Die Dependencia-Theorie am Beispiel El Salvadors. Ist die Kritik an der Theorie noch angemessen?


Dossier / Travail de Séminaire, 2012

24 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Dependenztheorie
2.1 Entstehung und Abgrenzung sowie die Definition von Abhängigkeit
2.2 Methodologie und Varianten der Dependencia-Theorie
2.2.1 Methodologie der Dependenztheorie
2.2.2 Strukturelle, nationalistisch-bürgerliche Perspektive
2.2.3 Marxistische Perspektive
2.3 Drei Thesen der Dependencia-Schule und ihre ökonomischen Grundaussagen
2.3.1 Ökonomische Denkweise der Dependencia-Schule
2.3.2 Erste These: Begrenzte Effekte der Importsubstitutionen auf die Entwicklung
2.3.3 Zweite These: Ausländische Unternehmen beuten die Entwicklungsländer aus
2.3.4 Dritte These: Verschlechterung der Zahlungsbilanz und hohe Auslandsverschuldung

3 Der gegenwärtige Erklärungsgehalt der Dependenztheorie bezüglich der sozioökonomischen Lage El Salvadors
3.1 Datenanalyse El Salvador
3.1.1 Die derzeitige wirtschaftliche Lage El Salvadors
3.1.2 Importe und Exporte
3.1.3 Beschäftigungsverhältnisse und Löhne
3.1.4 Auslandsverschuldung und Lebensstandard
3.2 Überprüfung der Thesen der Dependenztheorie mittels gewonnener Daten
3.2.1 Strukturelle Perspektive
3.2.2 Marxistische Perspektive
3.2.3 Ökonomische Denkweise der Dependencia-Schule
3.2.4 Erste These: Begrenzte Effekte der Importsubstitutionen auf die Entwicklung
3.2.5 Zweite These: Ausländische Unternehmen beuten die Entwicklungsländer aus
3.2.6 Dritte These: Verschlechterung der Zahlungsbilanz und hohe Auslandsverschuldung. .

4 Bewertung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

El Salvador ist mit 21.040km2 der kleinste Flächenstaat in Lateinamerika, zugleich aber derjenige mit der größten Bevölkerung in Mittelamerika. Von den ca. 6 Millionen1 Salvadorianern leben allerdings ca. 2,3 Millionen in den USA, von denen große Summen an Devisen ins Heimatland fließen. Nach seiner kolonialen Unabhängigkeit war El Salvador lange Zeit von wechselnden autoritären Regimen wie der Kaffeeoligarchie und der Militärdiktatur und einer damit oftmals verbundenen politischen Instabilität geprägt. Die schon in konkreten Verfassungen ab 1841 bis 1886 festgeschriebene präsidentielle Demokratie wurde nach dem Bürgerkrieg (1980-1992) im Demokratisierungsprozess der 1990er Jahre umgesetzt, sodass El Salvador gegenwärtig eine präsidentielle Republik darstellt.

Von der kolonialen Unabhängigkeit 1823 gelangte El Salvador, wie andere lateinamerikanische Staaten, in die Export-Abhängigkeit von Industrieländern, womit die ökonomischen Formationen weitgehend fremdbestimmt blieben. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde mittels politischer Maßnahmen zur nationalen Entwicklung eine Unabhängigkeit der Wirtschaft angestrebt. Neben direkter und indirekter Außenhandelskontrolle, Steuer- und Preispolitik und der Kontrolle über ausländische Investitionen ergab sich eine Industrialisierung durch Importsubstitutionen2. Die salvadorianische Regierung weitete nach dem Zweiten Weltkrieg wie viele andere zentralamerikanische Kleinstaaten die Exportpalette des Landes aus und erhöhte die Öffnung der Volkswirtschaft (vgl. Krennerich 1996, 110). Die realen Wachstumsraten stiegen zwischen 1960 und 1978 in den mittelamerikanischen Staaten, insbesondere aufgrund der flexiblen industriellen Entwicklung des Gemeinsamen Zentralamerikanischen Marktes (MCCA). Jedoch zeigte eine Krise des MCCA Ende der 1970er Jahre die instabile industrielle Struktur der Staaten auf, welche in hohem Maß vom Agrarexportsektor abhängig war und keine autonome Entwicklung hervorbringen konnte (vgl. Krennerich 1996, 112). Angesichts der damit verbundenen hohen Armut in den lateinamerikanischen Staaten und des wachsenden Wohlstands der Industrieländer versuchten Ende der 1960er Jahre einige Wissenschaftler Erklärungen auf die ausbleibende Entwicklung dieser Staaten zu suchen, deren Hypothesen und Überlegungen zur sogenannten Dependenztheorie führten. Die Theorie besagt grundlegend, dass die reichen Industrienationen die armen agrarisch geprägten Länder direkt oder indirekt ausbeuten. Somit entsteht eine einseitige Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern. Die damit ausbleibende Entwicklung ist deshalb Diese wird vor allem durch eine verstärkte Industrialisierung, Schutzzölle auf importierte Waren sowie einen Wirtschaftsprotektionismus bekräftigt. exogenen (ausländischen) Faktoren zuzuschreiben.

