Theorien der beruflichen Bildung. Die Bedeutung des Wirkens und der Ideen Kerschensteiners für unser heutiges Schulsystem


Hausarbeit, 2015

12 Seiten, Note: 1,0

Susa Sonnberg (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER BERUFSSCHULE
2.1. Vorläufereinrichtungen der Berufsschule

3. DIE THEORIE DES GEORG KERSCHENSTEINERS

4. DIE BEDEUTUNG DER IDEEN UND DES WIRKENS KERSCHENSTEINERS FÜR DAS HEUTIGE SCHULWESEN

5. AUSBLICK

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

„Die eigentliche Bedeutung und Leistung Kerschensteiners liegt in der Grundsätzlichkeit, mit der er die Probleme des Fortbildungsschulwesens gelöst, und der Klarheit, mit der er die Neuorganisation praktisch betrieben hat. Er ist dazu übergegangen, den Beruf in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen und alle anderen Fächer auf den Beruf zu beziehen. [...] Die Verknüpfung von Arbeitswelt und Schulidee, von Berufsbildung und staatsbürgerlicher Erziehung wurde zum Wesensmerkmal der beruflich gegliederten, d.h. fachlichen Fortbildungsschule Kerschensteiners und damit auch zum Vorbild für die Berufsschule modernen Zuschnitts.“1

Es gibt viele Theorien der beruflichen Bildung. Doch besonders Georg Kerschensteiner gilt mit seiner Theorie als Mitbegründer der Berufsschule und der Arbeitsschulpädagogik.2 Seine Weiterentwicklung der allgemeinen Fortbildungsschule zur gewerblich-fachlich gegliederten Fortbildungsschule gilt als der Vorläufer der heutigen Berufsschule.3

In der vorliegenden Hausarbeit werde ich der Frage nachgehen, welche Bedeutung die Ideen und das Wirken Georg Kerschensteiners für unser heutiges Schulsystem haben. Hierfür werde ich zunächst die historische Entwicklung der Berufsschule erläutern, um die besondere Rolle Kerschensteiners in dieser Entwicklung aufzuzeigen. Anschließend werde ich mich näher mit der Person Kerschensteiner und seinen Ideen, Ideologien und Theorien befassen. Im letzten Teil werde ich mich dann mit den Auswirkungen seiner Ideen und seines Wirkens in Bezug auf unser heutiges Schulsystem beschäftigen.

2. Historische Entwicklung der Berufsschule

[...] „Die Vorgeschichte der gegenwärtigen Pflichtberufsschule [...] [ist] außerordentlich verwickelt.“4 So stellte es bereits Eduard Spranger fest.

2.1. Vorläufereinrichtungen der Berufsschule

Mit der Industrialisierung setzte „[...] eine starke Hinwendung zur Berufs- und Arbeitswelt“5 ein. Der Staat reagierte auf die einsetzende Industrialisierung und legte den Fokus auf Gewerbeförderungen und die Bildung der Masse.6 Die ersten Industrieschulen entstanden. In diesen galt es, die Verbindung von Elementar- oder Literaturunterricht mit nutzbringender Handarbeit herzustellen. „Das Kind wird dabei schon als kleiner Werktätiger angesehen, der Produktionsprozeß ist das Zentrum der Erziehung. Sie hat vor allem die Arbeitsleistung, die Einsicht in den Arbeitsgang und die Kenntnis der Arbeitsmittel im Auge, und zwar denkt man an kollektive Arbeit wie in einem Fabrikbetrieb.“7 So sollten die Kinder auf einen späteren Beruf vorbereitet und zur Industriearbeit erzogen werden.8 Die Industrieschulen und der Gedanke dahinter „entartete“9 jedoch zunehmend und es entwickelten sich Fabriken oder gehobene Bürgerschulen aus ihnen.10

