Das Übersetzen von Werbetexten. Auf der Suche nach einem geeigneten Übersetzungsverfahren


Diplomarbeit, 2001

80 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Danksagung

Einleitung

Gegenstand und Ziel

Aufbau der Arbeit

Textkorpus

I. Theoretischer Teil
1. Analyse des ausgangssprachlichen Textes als Vorbereitung für das Übersetzen kultureller Aspekte in persuasiven Werbeanzeigen
1.1 Semiotischer Ansatz
1.1.1 Das Basismodell
1.1.2 Semiose
1.1.3 Zeichentypologie
1.1.4 Die Vermittlung von unterschiedlichen Botschaften
1.1.4.1 Kodes und Zeichensysteme
1.1.4.2 Die Organisation der Zeichen
1.1.4.3 Metapher und Metonymie
1.1.4.4 Bedeutungsfelder: Denotation und Konnotation
1.1.4.5 Intertextualität
1.1.5 Semiotische Analyse
1.1.5.1 Der Kommunikationstest
Tafel 1
Tafel 2
1.2 Diskursanalytischer Ansatz
1.2.1 Klärung von Grundbegriffen
1.2.2 Verfahrensweise
1.2.3 Werbediskurs
1.2.4 Werbetexte als Diskursbeispiele
1.2.4.1 Charakteristische Merkmale
1.2.4.2 Die Funktion von Werbetexten vor dem Hintergrund des Kommunikationsprozesses
1.3 Das Phänomen Hypertext
2. Die Ergebnisse der Analyse als Postulate für das Übersetzen von Kulturphänomenen in Werbeanzeigen
2.1 Das Übersetzen von Zeichen und das Übersetzen der Kultur
2.2 Diskursanalyse, Hypertext und Übersetzen
3. Auf der Suche nach einem geeigneten Übersetzungsverfahren
3.1 Das Übersetzen von persuasiven Werbetexten
3.2 Das Übersetzen von Kultur
3.3 Die Äquivalenzproblematik
3.3.1 Funktionen der Werbebotschaft
3.3.2 Semiotik und Äquivalenz
3.3.3 Kulturelle Äquivalenz
3.3.4 Vollständige Äquivalenz Deutsch - Ungarisch

II. Praktischer Teil
1. Karlsberg Urpils: "Hai Quality"
1.1 Kommunikationstest
1.2 Vorschlag zur Übersetzung von Karlsberg „Hai Quality“
2. Paulaner Weißbier
2.1 Kommunikationstest
2.2Vorschläge zur Übersetzung vom Inserat „Dauerläufer“
3. Mercedes Benz- Die A-Klasse
3.1 Kommunikationstest
3.2 Vorschläge zur Übersetzung von Mercedes A-Klasse

III. Zusammenfassung
1. Der gemeinsame Nenner zwischen Semiotik und Diskursanalyse
2. Schlußbemerkungen
Anhang
1. Das duale/ dyadische Zeichenmodell von de Saussure
2. Das triadische Zeichenmodell von Pierce

Bibliographie

Vorwort

Zu Beginn der hier vorliegenden Arbeit möchte ich kurz meine Motivation für die Wahl des Themas „das Übersetzen von Werbetexten“ erläutern.

Im Laufe des Hauptseminars „Language Play“ im Sommersemester 2000 lernte ich aus einer sprachwissenschaftlichen Sicht den Facettenreichtum des Phänomens Werbung kennen. Die Art und Weise wie bekannte westeuropäische Werbeanzeigen ins Ungarische übersetzt worden sind, hat schon immer eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt. Obwohl in einer Vielzahl von Diplomarbeiten und anderen wissenschaftlichen Arbeiten bereits die unterschiedlichen Aspekte von Werbung behandelt wurden, hoffe ich dennoch, in einem interessanten Teilbereich zumindest partiell „Neuland erschließen“ zu können.

Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, die Arbeit der Übersetzer in der Werbung aus dieser Perspektive zu behandeln.

Danksagung

An dieser Stelle möchte meinen besonderen Dank an meine Familie, meinen DeutschlehrerInnen Dr. Kovács Lajos, Bagossy Erzsébet und Gyarmathy Zsoltné aussprechen, die mich schon seit meiner Kindheit unterstützt und geprägt haben.