In dieser Arbeit soll nun geklärt werden, inwieweit die Kritik der Dependenztheorie in Bezug auf bestimmte ökonomische Faktoren in El Salvador in der Gegenwart noch angemessen ist. Zunächst werden im theoretischen Rahmen die Dependenztheorie und die Kritik ihrer verschiedenen Denkrichtungen an der Abhängigkeit Lateinamerikas von den Industriestaaten dargestellt. Anschließend werden die drei Thesen der Dependencia-Schule auf ihre Kernpunkte hin analysiert. Im darauffolgenden empirischen Teil dieser Arbeit werden anhand von ausgewählten ökonomischen Kriterien die gegenwärtigen Verhältnisse in El Salvador mit aktuellen Daten analysiert. Als nächstes wird mit Hilfe der Daten überprüft, inwieweit die Thesen der beiden Hauptströmungen der Dependenztheorie und die der Dependencia-Schule aktuell zutreffen. Abschließend erfolgen eine Bewertung der Ergebnisse sowie eine Zusammenfassung dieser Arbeit.

2 Die Dependenztheorie

2.1 Entstehung und Abgrenzung sowie die Definition von Abhängigkeit

Entstanden in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre aus Bausteinen der Neoimperialismustheorie und des linken Strukturalismus, beschäftigt sich die Dependenztheorie3 (DT) vorwiegend mit der Frage, warum in Lateinamerika trotz guter Ausgangsbedingungen nach 150 Jahren kolonialer Unabhängigkeit durchschlagende Entwicklungserfolge ausblieben (vgl. Menzel/Nuscheler- Stockmann 2010, 105). Die verschiedenen Denkrichtungen innerhalb der Dependenztheorie werden als Antworten auf das Versagen der Entwicklungsideologie gesehen, welche auf der Theorie der Industrialisierung durch Importsubstitutionen basiert. (vgl. O'Brien 1977, 33). Des Weiteren versucht die DT eigene Erklärungsansätze für Unterentwicklung zu finden. (vgl. Bachinger/Matis 2009, 123).

Die DT grenzt sich gleichzeitig gegenüber der klassischen Imperialismustheorie, der USamerikanischen Modernisierungstheorie der 1950er/60er Jahre und der orthodoxen marxistischen Theorie, die eine Abschaffung der noch feudalen Verhältnisse in Lateinamerika mittels einer Bürgerlichen Revolution propagiert, ab (vgl. Menzel/Nuscheler/Stockmann 2010, 106). Während die Modernisierungstheorie und die klassische Imperialismustheorie ihren Fokus auf die Industriestaaten legen, gilt das Interesse der DT den Entwicklungsländern und deren prekärer, exogen verursachter Situation (vgl. Bachinger/Matis 2009, 124).

Der Begriff Dependenz (lat. dependencia) bedeutet in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit der unterentwickelten Ländern von entwickelten Staaten. Hierbei ist die Situation, in der die Wirtschaft bestimmter Länder von der Expansion und Entwicklung der Wirtschaft eines anderen Landes abhängig ist, gemeint (Puhle 1977, 15). Im Folgenden wird der Abhängigkeitsbegriff in den Dependencia-Theorien genauer erläutert: Zum Einen wird von Abhängigkeit zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren, Personengruppen oder Dingen gesprochen. Der Begriff hat hier jedoch keinen speziellen Aussagewert, wird den Begriffen Einflussnahme oder Auswirkung gleichgesetzt und findet somit in der gegenwärtigen Literatur kaum noch Verwendung (vgl. Sautter 1977, 62). Zum Anderen gilt Abhängigkeit als ungleichgewichtiges Verhältnis in Beziehungen zwischen verschiedenen Volkswirtschaften. Die sozioökonomische Entwicklung eines Landes hängt von ausländischen Investoren, Unternehmen, Banken, etc. ab und hat auf diese keinen äquivalenten Einfluss. Diese Definition von Abhängigkeit bezieht sich nun auf die gesamtgesellschaftlichen Beziehungen und steht im Gegensatz zu interdependenten Länderbeziehungen (vgl. Sautter 1977, 63). Als dritte Variante kann die Verlagerung der Abhängigkeitsbeziehungen ins Inland gesehen werden, die durch Kollaboration einzelner Wirtschaftssektoren oder Personengruppen mit dominierenden ausländischen Akteuren erfolgt. Hierbei wird die Wirtschaft der beherrschenden Länder in die Analyse von Abhängigkeit mit einbezogen. In der Dependencia-Literatur4 findet sich neben einer logischen Trennung der Begriffe Abhängigkeit und Unterentwicklung auch deren gleichbedeutende Verwendung (vgl. Sautter 1977, 67). Dependenz wird oftmals als „catch all- Begriff“ verwendet und ist nach wie vor zu wenig operationalisiert und konkret gemacht. Zum Teil steht sie für das „System der Systemtheoretiker“ (Puhle 1977, 20) oder wird als politischer Kampfbegriff verwendet. Viele Dependencia-Theoretiker unterscheiden drei Perioden von Abhängigkeit für Lateinamerika: Die koloniale Periode, die „desarrollo hacia afuera“, welche einen nach außen hin gerichteten Entwicklungsweg darstellt und auf Export als Wirtschaftsmotor ausgerichtet ist, sowie die Periode der Gegenwart (vgl. O'Brien 1977, 44).