Durch die Ideen der Französischen Revolution und des Fortschritts der Technik während der Wende, entwickelte sich noch eine andere Schulform: die der gewerblichen Sonntagsschule. Die Entstehung der gewerblichen Sonntagsschulen war vor allem durch die zunehmende Auflösung der alten Zünfte und das Aufkommen der Gewerbefreiheit begründet.11 Der Unterricht an den gewerblichen Sonntagsschulen war jedoch weniger berufsbezogen in heutigem Sinne, da eine Gliederung nach Berufen nicht vorgenommen wurde. Aufgrund dessen wurden Forderungen nach „[...] Städtischen Gewerbeschulen für junge Gewerbetreibende“12 in denen sie „[...] zu nützlichen und geschätzten Mitgliedern des Staats aus[gebildet] [...]“ werden, immer lauter. Zu dem Zeitpunkt konnten sich die Forderungen nach beruflichen, bzw. gewerblichen Schulen in der Praxis noch nicht durchsetzen.13 Denn auch die gewerbliche Sonntagsschule wurde nicht konsequent weiterentwickelt, sondern erstarrte ebenso wie die Idee der Industrieschule.14

Der unmittelbare Vorläufer der Berufsschule, die allgemeine und berufliche Fortbildungsschule, entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts.15 Die Gründungswelle der allgemeinen Fortbildungsschulen vollzog sich vor und während der Reichsgründung und stellte die dominierende Schulform bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dar.16 Der Unterricht wurde zunehmend vom Sonntag auf die Abende oder Nachmittage der Arbeitswoche gelegt.17 Das Hauptziel dieser Schulform; „[...] die Erziehung, bzw. Formung junger Menschen zu staatstreuen, staatsergebenen Mitgliedern der bürgerlich-autoritären Gesellschaft“18, entsprachen bei weitem noch nicht einem spezifisch pädagogischen und erst recht keinem berufs- oder wirtschaftspädagogischen Anspruch.19 Die bereits 1809 durch Wilhelm Humboldt postulierte strikte Trennung von Bildung und Ausbildung hatte demnach weiter Bestand.20

Mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und der einhergehenden fortschreitenden Entwicklung der Industrie, sowie „[...] das beschleunigte Bevölkerungswachstum und die protektionistische Mittelstandpolitik des Kaiserreiches [...]“21 wurden erneut Forderungen einer Reformierung und Neustrukturierung von beruflicher Bildung und Erziehung laut.22 Gefordert wurde eine „[...] Professionalisierung der Fortbildungsschule, also ihre Umwandlung in eine Berufsschule.“23

Das Buch „Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend“, das Georg Kerschensteiner 190124 schrieb, gilt als die Geburtsstunde der Berufsschule.25 So wurde, von Kerschensteiner beeinflusst und vorangetrieben, die allgemeine Fortbildungsschule durch die von Kerschensteiner geprägte berufliche Pflicht-Fortbildungsschule ersetzt.26 Die Idee der Industrieschule als Basis nehmend, entwickelte Kerschensteiner die sogenannte berufliche Arbeitsschule: „Indem die Arbeitsschule die Schule der selbstständigen Erarbeitung der Bildungsgüter ist [...] und zwar einer Erarbeitung durch die Gesamtheit des Seelenlebens, ist die Arbeitsschule jene Organisation der Schule, der die Charakterbildung über alles geht. [...] Der Sinn der Arbeitsschule ist, mit einem Minimum von Wissensstoff ein Maximum von Fertigkeiten, Fähigkeiten und Arbeitsfreude im Dienste staatsbürgerliche Gesinnung auszulösen.“27 Dieses Zitat über die beruflich orientierte Fortbildungsschule zeigt erstmals Richtlinien oder Normen auf, die die Organisation einer beruflichen Schule benötigt.28 So

wurde dieser Typ einer fachlich und beruflich gegliederten Fortbildungsschule, nachdem sie in München zum ersten Mal zum Einsatz kam, in den Folgejahren in vielen anderen Städten nachgeahmt.29 Kerschensteiner gilt damit auch als der „Vater“ oder „Gründer“ der Berufsschule.30

3. Die Theorie des Georg Kerschensteiners

„Wir Deutsche leben in dem Wahn, daß, wenn wir die Menschen allgemein bilden wollen, wir von unseren Schulen alles fernhalten müssen, was nach praktischer Arbeit riecht.“31

Kerschensteiner findet die psychologischen und anthropologischen Grundlagen seiner Theorie in der traditionellen Pädagogik Herbarts und der Herbartianer. Diese Theorie verfasste er in den Entwürfen einer neuen Didaktik, die theoretisch begründbare Konstruktion von Bildungsarbeit. Mit diesen Entwürfen beschäftigte er sich in seinen „Begriffs-Schriften“ ( der Begriff der staatsbürgerlichen Erziehung, 1910; Der Begriff er Arbeitsschule, 1912; Wesen und Wert des naturwissenschaftlichen Unterrichts, 1914) in der Zeit von 1907 bis 1917.

