Deutsch als Volkssprache zu gewinnen. Im Fokus soll dabei die Frage nach der Rolle der Interlinearglossierung im Kontext konkreter kultureller Transferprozesse stehen.

Im Rahmen der Arbeit soll die Interlinearglossierung der Benediktinerregel also auf ihre Leistung als Moment eines Kulturtransfers zwischen der lateinischen Schriftkultur und der deutschen Volkssprache hin untersucht werden. Zu diesem Zweck werden Aspekte der Textstruktur auf beiden Seiten verglichen und vor dem Hintergrund der Stellung der deutschen Volkssprache im Kontext der zeitgenössischen Bildungsprozesse gewürdigt.

Die Ergebnisse des untersuchten transkulturellen Prozesses sollen in ausgewählten Aspekten dargestellt und mit anderen transkulturellen Phänomenen jener Zeit verglichen werden.

Diese Analysen sollen einerseits als Textanalysen realisiert werden (Arbeit mit digitalen Reproduktionen der Handschrift), andererseits als kritische Rezeption der einschlägigen Fachliteratur.

2. Sachgrundlagen

2.1 Aspekte der Überlieferung

Nach der Standardbeschreibung des Bestandes in der Stiftsbibliothek St. Gallen ist die Althochdeutsche Benediktinerregel in ihrer Interlinearversion enthalten in Cod. Sang. 916, wobei das Konvolut zusätzlich noch Ps. Augustinus’ „Homilia de die iudicii“ sowie ein „Ad confessionem“ enthält.

Die Handschrift ist wohl in St. Gallen selbst entstanden, und zwar nach dem Jahr 799, und, wie es scheint, seit Entstehung dort verblieben.[1] Als Beschreibstoff wurde Pergament verwendet und die Handschrift umfasst 172 Seiten des Formats 19,5 x 12,5 cm. Die Paginierung wurde erst im 19. Jahrhundert vorgenommen.[2]

Zur Lagenstruktur ist zu sagen, dass es sich um einen Alten Buchblock mit 86 Blättern handelt. Die Lagen werden angegeben mit (III+1)[14] sowie 9 IV[158], (II+2)[170] und 1[172]. Die Handschrift enthält eine Reihe von nachträglich hinzugefügten Einzelblättern, die wohl im Ersatz in das Konvolut gelangt sind. Die Kapitalzahlen sind ebenso wie die Paginierung deutlich später eingefügt worden, allerdings jedoch nicht erst im 19. Jahrhundert.[3]

Die Seiteneinrichtung variiert über die Länge der Handschrift; grundsätzlich ist der Schriftraum aber einspaltig und in Blindlinierung ausgeführt. Zirkellöcher sind teilweise sichtbar. Schrift und Hände lassen sich dadurch charakterisieren, dass im ersten Teil (p. 2-158) eine alemannische Minuskel des frühen 9. Jahrhunderts zu erkennen ist; der lateinische Text ist dabei nach den Angaben der Standardbeschreibung mit einer Hand geschrieben.

Der zweite Teil (p. 159-170) ist ebenfalls mit einer alemannischen Minuskel des frühen 9. Jahrhunderts ausgeführt und durchwegs mit einer Hand geschrieben.[4]

Zum Buchschmuck ist zu sagen, dass dieser insgesamt schlicht gehalten ist. Im ersten Teil (p. 2-158) erscheint der lateinische Text in einer schwarzbraunen Tinte, während der deutsche Text in einer braunen Tinte erscheint. Der erste Teil zeigt zudem eine Ausstattung mit Kapitelüberschriften, die zwischen p. 51-125 in roter Tinte ausgeführt sind. Auffällig dabei ist der Wechsel zwischen Unzialis und Minuskel, der allerdings nicht unbedingt auf eine spätere Ergänzung hindeutet.[5]

Der Schreiber des lateinischen Textes in diesem Teil hat mit einfachen Initialen als Gliederungselementen des Textes gearbeitet, wobei in die Versalienspalten auch Satzmajuskeln in Texttinte eingearbeitet wurden.[6]