2.2 Methodologie und Varianten der Dependencia-Theorie

Bevor die zwei grundlegenden Denkrichtungen der Dependencia-Theorie vorgestellt werden, wird auf deren Methodologie eingegangen. Bei der Fülle von verschieden Theorieansätzen innerhalb der DT kristallisieren sich zwei grundlegende Varianten heraus, zu denen sich die meisten Ansätze mehr oder weniger rechnen lassen. Zum Einen wird aus der strukturellen, zum Anderen aus der marxistischen Perspektive heraus argumentiert (vgl. O'Brien 1977, 38). Einige andere Autoren der DT verbinden beide Erklärungsansätze in ihren Arbeiten (vgl. Bachinger/Matis 2009, 124). Jedoch sind die Grenzen der zentralen Varianten zum Teil sehr fließend (vgl. Riedemann 1984, 55). Das Zentrum-Peripherie-Modell auf globaler sowie auf nationaler Ebene ist bei beiden Perspektiven grundlegend.

2.2.1 Methodologie der Dependenztheorie

Unter Dependenztheorie wird methodisch eine allgemeine oder höhere Hypothese verstanden, die zum Ziel hat, ein Problem oder Interessengebiet zu definieren und auszuprobieren sowie anschließend aufzuzeigen, wie sich daraus ergebende Hypothesen auf niedriger Ebene in die allgemeine Hypothese einfügen (vgl. O'Brien 1977, 39). Demnach stellt die DT einen Bezugsrahmen her, in dem unterschiedliche heterogene Phänomene daraufhin analysiert werden, inwieweit sie zusammenhängen und ein System bilden (vgl. ebd.). Jedoch lassen sich die komplexen Thesen der DT keinem empirischen Test unterwerfen. Vielmehr kann am Beispiel ausgewählter typisch lateinamerikanischer ökonomischer Probleme die Zuverlässigkeit der Kritiken der Dependencia-Schule überprüft werden (vgl. O'Brien 1977, 67). Die Hypothese, auf der die DT basiert, sagt aus, dass „Entwicklung und Unterentwicklung partielle, interdependente Strukturen eines einzigen globalen Systems sind“ (O'Brien 1977, 40). Die DT versucht, nicht von der These der „Unterentwicklung als ein Teil des kapitalistischen Weltsystems“ (O'Brien 1977, 41) auszugehen, sondern von der Struktur der Weltwirtschaft, um somit Gesetze über die Bewegungen der abhängigen Wirtschaften zu entwickeln. Es ist wichtig zu beachten, dass die interne Situation der lateinamerikanischen Länder nicht aus einem oder wenigen vorherrschenden Faktoren besteht, sondern dass sie ein „Komplex von untereinander verwobenen, zirkularen und kumulativen Veränderungen“ ist. (Riedemann 1984, 52).5