Darüber hinaus bedanke ich mich bei der Familie Gretel Merkel in Schriesheim, Gerhardt Kühnert für die herzliche Unterstützung und Achim Kühnert für das tägliche Mitwirken und „Daumendrücken“ während der letzten dreieinhalb Jahre.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei meinen beiden Korrektorinnen, Dr. Gisela Thome und Dr. Irene Rübberdt, die für meine Fragen und Probleme stets ein offenes Ohr hatten.

Einleitung

Durch die Globalisierung der Märkte und die Zunahme des internationalen Reiseverkehrs gewinnt die Übersetzung von Werbetexten immer mehr an Bedeutung. Da die Kosten einer Werbekampagne hoch sind, hoffen viele Unternehmer, ein und dasselbe strategische Konzept samt Bildmaterial auf mehreren Märkten einsetzen zu können. Das Gestaltungsproblem internationaler Werbeaussagen erweist sich dabei als eine Frage der Kulturspezifik, und viele Übersetzer werden damit befaßt. Insbesondere wenn es um zwei so divergente Sprachen wie Deutsch und Ungarisch geht, erfordert das Übersetzen vonWerbetexten eine kreative Textproduktionsfähigkeit, die über das normale Verständnis der Rolle des Übersetzers hinausgeht.

Gegenstand und Ziel

Um den Gegenstand der Untersuchung klar einzugrenzen, erscheint es angebracht, den Begriff der Werbung zu definieren. Dazu erweist sich ein Auszug des Artikels „Werbung“ aus der Brockhaus Enzyklopädie als hilfsreich:

Werbung zu ahd. hwerban : sich drehen, sich umtun, sich bemühen, jede Darbietung von Botschaften mit dem Ziel, Einstellungen und Handlungen der Adressaten zum Vorteil des Werbetreibenden zu steuern“.

Die „American Marketing Association“ definiert Werbung als jede Art der nicht-persönlichen Vorstellung und Förderung von Ideen, Waren oder Dienstleistungen eines eindeutig identifizierten Auftraggebers durch den Einsatz bezahlter Medien.

Es handelt sich also um eine besondere Art Kommunikationsprozeß, bei dem der Produzent mit dem möglichen Konsumenten seines Produktes in Verbindung tritt, um ihn über dessen positiven Eigenschaften zu informieren, aber vor allem zu überzeugen. D. h. persuasive Werbung zeichnet sich in erster Linie durch ihre Hauptfunktion des Überzeugens aus, durch das der potentielle Kunde zum Kaufentscheid, zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung usw. animiert wird. Man unterscheidet zwischen Image-/Prestige- und Produktwerbung. In beiden Fällen steht die informative oder die persuasive Funktion im Vordergrund. Persuasive Werbetexte haben eine Vielzahl von Erscheinungsformen in allen möglichen Medien wie z.B. Radio, Fernsehen, Kino, Presse (Zeitungen, Magazine), Anzeigetafeln und Internet. Die Erscheinungsform von Werbung ist unbegrenzt, und kann daher überall und in jeder Situation auftauchen.

Da die meisten Konsumenten der Werbung äußerst skeptisch gegenüberstehen, wirkt die Werbeindustrie dieser Skepsis entgegen, um den Erfolg (die Kaufentscheidung) zu garantieren. Die Übersetzung eines Werbetextes muß daher die strategischen Entscheidungen des Ausgangskonzepts und dessen potentielle Wirkung innerhalb der Werbelandschaft des Zielmarktes berücksichtigen. Daher muß die Funktionalität der Werbebotschaft ständig vor Augen gehalten werden.

