Gesellschaftstheorien in der Politikdidaktik. Die Theorierezeption bei Hermann Giesecke


Recension Littéraire, 2014

28 Pages, Note: 1,7

Thomas Bäcker (Auteur)


Extrait


Gesellschaftstheorien in der Politikdidaktik

Eine Gesellschaft bietet die Möglichkeit, menschliches Zusammenleben zu organisieren und bezeichnet den Zusammenschluss konkreter Personen. Der Staat und die Politik bilden den Rahmen einer Gesellschaft.

Gesellschaften wandeln sich und sind keine starren Gebilde. Zwischen einer Gesellschaft und den Individuen besteht eine Wechselbeziehung, wobei die Gesellschaft als umgebende Wirklichkeit und die Individuen als davon geprägter Teil skizziert werden können. Der Begriff Gesellschaft bezeichnet ein komplexes und auch widersprüchliches Geschehen, das vielfachen Wandlungen unterworfen ist. Daher ist nicht von der Annahme auszugehen, dass die jeweils aktuellen Zustände die einzig denkbare und unveränderliche ‚Normalität‘ darstellen (vgl. Schwietring 2011: 23).

Die Mitglieder einer Gesellschaft sind lose miteinander verbunden als Träger von Funktionen und haben somit klare Rechte und Pflichten. Die Mitgliedschaft ist nicht symbiotisch und ein formaler Austritt aus der Gesellschaft ist durch die Abgabe der Staatsbürgerschaft möglich. Eine Gesellschaft kann als rationaler Zusammenschluss verstanden werden, in welchem öffentliche Interessenkonflikte bestehen und die Mitgliedschaft auf einzelne Aspekte beschränkt ist (vgl. ebd. 27). Eine Gesellschaft ist nicht fixiert und statisch, da die Menschen sich darin frei bewegen. Einerseits bewegen sie sich zwischen den fiktiven Schichten einer Gesellschaft und andererseits zwischen den Gesellschaften verschiedener Nationalstaaten (vgl. ebd. 30). Hierzu ist zu sagen, dass die Grenzen zwischen den Gesellschaften und den darin befindlichen Schichten fließend sind und Gesellschaften verschiedener Nationalstaaten ineinander übergehen. Daher ist eine exakte Grenzziehung für eine Gesellschaft nicht möglich.

Laut Karl Marx sind Gesellschaften bestimmt durch die Art, wie sie ihre Lebensgrundlage produzieren und die dafür notwendige Arbeit organisieren (vgl. Marx, zitiert nach ebd. 134). Es gibt verschiedene Gesellschaftstheorien, die das Zusammenleben der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland beschreiben. Politik gestaltet das öffentliche Leben, indem sie unter anderem durch legislative Handlungen auf eine Gesellschaft einwirkt. In Demokratien haben die Bürger/-innen als Mitglieder der Gesellschaft und des Staates eine besondere Stellung, da sie die Politik und Gesellschaft aktiv mitgestalten und schon in der Schule dazu angeregt werden. Die Schule kann als Bildungsinstitution gesehen werden und die Wissenschaft, die sich mit den Bildungsinhalten beschäftigt, nennt sich Didaktik. Die Bildungsinhalte werden von der Politik gestaltet, während die Schule wiederum Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Demnach wird an der Schule ein Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Politik erkennbar. Der sozialwissenschaftliche Begriff der Gesellschaft erlangte vor über fünfzig Jahren Einzug in die Politikdidaktik. Durch die sozialwissenschaftliche Wende wurden diverse Gesellschaftstheorien in Bezug zur Politikdidaktik gestellt. Daher sind die betroffenen Gesellschaftstheorien bedeutend für die Entwicklung der Politikdidaktik in der Bundesrepublik. Hermann Giesecke wird sehr häufig mit der sozialwissenschaftlichen Wende in Verbindung gebracht, weil er ausgewählte Gesellschaftstheorien rezipierte und in seine Didaktik einfließen lies. Die Theorierezeption von Hermann Giesecke liefert dazu Lösungsansätze auf die Frage nach der Beziehung zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Giesecke wurde 1932 geboren. Er verfasste 1965 die Didaktik der politischen Bildung mit Dahrendorfs Konflikttheorie als Bezugstheorie und sieben Jahre später deren Neuauflage mit der kritischen Theorie der Frankfurter Schule als Bezugstheorie (vgl. Pohl 2011: 12f). In dem Seminar ‚Gesellschaftstheorien in der Politikdidaktik‘ wurde die Didaktik von Giesecke und deren Rezeption durch Kerstin Pohl behandelt. Einerseits gab es bisher noch keine wirkliche Auseinandersetzung mit Giesecke und andererseits soll skizziert werden, welche sozialwissenschaftlichen Theorien in welchem Ausmaß von Giesecke rezipiert wurden, um deren Bedeutung für die Politikdidaktik der Bundesrepublik Deutschland zu erläutern. Meine Erfahrungen, Gedanken und Überlegungen aus dem Seminar sollen neben dem wesentlichen Inhalt der Seminarsitzungen in nachfolgendem Portfolio beschrieben werden.

