Das Sich-Selbst-in-Fragestellen des Künstlers gilt als die Essenz des Künstlerproblems zur Zeit der Moderne. Franz Kafka reiht sich mit seiner Reflexion über das Wesen des Künstlertums in eine Tradition weiterer Autoren ein, die sich mit der Problematik des Künstlers, insbesondere auch im Wechselspiel mit der Gesellschaft und dem Publikum befassten.
Kurz vor seinem Tod widmete Kafka 1924 gar einen ganzen Sammelband „Ein Hungerkünstler“, den Künstlerfiguren. Drei Erzählungen aus ebenjenem Band, „Erstes Leid“, „Ein Hungerkünstler“, sowie „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“ können als Chiffre für die Problematik der Künstlerexistenz gelesen werden.
Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit wird sich nun der in diesen Texten erzählerisch entwickelten Kunstdefinition angenähert und die – typisch Kafka – lediglich implizit angesprochene Problematik um Kunst und Künstlertum zu analysieren. Hierfür wird die Analyse auf zwei Erzählungen beschränkt: „Ein Hungerkünstler“, da hierbei vor allem die Künstlerperson im Vordergrund steht und „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“, aufgrund des besonderen Vorzugs einer außergewöhnlichen Reflexion über die Kunst und ihrer Definition. Somit wären beide zu behandelnden Aspekte, die Kunst und auch der Künstler, abgedeckt.
Auf der Basis der Texte sollen eingangs die Erzählwelten, deren Setting, als Grundlage der Interpretation im Fokus der Untersuchung stehen. Ein weiterer wichtiger Punkt stellt im Anschluss die Analyse der Rolle des Erzählers dar. Danach wird den verschiedenen Komponenten und der Frage nach dem Kunstcharakter der beiden Künste, dem Gesang und dem Hungern, nachgegangen und dabei auch der Debatte eines möglichen Schwindels bzw. Betrugs der Künstlerfiguren Raum gegeben. Des Weiteren fällt in beiden Erzählungen dem Publikum bzw. der Gesellschaft eine besondere Funktion zu, welche ebenfalls im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden soll. Demzufolge soll das den Texten immanente Wesen der künstlerischen Existenz zu Tage treten und eine Ergründung des Stellenwertes der Kunst für den Künstler selbst und auch der Gesellschaft erfolgen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Erzählwelten
- 2.1. Die Welt des Zirkus' und Varietés
- 2.2. Die Welt der Mäuse
- 3. Die Rolle des Erzählers
- 3.1 Ein Hungerkünstlerexperte?
- 3.2 Die Erzählmaus
- 4. Der Kunstcharakter
- 4.1 Die Art und Weise der Kunstfertigkeit
- 4.2 Das Streben nach künstlerischer Vollendung
- 4.3 Der Aspekt der Performanz
- 4.4 Das Selbstverständnis als Künstler
- 4.5 Betrug und Schwindel?
- 5. Das Verhältnis von Gesellschaft und Künstler
- 5.1 Das Publikum des Hungerkünstlers
- 5.2 Das Volk der Mäuse
- 6. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Kafkas Kunstdefinition in den Erzählungen „Ein Hungerkünstler“ und „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“. Ziel ist es, die implizit angesprochene Problematik um Kunst und Künstlertum zu ergründen und den Stellenwert der Kunst für den Künstler und die Gesellschaft zu beleuchten. Die Analyse konzentriert sich auf die Erzählwelten, die Rolle des Erzählers, den Kunstcharakter des Hungerns und des Gesangs, sowie das Verhältnis zwischen Künstler und Publikum.
- Kafkas Kunstverständnis in seinen Erzählungen
- Die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft
- Die Bedeutung der Erzählwelt für die Interpretation
- Der Kunstcharakter des Hungerns und des Gesangs
- Das Verhältnis von Künstler und Publikum
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Künstlers in der Moderne ein, ausgehend von einem Kafka-Zitat. Sie verortet Kafka in der Tradition von Goethe, Mann und Grillparzer und fokussiert auf drei Erzählungen aus Kafkas Sammelband „Ein Hungerkünstler“. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der Kunstdefinition in „Ein Hungerkünstler“ und „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“, um die Problematik von Kunst und Künstlertum zu untersuchen. Die Analyse betrachtet die Erzählwelten, die Rolle des Erzählers, den Kunstcharakter der beiden Künste (Hungern und Gesang), die Rolle des Publikums und die immanente künstlerische Existenz.
2. Die Erzählwelten: Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung des Settings in Kafkas Erzählungen für das Verständnis der Künstlerproblematik. Die Wahl der Erzählwelt ist kein Zufall, sondern trägt zur Entschlüsselung der Gesamtgeschichte bei. Analysiert werden die spezifischen Welten des Zirkus und der Mäusewelt.
2.1. Die Welt des Zirkus' und Varietés: Die Welt des Zirkus wird als Sphäre der Schaustellerei und Kunst beschrieben, die mit Rand- und Sonderexistenzen verbunden ist. Der Hungerkünstler als Zirkusattraktion bildet einen Kontrast zwischen erwarteter Leistung und dem Zwang zum Hungern. Der Zirkus ist für den Hungerkünstler sowohl Ort des Segens (Publikum) als auch des Fluches (schlechte Bedingungen).