In dieser Diplomarbeit werden die zur Konstruktion von Werbebotschaften verwendeten Mittel in den deutschsprachigen Originaltexten mit Hilfe von Instrumenten der Semiotik auf ihre Bedeutung und mit Hilfe der Diskursanalyse auf Inhalte untersucht, um zu erklären, wie die Übersetzung ins Ungarische zustande kommt oder gekommen ist. Die Entscheidung für diese beiden Disziplinen als Untersuchungsgegenstand begründe ich damit, daß seit den 80-er Jahren, der pragmatischen Wende in der Übersetzungswissenschaft, die Rolle der Übersetzer unstrukturiert worden ist. Infolge dessen gelten Übersetzer seither als Experten der interkulturellen Kommunikation. Da sich Nöth zufolge Marketing, Semiotik und Kommunikationswissenschaften inzwischen zusammengetan haben, um die Botschaften der Konsumgüter interdisziplinär aus sich ergänzenden Perspektiven zu erforschen (Nöth 2000:508), erscheinen Erkenntnisse aus diesen Bereichen auch für Übersetzer als sehr hilfreich.

Die Semiotik (griechisch “semios” “Zeichen”) ist die Lehre von den Zeichen, ihrer Struktur, Funktion und Entwicklung. Es handelt es sich dabei um eine Theorie, die sich primär zur Analyse von Aussagen, hier von Werbeaussagen eignet, die aber dabei den Kommunikationsprozeß mit seinen vier Grundfaktoren: Kommunikator, Aussage, Medium und Rezipient nicht außer Betracht läßt. Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe der Diskursanalyse Dimensionen des Zeichengebrauchs je nach Situation untersuchen.

Die kulturellen Aspekte als unerläßliches Attribut der meisten persuasiven Werbetexte verlangen in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit. Sie erscheinen in Form von Zeichen, die entweder eigenständig oder im Zusammenwirken mit anderen Zeichen einen Sinn ergeben. Sie sind im Text und Kontext eingebettet und nicht immer auf den ersten Blick bemerkbar. Nach Newmark (1988:10) geht es beim Übersetzen nicht nur um Wissenstransfer und Verständigung, sondern auch um Kulturtransfer. Die Übersetzer müssen mit diesen Aspekten sehr sensibilisiert und vorsichtig umgehen, denn die eindeutige kulturelle Identität persuasiver Werbung beinhaltet solche Kernfragen wie die Ideologie und den referentiellen Rahmen der Empfänger ( ihre Ansichten von der Welt und von sich selbst).

Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu prüfen, inwiefern sich eine sog. semiotisch-diskursive Herangehensweise zum Übersetzen von persuasiven Werbetexten eignet: zur Identifizierung und Beschreibung von kulturellen Aspekten in persuasiven Werbetexten sowie zur Anwendung von Übersetzungstheorien und –techniken. Obwohl ich im oben angeführten Punkt einen interdisziplinären Ansatz formuliert und begründet habe, betrachte ich diese Arbeit auch als ein Experiment zur Untersuchung der Frage, inwieweit sich ein semiotisch-diskursives Instrumentarium zur Anwendung auf einen erweiterten Textbegriff eignet, der typographische und ikonographische Elemente umfaßt.

Zusammenfassend kann man sagen, daß in der vorliegenden Arbeit deutsche Werbetexte als Originaltexte vorliegen, für die jeweils eine kommentierte Übersetzung ins Ungarische gefertigt wird. Hinsichtlich der vorkommenden kulturellen Aspekte sind die auftretenden translatorischen Schwierigkeiten im Einzelnen erörtert worden. Da bei der Übersetzung von Werbetexten der wichtigste Aspekt in der Übertragung der Werbebotschaft liegt, werden solche Botschaften mit Hilfe der Semiotik als Zeichenkomplexe auf einzelne Komponenten und deren Bedeutungen analysiert und durch die Diskursanalyse im Gesamtkontext der Werbung auf Inhalte herausgearbeitet. Dabei soll untersucht werden, wie diese beiden Analyse-Insturmente mit einem geeigneten übersetzungstheorethischen Ansatz zu verknüpfen sind.

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gleidert sich in drei Teile: einen theoretischen, einen praktischen und einen zusammenfassenden Teil.

Vor der eigentlichen Analyse der verscheidenen Beispieltexte erfolgt die Grundlegung des theoretischen Rahmens in Kap. 1, in welchem auch die Auswertungskriterien näher erläutert werden. Im Anschluß auf die Analyse und die Übersetzungsvorschläge folgt die Auswertung der gewonnenen Ergebnisse.