Die genannten Aspekte deuten auf eine weitgehend unbeschadete und vollständige Überlieferung des ersten Teils der Interlinearversions-Handschrift hin. Dies gilt nicht für die Vortradierung, die in Cod. Sang. 916 von Fehlschreibungen und Veränderungen gegenüber der Vorlage geprägt ist.[7]

Dies scheint sich im zweiten Teil zu ändern, der auch nicht mehr vom eigentlichen Interlineartext bestimmt ist, sondern von der Erklärung der Benediktinerregeln. Da dieser Textteil aber für die vorliegende Arbeit keine zentrale Rolle spielt, wird auf eine genaue Textbeschreibung an dieser Stelle verzichtet.

Der hier interessierende Teil der Interlinearversion der Benediktinerregel (p. 2-158) weist auch eine Reihe von späteren Ergänzungen gegenüber der Urschrift auf. Dabei ist hervorzuheben, dass die althochdeutsche Interlinearversion von drei Händen geschrieben wurde, die einander in der Niederschrift kurzfristig abgewechselt haben. Auch der lateinische Text wurde zeitgenössisch teilweise nachkorrigiert. Der lateinische Text scheint insbesondere dem Cod. Sang. 915 angepasst worden zu sein, ebenfalls aber in St. Gallen.[8]

2.2 Inhalt und historischer Kontext der Handschrift

Die Handschrift enthält im ersten Teil (p. 2-158) die althochdeutsche Benediktinerregel in einer lateinischen Interlinearversion. Die genaue Aufteilung des Texts gestaltet sich wie folgt: p. 2-6 bringen die „Capitula“, also eine Inhaltsübersicht des Bandes; p. 6-7 den Text „De moribus perfectionis“, den Eingang zur Benediktinerregel. Darauf folgt bis p. 151 die Interlinearversion der Benediktinerregel, p. 152 enthält nur lateinischen Text.[9]

Der Inhalt der Benediktinerregel entspricht grundsätzlich den vom Heiligen Benedikt von Nursia im Jahr 529 verfassten Regularien für das Kloster Monte Cassino. Der ihm nachfolgende Orden „Ordo Sancti Benedicti“ (OSB), auch Benediktiner genannt, akzeptierte diese Regularien als Ordensregeln und tradierte sie in die mittelalterlichen Klosterfilialen auch außerhalb des italienischen/lateinischen Sprachraums.

Benedikt hatte diese Regularien zunächst nicht als universelle Ordensregel entworfen. Vielmehr handelte es sich um ein didaktisches Werk, das seine Auffassung vom Klosterleben wiedergeben und für die Lehre nutzbar machen sollte.[10]

Der Text ist nicht ohne strukturelles Vorbild; er orientiert sich nach Didaktik und Rhetorik an der so genannten Magisterregel (Regula Magistri); zusätzlich findet eine Anlehnung an Augustinus statt. Auffällig an diesem Text ist, dass es sich nicht um Regularien für Klostervertraute handelte sondern um ein Werk, das sich an Neueinsteiger (Novizen) und wohl auch an potenzielle Eintrittskandidaten richtete.[11]

Auch im Aufbau (Prolog und 73 Kapitel) lässt sich eine strukturelle Orientierung an zeitgenössischen didaktischen Werken erkennen, die stark auf Regelhaftigkeit und Formelbildung gerichtet sind.[12]

Über Gallien gelangte der Text nach Irland und wieder zurück nach dem Frankenreich, wo sich die RB[13] schnell verbreiteten. Die Nachfolger von Karl dem Großen organisierten ihre Klosterreformen auf der Grundlage dieser Schrift und erklärten sie auch zu einem Rechtstext, was den RB auch eine große weltliche Bedeutung (etwa bei der großen Reform des Klosterwesens im 9. Jahrhundert) verschaffte.[14]