2.2. Die Welt der Mäuse: In „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“ wird die Handlung in die Welt der Mäuse verlegt. Obwohl die Erzählung Fabel-Elemente aufweist, verzichtet sie auf eine explizite Moral. Die Tierwelt dient als Spiegel der Menschenwelt, schafft Distanz und ermöglicht eine objektivere Betrachtung. Die fließenden Grenzen zwischen Menschen- und Tierwelt ermöglichen dem Leser einen höheren Erkenntnisgewinn und erlauben dem Autor, Tabus auf subtile Weise anzusprechen.
Schlüsselwörter
Franz Kafka, Künstlertum, Kunstdefinition, Erzählwelt, Zirkus, Mäuse, Hungerkünstler, Josefine, Gesang, Performanz, Gesellschaft, Publikum, Moderne, Narzissmus, Askese, Betrug, Reflexion, Anthropologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Kafkas Kunstverständnis in "Ein Hungerkünstler" und "Josefine, die Sängerin"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Franz Kafkas Kunstverständnis anhand seiner Erzählungen "Ein Hungerkünstler" und "Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse". Der Fokus liegt auf der impliziten Problematik von Kunst und Künstlertum, dem Stellenwert der Kunst für den Künstler und die Gesellschaft, sowie der Interpretation der Erzählwelten und der Rolle des Erzählers.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Analyse konzentriert sich auf mehrere Schlüsselthemen: die Erzählwelten (die Welt des Zirkus und die Welt der Mäuse), die Rolle des Erzählers, den Kunstcharakter des Hungerns und des Gesangs, das Verhältnis zwischen Künstler und Publikum, sowie Kafkas implizite Kunstdefinition.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: 1. Einleitung, 2. Die Erzählwelten (mit Unterkapiteln zu Zirkus und Mäusewelt), 3. Die Rolle des Erzählers, 4. Der Kunstcharakter, 5. Das Verhältnis von Gesellschaft und Künstler und 6. Zusammenfassung. Jedes Kapitel beleuchtet spezifische Aspekte der Thematik.
Wie wird die Welt des Zirkus in der Analyse betrachtet?
Die Welt des Zirkus wird als Sphäre der Schaustellerei und Kunst beschrieben, die mit Rand- und Sonderexistenzen verbunden ist. Der Hungerkünstler als Zirkusattraktion repräsentiert einen Kontrast zwischen erwarteter Leistung und dem Zwang zum Hungern. Der Zirkus erscheint als Ort des Segens (Publikum) und des Fluches (schlechte Bedingungen) für den Hungerkünstler.
Welche Rolle spielt die Mäusewelt in "Josefine, die Sängerin"?
Die Mäusewelt in "Josefine, die Sängerin" dient als Spiegel der Menschenwelt. Die Erzählung verzichtet auf eine explizite Moral, nutzt aber die Tierwelt, um Distanz zu schaffen und eine objektivere Betrachtung der menschlichen Gesellschaft zu ermöglichen. Die fließenden Grenzen zwischen Menschen- und Tierwelt ermöglichen einen höheren Erkenntnisgewinn und die subtile Ansprache von Tabus.
Welche Rolle spielt der Erzähler in Kafkas Erzählungen?
Die Analyse untersucht die Rolle des Erzählers in beiden Erzählungen und dessen Einfluss auf die Interpretation von Kafkas Kunstverständnis. Es wird untersucht, inwieweit der Erzähler die Sichtweise des Lesers lenkt und welche Bedeutung seine Perspektive für das Verständnis der Künstlerproblematik hat.
Wie wird der "Kunstcharakter" des Hungerns und Gesangs definiert?
Die Arbeit untersucht den "Kunstcharakter" des Hungerns und des Gesangs als zentrale Elemente der jeweiligen Erzählungen. Dabei werden Aspekte wie die Art und Weise der Kunstfertigkeit, das Streben nach Vollendung, die Performanz und das Selbstverständnis des Künstlers analysiert. Fragen nach Betrug und Schwindel werden ebenfalls beleuchtet.
Welches Verhältnis zwischen Künstler und Gesellschaft wird dargestellt?
Die Analyse untersucht das Verhältnis zwischen Künstler und Gesellschaft im Kontext beider Erzählungen. Dabei wird das Publikum des Hungerkünstlers und das "Volk der Mäuse" analysiert, um die gesellschaftliche Wahrnehmung und Akzeptanz von Kunst und Künstlern zu beleuchten.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren diese Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Franz Kafka, Künstlertum, Kunstdefinition, Erzählwelt, Zirkus, Mäuse, Hungerkünstler, Josefine, Gesang, Performanz, Gesellschaft, Publikum, Moderne, Narzissmus, Askese, Betrug, Reflexion, Anthropologie.
Welche Autoren werden im Kontext der Arbeit genannt?
Die Einleitung verortet Kafka in der Tradition von Goethe, Mann und Grillparzer.
- Citar trabajo
- Julia Hümmer (Autor), 2012, Kunst und Künstler in der Literatur Franz Kafkas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310397