In dieser Schaffenszeit Kerschensteiners liegt seine eigentliche Bedeutung, denn während dieser Zeit hat er seine Fragen, die Frage nach der Schulorganisation, des Lehrplans und der Methode, sowie der Bildung und Erziehung in einer repräsentativen Didaktik dargestellt. Seine Vorstellungen einer zeitnahen Schul- und Unterrichtspädagogik stellte er bereits 1908 in einer Rede (Festrede zur Pestalozzifeier am 12.01.1908) dar: „Gewiß, sie muss eine Lernschule sein, aber doch eine, die dem gesamten Seelenleben des Kindes entgegenkommt, eine Lernschule, die nicht nur seiner Rezeptivität, sondern auch seiner Produktivität, die nicht nur seiner passiven, sondern auch seiner aktiven Natur angepaßt ist, eine Lernschule, die nicht bloß seinen intellektuellen, sondern besonders seinen sozialen Trieben gerecht wird; sie muß eine Lernschule sein, in welcher man nicht nur durch Worte und Bücher, sondern vielmehr noch durch praktische Erfahrungen lernt.“32

[...]


1 Demmel, Fortbildungsschule und Berufsschule, S. 161.

2 Vgl. Schelten, Georg Kerschensteiner aus der Sicht moderner Berufspädagogik, S.1, Internetquelle.

3 Vgl. Becker, Die Ursprünge der gewerblichen Ausbildung, o.S., Internetquelle.

4 Spranger, Psychologie des Jugendalters, S.64.

5 Kaiser, Arbeitslehre, S. 15.

6 Vgl. Becker, Die Ursprünge gewerblicher Ausbildung, o.S., Internetquelle.

7 Reble, Geschichte der Pädagogik, S. 269.

8 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.53.

9 Kaiser, Arbeitslehre, S.27.

10 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.53.

11 Vgl. Ebd., S.53f.

12 Preusker, Andeutungen über Sonntags-, Real- und Gewerbeschulen, S.16.

13 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.55.

14 Vgl. Ebd.

15 Vgl. Kahlund, Das duale System der Bundesrepublik Deutschland, o.S., Internetquelle.

16 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.56.

17 Vgl. Ebd., S.55.

18 Ebd., S.57.

19 Vgl. Ebd.

20 Vgl. Ebd.

21 Greinert, Fortbildungspolitik im Deutschen Kaiserreich, S.178.

22 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.58.

23 Stratmann, Zeit der Gärung und Zersetzung, S.219.

24 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.59.

25 Vgl. Kahlund, Das duale System der Bundesrepublik Deutschland, o.S., Internetquelle.

26 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.59.

27 Kerschensteiner, Begriff der Arbeitsschule, S.59.

28 Vgl. Pahl, Berufsschule, S.59.

29 Vgl. Ebd.

30 Vgl. Abel, Von der Fortbildungsschule zur Berufsschule, S.92.

31 Kerschensteiner, Die Schulwerkstatt als Grundlage der Organisation der Fortbildungsschule, S.122.

32 Elzer, Arbeit-Arbeitsschule-Bildung, S.59.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Theorien der beruflichen Bildung. Die Bedeutung des Wirkens und der Ideen Kerschensteiners für unser heutiges Schulsystem
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
12
Katalognummer
V310655
ISBN (eBook)
9783668093867
ISBN (Buch)
9783668093874
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kerschensteiner, berufliche Bildung, Sozialpädagogik, Theorien
Arbeit zitieren
Susa Sonnberg (Autor:in), 2015, Theorien der beruflichen Bildung. Die Bedeutung des Wirkens und der Ideen Kerschensteiners für unser heutiges Schulsystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310655

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Kerschensteiners für unser heutiges Schulsystem



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