Die Medien. Wie viel Einfluss haben sie als Akteur im politischen Willensbildungsprozess? (Politik/Wirtschaft, 11. Klasse)


Plan d'enseignement, 2014

13 Pages


Extrait


1. Darstellung der Unterrichtssequenz

Im Rahmen der Einheit „Vom Problem zum Gesetz – Der politische Entscheidungsprozess in der Bundesrepublik Deutschlands am Beispiel des Betreuungsgeld-Gesetzes“ werden entscheidende Aspekte dieses Themas anhand des konkreten Falles um die Einführung des Betreuungsgeldes bearbeitet. In den ersten Stunden ging es darum, bei den Schülern[1] ein Verständnis für das Problem der Kinderbetreuung in Deutschland zu wecken. Aus diesem Grund betrieben die Schüler eine Genese des Falles, indem sie den demografischen Wandel anhand von Grafiken und Statistiken und seine familienpolitischen Folgen für die Gesellschaft analysierten und daraus ein politisches Problem herausgearbeitet haben. Dabei wurden auch die verschiedenen familienpolitischen Vorschläge (Betreuungsgeld vs. KITA) thematisiert. Im zweiten Schritt ging es um die Wahrnehmung der Akteure im Gesetzgebungsprozess, beginnend mit den Parteien. Die Schüler benannten dabei die unterschiedlichen Positionen der CDU/CSU und der SPD und deren Argumente und fassten sie zusammen. Eine Stunde zur Förderung der Urteilskompetenz schloss sich daran an. Im weiteren Verlauf wurden sowohl Funktionen von Parteien, als auch die Methode zum Dreischritt zur Analyse von Karikaturen thematisiert, bevor der Fokus im Fall Betreuungsgeld mit den Medien auf einen weiteren Akteur im Gesetzgebungsprozess gerichtet wurde. In diesem Zusammenhang erarbeiteten die Schüler in der vorangegangenen Stunde die Funktionen von Medien und erkannten den öffentlichen Auftrag zur Ausführung dieser Funktionen.[2] In dieser Stunde soll es darum, gehen, das Wissen um diese Funktionen zu vertiefen und gleichzeitig das Agieren der Medien im Fall Betreuungsgeld exemplarisch zu beleuchten, bevor darauf aufbauend in der kommenden Stunde das Agenda-Setting im Zusammenhang mit Medien thematisiert wird. Im weiteren Verlauf der Einheit werden die Themen Lobbyismus, formale Aspekte der Gesetzgebung sowie die Arbeit von Ausschüssen, Fraktionen und Koalitionen erarbeitet, bevor der Fall Betreuungsgeld-Gesetz in den Kontext des Politikzyklus gesetzt werden soll.

2. Lerngruppenanalyse

Ich unterrichte den Kurs PO1 seit Anfang des Schuljahres im Ausbildungsunterricht. Die Lerngruppe besteht aus 3 Schülerinnen und 16 Schülern, sowie einem Austauschschüler aus Uruguay. Die Schüler haben sich mir von Anfang an aufgeschlossen und freundlich gezeigt und zeigen größtenteils Interesse am Fall Betreuungsgeld. Insgesamt ist die Beteiligung innerhalb des Kurses gut, meist zeigen sich zumindest in der Einstiegs- und Erarbeitungsphase nahezu alle Schüler aktiv. In Diskussionsphasen werden zumeist noch verschiedene Argumente aneinander gereiht und es wird wenig Bezug zum Vorredner hergestellt. In Vertiefungsphasen im AFB 3 ist ein Rückgang der sich beteiligenden Schüler zu verzeichnen. Die gründliche Textarbeit (Konkrete Verweise) wird nur ansatzweise geleistet. Kooperative Lernformen sind ihnen bekannt. Hinsichtlich des Aspektes der Rolle der Medien im politischen Willensbildungsprozess besteht vielfach noch ein Fehlkonzept darin, dass die Sicht auf die Medien negativ konnotiert ist. Manipulation, Verzerrung der Tatsachen bzw. unsachliche oder parteiische Berichterstattung werden als große (negative) Einflussfaktoren auf die Meinungsbildungsfunktion der Medien angesehen. Zudem können die Schüler die Funktionen von Medien zwar beschreiben, haben jedoch teilweise noch Schwierigkeiten, diese zu erörtern. Auch wenn einige Schüler durchaus auch die positiven Aspekte der Wirkung von Medien bereits formulieren, deren Notwendigkeit zur Meinungsbildung erkennen und den normativen Anspruch an Medien in Frage stellen (Maximilian, Christian), soll es in dieser Stunde darum gehen, die Funktionen und den Einfluss der Medien vertiefend zu behandeln und dieses Fehlkonzept zu relativieren.

3. Didaktische Erörterung

Sachanalyse

In der zu zeigenden Stunde geht es um eine Weiterentwicklung des Fachkonzeptes „Massenmedien“ (vgl. Weißeno et al., 2010). Die Massenmedien spielen als Akteur im politischen Willensbildungsprozess eine große Rolle. Auch im Fall Betreuungsgeld lässt sich ihre Agitation hinsichtlich des Fallbeispiels analysieren (Begriffe wie „Herdprämie“ oder „Unfug-Gesetz“ sind keine Seltenheit in der Medienlandschaft)[3]. Den Massenmedien werden im politischen Sinne u.a. folgende Funktionen zugesprochen: Information, Mitwirkung an der Meinungsbildung und Kontrolle und Kritik. Hinsichtlich der Informationsfunktion gelten die Massenmedien in repräsentativen Demokratien als wichtigste Informationsplattformen, die wesentlichen Ereignisse, Themen und Meinungen werden in der Regel ausschließlich über sie vermittelt (vgl. Strohmeier, 2004). Die Informationen sollen so vollständig, sachlich und verständlich wie möglich vermittelt werden. Die Meinungsbildungsfunktion zielt auf die Vermittlung von Informationen und unterschiedlichen Positionen sowie die Bewertung dieser ab. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die (möglicherweise) Vielzahl von unterschiedlichen Standpunkten wiedergespiegelt wird (Meinungspluralismus). Durch eine Bewertung der Informationen und Positionen unterstützen sie den Meinungs- und Willensbildungsprozess, wodurch der Bürger in die Lage versetzt werden soll, verschiedene Positionen gegeneinander abzuwägen (vgl. ebd.). Durch Aufspüren von Missständen, Hinweisen auf Mängel und Schaffung von Transparenz üben Medien zudem eine direkte Kontrolle aus. Indirekt bieten sie den Rahmen für die Kontrolle, indem sie politischen Akteuren (häufig der Oppositionsparteien und Interessengruppen) eine Plattform bieten, Kritik zu üben (vgl. ebd.). Die Kenntnis dieser Funktionen ist die Grundlage, um die Frage zu analysieren, inwieweit die Massenmedien Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess haben. Schüler lernen im Unterricht (richtigerweise) zunächst einmal einen kritischen Umgang mit Medien. Oft werden jedoch fast nur negative Wirkungen des Medienkonsums thematisiert (verzerrende Darstellung, Manipulation) (vgl. Weißeno et al., 2010). Dies geht einher mit einem häufig unrealistischen normativen Anspruch an Massenmedien (vgl. Strohmeier, 2004). So entsteht bei Lernenden häufig eine Überschätzung dieser negativen Wirkungen. Diese Fehlkonzepte (siehe Kapitel 2) gilt es, ein Stück weit aufzubrechen (siehe Didaktische Analyse), indem exemplarisch die Verstärkertheorie thematisiert wird, die besagt, dass die manipulative Kraft der Medien überschätzt wird. Massenmedien könnten demnach die politischen Einstellungen in der Regel nicht verändern, sondern nur bestätigen bzw. verstärken. Die Verstärkertheorie geht davon aus, dass Rezipienten Massenmedien selektiv nutzen und zwar in dem Sinne, dass sie nur die Informationen konsumieren, die ihren Einstellungen entsprechen und diese bestätigen (vgl. ebd.).

Didaktische Analyse

Das Thema ist zunächst einmal dadurch legitimiert, da es im Kerncurriculum des Landes Niedersachsen für das erste Semester der gymnasialen Oberstufe vorgesehen ist (erhöhtes Niveau). Medien müssen als aktives Element im politischen Prozess verstanden werden, das Wirklichkeit vermittelt und beeinflusst (vgl. Besand, 2014). Das Thema der aktuellen Sequenz ergibt sich in diesem Sinne ebenfalls aus dem Kerncurriculum sowie aus dem bisherigen Unterrichtsverlauf, indem festgestellt wurde, dass die Rolle der Medien als ein Akteur im politischen Willensbildungsprozess noch vertieft behandelt bzw. vorherrschende Fehlkonzepte aufgebrochen werden sollen. Deswegen habe ich mich entschieden, hier das Fachkonzept „Massenmedien“ zu thematisieren, um auch die Funktionen von Medien in ihrer positiven Bedeutung für eine Demokratie aufzuzeigen und gleichzeitig den generellen prüfenden Umgang der Schüler mit Medien beizubehalten. Möglich wäre auch die Weiterentwicklung anderer Fachkonzepte (z.B. insbesondere Macht) in diesem Zusammenhang gewesen. Da der Begriff Massenmedien ein weites Feld darstellt, habe ich mich im Sinne der didaktischen Reduktion dazu entschieden, die Rolle im politischen Willensbildungsprozess am Beispiel der Printmedien aufzuzeigen. Dies bietet zudem die Möglichkeit, eine gründliche Textarbeit weiter zu üben. Denkbar wäre auch die Thematisierung von Funk, Fernsehen oder Social Media gewesen. Das wäre vermutlich näher an der Lebenswelt der Schüler gewesen. Aus Zeit-, Material- und methodischen Gründen habe ich mich jedoch für die Printmedien entschieden. In dieser Stunde soll es darum gehen, den Schülern ein Orientierungswissen über den Akteur Massenmedien im politischen Willensbildungsprozess zu vermitteln (Kompetenz 2 im Kerncurriculum). In der Vorstunde wurde bereits die Erkenntnis leitende Frage „Inwiefern beeinflussen die Medien den politischen Willensbildungsprozess?“ aufgestellt. Die folgende Erarbeitung aus der Vorstunde dient als Fundament zur Beantwortung dieser Frage und zum weiteren Verlauf. Aus den in Kapitel 2 beschriebenen Gründen habe ich mich dazu entschieden, diese Stundenfrage auch im heutigen Unterricht in den Vordergrund zu stellen. Die Hausaufgabe zur Stunde soll den gründlichen Umgang mit dem Text anbahnen und die Schüler in die Lage versetzen, den Text vertiefend zu bearbeiten. Im Anschluss können die Schüler ihr Vorwissen aus der vorherigen Stunde anwenden, indem sie den Bild-Artikel hinsichtlich der Funktionen von Medien analysieren und damit vertiefen. Dieser Schritt ergibt sich aus dem aktuellen Stand der Schüler (siehe Kapitel 2). Es wird erwartet, dass die Schüler mehrheitlich eine kritische Position gegenüber dem Text hinsichtlich der Erfüllung der Funktionen einnehmen (insbesondere in Sachen Informationsfunktion durch eine unsachliche Berichterstattung und bzgl. der Meinungsbildungsbildungsfunktion. In diesem Zusammenhang wird erwartet, dass die Gefahr der Manipulation benannt wird). Es könnten jedoch auch einige Schüler zu gegenteiligen Ergebnissen kommen. Dies fördert eine kontroverse Diskussion der Funktionen und dient zur Vertiefung und damit zum genaueren Verständnis. Sollten sich die Ergebnisse zu ähnlich sein und keine kontroverse Diskussion ermöglichen, übernimmt die Lehrkraft die Rolle des Advocatus Diaboli, um diese Kontroversen zu provozieren. Die durch die erwarteten Ergebnisse scheinbare Bestätigung des Fehlkonzepts ist beabsichtigt, um in der Diskussion und weiter führend in der Vertiefungsphase dieses evtl. aufzubrechen und zu relativieren. Insbesondere die mögliche Notwendigkeit der Bewertung verschiedener Positionen in den Medien sowie die Erfüllungsmöglichkeiten des an Medien formulierten normativen Anspruchs sollen hier thematisiert werden. In der Vertiefungspase soll zudem geübt werden, Stellung zu beziehen. Eine eben solche Stellungnahme zur Stundenfrage dient zum Abschluss als Sicherung. Auf diesem Wissen aufbauend, soll der Einfluss der Medien dahin gehend weiter thematisiert werden, indem in den kommenden Stunden das Thema Agenda-Setting beleuchtet wird.

