Denkt man heute an Begriffe wie „Romantik“ und „romantisch“, fallen einem vielleicht Kerzen, Rosenblätter und kitschige Hollywoodfilme ein. Betrachtet man aber die Epoche der Romantik, die in Deutschland um 1770 - 1830 ihre Hochphase erlebt, sieht man eventuell Ursprünge der heute durch Massenkonsum geprägten Liebeswaren, doch im Kern hat unser Alltagsverständnis wenig mit dem Liebesverständnis von damals gemein. Warum sich diese Divergenz auftut, wäre eher in einer kulturwissenschaftlichen Arbeit zu klären, zentrales und genuin literaturwissenschaftliches Thema ist aber die Inszenierung und Fiktionalisierung von Liebe durch literarische Verfahren.
In der vorliegenden Arbeit untersuche ich den Briefwechsel der Dichter*innen und Geliebten Sophie Mereau und Clemens Brentano bezüglich der Liebeskonzeptionen und ihrer Funktionen. Auf die empirischen Personen und ihre Beziehung außerhalb der Briefe werde ich dabei nicht eingehen, da dies irrelevant für meine Arbeit ist; hier zählt nur der Text, nicht eine mögliche Autor*inintention, wie man spätestens seit Roland Barthes‘ „Tod des Autors“ konstatieren muss. Weiterhin kann ich aus Platzgründen natürlich nicht den gesamten Briefwechsel darstellen, sondern konzentriere mich auf den Brief Brentanos vom 9. September 1803 und andere Stellen, die prägnant sind. Dabei sollen zentrale Motive untersucht werden, die charakteristisch für den Briefwechsel sind.
Meine vorläufige These lautet, dass Liebe im vorliegenden Briefwechsel als literarisch überhöhte Fiktion fungiert, die den Liebenden ein verwandeltes Leben verspricht. Dazu werde ich mir drei ausgewählte Aspekte von Liebe anschauen – Katalysator eines poetisches Daseins, Pseudo-Religion und Pharmakon für Melancholie – die dann illustrieren sollen, welche Rolle und Funktion die Liebe hier einnimmt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Brief in der Romantik - ein hybrides Format
- Die verschiedenen Liebeskonzeptionen
- Poetisches Dasein
- Liebe als Pseudo-Religion
- Liebe als Pharmakon für Melancholie und Qual
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Briefwechsel zwischen Sophie Mereau und Clemens Brentano im Kontext der romantischen Liebeskonzeptionen. Sie analysiert, wie Liebe in den Briefen inszeniert und fiktionalisiert wird, ohne sich mit den empirischen Personen und ihrer Beziehung außerhalb des Textes auseinanderzusetzen. Die Arbeit konzentriert sich auf den Brief vom 9. September 1803 und andere wichtige Stellen im Briefwechsel, um zentrale Motive zu untersuchen, die charakteristisch für den Austausch sind.
- Die Funktion von Liebe als literarisch überhöhte Fiktion, die den Liebenden ein verwandeltes Leben verspricht.
- Die Darstellung von Liebe als Katalysator eines poetischen Daseins.
- Die Analyse von Liebe als Pseudo-Religion.
- Die Untersuchung von Liebe als Pharmakon für Melancholie.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Divergenz zwischen dem heutigen Alltagsverständnis von Liebe und dem der Romantik heraus und erklärt den Fokus dieser Arbeit auf die literarische Inszenierung und Fiktionalisierung von Liebe. Sie skizziert die Analyse des Briefwechsels von Sophie Mereau und Clemens Brentano im Hinblick auf Liebeskonzeptionen und deren Funktionen. Die Arbeit konzentriert sich auf den Text selbst und ignoriert die empirischen Personen und mögliche Autor*innenintention.
Der Brief in der Romantik - ein hybrides Format
Dieses Kapitel analysiert die Gattung des romantischen Briefes als hybrides Format, das zwischen persönlichem Dokument und literarischem Produkt changiert. Es wird auf die Literarizität und die inszenierte Wirklichkeit des Briefwechsels Mereaus und Brentanos eingegangen, wobei die „naturalistische Mimesiserwartung“ zurückgewiesen wird. Das Kapitel beleuchtet außerdem die Entwicklung des Briefs im 18. Jahrhundert vom standardisierten Brief zum individuell verfassten Privatbrief, der individuelle Emotionen und Ansichten schildert. Schließlich wird auf das „gesteigerte (Selbst-)Gefühl“ eingegangen, das den romantischen Brief prägt, sowie auf den Topos der „ewigen Liebe“.
Die verschiedenen Liebeskonzeptionen
Dieses Kapitel betrachtet die verschiedenen Liebeskonzeptionen im Briefwechsel von Sophie Mereau und Clemens Brentano und betont die konsensuale Liebeskonzeption als romantische Liebe. Es werden drei zentrale Topoi analysiert, die diese Liebeskonzeption illustrieren: Poetisches Dasein, Liebe als Pseudo-Religion und Liebe als Pharmakon für Melancholie.
Poetisches Dasein
Der Abschnitt untersucht die Vorstellung von Liebe als Katalysator für ein poetisches Dasein. Hier wird die Utopie eines Lebens voller Poesie und schöpferischer Energie skizziert, in dem Liebe, Leben und Poesie eins werden. Der Abschnitt fragt nach der Bedeutung dieser ästhetisch-artifiziellen Prägung und wie sie dem Leben eine zeitlose Qualität verleiht, die von Verlust und Vergänglichkeit unberührt bleibt.
- Quote paper
- Holger Nikutta (Author), 2015, Zur Funktion des Liebeskonzeption im Briefwechsel von Sophie Mereau und Clemens Brentano, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310569