2.2.2 Strukturelle, nationalistisch-bürgerliche Perspektive

Hauptvertreter der strukturellen, nationalistisch-bürgerlichen Perspektive sind Osvaldo Sunkel, Celso Furtado, Fernando H. Cardoso, Enzo Faletto sowie Dieter Senghaas. Sunkel sieht Entwicklung als globalen strukturellen Prozess des Wandels, wobei unterentwickelte Länder als Peripherien keine autonomen Fähigkeiten zum Wachstum und Wandel haben und von ihren jeweiligen Zentren, den Industrieländern, abhängen (vgl. O'Brien 1977, 43). Das Augenmerk liegt vor allem in der Erforschung der sich wandelnden produktiven und sozialen Strukturen der abhängigen Länder und den damit verbundenen politischen Machtverhältnissen. Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass die Ursachen von Unterentwicklung Ergebnisse des normalen, funktionierenden Gesamtsystems seien und somit wäre Unterentwicklung normaler Bestandteil der kapitalistischen Entwicklung im Weltmaßstab (vgl. ebd.). Cardoso und Faletto sehen Unterentwicklung und Entwicklung als Funktionen bzw. Positionen innerhalb eines internationalen Systems von Distribution und Produktion. Sie beziehen in ihre Analysen nicht nur den ökonomischen Prozess ein, sondern verknüpfen diesen mit politischen und sozialen Prozessen (vgl. vgl. Menzel/Nuscheler/Stockmann 2010, 108). Auswege aus der Abhängigkeit sind direkt im Nationalstaat möglich, jedoch sind dazu eine neue Weltwirtschaftsordnung und die Umstrukturierung der Außenbeziehungen notwendig (vgl. ebd). Des Weiteren werden hier die jeweiligen Nationalstaaten analysiert und ausländische sowie inländische Faktoren für die Unterentwicklung sind von gleicher Relevanz. Die strukturalistische, nationalistisch-bürgerliche Perspektive entstammt vor allem der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika (CEPAL) zur Erforschung von Unterentwicklung. Die konventionelle ökonomische Theorie mit der Betonung auf der Preistheorie und dem allgemeinen Gleichgewicht erkenne laut CEPAL unterschiedliche Strukturen von Ländern nicht an. Nach Raúl Prebisch, dem ersten Generalsekretär der CEPAL, sei Unterentwicklung Ergebnis der Position Lateinamerikas in der Weltwirtschaft und der Betreibung einer liberal-kapitalistischen Wirtschaftspolitik (vgl. O'Brien 1977, 36). Der Handel der auf Fertigwaren spezialisierten Industrieländer mit den Entwicklungsländern, die vorwiegend Primärgüter exportieren, führt zu einem asymmetrischen Tausch, der den Industrieländern zugute kommt (vgl. Bachinger/Matis 2009, 127). Die Rohstoffexporte als lateinamerikanischer Wirtschaftsmotor sind mit einem langfristigen säkularen Niedergangs der Terms of Trade konfrontiert (vgl. Bohnet 1988, 58). Demnach nimmt die Einkommenselastizität in den Zentren bezüglich der Exportnachfrage ab, während in den Peripherien die Einkommenselastizität in Bezug auf die Importe aus dem Zentrum zunimmt. Daraus folgt eine dauerhafte strukturelle Krise der Zahlungsbilanz und eine asymmetrische Produktivitätssteigerung zwischen Zentrum und Peripherie in Verbindung mit den gezahlten Löhnen (vgl. O'Brien 1977, 37).