Das Thema der ersten Sitzung lautet Grundlagen und Erfordernis kritischer politischer Bildung. Zum einen existiert keine zusammenfassende Publikation zu aktuellen gesellschaftskritischen Theorien für die politische Bildung und zum anderen beziehen sich aktuelle Handbücher politischer Bildung weitgehend auf die Schule und das Interesse liegt hierbei auf didaktisch-methodischen Themen (vgl. Lösch 2011: 7). Kritische politische Bildung ist notwendig, weil dadurch ein kritisch-reflexiver Blick auf die didaktische Praxis gelingt, der institutionelle Kontext politischer Bildung aufgezeigt wird und grundlegende sowie aktuelle Themen der kritischen politischen Bildung verdeutlicht werden (vgl. ebd.). Die Kritik als programmatische Ausrichtung geht hier über einen rein formalen und reduzierten Kritikbegriff hinaus (vgl. ebd.). In den 1970er und 1980er Jahren bildete vor allem die Kritische Theorie der Frankfurter Schule eine theoretische Grundlage, auf welche in späteren Sitzungen näher eingegangen wird. Kritischer Gesellschaftstheorie liegt die Analyse von Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu Grunde (vgl. ebd. 8). Ziele der kritischen Gesellschaftstheorie sind: Demokratisierung, Abbau von Unterdrückung und sozialer Unterdrückung sowie Verminderung von Ausgrenzung (vgl. ebd.). Der Fokus ist hierbei auf die Individuen und deren Selbstbestimmung gerichtet. Das heißt, die Individuen sollen durch politische Bildung die Macht- und Herrschaftsstrukturen, in denen sie eingebunden sind, verstehen und andererseits Handlungsmöglichkeiten entwickeln, um diese gegebenenfalls in Richtung fortschreitender Selbstbestimmung der Menschen zu verändern (vgl. ebd.). Diese angestrebte weitreichende Demokratisierung zielt auf alle gesellschaftlichen Bereiche ab und erweitert die Demokratie auf die Bildungsinstitutionen (vgl. Hufer 2011: 13).

Die Fachdidaktik hat sich im Verlauf ihrer Geschichte stets darum bemüht, als eigenständige Wissenschaft wahrgenommen zu werden. Einerseits gab es einen recht begrenzten Autorenkreis, was auch die Themen und Perspektiven eingrenzte, andererseits wurden Themen und Schriften aus unterschiedlichen Fachgebieten, wie beispielsweise den Gesellschaftswissenschaften, erst im wissenschaftlichen Diskurs der Politikdidaktik zugelassen, wenn ein Fachdidaktiker sich dafür ausgesprochen hat (vgl. Steffens 2011: 26). Mit dem Mauerfall im Jahre 1989 erfuhr die Politikdidaktik einen wissenschaftlichen Aufschwung. Begünstigt wurde dieser vor allem durch hinzukommende Stellen an ostdeutschen Universitäten, das Nachrücken neuer Politikdidaktiker/-innen und die Anschlüsse an den radikalen Konstruktivismus, die allgemeine Didaktik sowie die empirische Forschung. Die Diskussion über die gegenwärtigen Aufgaben politischer Bildung ist durch eine globale Umbruchsituation in unterschiedlichen Bereichen gekennzeichnet (vgl. ebd. 27): Die Krise der deregulierten Weltwirtschaft, die Krise der Weltordnung, die Polarisierung der Weltdeutungen, das Entscheidungsdilemma zwischen Binnengesellschaft und transnationaler Vergesellschaftung sowie die Bildungskrise und die Krise des Sozialstaats, um nur einige zu nennen (vgl. ebd. 28f). Heutige Strömungen der Politikdidaktik weisen Vermittlungs- und Interaktionsformen des Unterrichtens mehr Bedeutung zu, während Aspekte der Selbststeuerung der Gesellschaft zunehmend in die Defensive geraten sind (vgl. ebd. 28). Durch diese umschriebene didaktische Selbstbezogenheit bleiben viele Aktionsfelder unberücksichtigt. In Anbetracht jüngster weltpolitischer Entwicklungen wurde deutlich, dass ökonomische Strukturen sich über die nationalstaatlichen Grenzen ausbreiten, während die politische Gestaltung derzeit weitgehend auf Nationalstaaten und supranationale Organisationen beschränkt bleibt. Daher sind demokratiezentrierte und am Gemeinwohl orientierte Politikkonzepte zunehmend in den Mittelpunkt der Diskurse gerückt worden.

Eine Schule nach diesem Verständnis will Partizipations- und Gestaltungsinteresse erzeugen (vgl. ebd. 34). Die Schule ist der Ort, an dem die Mündigkeit und Kompetenz dazu erlernt werden soll, denn hier wird Solidarität unter Fremden und Identitätsfindung gelehrt (vgl. ebd. 32). Jürgen Habermas ist ein Wissenschaftler, der im Rahmen der Frankfurter Schule politische und gesellschaftliche Konzepte entwickelte, die das Ziel verfolgten, die Demokratisierung der Gesellschaft voranzutreiben. An diesem Auszug, welcher aus dem Kontext seines Diskursprinzips stammt, wird seine Ausrichtung deutlich:

Ä[D]ie Handlungsnormen, denen alle möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen können“ (Habermas in: ebd. 33).

Das von Habermas formulierte Diskursprinzip legt eine Betrachtung der politischen Bildung im Sinne einer Demokratie nahe, die von Partizipation getragen wird. Durch dieses auf Partizipation beruhende Verständnis von demokratischer Politik eröffnen sich weitere relevante Aspekte, die gerade unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung vernünftig erscheinen: Erstens bietet sich ein vernunftgeleiteter Universalismus an, der durch Gleichheit, wechselseitige Anerkennung, Gerechtigkeit und kommunikative Rationalität in die Vorstellung einer Weltgesellschaft mündet (vgl. ebd.). Zweitens knüpft daran die Umstellung der Perspektive von einem nationalstaatlichen auf einen transnationalen Horizont an. Drittens verbindet sich mit dem Vorangegangenen die Basis einer Kritik an Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Exklusion aus politischen Prozessen sowie ihren Teilgebieten (vgl. ebd.). Viertens ergeben sich aus einer partizipativen Demokratie im Hinblick auf die Globalisierung transnationale Möglichkeiten und Handlungsbedarf für die Akteure der Zivilgesellschaft, die im Idealfall zu einem Weltverständnis mit erweiterten, inklusiven Formen verständigungsorientierter Sozialmoralen führen (vgl. ebd. 35).

Im Diskurs waren nach meiner Ansicht die Begriffe: Emanzipation, Aufklärung und Strukturalismus von Bedeutung, deshalb möchte ich diese anhand meiner Eindrücke aus der ersten Sitzung kurz skizzieren. Emanzipation wurde als Kritik an unterdrückenden Verhältnissen und als Befreiung von Fesseln, die die Entfaltung von Fähigkeiten verhindern, definiert. Aufklärung wurde als Prozess gesehen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, um sich zu einem selbstbewussten und selbstbestimmten Individuum zu entwickeln. Der Strukturalismus als Gesellschaftslehre beschreibt unverrückbare sowie unveränderbare Elemente einer Gesellschaft, die anhand ihrer Schicht im System definiert werden.

