Leseprobe
Gliederung
Einleitung
1. Zum Bildungsbegriff in der Pädagogik der Kindheit:
1.1 Kindbilder in der Pädagogik der Kindheit nach Kluge (2006)
Text 1. Das Kind als kleiner Erwachsener
Text 2. Das Kind als Erfüllungsgehilfe unerfüllter Wünsche Erwachsener
Text 3. Das Kind als Objekt erzieherischer Maßnahmen
Text 4. Das Kind als Subjekt seines Erziehungsvorganges
Text 5. Das Kind als gleichwertiger Bezugspartner in der pädagogischen Interaktion
1.2 Bildungsverständnis- und begriff nach Rauschenbach
1.3 Frühpädagogische Perspektiven auf Bildungsangebote
1.3.1 Implikationen und Impulse für die Weiterentwicklung von Bildungsqualität in Deutschland nach Fthenakis (2004)
1.3.2 Funktionen der institutionellen Früherziehung nach Laewen (2003)
1.3.3 Fünfzehn Thesen zur frühkindlichen Bildung nach Schäfer (2003)
1.4 Zum Verhältnis von Bildung und Lernen
1.4.1 Über Lernstrategien von Vorschulkindern nach Gisbert (2004)
1.4.2 Lernstrategien von Vorschulkindern nach Stern (2005)
1.4.3 Das Kind als Wissenschaftler nach Sodian (2008)
1.5 Zusammenfassung und kritische Reflexion
1.6 Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung (Stand: 2006)
2. Didaktik und Methodik in der Pädagogik der frühen Kindheit
2.1 Definition von Didaktik und Methodik:
2.1.1 Didaktische Prinzipien nach Ellermann (2004)
2.2 Didaktische Ansätze:
2.2.1 Der lernbereichsorientierte Ansatz:
2.2.2 Der funktionsorientierte Ansatz:
2.2.3 Der situationsorientierte Ansatz:
2.3 kritische Reflexion
3. Endreflexion:
4. Literaturverzeichnis
Einleitung
Die vor allem durch die schlechten PISA-Ergebnisse für Deutschland angeregte größere Diskussion über Bildung hat zur Folge, dass die Bildung und damit auch die Bildungspläne immer genauer und kritischer beäugt werden. Die Bildungspläne für die verschiedenen Bundesländer in Deutschland sind heutzutage immer noch sehr uneinheitlich, wodurch die Frage aufkommt, wie unter diesen Bedingungen überhaupt eine generelle Verbesserung dieser möglich ist. Denn man möchte zukünftig besser bei der PISA-Studie abschneiden, weshalb verschiedene Überlegungen zur Bildung angestellt werden, so auch im Bereich der Frühpädagogik. Weitergehend entsteht dann die Frage, welches Verständnis von Bildung in der Frühpädagogik diskutiert wird und welche Konsequenzen das für die Praxis hat. Dies werde ich im Folgenden versuchen zu beantworten.
1. Zum Bildungsbegriff in der Pädagogik der Kindheit:
Der anschließende Text befasst sich mit den durch die Zeit veränderten oder auch erweiterten Bildern vom Kind und den Begriffen wie Bildung und Lernen und die daraus resultierenden Konsequenzen in Kindertageseinrichtungen.
1.1 Kindbilder in der Pädagogik der Kindheit nach Kluge (2006)
Das Bild des Kindes veränderte sich durchgehend im Laufe der Zeit und folglich auch das Verständnis von Bildung. In den fünf verschiedenen Bildern vom Kind von Norbert Kluge werden die verschiedenen Bildungsverständnisse deutlich und es ist zu überlegen, welche Bedeutung diese heute noch haben.
Text 1. Das Kind als kleiner Erwachsener
Diese Einstellung herrschte bis zum 18./19. Jahrhundert, wobei den Kindern keinerlei Möglichkeit zur Bildung eingeräumt wurde, denn sie wurden nur als billige bzw. kostenlose Arbeitskraft in Produktionsstätten oder im häuslichen Bereich ausgebeutet.
Folglich hatte das Kind keinerlei Möglichkeit, eine allseitige, individuelle und kontinuierliche Entwicklung durch zu machen. Es war den Erwachsenen schutzlos ausgeliefert und diente als „Erfüllungsgehilfe“ (Kluge, 2006, Text 1) der Interessen der Erwachsenen. Die Erwachsenen sahen das Kind nicht als so entwicklungs-und entfaltungsbedürftig an, wie wir es heute tun (Kluge, 2006, Text 1).
Text 2. Das Kind als Erfüllungsgehilfe unerfüllter Wünsche Erwachsener
Hierbei wurde das Bild vom Kind durch zwei Faktoren beeinflusst, die es dem Kind unmöglich machten, seinen eigenen Interessen und Wünschen nachzugehen, denn es musste den wenn auch unbewussten Vorstellungen der Eltern gerecht werden.
Der erste Faktor ist die „Projektion“, bei der das Kind unerfüllte Zielsetzungen oder Traumvorstellungen des Erwachsenen stellvertretend leben soll. Dabei wird das Kind zum Sündenbock und durch übergroße Erwartungen total überfordert, genauso wie bei der „Übertragung“, dem zweiten Faktor, bei der das Kind als Ersatz die Rolle eines Erwachsenen Partners übernehmen muss, um die Probleme eines Elternteils dadurch zu lösen. Somit beschränkt sich die Bildungsmöglichkeit des Kindes auf die Bildung, die ihm innerhalb der Rolle des Ersatzpartners möglich ist (Kluge, 2006, Text 2).
Text 3. Das Kind als Objekt erzieherischer Maßnahmen
Die Vorstellungen von Bildung werden in diesem Text auf die Sichtweise beschränkt, dass das Kind ein hilfsbedürftiges Objekt und Gegenstand pädagogischer Bemühungen ist, dem der Erwachsene als Machthaber gegenüber tritt, der nach seinem Bild und seinen Methoden erzieht. Gehorsam hat hier oberste Priorität und die Reaktionen des Kindes werden nicht beachtet, denn es wird als nicht vollwertig angesehen. Ziel des Kindes soll sein die Hilfsbedürftigkeit zu überwinden, um ein nützliches Objekt der Gesellschaft zu werden (Kluge, 2006, Text 3).
Text 4. Das Kind als Subjekt seines Erziehungsvorganges
In diesem Text entwickelt Kluge ein ganz neues Bild des Kindes, denn es wird vom Objekt zum Subjekt seines Erziehungsprozesses. Hier sieht man das Kind als aktiven Mitgestalter seiner Erziehung, welches schon kurz nach der Geburt zu aktiven Interaktionen fähig ist. Das Kind wird als kreativ - speziell im künstlerischen Bereich - angesehen. Direkte Erziehungsmaßnahmen werden reduziert, es findet viel mehr eine ressourcenorientierte Erziehung statt und es wird „nachgehend“ und nicht mehr „vorschreibend“ erzogen.
Außerdem werden neben den Eltern auch Gleichaltrige und die Umwelt als Miterziehende anerkannt, wobei das Kind als persönlich gleichwertig erachtet wird, wodurch eine Aufwertung des Kindbildes stattfindet. Demnach sollte sich der Erzieher eher als Begleiter des Kindes in seiner Entwicklung ansehen (Kluge, 2006, Text 4).
Text 5. Das Kind als gleichwertiger Bezugspartner in der pädagogischen Interaktion
Dieses Interaktionsmodell beinhaltet eine hohe Wertschätzung des Kindes. Erziehung und Bildung wird hier als etwas Interaktives angesehen, das zwischen Erzieher und Kind als gleichwertige Partner passiert unter Berücksichtigung ihrer sozialen Kompetenz und ihrer Individualität. Dabei verliert der Erzieher seine erzieherische Kompetenz jedoch nicht. In diesem gemeinsamen Erziehungsvorgang soll die Selbstverständlichkeit von Wollen und Sollen, Geben und Nehmen und Aktivität und Rezeptivität erstrebenswert sein.
Die Sonderrechte des Kindes werden durch die „UN-Konvention über die Rechte der Kinder“ festgelegt und ihre Bildung findet unter Rücksichtnahme auf ihre Altersstufe und ihre Reife statt. Dieses Bild von Bildung hilft das Kind als eigenständigen Menschen zu achten, dessen Entwicklungsphasen zu berücksichtigen sind und dessen Kompetenzen man anerkennen sollte (Kluge, 2006, Text 5).
1.2 Bildungsverständnis- und begriff nach Rauschenbach
Nach Rauschenbach wird mit dem Begriff Bildung „zweierlei bezeichnet: das normative Ziel und der Prozess auf dem Weg zu diesem Ziel“ (Rauschenbach et al., 2004, S.21, Z.19-20). Dieser Prozess ist nie abgeschlossen. Bei seinen Ansichten bezieht er sich auf die um 1800 von Wilhelm von Humboldt entwickelten Vorstellungen von Bildung, die dieser mit der Entwicklung von Solidarität und Autonomie beschreibt, folglich entwickeln sich nach ihm Menschen durch Bildung zu selbstverantwortlichen und mündigen Individuen.
Durch den Begriff der Autonomie wird die Bildung des Subjekts beschrieben, welches frei von allen gesellschaftlichen Erwartungen ist. Allerdings meint Solidarität den gesellschaftlichen Anspruch an Bildung und die damit verbundene Weitergabe des kulturellen Erbgutes.
Der Mensch kann sich durch Bildung individuell weiterentwickeln, während er seine eigene Vervollkommnung anstrebt und er kann zur gesellschaftlichen Verbesserung beitragen, indem er politische und gesellschaftliche Verhältnisse verändert.
Dabei entsteht jedoch ein Konflikt, da sich das Individuum einerseits seinem eigenen Bildungsweg widmen möchte und gleichzeitig die notwendigen Kompetenzen erwerben muss, um ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sein.
Zur Ermöglichung von Bildung sind bestimmte Institutionen notwendig, wie z.B. Schul-, Berufs- und Hochschulsysteme. Durch die spezifischen Formen, besonders in der Schule, wo allgemeine Bildung vermittelt werden soll, ist jedoch eine freie Entwicklung der Persönlichkeit unwahrscheinlicher (Rauschenbach et al., 2004, S.22, Z.16-18).
Rauschenbach macht durch die Beschreibung von fünf verschiedenen Dimensionen von Bildung deutlich, dass Bildung für ihn mehr als nur Vermittlung und Erwerb von Wissen ist.
Kindern „ Teilhabe und Verantwortung “ (Rauschenbach et al., 2004, S.24, Z.3) in ihren Lebensbereichen zu ermöglichen, sie in praktische Tätigkeiten in pädagogischen Institutionen mit einzubeziehen, führt Humboldts Meinung nach auch zu Solidarität und Autonomie.
Die „ Wirksamkeit des eigenen Handelns und Veränderbarkeit der Verhältnisse “ (Rauschenbach et al., 2004, S.24, Z.15) soll dem Menschen aufzeigen, dass sein Handeln auch immer eine Konsequenz hat. Zwar hat er die Möglichkeit zur Selbstentscheidung, Veränderung und Mitgestaltung, jedoch werden ihm auch immer wieder Grenzen seines eigenen Handelns von der Gesellschaft aufgezeigt, an die er sich halten muss.
Die Möglichkeit der „ Aneignung und Gestaltung von Räumen“ (Rauschenbach et al., 2004, S.24, Z.30) beschreibt Rauschenbach als einen zentralen Aspekt von Bildung.
Hierbei soll Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geboten werden, öffentliche wie pädagogische Räume mitgestalten zu dürfen. Dabei lernen sie, dass auch ihr Handeln bedeutungsvoll sein kann und durch sie Veränderungen entstehen können.
Die „Kulturelle Praxis“ (Rauschenbach et al., 2004, S.25, Z.10) dient nach Rauschenbach zur Bildung im Medium von Kultur. Dies heißt, dass Kinder und Jugendliche die Möglichkeit brauchen, Alltags-wie auch Hochkultur und kulturelle Traditionen kennen zu lernen. Im experimentellen wie im klassischen Sinne können sich Kinder und Jugendliche hier mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander setzen.
Ein wichtiges Ziel nach Rauschenbach ist die Fähigkeit zur „ Lebensbewältigung“ (Rauschenbach et al., 2004, S.24, Z.23) zu erwerben, wonach Bildung im Sinne von freier Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zur autonomen Lebensführung geschieht.
Um prekäre Lebensverhältnisse zu meistern, müssen die dafür vorgesehenen Entwicklungsaufgaben bewältigt werden.
Der wichtigste und erste Ort von Bildung bleibt jedoch die Familie, da der Bildungsprozess der Kinder durch sie direkt (Sprache, Wissen, Haltung, Kommunikationsmuster) und indirekt (familiärer Einfluss auf Schulwahl, -laufbahn und -erfolg) beeinflusst werden.
Rauschenbach unterscheidet zwischen non-formalen Bildungsorte, wie z.B. Jugendzentren, welche eine große Bildungschance für Kinder bieten, da sie dort ziemlich viel Gestaltungsmöglichkeiten bekommen und dort auch freiwillig hingehen und die Einrichtungen selbst konzeptionell auf Bildung ausgerichtet sind.
Neben den formalen Bildungsorten, wie z.B. Schulen oder Hochschulen, die eher auf Leistung abzielen, hält Rauschenbach die informellen Bildungsorte, zu denen er z. B. die Familie, aber auch Peergroups zählt. Vor allem diese hält er für eine wichtige Bildungsmöglichkeit, da Kinder und Jugendliche sich unter Gleichaltrigen mit Themen auseinandersetzen setzen können, welche für sie bedeutsam sind.
1.3 Frühpädagogische Perspektiven auf Bildungsangebote
1.3.1 Implikationen und Impulse für die Weiterentwicklung von Bildungsqualität in Deutschland nach Fthenakis (2004)
Fthenakis sieht Erziehung und Bildung im Vorschulalter als eine gesamtgesellschaftliche Pflichtaufgabe an, die in Tageseinrichtungen in Form einer ersten Stufe im nationalen Bildungssystems stattfinden sollte.
Er verfolgt den sozialkonstruktivistischen Ansatz, in welchem Bildung an die jeweilige Situation geknüpft ist. Sie ist seiner Meinung nach ein sozialer Prozess, bei welchem sich das Kind zusammen mit dem Erzieher kompromissbildend den Inhalt des entsprechenden Themas erarbeitet und nicht einfach das Gesagte des Erziehers übernimmt, in einem so genannten Ko-Konstruktionprozess. Hierbei lernt der Erzieher ebenso vom Kind. Ist jedoch zwischen Kind und Erzieher kein Kompromiss in einem sozialen Kontext zu finden, dann kann diese Bildungstheorie problematisch werden. Fraglich ist jedoch, ob beide auf gleicher Ebene stehen bleiben können.
Für Fthenakis ist Evaluation durch Dokumentationssysteme das bedeutendste Hilfsmittel, um die Qualität der pädagogischen Arbeit in Tageseinrichtungen zu fördern. Zur Optimierung des Übergangs in die Grundschule, schlägt er die Entwicklung von einem institutionsübergreifenden Bildungsplan vor und ist dafür, dass für Kinder von der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit ein übergreifendes Ausbildungsprofil für PädagogInnen entworfen wird.
1.3.2 Funktionen der institutionellen Früherziehung nach Laewen (2003)
Nach Laewen ist zwar nicht in Frage zu stellen, dass Bildung auch in Verknüpfung mit Kompetenzerwerb steht, jedoch wird oft übersehen, dass die erwünschten „Schlüsselkompetenzen das Ergebnis grundlegender Prozesse sind, in deren Verlauf sich Subjekte erst konstituieren“ (Laewen, H.-J., 2006, S.98, Z.26-28). Daher sind Bildungsprozesse gleichzeitig auch Konstruktionsprozesse, die stattfinden in dem das Kind sich selbst und die Welt wahrnimmt, was zur Errichtung eines inneren Weltmodells, einem Arbeitsmodell von der Welt und von sich selbst führt.
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