Für das Kloster St. Gallen besaß die Benediktinerregel eine große Bedeutung, zumal nach der Absetzung des Gründerabts um 750 eine Neuordnung des Klosterlebens anstand. Das St. Gallener Kloster wurde in der Tradition der RB erneuert und weiterentwickelt.[15]

Eine Besonderheit der RB ist die Möglichkeit ihrer lokalen Erweiterung um besondere Vorschriften bzw. Auslegungen der Sätze Benedikts. Dies ist auch in Cod. Sang 916 zu beobachten (zweiter Teil). Dadurch wurde der Text auch zu einem variablen semantischen Gebilde, das sehr unterschiedliche Auslegungstraditionen hervorgebracht hat. Zusätzlich erweitert wurde die Auslegungsbreite der RB auch durch die internationale Verbreitung (Übersetzungen) und den historischen Sprachwandel im Lauf der Jahrtausende seit der Urschrift.[16]

Die allgemeine Charakteristik der Schrift in der Interlinearversion in Cod. Sang 916 ist die der alemannischen Minuskel. Dazu ist zu sagen, dass diese Schrift zu Anfang des 9. Jahrhunderts in der klösterlichen Handschriftenkultur des südwest-deutschen Raums weit verbreitet, ja als eine Standardschrift anzusehen war. In St. Gallen, dem Kloster, in dem die Handschrift erfolgt ist, wurde diese Schrift bis zum Jahr 830 standardmäßig angewandt, befand sich also bereits in ihrer Spätphase.[17] Weiter findet sich, insbesondere in den Kapitelüberschriften, aber auch an anderen hervorgehobenen Stellen, die Verwendung der Unziale. Dabei handelt es sich um eine Form von Zierbuchstaben, die im 9. Jahrhundert in der Handschriftenkultur Mitteleuropas weit verbreitet ist.[18]

[...]


[1] Die Handschrift ist in 2015 das ganze Jahr hindurch einem breiten Publikum zugänglich und zwar wird in der Klosterbibliothek St. Gallen jede Woche eine andere Doppelseite ausgestellt. (Anm. des Autors)

[2] Vgl. ebd., Standardbeschreibung. http://www.e-codices.unifr.ch/de/description/csg/0916.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. Stiftbibliothek St. Gallen (2014), Standardbeschreibung.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl.: Masser, Achim (2002): Kommentar zur lateinisch-althochdeutschen Benediktinerregel des Cod. 916 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Heidelberg: V&R, S. 55.

[8] Vgl. Stiftbibliothek St. Gallen (2014), Standardbeschreibung.

[9] Vgl. Stiftsbibliothek St. Gallen (2014): E-Codices, Cod. Sang. 916; hier vereinfachte Darstellung der Textstruktur.

[10] Vgl. ebd., S. 167.

[11] Vgl. Masser (2002), S. 57.

[12] Vgl. ebd.

[13] Benediktinerregel.

[14] Vgl.: Vischer, Lukas (1998): Ökumenische Kirchengeschichte der Schweiz. Lausanne: Saint Paul, S. 44.

[15] Vgl. ebd.

[16] Vgl.: Hoffmann, Lothar et al. (1999, Hrsg.): Handbuch zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Band 2. Berlin: De Gruyter, S. 2313.

[17] Vgl.: Zur Nieden, Andrea (2008): Der Alltag der Mönche: Studien zum Klosterplan von St. Gallen. Hamburg: DA, S. 299.

[18] Vgl.: Günther, Jörn-Uwe (1999): Mittelalterliche Handschriften und Miniaturen: Kunstschätze im Verborgenen. München: Terms, S. 286.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Interlinearversion der Benediktinerregel. Kulturüberschreitende Aspekte
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Kulturwissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V310345
ISBN (eBook)
9783668086296
ISBN (Buch)
9783668086302
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interlinearversion, benediktinerregel, kulturüberschreitende, aspekte
Arbeit zitieren
Reinhold Wipper (Autor:in), 2015, Die Interlinearversion der Benediktinerregel. Kulturüberschreitende Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310345

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Interlinearversion der Benediktinerregel. Kulturüberschreitende Aspekte



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden