Theorien und Felder des Sozialen. Ein Überblick

Das Wichtigste aus "Einführung in die Soziologie" von Bernhard Schäfers


Résumé, 2015

79 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

I Entwicklung der Soziologie
1 Gegenstandsbereich und Definition
1.1 Soziologie: Eine empirische Sozialwissenschaft
1.2 Zur Werturteilsfreiheit soziologischer Aussagen
2 Eigenständige Theorien als Basis
2.1 Amerika als Vorreiter
2.2 Die Entwicklung soziologischer Theorien in der Etablierungsphase
3 Institutionalisierung durch Lehrstühle und Forschungseinrichtungen
3.1 Situation bis zum II. WK
3.2 Definitive Entablierung durch eigene Studiengänge

II Grundlagen und Formen des sozialen Handelns
1 "Natur" und Sozialnatur des Menschen
2 Konzeption eines anthropologisch fundierten Handlungsbegriffs
3 Normativität und Sinnbezug des Handelns
4 Wertbezug des sozialen Handelns, Wertwandel
4.1 Werte als ethnische Imperative
4.2 Wertwandel
5 Handlungstypen und Orientierungsalternativen des Handelns
6 Rahmungen des sozialen Handelns
6.1 Raum
6.2 Zeit
6.3 Soziale Beziehung, Figurationen, Brauch und Sitte.
7 Soziale Rolle als Elementarkategorie
7.1 Soziale Rolle – eine analytische Kategorie, keine Wesensaussage
7.2 Definition von Rolle, Position und Status
7.3 Rollentheorie, Sozialisation und Identität
7.4 Weitere Differenzierungen zum Rollenbegriff
8 Abweichendes Verhalten und Sanktionen (soziale Kontrolle)
8.1 Die "Normalität" der Abweichung
8.2 Definitionen. Gesellschafltiche Auswirkungen von Abweichungen
8.3 Gewalt als Extremform der Abweichung. Dimensionen des Gewaltbegriffs
8.4 Ursachen und Theorien abweichenden Verhaltens

III Felder des Sozialen
1 Familie und Ehe, Verwandtschaft und Lebensgemeinschaften
1.1 Zum Stellenwert der Familie
1.2 Definitionselemente von Familie, Ehe und Verwandtschaft
1.3 Strukturwandel der Familie. Dominanz der bürgerlichen Kleinfamilie.
1.4 Neue Familienformen und Lebensgemeinschaften
1.5 Theoretische Ansätze
2 Soziale Gruppen und Netzwerke
2.1 Zur Anthropologie und Sozialgeschichte der Gruppe. Definition.
2.2 Ursachen und Bedeutung neuer Gruppenformen
2.3 Ergebnisse der Kleingruppenforschung
2.4 Die Gruppe als Vehikel von Selbstbefreiung und Selbsthilfe
2.5 Soziale Netzwerke
3 Siedeln, Wohnen und Nachbarschaft
3.1 Siedlungen und Wohnen als Urformen der Sesshaftigkeit
3.2 Nachbarschaft als Gemeinschaftsform
4 Stadt als Sozialform
4.1 Bedeutung der Städte. Definition
4.2 Etappen der Stadtentwicklung
5 Arbeit, Beruf und Betrieb
5.1 Anthropologische und soziale Dimensionen von Arbeit
5.2 Arbeit und Arbeitsteilung als Basis der neuen Gesellschaft
5.3 Die Verberuflichung der Arbeit. Der Betrieb im Zentrum
6 Institutionen und Organisationen
6.1 Institutionen: Auf-Dauer-Stellen von Grundlagen des Zusammenlebens
6.2 Organisationen

IV Die Sozialstruktur der Gesellschaft
1 Gesellschaft und Sozialstruktur. Analysefelder.
2 Bevölkerungsstruktur. Migration
2.1 Bevölkerung und Herrschaft. Theorien
2.2 Grundlagen und Kennziffern der Bevölkerungsstruktur
2.3 Annahmen über geringe Geburtenquote
2.4 Veränderungen der Bevölkerungssturktur durch Migration
2.5 Theorien zu Wanderungsvorgängen.
3 Recht als Element der Sozialstruktur
3.1 Rechtsstaat und Funktionen des Rechts
3.2 Sozialer Wandel durch Recht
3.3 Ansätze der Rechtssoziologie
3.4 Die verrechtlichte Gesellschaft
4 Politisches System und Staat
4.1 Ausdifferenzierung des politischen Systems
4.2 Parteien
4.3 Formen bürgerschaftlicher Mitwirkung
4.4 Staat in soziologischer Perspektive
5 Soziale Differenzierung/Soziale Ungleichheit
5.1 Vorspiel in der Theorie
5.2 Soziale Differenzierung und soziale Ungleichheit
5.3 Ausprägungen sozialer Ungleichheit in der Geschichte
5.4 Soziale Lagen und Milieus im Individualisierungsprozess
5.5 "Feine Unterschiede" und gesellschaftliche Urteilskraft

V Soziologische Theorien
1 Grundlagen und Differenzierungen: Theorien, Erklärungsansätze und Gesellschaftsbegriffe
2 Verhaltens- und Handlungstheorien
2.1 Theorie des sozialen Handelns nach Talcott Parsons
2.2 Die Austauschtheorie nach George C. Homans
3 Systemtheorie und Struktur-Funktionalismus
3.1 Systemtheoretisches Denken.
3.2 Systemtheorie und Strukur-Funktionalismus bei Talcott Parsons
3.3 Die Systemtheorie von Niklas Luhmann
4 Kritische Theorie: Die Soziologie der Frankfurter Schule
4.1 Max Horkheimer und das Frankfurter Insitut für Sozialforschung
4.2 Theodor W. Adorno: Schärfung des soziologischen Profils
5 Phänomenologische Ansätze soziologischer Theoriebildung
5.1 Der Ausgang von Edmund Husserl
5.2 Lebenswelt unt Alltagswissen: Alfred Schütz
5.3 Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit
6 Das interpretative Paradigma
6.1 Symbolischer Interaktionismus
6.2 Ethnomethodologie
7 Gesellschaftsbegriffe
7.1 Ein Überblick
7.2 Postindustrielle Gesellschaft (Daniel Bell)
7.3 Netzwerkgesellschaft (Manuel Castells)
8 Perspektiven für die Soziologie in Theorie und Praxis
8.1 Kritik und Krise – Grundlagen der Aufklärung und der Soziologie
8.2 Krise als Dauerthema in der "Krisengesellschaft".
8.3 Kritik als bleibende Aufgabe. Die "gute Gesellschaft" als Ziel?

Quellen- und Literaturangaben

Zusammenfassung

Bernhard Schäfers: Einführung in die Soziologie

Felder des Sozialen, Sozialstruktur und Theorien

Vorwort: Der soziologische Blick [1]

"Man kann wohl sagen, dass die erste Stufe der Weisheit in der Soziologie ist, dass die Dinge nicht sind, was sie scheinen" – Peter L. Berger (n. Schäfers, 2012, 11)

- Einübung des "soziologischen Blickes" -> Untersuchung vermeintlich vertrauter Dinge und Vorgänge aus entfremdeter/distanzierter Perspektive => Es kommt darauf an, den Anschein von erlebter sozialer Realität nicht mit der sozialen Wirklichkeit und ihren struk-turellen Bedingungen zu verwechseln.
- Vor-Urteile der Wissenschaft konnten mit Hilfe dieses Blickes in begründete Urteile verwandelt werden.
- Soziologie, als Entstehung der Aufklärung, fungierte so als "Mythenjäger" (N. Elias)
- Soziologie, bzw. der "soziologische Blick" kann dazu beitragen handlungsbewusster und handlungskompetenter zu werden (M. Weber)

I Entwicklung der Soziologie

1 Gegenstandsbereich und Definition

1.1 Soziologie: Eine empirische Sozialwissenschaft

- Begriff "Soziologie": Kunstwort; stammt von Auguste Comte (1798 – 1857); lat. socius (Gefährte) + griech. logos (Lehre)[2]
- Def.: 'Soziologie' (Vgl. Schäfers, 2012, 14) ist eine empirische Sozialwissenschaft. Sie untersucht die Strukturen des sozialen Handelns und die Formen der Vergemeinschaftung und Vergesell-schaftung, unter Berücksichtigung der Normen und Werte, sozialen Prozesse und Institutionen, die die Integration der Gesellschaft und den sozialen Wandel bewirken.
- Bereiche der Soziologie:
- (I) Allgemeine Soziologie: Erarbeitung grundlegender Begriffe und Kategorien für die Soziologie; Ziel: Aufstellung zusammenhängende Aussagensysteme (Theorien) über einzelne Bereiche der sozialen Wirklichkeit.
- (II) Spezielle Soziologie, die sich Objekten zuwenden, wie Familie, Gruppe, Arbeit und Beruf, Institutionen und Organisationen, Politik und Gesellschaft.
- (III) Sozialwissenschaftliche bzw. soziologische Methoden, um die erforderlichen empirischen Daten zu erhebenm aufzubereiten und interpretieren.

Theorien:
- Theorien sind geordnete Aussagenmengen über Teile der Wirklichkeit.
- -> Der Formulierung von Theorien geht die Überprüfung von Hypothesen voraus. Werden diese mehrfach an der Wirklicheit bestätigt/überprüft und nicht verworfen, ist es möglich aus Theorien Prognosen abzuleiten.

Theorien haben also eine erklärende (explikative) und prognostische Funktionen.

- Ablauf:
- Soziale Wirklichkeit / Soziales Problem ->
- Begriffe und Definitionen mit Relevanz für den Untersuchungsbereich ->
- Hypothesen /Annahmen über empirische Zusammenhänge/ Operationale Definitionen ->
- Theorie – Allgemeine Theorie bzw. Theorie mittlerer Reichweite.
- Bewertung des Ranges einer Wissenschaft (zB Finanzwissenschaft oder Ökonomie) nach ihrer Prognosefähigkeit. ZB Erklärungsnot der Soziologie 1990, da der Umbruch in Osteuropa nicht vorausgesehen wurde (nur wenige, wie T. Parsons sagten eine gewisse Instabilität des östlichen kommunistischen Systems voraus)

1.2 Zur Werturteilsfreiheit soziologischer Aussagen

- Grundlegender Streit (mit belebender und belastender Funktion) in der Soziologie:
- Max Weber (1864 – 1920): Aufsatz: "Der Sinn der Wertfreiheit in den soziologischen und ökonomischen Wissenschaften: „Dass die Wissenschaft a) ‚wertvolle’, d.h. logisch und sachlich gewertet richtige und b) ‚wertvolle’, d.h. im Sinne des wissenschaftlichen Interesses wichtige Resultate zu erzielen wünscht, dass ferner schon die Auswahl des Stoffes eine ‚Wertung’ enthält; solche Dinge sind trotz alles darüber Gesag-ten allen Ernstes als ‚Einwände’ aufgetaucht.“

Es geht darum "die Feststellung empirischer Tatsachen... und eine praktisch wertende Stellungnahme unbedingt auseinander zu halten.

- Der 'Werturteilsstreit' flammt immer wieder auf: 1960er Positivismusstreit (Positivisten (streng an der Empirie orientiert) vs. Dialektiker (Marxismus, Kritische Theorie der Frankfurter Schule (zB 1967/68 Studentenrevolte)

2 Eigenständige Theorien als Basis

2.1 Amerika als Vorreiter

- Grundvoraussetzungen der Etablierung der Soziologie: Entwicklung eines Gegenstandsbereichs (eines, der nicht mehr durch die etablierten Wissenschaften abgedeckt wurde); Zunehmende Dominanz des Sozialen und des Gesellschaftlichen als bewusst wahrgenommene, eigene Sphäre
- Entwicklungszentren: Länder und Städte in denen die Umbrüche der Industriegesellschaft besonders deutlich waren: England, Frankreich, Deutschland, Österreich und seit dem letzen Drittel des 19. Jhds die USA.
- Amerikanische Soziologen hatten in Europa studiert, zB Albion W. Small (1845–1926). Small hatte an der Universität in Chicago den ersten Lehrstuhl für Soziologie weltweit, sowie gründete er 1895 die erste soziologische Fachzeitschrift (American Journal of Sociology); Chicago als Zentrum, in dem die Soziologie den Status einer selbstständigen Wissenschaft aufweist, wie sonst nirgends (wichtige Ausdiff. d. Soziologie durch die Chicago School of Sociology).

2.2 Die Entwicklung soziologischer Theorien in der Etablierungsphase

2.2.1 Karl Marx und Friedrich Engels als Gesellschaftswissenschaftler

- Ende des 19. Jhds. lagen bereits ausdifferenzierte soziologische Theorien vor, die bis heute zum Kanon gehören. Bis 1989/90 beriefen sich viele Gesellschaften auf den Leninismus-Marxismus als ihre Grundlagentheorie. Max Weber schrieb zB auch ein Werk genau gegen diese wissenschaftlich und praktisch einflussreiche Gesellschaftstheorie von Karl Marx und Friedrich Engels, mit dem Ziel deren ökonomisch-materialistischen Standpunkt zu überwinden.
- Marx und Engels begründeten die Theorie des Wissenschaftlichen Sozialismus und Historischen Materialismus (Histomat). Unter Lenin erlangte diese auch praktische politische Bedeutung und wurde zur Anleitung der Umgestaltung. Sie war allerdings zur Umgestaltung moderner Industrienationen gedacht, nicht feudaler Systeme wie in Russland 1917.
- Karl Marx: wurde 1818 in Trier, das damals zu Preußen gehörte, geboren, er starb 1883 im Londoner Exil. Die Promotion in Philosophie erfolgte 1841 in Jena; Hoffnungen auf eine akademische Karriere zerschlugen sich schnell. Die preußische Zensurbehörde vertrieb den kritischen Journalisten zunächst nach Paris, von dort nach Brüssel. Seit 1849 lebte er in London. Sein Hauptwerk ist „Das Kapital“;

Kernmotto Marx' (angelehnt an Feuerbach): "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern"

- Friedrich Engels wurde 1820 als Sohn eines Fabrikanten in Barmen (Wuppertal) geboren, er starb 1895 in London. Durch Aufenthalte in Manchester, dem Hauptort der kapitalistischen Expansion und des Manchester-Liberalismus, lernte er das Massenelend kennen. Ab 1845 trat er zu Marx in eine enge freundschaftliche Be-ziehung und wissenschaftliche Kooperation.
- Was sagen Marx und Engels nun? Den Hebel zur Veränderung der kapitalistischen Arbeits- und Produktionsform sah Marx zunächst darin, die Rechts- und Staatsphilosophie Hegels „vom Kopf auf die Füße zu stellen“ (Marx 1971: 20 ff.);

Das hieß im Kern: Es ist nicht nur nach den ideellen Bedingungen von Freiheit zu fragen, sondern auch nach deren materiellen Voraussetzungen (vgl. Schäfer, 2012, 18)

- Letzlich bezog Hegels und Kants Theorie der bürgerlichen Rechtsgesellschaft auf das Bürgertum, also jene, die über Eigentum verfügten. Das Zugeständnis gleicher Rechte enfaltete in der Praxis nur eingeschränkte Wirkung und klammerte das Industrieproletariat de facto aus. Friedrich Engels schildert in seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1964), die elenden Lebensbedingungen der Industriearbeiter in England. -> Um die Freiheit zu erlangen müsse das Produktionseigentum den Kapitalisten entzogen werden.
- Nach Marx und Engels hatte die Kapitalisierung aller Produktionsfaktoren auch zur Folge, dass die menschliche Arbeitskraft zur Ware degradiert wurde. Im „Manifest der Kommunistischen Partei“ von 1848, das sie gemeinsam in Brüssel verfassten, wird die Quintessenz aus diesen Einsichten gezogen: Die Spaltung der Gesellschaft in zwei sich antagonistisch gegenüber stehende Klassen, Bourgeoisie und Proletariat, ist nur auf revolutionärem Wege zu lösen, durch Expropriation der Expropriateure.

2.2.2 Herbert Spencer: Gesellschaft als Organismus im Evolutionsprozess

- Herbert Spencer (*1820 in Derby/England, + 1903 in Brighton)
- Übertragung der Evolutionstheorie auf die menschl. Gesellschaft. Zeitgeist wurde von der Evolutionstheorie Darwins geprägt, Spencer sprang auf diesen Zug auf.
- Breites völkerkundliches Material als Basis Spencers Untersuchungen und Theorien.
- -> vergleichende und soziografische Methoden
- => Beitrag zur Fundierung der Soziologie als empirische Wissenschaft.
- Spencer prägte zahlreiche soziologische Begriffe, wie Struktur und Funktion, System und Institution. Diese erfolgten aus der Betrachtung der Gesellschaft als Organismus und die Entwicklung sozialer Einheiten von un-gegliederter Vielheit zu gegliederter Einheit.

- Als Beispiel nennt Spencer das Zusammenwachsen von Stämmen und kleineren staatlichen Einheiten zu Nationen.
- Begr. "Sozialdarwinismus": Überträgt man darwinistische Vorstellungen auf soziale Phänomene, nenn man dies Sozialdarwinismus
- Spencer gilt als wichtiger Vordenker eines "Struggle for Life", das zur Durchsetzung der Besten führe. -> Befeuerte auch den Kolonialismus
- Spencer kann nicht für die Ausartung im NS-Regime verantwortlich gemacht werden.

2.2.3 Emile Durckheim: Die Integration der Gesellschaft über verbindliche Normen

Eine weitere Perspektive soziologische Theoriebildung zeigt die Soziologie von Emile Durckheim

- Émile Durkheim (* 1858 in Épinal (Lothringen) als Sohn eines Rabbiners geboren, starb 1917 in Paris); Laizist.
- 1896: Lehrstuhl für Pädagogik und Sozialwissenschaften in Bordeaux,
- 1906: LS für Pädagogik und Soziologie an der Sorbonne in Paris.
- Hohe Bedeutung Durckheims für die Etablierung der Soziologie in begrifflichtheoretischer , methodischer und methodologischer Hinsicht . Bsp. dafür in drei Werken:
- Les Règles de la méthode sociologique, Paris 1895 (dt. Die Regeln der soziologischen Methode 1965): Bleibender Wert ist die Herausarbeitung eines genuin soziologischen Gegenstandsbereichs, der durch das Eigengewicht der faits sociaux bestimmt wird (' soziale Tatsachen' (nicht "soziologische")).
- Was ist ein sozialer Tatbestand? „Ein sozialer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang aus-zuüben; oder auch, die im Bereich einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Ei-genleben besitzt.“ (Durckheim 1965, 114)

Beispiel für solche 'sozialen Tatsache': Geld, Institutionen, Grußformen oder Gesetze.

- Auch andere Grundbegriffe wie Institution, Kollektivbewusstsein, soziales Handeln, soziales Milieu, sozialer Zwang werden hier grundlegend eingeführt.
- Auch methodologisch, der erkenntnistheoretischen Fundierung der Soziologie, liegt hier ein Grundlagenwerk vor. "Die psychischen Erscheinungen sind naturgesetzte Zustände des Subjekts und von ihm überhaupt nicht zu trennen... Im Gegensatz dazu besitzen die sozialen Phänomene viel unmittelbarer dingliche Eigenschaften" (Durckheim 1965: 127), und sie gelten allgemein, wie man hinzusetzen kann, weiters: „Die Gesellschaft ist nicht bloß eine Summe von Individuen, sondern das durch deren Verbindung gebildete System stellt eine spezifische Realität dar, die einen eigenen Charakter hat.“ (Ebd.: 187)

- Le Suicide. Etude de sociologie, von 1897 (Der Selbstmord, 1999):
- Inhalt: Untersuchung der hinter dem Selbstmord als scheinbar persönlichste Entscheidung stehenden sozialen Tatsachen.
- Es wird sozialstatistisch deutlich, wie groß die Differenzen u.a. nach Geschlecht, Alter, Religionszugehörigkeit und Ländern sind.
- Von den Arten des Suizides hebt Durckheim den anomischen Selbstmord hervor. Soziale Desorientierung (zB durch den Wandel einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft) als Ursache für Selbstmord. Die entsprechenden Ausführungen wurden ein Grundpfeiler der Theorien abweichenden Verhaltens.