Textkorpus

Der praktische Teil dieser Diplomarbeit beinhaltet das untersuchte Textkorpus, das aus insgesamt drei deutschsprachigen Werbetexten aus der Gattung Printwerbung besteht. Als Sender dieser Annoncen fungierten zwei Brauereien: Karlsberg - Homburg/Saar und Paulaner / München, sowie der Autohersteller Mercedes-Benz. Obwohl natürlich objektive Kriterien die Auswahl beeinflussen, sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung letztendlich subjektiv ist. Dennoch erscheint mir die willkürliche Auswahl in diesem Fall als eine zulässige Verfahrensweise, weil es anders nicht möglich ist, einen Standard zu etablieren.

Ich werde im Laufe der Analyse wo möglich nicht zwischen Text und Bild unterscheiden, sondern die Werbetexte als eine untrennbare Einheit aus beiden betrachten. Genausowenig soll im Rahmen dieser Arbeit zwischen einzelnen Arten der Gattung Werbung unterschieden werden.

I. Theoretischer Teil

1. Analyse des ausgangssprachlichen Textes als Vorbereitung für das Übersetzen kultureller Aspekte in persuasiven Werbeanzeigen

1.1 Semiotischer Ansatz

Menschen, ebenso wie die meisten Tiere, können miteinander verbal oder nicht- verbal kommunizieren. Die Menschen benutzen Sprache in verbaler Kommunikation sowie Zeichen, Symbole, Töne und paralinguistische Zeichen, um eine Botschaft mitzuteilen. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren besteht jedoch darin, daß Menschen eine kulturelle Identität besitzen. Innerhalb dieser kulturellen Orientierung findet die sog. Semiose, d. h. der Zeichenprozeß statt.

Morris definiert Semiotik folgendermaßen: „Semiotik ist die Wissenschaft von den Zeichen, ob sie nun tierisch oder menschlich, sprachlich oder nichtsprachlich, wahr oder falsch, adäquat oder inadäquat, gesund oder pathisch sind“ (Trabant:1976:8).

Die Semiotik ist genauer formuliert die Lehre oder Wissenschaft von den Zeichen, ihrer Struktur, ihrer Funktion und Entwicklung. Als Zeichen kann dabei jedes Objekt verstanden werden, das für ein anderes Objekt stehen und dieses repräsentieren kann. Wissenschaftsgeschichtlich lassen sich zwei große Zeichentheorien unterscheiden: die von Ferdinand de Saussure begründete Semiologie[1] und die Semiotik im engeren Sinne, als deren Begründer der US-amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce[2] gilt. In dieser Diplomarbeit wird Semiotik verwendet, und der semiotische Prozeß oder

Zeichenprozeß Semiose genannt.

1.1.1 Das Basismodell

Das Basismodell, auf das sich die Analyse stützt, stammt von Charles William Morris und faßt die drei Forschungsgebiete der Semiotik zusammen. Die drei Dimensionen jedes Zeichenprozesses gründen in der Tatsache, daß in jeder Kommunikation drei Faktoren zu unterscheiden sind, nämlich das Zeichen, d.h. das, was als Zeichen wirkt. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, welche verschiedene Zeichentypen es gibt und wie

sie Bedeutung vermitteln, sowie in welchem Zusammenhang sie mit den Menschen stehen, die sie benutzen. Die zweite Dimension repräsentiert das Bezeichnete, d.h. das, worauf das Zeichen hinweist und damit die Kodes oder Systeme, in denen die Zeichen organisiert sind. Es handelt sich hierbei auch um die verschiedenen Entwicklungsformen von Kodes, die Bedürfnisse einer Gesellschaft oder Kultur befriedigen oder die vorhandenen Kanäle der Kommunikation zur Übertragung nutzen. Die dritte Dimension sind schließlich die Zeichen-Benutzer, d.h. diejenigen, die mit dem Zeichen umgehen. In anderen Worten, die Kultur, in der die Kodes und Zeichen vorhanden sind.