2.2.3 Marxistische Perspektive

Dem gegenüber stehen die Hauptvertreter der marxistischen Perspektive, Theotonio Dos Santos, Ruy M. Marini und Andre G. Frank. Dos Santos sieht die Wirtschaft bestimmter Länder bedingt durch die Expansion und Entwicklung der Wirtschaft anderer Länder (vgl. O'Brien, 1977, 40). Eine Form von Abhängigkeit ist dann gegeben, wenn sich bestimmte Länder aus eigener Kraft kontinuierlich entwickeln und expandieren können, während andere dies nur als Reflex auf die Expansionen der sich entwickelnden Länder können. Frank unterscheidet in den Ländern selbst zwischen den entwickelten Städten als Zentren und den unterentwickelten, abhängigen ländlichen Regionen als Peripherien. Die Entwicklung in den Zentren ist nur auf Kosten der Peripherie möglich (vgl. Menzel/Nuscheler/Stockmann 2000, 106f). In den Peripherien wiederum gibt es kleinere Zentren, von denen die umliegenden Peripherien abhängen, sodass sich ein beliebig fortsetzbares Kettenmodell der Abhängigkeit bildet. Die Übertragung der Strukturen der Zentren in die Peripherien führt zu einer strukturellen Heterogenität der dortigen Wirtschaft und Bevölkerung (vgl. Balleis 1988, 129). Auf wirtschaftlicher Ebene befindet sich eine unausgewogene Produktionsstruktur, die neben der Herstellung von Primärgütern auch eine dominante hochspezialisierte Exportindustrie mit technischem Fortschritt beinhaltet (vgl. Bachinger/Matis 2009, 133). Die Bevölkerung teilt sich in wenige privilegierte Schichten mit einem Konsumniveau auf Basis der Industrieländer, während die breite Masse marginalisiert und vom Entwicklungsfortschritt ausgegrenzt ist (vgl. ebd.). Das Zentrum-Peripherie-Modell sagt weiterhin aus, dass sich zwischen den Zentren der Industrieländer und denen der Entwicklungsländer immer engere Beziehungen vor allem durch multinationale Konzerne, Handel, Werbung und Kommunikationssystem bilden (vgl. Balleis 1988, 128f). Ein weiterer Erklärungsansatz für das Entwicklungsgefälle zwischen Zentrum und Peripherie bildet das Theorem des ungleichen Tausches von Arghiri Emmanuel: Nach diesem sind die Löhne in Industrieländern 30-mal so hoch wie die in Entwicklungsländern und 15-mal so hoch, wenn die größere Arbeitsintensität in den entwickelten Regionen berücksichtigt wird (vgl. Bachinger/Matis 2009, 128). Da die Löhne im Süden niedrig sind, betrifft dies auch die Preise der Produkte. Die Preise im Norden steigen immer mehr aufgrund ebenfalls steigender Lohnforderungen. Deshalb bedarf es immer mehr südlicher Produkte, um eine gleiche Menge nördlicher Produkte zu erwerben (vgl. ebd.). Es wird vermutet, dass solche Lohngefälle durch historisch entstandene Lohnstandards und gewerkschaftliche Organisationsgrade entstanden sind. Der Weg zur Auflösung der Abhängigkeit ist hier die revolutionäre Umgestaltung des kapitalistischen Weltsystems. Ferner werden hier die verschiedenen Klassen eines Landes analysiert. Anders als bei der strukturalistischen Perspektive werden externe (ausländische) und interne (inländische) Faktoren der Abhängigkeit nicht strikt getrennt (vgl. Menzel/Nuscheler/Stockmann 2010, 109f).

2.3 Drei Thesen der Dependencia-Schule und ihre ökonomischen Grundaussagen

Die verschiedenen Thesen der zuvor genannten Autoren bilden eine von weiteren DependenciaSchulen (DS). Im Folgenden wird ein Überblick über das ökonomische Denken dieser Schule und ihre drei Kernthesen gegeben (vgl. Sautter 1977, 67). Dem hier verwendeten Begriff der Abhängigkeit liegen die zweite und dritte Definition aus Kapitel 2.1.1 zugrunde.

2.3.1 Ökonomische Denkweise der Dependencia-Schule

Sautter zufolge hat die Industrialisierung die ursprüngliche koloniale Abhängigkeit nicht beseitigt, sondern ihr nur eine neue Form verliehen, die in der Substitution importierter Güter, welche den ausländischen Markt befriedigen, zum Ausdruck kommt.

[...]


1 Je nach Datenlage zwischen 5,9 Mio. (WKO), 6,1 Mio. (World Data Bank) und 6,2 Mio. (Auswärtiges Amt BRD) Einwohner.

2 Importsubstitution bedeutet allgemein die Ersetzung von Importgütern durch die heimische Erzeugung der Güter.

3 Analog zum Begriff Dependenztheorie wird von der Dependencia-Theorie gesprochen.

4 Dependencia-Literatur meint die umfassenden Werke und Autoren, welche die verschiedensten Denkrichtungen der Dependenztheorie geprägt haben.

5 In der Literatur findet sich je nach Autor die Bezeichnung strukturelle als auch nationalistisch-bürgerliche Perspektive, weswegen hier, um beider Varianten gerecht zu werden, eine Begriffsvereinigung vorgenommen wird.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Die Dependencia-Theorie am Beispiel El Salvadors. Ist die Kritik an der Theorie noch angemessen?
Université
University of Trier  (Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre)
Cours
Entwicklungstheorien und Entwicklungsökonomie
Note
2,0
Auteur
Année
2012
Pages
24
N° de catalogue
V310659
ISBN (ebook)
9783668096769
ISBN (Livre)
9783668096776
Taille d'un fichier
507 KB
Langue
allemand
Mots clés
Entwicklungstheorien, Entwicklungsökonomie, Dependenztheorie, Ausbeutung, Abhängigkeit, Entwicklungsländer, Entwicklungspolitik, El Salvador, Lateinamerika, Auslandsverschuldung, Importsubstitution, Dependencia-Theorie, Zahlungsbilanz, Unternehmen
Citation du texte
M.A. Maria Weiss (Auteur), 2012, Die Dependencia-Theorie am Beispiel El Salvadors. Ist die Kritik an der Theorie noch angemessen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310659

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