- De la division du travail social. Etude sur l'organisation des societes superieures, 1893 (dt. Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften, 1977):
- Hohe Bedeutung des Themas Arbeitsteilung seit Ende des 18. Jhds in Gesellschafts- und ökonomischen Theorien (vgl. Adam Smith)
- Durckheim interessierte die Frage der sozialen Integration und der Solidarität der Gesellschaftsmitglieder trotz hochgradiger Arbeitsteilung. Dabei stellt Durckheim zur Verdeutlichung zwei Gesellschaftstypen gegenüber:
- (a) archaische Gesellschaften: Schaffung von Solidarität passiert hier auf Grundlage kleiner, segmentärerer sozialer Einheiten und durch ein unmittelbar wirksames Kollektivbewusstsein (Durckheim: "mechanische Solidarität").
- (b) Komplexere Gesellschaften, in denen persönliche Bekanntschaft und Imitation ausgeschlossen sind: Grundlage der Solidarität ist hier ein Bewusstsein organischer Verbundenheit . Differenzierte Berufsgruppen und ihre Assoziationen sind nun die Träger der "organischen Solidarität".
- Soziologie ist für Durckheim immer auch 'science morale', was (aus dem Franz.) auf die durch Sitten und Bräuche, Normen und Solidarität gegebene Basis gesellschaftlicher Integration verweist.
- Les Formes Elementaires de la vie Religieuse, 1912 (dt. Die elementaren Formen des religiösen Lebens, 1981). Anders als Weber fragt der nicht nach einem Antrieb des kapitalistischen Geistes, sondern

- nach einer Grundform menschlicher Existenz

- Gegensatz bzw. Ineinanderspiel von "heilig" und "profan".

2.2.4 Max Weber: Sinnverstehen als Zugang – Idealtypen als Methode

- Max Weber wurde 1864 in Erfurt geboren und verstarb 1920 in München. 1869 zog die Familie nach Berlin. In der Villa in Charlottenburg lernte Weber bedeu-tende Politiker und Geistesgrößen der Zeit kennen. Ab 1882 folgten drei Semester Jura-Studium in Heidelberg, dann eine Militärzeit in Straßburg, das seit 1871 zu Deutschland gehörte. Ab 1884 Studium und Promotion in Berlin. 1895 Berufung auf einen Lehrstuhl für VWL in Freiburg/Br., 1896 nach Heidelberg. Wegen eines Nervenleidens Aufgabe der Professur im Jahr 1903. 1904 unternahm Weber eine für sein Werk wichtige Amerikareise. 1919 Annahme eines Rufes nach München; dort am 14. Juni 1920 verstorben.
- Große Umbrüche in seinem Leben: Zeuge der Münchner Räterepublik im Nov. 1918; Zwei bedeutende Vorträge vor Studenten im Jan. 1919 "Wissenschaft als Beruf; Politik als Beruf": ’Persönlichkeit’ auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient …Der wissenschaftliche Fortschritt ist ein Bruchteil, und zwar der wichtigste Bruchteil, jenes Intellektualisierungsprozesses, dem wir seit Jahr-tausenden unterliegen…Wissenschaft ist heute ein fachlich betriebener ‚Beruf’ im Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusam-menhänge, und nicht eine Heilsgüter und Offenbarung spendende Gnadengabe von Sehern und Propheten über den Sinn der Welt…Es ist das Schicksal unserer Zeit, mit der ihr eigenen Rationalisierung und Intellektualisierung, vor allem: der Entzauberung der Welt, dass gerade die letzten und sublimsten Werte zurückgetreten sind aus der Öffentlichkeit.“ (Weber 2002: 510)
- Wichtige Schriften über "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", über die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis , über den Sinn der der "Wertfreiheit" der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften. Er schrieb weiters über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft; Definition soziologischer Grundbegriffe.
- Webers Def. von "Soziologie": Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ‚Handeln’ soll dabei ein menschliches Verhalten…heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.

‚Soziales’ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. (Weber 2002: 653)

- Grundlegung methodologischer Grundlagen, insofern es erkenntniskritisch um die Sicherheit soziologischer Aussagen geht. Behandelt werden die Möglichkeiten sozialen Verstehens, die Schwierigkeit ihrer kausalen Deutung und als Methode die Notwendigkeit der Bildung von Idealtypen.
- Definition zahlreicher Begriffe wie: Soziales Handeln, Vergemeinschaftung, Vergesellschaftung, Verband, Betrieb, Staat, Verein und Anstalt, Politischer Verband; seine bekanntesten Definitionen aus den Soziologischen Grundbegriffen lautet:
- Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eige-nen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.
- Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“ (beide Weber 2002: 711)

Macht deutet auf Willkür, Herrschaft auf Legitimation.

- Soziologie kann nur zu Regelmäßigkeiten des sozialen Handelns, kaum zu kausal definierbaren Gesetzmäßigkeiten vorstoßen; Weber entwickelt darum ein Arbeitsinstrument ->
- Idealtypus: Die Soziologie sucht von allen sozialen Gebilden diese Idealtypen (um letzlich die Eindeutigkeit ihrer Aussagen zu erhöhen), um Regelmäßigkeiten deutlich zu machen und so zu zeigen, wann und wo die Chance besteht, dass dieser Typus auftaucht. Also: "Die Soziologie bildet Typen-Begriffe und sucht generelle Regeln des Geschehens." (Weber 2002: 667).
- Beispiele für Idealtypen: Handwerk, antike und mittelalterliche Stadt, aber auch Individualismus, Imperialismus.
- Weber sprach sich eher gegen eine Verselbstständigung des Faches Soziologie aus, obwohl er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Soziologie war. Soziologie sollte auf Basis von Bezugswissenschaften wie VWL, Jura, Wirtschaftsgeschichte...
- Weber trug (vor allem durch die posthume Veröffentlichung wichtiger Werke von ihm) zur Entwicklung mehrerer Spezieller Soziologien bei: Wirtschaftssoziologie, Rechts- und Staatssoziologie, Stadtsoziologie, Musiksoziologie,...
- -> Reglionssoziologie nimmt umfangsmäßig den größten Platz in seinem Werk ein. In "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" fragt er nach den Gründen der Entstehung des modernen Kapitalismus: Dabei stand nach Weber ein Rationalisierungs- und Intellektualisierungsprozess , der im antiken Judentum begann und nach und nach alle Daseinsbereiche umfasste, im Zentrum. Das Arbeits- und Berufsethos der Ethik des Protestanismus ist der Höhepunkt dieser Entwickung. "Innerweltliche Askese" führe zu innerweltlichem Gewinnstreben , da man sich durch stetige Tat des Beistandes Gottes versichern müsse . Der Erfolg zeige diesen Beistand.
- Dieser Rationalisierungsprozess erstreckte sich auch auf das Recht oder die Musik. Um dies nachzuweisen, verfasste Weber eine frühe Musiksoziologie.
Hier fehlen Namen wie Ferdinand Tönnies oder Georg Simmel, auf die später noch eingegangen werden wird. Kurz:
- F. Tönnies: Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Sozio-logie (DFG) war und von 1909-1933 ihr Präsident. Sein Hauptwerk, Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie, erschien zuerst 1887 und ist bis heute eines der bekanntesten Werke der deutschsprachigen Soziologie.
- Georg Simmel: Georg Simmel verfasste eines der ersten Werke zur Socialen Differenzierung (1890). Seine Philosophie des Geldes (1989, zuerst: 1900) ist im Kern eine Sozio-logie des Geldes, die die sozialen und kulturellen Folgen der unumschränk-ten Geldherrschaft analysiert.