Morris leitete aus dieser Dreierrelation eine Einteilung der Semiotik in Semantik, Syntaktik und Pragmatik ab. Die Semantik befaßt sich mit den Beziehungen zwischen Zeichen und Zeicheninhalt, die Syntaktik mit den Beziehungen zwischen den Zeichen und den Regeln für ihre Kombination und die Pragmatik mit den Beziehungen zwischen Zeichen und Zeichenbenutzern (Snell-Hornby et al. 1998:123). Die Reihenfolge der angeführten drei Bereiche steht auch für die Schwerpunktverlagerungen, die in der Semiotik ab den 30er Jahren zu beobachten sind (Nöth in Snell-Hornby et al. 1998:123)

1.1.2 Semiose

Menschliches Denken und Interpretieren wird in der Semiotik als Zeichenprozeß verstanden. Das Interpretans eines Zeichens kann also selbst wiederum nur ein Zeichen sein. Daraus ergibt sich der potentiell unendliche Prozeß der Semiose, durch die ein Zeichen sowohl aktuell als auch in der Entwicklung der Kultur mit Sinngebungen angereichert wird und so erst zu seiner vollen Entfaltung gelangt.

Der Einbezug der Semiotik ermöglicht in der vorliegenden Untersuchung die systematische Analyse von Medientexten als strukturierten Dokumenten. Persuasive Werbetexte, die Medienprodukte sind, stellen solche strukturierte Dokumente dar. Es ist wichtig, daß die unterschiedlichen Elemente und ihre Position innerhalb eines bestimmten Kontextes ganzheitlich und nicht bloß als Einzelteile eines größeren Kontextes untersucht werden. Die einzelnen Elemente oder Zeichen sind zwar bedeutungstragend und bedeutungsstiftend, dennoch ist es unumgänglich, den Kontext und die Gesamtbedeutung der Zeichen herauszuarbeiten und so den Text für die Übersetzung vorzubereiten.

1.1.3 Zeichentypologie

Die primäre Funktion von Zeichen ist es, Bedeutung zu erzeugen. Ein bestimmtes Zeichen kann mehrere Bedeutungen tragen, in Abhängigkeit davon, in welcher Kultur es erscheint. Ein Zeichen kann sowohl nur eine Bedeutung tragen als auch mehrdeutig sein. Das Verhältnis zwischen den Zeichen kann verschiedene Sets von Bedeutungen bilden. Ein Zeichen ist immer aktiv und erzeugt immer eine bestimmte Bedeutung (Bezuidenhout 1998:25).

Fiske zufolge (zitiert von Bezuidenhout 1998:25) ist die Bedeutung das Resultat der dynamischen Interaktion zwischen Zeichen, Interpretans und Objekt: Eine Bedeutung ist historisch festgelegt und kann sich mit der Zeit ändern. In bezug auf die persuasive Werbekommunikation ist diese Auffassung sehr zutreffend. Der Empfänger muß die Bedeutung (den Sinn) zum einen aus sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen und zum anderen aus dem Verhältnis zwischen Zeichen, Objekt und Interpretans ableiten sowie in der Art und Weise reagieren, wie es in der Werbung vorgesehen ist.

Auf Peirce geht die Einteilung der bedeutungstragenden Zeichen in Icons, Indizes und Symbole zurück, je nachdem in welcher Beziehung die unterschiedlichen Zeichen mit ihrem Objekt stehen. Icons oder ikonische Zeichen sind Zeichen, deren Zeichenträger eine größere oder geringere Ähnlichkeit mit dem bezeichneten Objekt aufweisen (z.B. lautmalende Wörter mit dem bezeichneten Schallphänomen). Die einfachste Form der Werbung besteht im ikonischen Bild: in der Darstellung des Produktes vor einem neutralen Hintergrund. Indizes verweisen hingegen auf ein Objekt, mit dem sie in einer zeitlichen, räumlichen oder kausalen Beziehung stehen (Standardbeispiel: Rauch als Zeichen für Feuer). Schließlich sind Symbole Zeichen, bei denen die Beziehung zwischen Objekt und Zeichenträger seinem Wesen nach willkürlich (arbiträr) ist. Die Zuordnungs- und Interpretationskriterien sind nämlich nicht natürlich vorgegeben, sondern beruhen auf intentionalen kulturellen Konventionen, Regeln zwischen Zeichenbenutzern.

1.1.4 Die Vermittlung von unterschiedlichen Botschaften

Zeichen erzeugen Bedeutung sowohl einzeln als auch strukturell in einem gegebenen Kontext.