Materialanalyse

Zum Einstieg werden die Schüler mit dem Bild eines Verkaufskastens der Bild-Zeitung konfrontiert. Der Slogan „Bild dir deine Meinung“ führt die Schüler ins Stundenthema und dient als Brücke zur vergangenen Stunde bzw. zum Text aus der Hausaufgabe zur Stunde und zur Erarbeitungsphase. Die Abbildung zeigt ein Medium aus der Lebenswelt der Schüler (s.u.). Der Artikel aus der Bild-Zeitung aus der vorentlastenden Hausaufgabe bzw. für die Erarbeitungsphase konfrontiert die Schüler mit einer sehr zugespitzten und provozierenden Gestaltung hinsichtlich seines Standpunktes zum Betreuungsgeld.

Auf diese Weise wird eine kontroverse, emotionalisierende Auseinandersetzung mit ihm möglich. Zwar kommt die Bild-Zeitung aus dem Boulevard-Bereich, als auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands gilt sie allerdings als Leitmedium. Der kritische Umgang mit diesem Medium wird hier betont. Möglich wäre auch ein „gemäßigterer“ Artikel gewesen, doch mit Hilfe des hier verwendeten Textes können auch leistungsschwächere Schüler die Funktionen von Medien leichter analysieren und zum Unterrichtsgeschehen beitragen bzw. sich beteiligen. Leistungsstärkere Schüler haben bei diesem Text im Sinne der Binnendifferenzierung die Gelegenheit, auf die Feinheiten der sprachlichen Gestaltung und der Präsentation des Textes einzugehen. Außerdem entspricht die Bild-Zeitung der Lebenswelt der Schüler. Auch wenn sie von diesen nicht gelesen werden sollte, ist sie ihnen dennoch bekannt.

[...]


[1] Im folgenden Verlauf des Entwurfs wird die Bezeichnung „Schüler“ für einen besseren Lesefluss sowohl für Schüler als auch Schülerinnen verwendet.

[2] Vgl. Niedersächsisches Presserecht unter http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=28&Itemid=26, Zugriff am 12.10.2014

[3] Vgl. http://www.welt.de/politik/deutschland/article110883849/Wie-das-Betreuungsgeld-zur-Herdpraemie-wurde.html, Zugriff am 10.10.2014

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Die Medien. Wie viel Einfluss haben sie als Akteur im politischen Willensbildungsprozess? (Politik/Wirtschaft, 11. Klasse)
Université
Studienseminar Verden
Auteur
Année
2014
Pages
13
N° de catalogue
V311339
ISBN (ebook)
9783668103771
ISBN (Livre)
9783668103788
Taille d'un fichier
666 KB
Langue
allemand
Annotations
Unterrichtsentwurf Gymnasium 11. Jahrgangstufe
Mots clés
medien, einfluss, akteur, willensbildungsprozess, politik/wirtschaft, klasse
Citation du texte
Sören Haß (Auteur), 2014, Die Medien. Wie viel Einfluss haben sie als Akteur im politischen Willensbildungsprozess? (Politik/Wirtschaft, 11. Klasse), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311339

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