3 Institutionalisierung durch Lehrstühle und Forschungseinrichtungen

3.1 Situation bis zum II. WK

- Bis WK I Verzögerung einer Institutionalisierung der Soziologie in Deutschland im Vergleich zu den USA
- Aber bereits überzeugende Theorieentwicklungen, wie oben gezeigt.
- Nach dem I. WK änderte sich dies: Gesellschaftliche Veränderungen zeigten Bedarf an sozialwissenschaftlicher Fundierung für Politik und Berufspraxis auf.
- Erste soziologische Lehrstühle und Forschungsinstitute an Universitäten wie Köln (durch Adenauer als Kölner Oberbürgermeister ins Leben gerufen), Frankfurt und Hamburg
- 1921 begründung der Kölner Vierteljahresschrift für Soziologie, heute: "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie" (KZfSS).
- 1925 Erster Lehrstuhl nur für Soziologie für Hans Freyer in Leipzig.
- Im NS-Regime: Viele Vertreter der Soziologie wurden aufgrund des Rassenwahns oder der Verfolgung von Sozialisten und Sozialdemokraten in die Emigration getrieben. Die sozialstatistischen und empirischen Erkenntnisse wurden für NS-Zwecke verwendet.

3.2 Definitive Entablierung durch eigene Studiengänge

- Nach dem II. WK
- Erste Lehrstühle im Jahr 1949 an berufspraktisch orientierten Hochschulen, zB an der HS für Verwaltungswissenschaften in Speyer (durch franz. Besatzungsmacht mit Orientierung am Vorbild ENA) (Prof. Arnold Gehlen) oder an der Akademie für Gemeinwirtschaften in Hamburg 1948 mit Helmut Schelsky.
- "Sozialforschungsstelle Dortmund an der Universität Münster" als Keimzelle der ersten soziologischen Fakultät, Niklas Luhmann erhielt dort sein erstes Ordinariat.
- Schwerpunkt der Ausbildung in empirischer Sozialforschung unter Rene König in Köln
- Paul Lazarsfeld trug ebenfalls, emigriert in die USA dazu bei.
- Bis 1954 nur fünf Lehrstühle für Soziologie; 1956 erster Studiengang mit Diplomabschluss in Soziologie an der FU Berlin
- Gesellschaftlich betrachtet erwartete man sich von der Soziologie Hilfe in gesellschaftlichen Fragen wie dem expandierenden Städte- und Wohnungsbau, der Einrichtung neuer Unis, FH's und sonstigen Planungen. -> Frage nach den sozialen Grundlagen und gesellschaftlicher Akzeptanz.
- Differenzierung der theoretischen Ansätze (vgl. Kap. V). In den 1950er und 60er Jahren vorherrschende Sturkturfunktionalismus eines Robert K. Merton und Talcott Parsons, die Theorie der Institutionen , die Kritische Theorie der Frankfurter Schule und die marxistische Soziologie wurden ergänzt durch:
- Zivilistationstheorie von Norbert Elias,
- Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas
- funktional-strukturelle Theorie sozialer System von Niklas Luhmann
- und phänomenologische Ansätze , vor allem von Alfred Schütz.
- Verbreiterung des Berufsspektrums für Absolventen des Faches Soziologie;
- Ständige Vertretung des Faches durch die DGS: Deutsche Gesellschaft für Soziologie, ergänzt durch:
- Gründung des Berufsverbandes Deutscher Soziologen 20 Jahre nach dem ersten Diplomstudiengang.
- Nach der Wiedervereinigung Beitritt der DDR-Soziologen zur DGS ->
- Schwierige Entwicklung in der DDR, aufgrund des vorherrschenden Marxismus-Leninismus und des Historischen Materialismus, bei dem eine Soziologie als überflüssig galt.
- Wichtige Studien blieben ohne politischen Einfluss, da unter Verschluss im DDR-System.

II Grundlagen und Formen des sozialen Handelns

1 "Natur" und Sozialnatur des Menschen

- [3] "Natur" und Sozialnatur des Menschen sind verschränkt , da die Grundlagen sozialen Handelns in der "Natur" des Menschen liegen 3 Zitate dazu:
- Karl Marx: „Das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“
- Novalis (Friedrich von Hardenberg): „Jeder Mensch ist eine kleine Gesellschaft.“
- Sigmund Freud: „Jede Gesellschaft ist ein umfangreicher Mensch.“
- Frage nach der Stellung des Menschen im Kosmos (von Gott geschaffen (christl. Weltbild), Art des Standes (Sklave, Freier, zB Aristoteles)) ist eine bedeutende und streitvolle Frage.
- -> Erkenntnisse wie Evolutions-/ und Selektionstheorie eines Charles Darwin oder die Erkenntnisse der modernen Neurobiologie zu Willensfreiheit des Menschen, oder zu den "angeborenen" Dispositionen von Mann und Frau sorgen für Verunsicherungen und auch Weiterentwicklungen
- Untersuchungen zur Handlungs- und Willensfreiheit auch aus soziologischer Sicht von großer Bedeutung; zB Tim König geht von einer "kulturellen Programmierung des Gehirns" aus und zeigt aus der systemtheoretischen Perspektive Niklas Luhmanns, wo "Grenzen einer neurobiologischen Perspektive auf Handlungen" leigen und dass Aussagen über deren Determiniertheit nicht haltbar sind.
- Frage nach der Natur des Menschen durch die Soziologie nicht beantwortbar . Aussagen über eine solche "Natur" des Menschen sind in der Soziologie Aussagen über einen Teil des Kollektivbewusstseins (Durckheim) und des kulturellen Prozesses, also "soziale Tatsachen". Die Frage "Was ist der Mensch?" lässt sich durch keine Wissenschaft endgültig beantworten. Antworten auf diese Frage sind immer auch durch einen gewissen "kulturellen Evolutionsprozess" mitgeprägt.

2 Konzeption eines anthropologisch fundierten Handlungsbegriffs

Bei der Konzeption eines anthropologisch fundierten Handlungsbegriffs stützt sich die Soziologie vor allem auf Aussagen der Philosophischen Anthropologie, zumal ihres Dreigestirns:

- Max Scheler (1874-1928)
- Helmut Plessner (1892-1985) und
- Arnold Gehlen (1904-1976)
Arnold Gehlen:
- Grundlegendes Werk: "Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt" (1940)
- Für Gehlen (besondere Bedeutung für die K.- u.S.Wiss) ist Handlung der Angelpunkt
- zur Überwindung der Dualismen Leib und Seele, Körper und Geist ,
- sowie des "Sich-Einlassens" des Menschen auf Welt und handelnde Menschen
- "Der Mensch ist das handelnde Wesen" – Ein Kernsatz des obigen Werkes. Aussagen in Hinblick auf das Handeln/ soziales Handeln:
- Der Mensch ist ein (a) weltoffenes Neugierwesen , nicht durch Instinkte festgelegt -> (b) sichere Handlungsführung bekommt er nur durch Normen und Institutionen , die zugleich Entlastung von fallweisen individuellen Entscheidungen bedeuten
- -> Diese Entlastungen geben die Chance für kulturelle Weiterentwicklung auf Basis immer differenzierterer sensorisch-motorischer Verhaltensweisen, zumal der Sprache
- Antriebe zeichnen sich durch eine hohe Formbarkeit (Plastizität) aus.
- Zielorientiertes und von eigenen Motiven gesteuertes Handelns (zu unterscheiden vom bloßen Sich-Verhalten) setzt Strukturierungsleistungen voraus. Diese beruhen auf Selektion gegenüber einer reizüberfluteten Wahrnehmung mit ihrem Reflexions- und Deutungsüberschuss und der „Weltoffenheit“.

Hierfür ist eine "Kluft" (eine Art Handlungshemmung) zwischen Antrieb und Handlungsvollzug eine Voraussetzung (Fähigkeit zur Distanz (Reflexion) des Menschen zu sich und anderem). Nach Helmuth Plessner wird diese Handlungshemmung durch Reflexion durch exzentrische Positionalität des Menschen möglich. George Herbert Mead untersuchte (aus Sicht des Sozialbehaviorismus) diese Mechanismen näher.

- Triebüberschuss (zumal im Sexualleben) kann nach Gehlen zur Gefährdung stabilisierender Normen und Institutionen führen wie ein freier ungebändigter Wille. Ein starker Staat solle hier gegenwirken
- Seinsaussagen können nach Gehlen schnell in Sollaussagen umschwingen, quasi ein Versuch einen "Mangel" den man erkannt zu haben glaubt durch Normen und Institutionen gesellschaftlich zu kompensieren (eine gewisse Art von Totalitarismus)
- Gehlen war anthropologischer Pessimist.

3 Normativität und Sinnbezug des Handelns

- Begriff "Norm": lat. norma = Richtschnur, "Regel" (regula). In der Alltagssprache Bezug auf normgerechtes Handeln, sowie Standards (DIN-Normen...) und Regeln.

Normen sind ausdrücklich vermittelte Regeln des erwünschten oder vorge-schriebenen menschlichen Tuns und Lassens, wie auch der inneren Einstellung und des Denkens (…). Sie werden bei denen, die sich an ihnen orientierten sollen, durch Bewusstmachung eingeführt und in Geltung gesetzt.“ (Oldemeyer 2010: 22)

Normen sind das Grundgerüst sozialen Handelns, von den Gesetzestafeln König Hammurabis (18. Jhd. v. Chr.) bis zu den Grußformen des Alltags.

- Die Normativität des sozialen Handelns ist für die Soziologie ein grundlegender sozialer Tatbestand und – wie Raum und Zeit – als vorausgesetzt zu sehen.
- Einteilung und Differenzierung sozialer Normen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Vgl. Schäfers, Einführung in die Soziologie, 2012, 37)

- Begriff "Sinn": lat. sensus. Sinn ist das Vermögen des Menschen Reize aus der Außenwelt wahrzunehmen und sie bewusst mit spezifischen Vorstellungen in Verbindung zu bringen.
- George H. Mead arbeitete eine 'Doppelpoligkeit des Sinnbegriffs' heraus: Einerseits möchte der Handelnde, dass seine Handlung auf bestimmte Weise verstanden wird (Lächeln, Sprechen...). Jede Handlung produziert zugleich Sinn . Jeder Mensch ist also in jeder Handlungssituation sowohl Nachschöpfer als auch ein Schöpfer von Sinn, der Vorgegebenes in bestimmter Weise interpretiert, bis zur Abweichung vom bisher "eingelebten" Sinn.
- "Sinn" für Luhmann: zentraler Grundbegriff der Soziologie; "Ordnungsform des menschlichen Erlebens"; Nur die Fähigkeit der Individuen zur Selektion von Sinn für ihr eigenes Handeln macht die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen Tatsachen und Handlungsfelder überschaubar.

4 Wertbezug des sozialen Handelns, Wertwandel

4.1 Werte als ethnische Imperative

Von ähnlich hoher Komplexität wie der Norm- und der Sinnbegriff ist der Wertbezug des Handelns. Die Frage: Wie hängen Wertorientierungen und die Frage nach dem Sinn des Lebens zusammen thematisieren verschiedene Religionen und Philosophien.

Clyde Kluckhohn (1905-1960) lieferte eine kulturanthropologische, empirisch handhabbare Definition (vgl. Ders., Toward a General Theory of Action, 1951):

Sie lautet: Wert ist „eine Auffassung vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit sowie für ein Individuum oder eine Gruppe kennzeichnend ist und welche die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflusst. (zit. bei Klages 2001: 727). Schäfers (2012) fasst zusammen:

- Werte verweisen auf kulturelle, religiöse und soziale, rechtliche und ethische Leitbilder des Handelns. Über den Normbegriff hinausgehend sind die in einer Gesellschaft vorherrschenden
- Werte das Grundgerüst der Kultur und der Weltanschauungen.
- Werte , die sich der Einzelne zueigen macht, wirken wie ethische Imperative; sie können zu geltenden Normen in Widerspruch geraten und zu kon-fliktreichen Situationen auf allen Ebenen des sozialen Handelns führen.
- Vgl. Diskussion bei Weber über Wertbezug bzw. Wertfreiheit
- Werte stehen in Verbindung mit

(a) der individuellen Bedürfnisstruktur und
(b) den grundlegenden Interessen der handelnden Individuen, sowie
(c) vorherrschenden Ideologien und Weltanschauungen (religiös, politisch);

- Hier kann es auch, bei radikal vertretenen Werten zu Konflikten kommen, wobei die Gerichte Grenzen (der Toleranz, sowie einer prinzipiell liberalen Auffassung gegenüber den Freiheitsrechen der Bürger) der Meinungs,- Religions,- und Redefreiheit auszuloten haben.
- Besonderheiten der Ermöglichung konträrer Wertorientierungen in der europäischen Kultur (nach Ernst Oldemeyer; aus phänomenologischer Richtung der Soz. argumentiert):

„seit der griechisch-römischen Antike in weit ausgeprägterem Maße als in anderen Hochkulturen (wie den ägyptischen, indischen, chinesischen, orien-talischen, islamischen, afrikanischen und amerikanischen) ein charakteristi-scher Konfrontationsstil im Umgang mit Wertpositionen und Weltsichten ausgebildet worden, der sich auch gegen Widerstände immer wieder durch-gesetzt hat. Sein Charakteristikum besteht in der Tendenz, unterschiedliche Werteinstellungen als inhaltlich konträr zugespitzte (oppositionelle) ‚Stand-punkte’ gezielt gegeneinander zu stellen.“ (Oldemeyer 2010: 67)

- Hans Joas und Klaus Wiegand heben neben der jüdisch-christlichen und griechisch-römischen Tradition, Werte wie Freiheit, Innerlichkeit, Rationalität, Bejahung des gewöhnlichen Lebens hervor.

4.2 Wertwandel

- Es ist offenkundig, dass sich die einzelnen Werte wandeln, an Verbindlichkeit zu- oder abnehmen können.

- Ausgenommen sind Werte (Bürger- und Freiheitsrechte) , die verbindlich für staatliches Handeln durchgesetzt wurden (zB Katalog der Grundrechte im GG).
- Problematischer ist dies auf Ebene der internationalen Politik, da hier weniger Sanktionsmöglichkeiten bestehen
- Ende der 60er Jahre: Augenscheinlicher Wertewandel, als wertkonservative Auffassungen durch emanzipatorische Bestrebungen (Frauenbewegung, Anti-Autoritätsbewegung,... Infragestellung zentraler Werte wie Familie oder Sexualtität). Der
- Ronald Inglehart bezeichnete diesen Wertewandel als "Silent Revolution": Abkehr von den traditionalen, materiellen Werten wie Leistung und Wachstum hin zu "postmateriellen Werten" wie eine friedliche Welt, mehr Partizipation, Gleichheit und Selbstentfaltung.
- In der Schuldebatte sind der zu vermittelnde Wertekanon und Wertorientierungen ein Dauerthema.

5 Handlungstypen und Orientierungsalternativen des Handelns

- Seit den Anfängen der Soziologie Versuche die Vielzahl der Handlungen in eine überschaubare Systematik zu bringen.
- Ferdinand Tönnies: Menschen handeln entweder in
- (a) gemeinschaftlichen Sozialbeziehungen (Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft, Dorf oder Kleinstadt);

Gemeinschaftliches Handeln basiert auf persönlicher Nähe, Bekanntschaft, Ver-trautheit und ist z.B. dadurch charakterisiert, dass das Du die Umgangsformen prägt und man mehr voneinander weiß, als in der jeweiligen Handlungssituation erforderlich ist. Es gibt ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. Die Optionen der Wahl, des Austritts oder Wechsels sind je größer die Gemeinschaft (Dorf-> Stadt) als größer einzuschätzen.oder:

- (b) gesellschaftlichen Konstellationen.

Gesellschaftliches Handeln hat die weitgehende Anonymisierung der Sozialstruk-turen und ein mehr funktionales Rollenverständnis zur Voraussetzung. Es basiert auf der Trennung von Familie/Haushalt und Arbeitsplatz, von Arbeit und Freizeit, von Privatheit und Öffentlichkeit. Das Sie gehört zur vorherrschenden Umgangsform.

- Im Kulturprozess, im öffentlichen Verhalten, in den Medien vom Radio bis zum Internet sind seit Jahren Bestrebungen zu beobachten, die Anonymität und Distanz zu anderen aufzuheben. Helmuth Plessner warnte davor, die Kategorie der Gemeinschaft auf die damals (1981, zuerst 1924) so populäre Kategorie des Bundes auf gesellschaftliche Verhältnisse anzuwenden.
- Max Weber: 4 Typen von Handlungen nach Weber in Weiterführung von Tönnies:
- (I) zweckrational:"durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außen-welt und von anderen Menschen unter Benutzung dieser Erwartungen als „Bedingungen“ oder als „Mittel“ für rationalen Erfolg"
- (II) wertrational: "durch bewussten Glauben an den – ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – un-bedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg"
- (III) affektuell: insbesondere emotional, durch aktuelle Gefühlslagen und Affekte
- (IV) traditional: durch eingelebte Gewohnheiten
- = Dabei treten in der Regel natürlich Mischtypen auf, eine Art allein ist selten.
- -> Webers Typologie ist Ausgangspunkt aktueller Kontroversen zum Thema: Inwiefern wird in einer technischen und kapitalistischen Welt (mit all ihrer Berechenbarkeit) ein Übergewicht gegenüber emotionalem und/oder traditionalem Handeln eingeräumt? etc.
- -> Talcott Parsons knüpfte mit seinen "Pattern Variables", Orientierungsvariablen sozialen Handelns an Weber an.
- Parsons geht davon aus, dass jede soziale Handlung überwiegend der einen oder anderen Option zuzuschreiben ist. "Reine Typen" dürften aber auch hier die Ausnahme sin, da die Mehrzahl aller sozialen Handlungen rollengebunden ist.
- Pattern Variables:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Vgl. Schäfers, Einführung in die Soziologie, 2012, 42; dieser nach: Parsons, 1960)

6 Rahmungen des sozialen Handelns

- Vorstrukturierungen der Handlungsfelder für den Einzelnen können sowohl Entlastung als auch sozialen Zwang bedeuten. Dies gilt für Raum und Zeit, als auch die Routinen des Alltagshandelns durch Brauch und Sitte.

6.1 Raum

- Kant in seiner "Kritik der reinen Vernunft" zum Raum:

„Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori (wie die Zeit, B.S.), die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt (…). Er wird als die Bedingung der Möglichkeit der Erscheinungen, und nicht als eine von ihm abhän-gende Bestimmung angesehen.“ (Kant 1968, Bd. 3: 72)

- Jean Piaget kritisiert das, indem er eine der sinnlichen Erfahrung voraus gehende menschliche Raumauffassung anzweifelt. Er wies in einer Untersuchung das Erlernte (Ertastete) und kulturell Vorgeprägte analytisch nach.

=> klar ist aber auch: analytische Differenzen zischen "angeboren" und "kulturell überformt" sind schwer zu bestimmen.

- Edward T. Hall: geht davon aus (in seiner Untersuchung "Sprache des Raumes"), dass das menschliche Territorialverhalten durch 4 Distanzen geprägt ist, die im Verhalten mit anderen Menschen auch expressiv „zur Schau gestellt“ werden. Sie reichen von der intimen Distanz, die körpereigen und haut-nah ist (Berührungen bedürfen der ausdrücklichen Akzeptanz) über die persönliche Distanz bis zur öffentlichen Distanz.

- Was ist "Raum" aus der Sicht der Soziologie?

Die Soziologie „bezeichnet Raum den alltagsweltlich organisierten Kontext der Erfahrun-gen handelnder Menschen, im Näheren eine Anordnung von Objekten und Akteuren im Verhältnis und mit Bezug aufeinander .

Als ein Wahrnehmungs- und Handlungsraum ist der soziale Raum durch zumindest eine kognitive und eine praktische Dimension bestimmt .“ (Weiske 2010: 228)

- Wahrnehmung des Raumes ist ein Struturierungsmoment sozialer Interaktion. Teil der Interpretation der jeweiligen Situation. Unabdingbare Voraussetzung jeden bewussten Handelns.
- Georg Simmel: Der Raum hat nach Simmel (zur Wechselwirkung Raum – Gesellschaft) "5 Grundqualitäten":
- Ausschließlichkeit des Raumes als Territorium
- Begrenzung und die Grenze
- die Fixierung und Lokalisierung von Tätigkeiten und Handlungsformen an einem Ort
- die durch den Raum vorgezeichneten Bestimmungen von Nähe und Distanz und
- den damit verbunden Sozialverhältnissen
- Grenze und Begrenzung werden bei Simmel als sozial und psychisch bedeutende Tatbestände einsichtig: „Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit sozialem Wirken, sondern eine soziale Tatsache, die sich räumlich formt. “ Die Differenzierung der ja auch räumlich ausgeprägten Eigentumsverhältnisse, die Zugangsmöglichkeiten zu Territorien sind für Simmel „soziale Tatsachen“.
- Auch das individuelle und kollektive Gedächtnis sind an Räume gebunden. Besonders ausgeprägt sind die persönlichen Erinnerungen und der Stellenwert für das Kollektivbewusstsein eines Volkes, wenn es sich um Wendepunkte im Leben des Einzelnen und solche der Geschichte handelt. In allen europäischen Nationen finden sich Orte kollektiven Erinnerns, die bei Aufsuchen zu einer Gefühl erstarkender Zusammengehörigkeit führen.

6.2 Zeit

- Zeit als eine conditio sine qua non aller sozialer Handlungen
- Analyse sehr schwierig... Augustinus (in den confessiones): „Was also ist Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich’s, will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht.“
- Das innere Erleben, die Wahrnehmung von Zeit ist je nach Handlungssituation sehr verschieden (!). Sekunden können ewig dauern, Stunden verfliegen...
- Henri Bergson (franz., phil.; 1859-1941) unterschied hierzu die (a) mechanische, gemessene Zeit, und (b) die gelebte und erlebte Zeit. Diese unterscheiden sich deutlich
- Bewertung der Zeit als Gut, das zu Verfügung steht ist kultur- und epochenspezifisch. ZB Verzeitlichung des christlichen Tagesablaufs durch die Mönchsorden; seit dem 13. Jhd. Ausbreitung von Uhren, zB auf Kirchtürmen, was das Zeitverständis weiter wandelte und ins kapitalistische Arbeitsethos ausdehnte. Max Weber: „Aus dem Kloster heraus“ begann die christ-liche Askese „das weltliche Alltagsleben mit ihrer Methodik zu durchtränken, es zu einem rationalen Leben in der Welt“ zu machen. Am Ende der Entwicklung steht "time is money" (Benjamin Franklin). Taschenuhren seit dem 19. Jhd verfestigten dies. Nach Simmel ermöglichten diese Uhren erst ein Zusammenleben in der Großstadt, da alle Tätigkeiten und Wechselbeziehungen "aufs pünktlichste in ein fes-tes, übersubjektives Zeitschema eingeordnet würden".
- Dieses einsetzende Zeitalter der Beschleunigung führte zu einem immer strengeren Zeitreglement am Arbeitsplatz (Frederick Taylor untersuchte dies zB) =>
- Durch die Beschleunigung wurden Raum und Zeit in ein neues Verhältnis gesetzt. Heinrich Heine zB schrieb auf der Fahrt von Paris nach Rouen über die Eisenbahn, dass durch diese der Raum getötet werde.
- Immer mehr Menschen müssen sich dem Zeitreglement im Zeitalter der Industrialisierung unterwerfen. ->
- Durch das digitale Zeitalter und die Massenmedien werden immer neue Dimensionen hinzugefügt, bspw. das gleichzeitige Erleben von weit entfernten Ereignissen...
- In der soziologischen Theorie spielt der Faktor "Zeit" für die Sturkturierung sozialer Handlungen und Prozesse immer eine Rolle, häufig aber nur implizit.
- Norbert Elias behandelt die Zeitregulierung als Element des Zivilisierungsprozesses. Beginnend vom Hochmittelalter wurde die Zeitstruktur mehr und mehr im Einzelnen verankert. Das Stadium des Zivilisationsprozesses im Zeital-ter der Technik korrespondiere mit „einem unentbehrlichen, aber auch unentrinnbaren Netzwerk von Zeitbestimmungen und einer Persönlichkeitsstruktur mit einer sehr hohen Zeitsensi-bilität und Zeitdisziplin.“

Zeit ist demnach letzlich eine Syntheseleistung, ein auf immer differenzierteren und abstrakteren Ebenen kommunizierbares Symbol, sie ergibt sich in den jeweiligen Formen ihrer Gültigkeit aus den Figurationen des menschl. Zusammenlebens als Synthese und Ordnungsvorgabe (daher ist es auch unnötig, wie bei Kant, Zeit zu einem Apriori zu erklären).

- Auch in der Luhmannschen Systemtheorie wird Zeit als Ordnungsfaktor berücksichtigt. Soziale Systeme, egal welcher Größe, müssen nach Luhmann Zeithorizonte und bestimmte Auslegungen zeitlicher Relevanzen institutionalisieren. Sie leisten einen Beitrag zur Komplexitätsreduktion. Außerdem ist sie Grundvoraussetzung um die erforderlichen Koodinierungsleistungen überhaupt erbringen zu können.
- Armin Nassehi (ausgehend von Luhmann) stellte die Frage: „wie Gesellschaften unterschiedlichen evolutionären Typs die Gesamtheit ih-rer Kommunikationen in der Zeitdimension ordnen und welche Zeithorizonte die entsprechenden Gesellschaftstypen ausbilden.“
- Die Individualisierungstheorie von Ulrich Beck et. al. führte zur Überlegung das Zeitregime mehr und mehr in die individuelle Verfügbarkeit (Erhöhung der Eigenzeit) zu geben. Allerdings ist auch klar, dass ständiges Online-sein-müssen die planbare "Eigenzeit" auf noch geringere Anteile hat schrumpfen lassen.

6.3 Soziale Beziehung, Figurationen, Brauch und Sitte.

Mehrere Begriffe für das Miteinander der Individuen, ihre Austauschbeziehungen auf der Handlungsebene (theoriegeschichtl. gesehen):

- Wechselwirkung: Grundkategorie der formalen Soziologie von Georg Simmel
- Soziale Beziehung (Max Weber, Leopold v. Wiese):
- Interaktion – in der einfachsten Form zwischen ego und alter (Talcott Parsons)
- Interdependenzgeflecht und Figurationen (Norbert Elias).
- Max Weber: Soziale Beziehung soll ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen. Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich: in der Chance, dass in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst, worauf diese Chance beruht.“
- Grundlegend ist ein "Mindestmaß an Beziehung des beiderseitigen Handelns aufeinander"; Weber nennt: Kampf, Feinschaft, Geschlechtsliebe, Freundschaft, Pietät, Marktaustausch
- Der Begriff "Soziale Beziehung" sagt nichts darüber aus, ob "Solidarität" der Handelnden bestehe oder das Gegenteil

[...]


[1] Vgl. Schäfers, Einführung in die Soziologie, 2012, 11.

[2] Vgl. Ebd., 14–33.

[3] Vgl. Schäfers, Einführung in die Soziologie, 2012, 34–60.

Fin de l'extrait de 79 pages

Résumé des informations

Titre
Theorien und Felder des Sozialen. Ein Überblick
Sous-titre
Das Wichtigste aus "Einführung in die Soziologie" von Bernhard Schäfers
Université
University of Hagen
Note
1,7
Auteur
Année
2015
Pages
79
N° de catalogue
V311171
ISBN (ebook)
9783668106178
ISBN (Livre)
9783668106185
Taille d'un fichier
913 KB
Langue
allemand
Annotations
Zusammenfassung von Bernhard Schäfers Grundlagen- und Einführungswerk "Einführung in die Soziologie. Felder des Sozialen, Sozialstruktur und Theorie". Entspricht dem Kurs 03710 des Moduls B4 (Grundstrukturen der Gesellschaft) des Studienganges Politik-, Verwaltungswissenschaften und Soziologie an der FernUniversität Hagen.
Mots clés
Einführung Soziologie, Bernhard Schäfers
Citation du texte
Lukas Grangl (Auteur), 2015, Theorien und Felder des Sozialen. Ein Überblick, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311171

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