Umberto Eco (1972:32) zufolge untersucht die Semiotik alle kulturellen Vorgänge im Sinne des Zusammenspiels handelnder Menschen, die aufgrund gesellschaftlicher Konventionen zueinander in Kontakt treten als Kommunikationsprozesse. Kommunikation bedeutet die Formulierung und Verschlüsselung von Botschaften durch die Sender, die Übermittlung dieser Botschaften via Medien und das Dekodieren und Interpretieren der Botschaften durch die Rezipienten (vgl.1.3.4.2).

Im Mittelpunkt des Kommunikationsprozesses steht die Botschaft, die im Rahmen eines bestimmten Kontextes übermittelt wird. Der Kontext kann sich auf das Dekodieren der Botschaft auswirken. Es gibt verschiedene Arten von semiotischen Botschaften. Sie sind entweder ikonisch, indexalisch oder symbolisch.

1.1.4.1 Kodes und Zeichensysteme

Semiotiker organisieren Zeichen in Systeme. Das System der Zuordnungen der Zeichenrelationen nennt man Kode. Als „symbolisches Wesen“ verfügt der Mensch über eine Vielzahl von Kodes, die von einfachen und natürlichen Kodes (z.B. Symptomen) über mythische und wissenschaftliche Kodes bis zu den komplexen Kodes der ästhetischen Kommunikation reichen (Snell-Hornby et al.1998:124). Sprache ist nur eines der möglichen Kodesysteme, derer sich der Mensch in der Kommunikation bedient. Auf der syntaktischen Ebene kommen Zeichen nicht isoliert, sondern als komplexe und gestalthafte Gebilde vor. In diesem Sinne sind Texte als komplexe Superzeichen zu verstehen. In bezug auf Werbung funktionieren Reklamekodes Umberto Eco (1972:271) zufolge auf einem doppelten Register, nämlich einem verbalen und einem visuellen (vgl. A.1. Intertextualität). Des weiteren beruhen Kodes auf Konventionsregeln eines Kulturkreises. Solche Regeln stellen eine gesellschaftliche Dimension dar: Der Kode ist ein Set von Verfahrensweisen, der den Benutzern eines Mediums in einem weiten Kulturkreis bekannt ist. Die Mitglieder einer bestimmten Kultur verstehen die Kodes, die innerhalb ihrer Kultur verbreitet sind. Da sie historisch und sozio-kulturell beeinflußt werden, sind Kodes dynamische Systeme, die sich ständig verändern.

Aufgrund der Tatsache, daß Kodes und Kultur miteinander in einer dynamischen Interrelation stehen, müssen Übersetzer den Kodes, die in der Zielkultur vorhanden sind, Beachtung schenken, so daß die linguistische Auswahl, die sie im Übersetzungsprozeß treffen, die Kultur zum gegebenen Zeitpunkt widerspiegeln.

Für die Zwecke dieser Diplomarbeit werden aus der Sicht des Publikums zwei Kodearten behandelt: Die sog. broadcast codes und die narrocast codes. Jede Art von Werbung ist an ein bestimmtes Publikum gerichtet, und obwohl im Mittelpunkt nicht der Empfänger als solcher steht, sondern eher die kommunizierte Botschaft, ist für die Übersetzer dennoch wichtig, sich die in einer Werbeanzeige aktualisierten Kodes bewußt zu machen.

Mitglieder eines Massenpublikums teilen die broadcast codes miteinander. Dieser Kode ist typisch für internationale persuasive Werbung für Erfrischungsgetränke wie z.B. Coca-Cola oder für Kleidung wie Levi-Jeans. Der broadcast code ist einfach zu verstehen und hat eine sofortige Wirkung. Kodes dieser Art verbinden Menschen innerhalb unterschiedlicher Kulturkreisen. Sie kommunizieren durch Mittel, die die Rezipienten dieser Kulturkreise alle gemeinsam haben. In Ungarn oder in Deutschland sprechen Kodes wie z.B. Fußball, Tennis, kulinarische Künste in Werbung ein sehr breites Publikum an und gehören deshalb in die Kategorie von broadcast codes.

Die sog. n arrocast codes hingegen sind an ein bestimmtes Publikum gerichtet. Das heißt, daß z.B. Opernmusik in einer Fernsehreklame einen narrocast code darstellt, da sie lediglich ein festgelegtes, begrenztes Publikum anspricht, wobei ein Pop Song wiederum als broadcast code betrachtet werden kann, denn sie weist eine größere Anziehungskraft auf. Fiske (zitiert von Bezuidenhout 1998:32) ist der Ansicht, daß narrocast codes nicht auf allgemeiner Erfahrung einer Gemeinschaft basieren, sondern auf einer allgemeinen Bildungs- oder intellektuellen Erfahrung. Deshalb können narrocast codes als elitär oder gesellschaftlich abgrenzend betrachtet werden.

Übersetzer müssen solche Kodearten besonders vorsichtig behandeln. Das Zielpublikum hat nämlich ein höheres Bildungsniveau, so daß durch falsche Entscheidungen zu Stil, Register und Terminologie, die Werbebotschaft ihr Ziel verfehlt und die Rezipienten entfremdet reagieren.

Darüber hinaus ist noch ein Aspekt von Fiske (zitiert von Bezuidenhout1998:32) zu den beiden oben erwähnten Kodes zu erwähnen. Demzufolge tragen narrocast codes die Funktion der Unterscheidung innerhalb einer Gesellschaft zwischen „uns“, den Kodebenutzern, und „ihnen“, den Laien, während broadcast codes die Ähnlichkeit unter „uns“ allen (der Mehrheit) betonen. Die Werbefachleute setzen gemäß den Zwecken einer Marketing Kampagne gezielt diese beiden Kodearten ein. Ein exklusives Produkt wie z.B. ein teurer Diamantring ist in bezug auf Status, Verdienst usw. an eine sehr spezifische Gruppe gerichtet. Daher würde die persuasive Reklame für dieses Schmuckstück die potentiellen Kunden so ansprechen, daß der soziale Status des Empfängers, Individualität sowie die Exklusivität des Produktes, d. h. ein Spiegelbild des Besitzers eines solchen Produktes, hervorheben würden.

1.1.4.2 Die Organisation der Zeichen

De Saussure organisierte Zeichen (Bedeutungseinheiten) in Kodes nach zwei Dimensionen, Paradigmen zum einen und Syntagmen zum anderen. Diese Dimensionen werden oft als Achsen dargestellt, wobei die vertikale Achse die paradigmatische und die horizontale Achse die syntagmatische Dimension darstellt. Chandler (www.) zufolge steht der Bereich der Paradigmen für die Auswahl (Selektion), während der Bereich der Syntagmen für Kombination. Jede Art von Botschaft stellt sich aus einer Vielzahl von Selektions- (Paradigmen-) und Kombinations-(Syntagmen-) Vorgängen zusammen.

1.1.4.3 Metapher und Metonymie

Die Semiose oder Bedeutungserzeugung kann in Texten durch die Verwendung von Metaphern und Metonymien geschehen. Diese beiden rhetorischen Figuren werden oft bei der Erstellung von konnotativen Bedeutungen benutzt. Die Metapher ist ein bildhafter Ausdruck, der aufgrund der Bezeichnungsübertragung zwischen Gegenständen und Erscheinungen zustande kommt. Die bildhaften Beziehungen beruhen auf Entsprechungen oder Ähnlichkeiten. Nach dieser Auffassung ist eine Metapher eine bloße Ersetzung eines eigentlichen Wortes und folglich auf eine wörtliche Bedeutung reduzierbar. Ihre Hauptfunktion liegt in der stilistischen Ausschmückung des Textes.

Bei der Beschreibung von Metaphern werden folgende Kategorien verwendet: Objekt oder Bezugsobjekt für das durch die Metapher beschriebene Objekt, image als das Bild, der Gegenstand, mit dessen Hilfe das Objekt der Metapher beschrieben wird, sense für den Sinn als den zwischen Objekt und Bild bestehenden Ähnlichkeiten und metaphor für den sprachlichen Ausdruck des Bildes. Die Metapher drückt etwas Unbekanntes („sense“) in bezug auf das Bekannte („image“) aus. Sense und image stehen meistens miteinander in keinem Zusammenhang: Der Leser/Empfänger muß seine/ihre Phantasie benutzen, um eine neuartige Metapher zu verstehen.

Metaphern werden von Werbetreibenden sehr häufig und sehr erfolgreich verwendet. In Werbetexten steht ein Ereignis oder Objekt als Metapher für ein Produkt oder eine Idee. In der Werbung für Coca-Cola z. B. repräsentieren gutes Leben, Freude und Jugend als Metaphern das Erfrischungsgetränk.

Mit Hilfe einer Metonymie wird ein Objekt oder eine Idee durch die Verwendung eines assoziativen Details aufgerufen, invoziert. Die Metonymie basiert auf Kontinuität, d. h. im Gegensatz zur Metapher ist keine Phantasie erforderlich um sie zu verstehen. Mit anderen Worten, ein Teil eines Objektes oder einer Idee wird aufgegriffen, um das Ganze zu ersetzen. Somit kann z. B. „die Krone“ eine Metonymie für „den König“ sein.

1.1.4.4 Bedeutungsfelder: Denotation und Konnotation

Die primäre Funktion der Zeichen, nämlich die Erzeugung von Bedeutung ist bereits behandelt worden. Nun sollen als nächstes die Bedeutungsfelder untersucht werden. Dabei wird zwischen Denotation als der Beziehung zwischen Zeichen und Objekt und der Konnotation als den kulturellen Assoziationen eines Zeichens unterschieden.

Regina Hessky definiert den Begriff der Denotation wie folgt:

„Mit gewisser Vereinfachung kann man sagen, die denotative Bedeutung ist die kontext- und situationsunabhängige begriffliche Grundbedeutung eines sprachlichen Ausdrucksmittels. Die Beschreibung der Wortinhalte in einem Wörterbuch richtet sich auf die Erfassung eben dieser Bedeutung... .“

Die denotative Bedeutung deckt aber nicht den gesamten Inhalt der sprachlichen oder nicht-sprachlichen Ausdrucksmittel ab. Eine Vielzahl von weiteren Bedeutungskomponenten, sog. Begleitvorstellungen, die man zusammengefaßt Konnotationen nennt, ergänzen die Grundbedeutung. Die konnotative Bedeutung kann auch mit assoziativer Bedeutung definiert werden, da sie eine emotionale Reaktion beim Zeichenbenutzer und Empfänger auslöst. Eine Konnotation steht mit der inneren Wirklichkeit des Sprechers/ Empfängers in direktem Zusammenhang und ist daher höchst subjektiv. Über emotionale Implikationen und subjektive Interpretationen hinaus beinhaltet die Konnotation auch kulturspezifische und ideologische Werte der sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucksmittel oder Zeichen (Bezuidenhout 1998:33).

In einer Fernsehwerbung kann z. B. die Stimme des Schauspielers hinsichtlich seiner Einstellung oder Gefühle dem Produkt gegenüber verschiedene Konnotationen hervorrufen. Aber auch Farben tragen konnotative Werte. Mit Farbvorstellungen sind psychologische Wirkungen verbunden, die in den einzelnen Kulturen verschiedenartig sein können (Stolze 1999:231).

In Übersetzungen können bei wörtlicher Übertragung kulturspezifische oder ideologische Konnotationen von Wörtern oder Zeichen abweichende oder unerwünschte Assoziationen auslösen, oder bei der Interpretation aus der Sicht der Zielkultur den gemeinten Sinn der Mitteilung verfälschen (Stolze 1999:224).

[...]


[1] Das dyadische Modell von de Saussure s. Anhang

[2] Das triadische Zeichenmodell von Peirce s. Anhang

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Das Übersetzen von Werbetexten. Auf der Suche nach einem geeigneten Übersetzungsverfahren
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Dolmetscherinstitut)
Note
1.3
Autor
Jahr
2001
Seiten
80
Katalognummer
V31084
ISBN (eBook)
9783638321945
ISBN (Buch)
9783668147966
Dateigröße
1630 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Werbetexten
Arbeit zitieren
Beata Kühnert-Haromhazy (Autor:in), 2001, Das Übersetzen von Werbetexten. Auf der Suche nach einem geeigneten Übersetzungsverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31084

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