Der Diskurs thematisierte einige Aspekte der Grundlagenliteratur und ermöglichte diese aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Die nach meiner Ansicht bedeutendsten Eindrücke möchte ich an dieser Stelle nochmal aufführen. Der Begriff der Mündigkeit wurde in einen Zusammenhang zur Herrschaftsfreiheit gesetzt, in deren Rahmen den Bürger/-innen mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung eröffnet würden. Des Weiteren wurde Skepsis ausgedrückt gegenüber der pädagogischen Disziplinierung durch Notengebung, auch Kritik am Lehrplan und dessen Richtlinien wurde geäußert, weil diese den Unterricht und dessen Inhalte einschränken würden. In diesem Kontext wurde ergänzend die Bürokratie angesprochen, welche die Emanzipation der Individuen und die daraus folgende Selbststeuerung der Gesellschaft verhindern würde. Auch als fraglich erachtet wurde, inwiefern die Vergabe von Noten einer Selbststeuerung der Gesellschaft und Emanzipation der Individuen förderlich sein soll, da durch das Notensystem eine gewisse Abhängigkeit bestünde. Darüber hinaus wurde hinterfragt, inwiefern politisches Interesse bei allen Schüler/-innen gleichermaßen vorausgesetzt werden kann. Die Lerngruppe hat unterschiedliche Erfahrungen aus der Praxis des Unterrichts in Bezug auf das Interesse der Schüler/-innen gemacht. Meine eigene Erfahrung lässt darauf schließen, dass die Schüler/-innen während meiner Schulzeit sehr unterschiedliche Neigungen und Interessen aufwiesen und dass die Möglichkeit, das Schulfach Politik und Wirtschaft abzuwählen, von einer beachtlichen Schülerzahl wahrgenommen wurde.

Während des Bearbeitens der Grundlagenliteratur für die erste Sitzung ergaben sich folgende Fragen: Erstens fragte ich mich, wie diese Ansätze eines Konzepts der politischen Bildung in der EU realisiert werden sollen. Zweitens fragte ich mich, ob die dort gemachten Annahmen in erster Linie auf demokratische Staaten und Gesellschaften abzielen.

Meine beiden Fragen wurden dahingehend beantwortet, dass die erwähnten demokratischen Bestrebungen in der internationalen Bildungspolitik realisiert werden könnten, wenn internationaler Reformbedarf bestünde oder internationale Interessen der Bildungspolitik gelten gemacht würden. Die Möglichkeit, ein internationales Abkommen für Richtlinien im Politikunterricht zu initiieren, die auf eine weiterführende Demokratisierung abzielen, wurde bedacht und für möglich erachtet. Der Begriff der ‚Richtlinien‘ ist hier unter dem Vorbehalt zu betrachten, dass politische Beteiligung auf den Partizipationswillen der Bürger/-innen angewiesen ist. Die Schule kann Interesse wecken und grundlegende Kompetenzen vermitteln, jedoch ist eine ‚Selbststeuerung der Gesellschaft‘ nur möglich, wenn die Partizipationsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Demokratische Staaten bieten mehr Möglichkeiten als nicht demokratische, jedoch ist auch in nicht demokratischen Staaten der Wille zur Partizipation vorhanden. Allerdings können die Bedingungen erheblich erschwert sein, wenn es um die Umsetzung des Partizipationswillens geht.

Die zweite Sitzung leitet ein in den Themenblock der Konfliktdidaktik von Hermann Giesecke. Sozialwissenschaftliche Theorien versuchen, die Komplexität der sozialen Welt auf übersichtliche Erklärungen zu reduzieren (vgl. ebd. 9). Gesellschaftstheorien behandeln die Funktionsweise einer Gesellschaft und die Gründe für ihr andauerndes Bestehen.

Giesecke hat sozialwissenschaftliche Theorien rezipiert, um einen Zusammenhang zwischen Zielen und Inhalten des Politikunterrichts zu formulieren (vgl. ebd. 7). Durch sein Wirken hat er maßgeblich zur didaktischen und sozialwissenschaftlichen Wende der Politikdidaktik im Zeitraum um und nach 1960 beigetragen (vgl. ebd.).

In den Mittelpunkt seiner ersten Didaktik stellt Giesecke den Ansatz des sozialen Konflikts (vgl. ebd. 20) mit besonderem Bezug zu Dahrendorfs Konflikttheorie (vgl. ebd. 22). Die Konflikttheorie nach Dahrendorf gilt als Alternative zum Strukturfunktionalismus. Im Strukturfunktionalismus werden soziale Systeme als ihre Existenz erhaltende Gebilde gesehen, die unveränderlich bestehen bleiben. Der Begriff der Funktion beschreibt hingegen dynamische Prozesse innerhalb des Systems. Problematisch wird diese Betrachtungsweise, wenn sie auf ganze Gesellschaften übertragen wird (vgl. ebd. 28). Denn nach dieser Theorie bestehen Gesellschaften aus unterschiedlichen Systemen, die wiederum aus Personen bestehen, welche sich in diese Systeme integrieren. Dem Hauptvertreter Talcott Parsons wurde vorgeworfen, den Konflikt als Hauptkategorie zugunsten der Integration zu vernachlässigen (vgl. ebd. 25). Dahrendorf misst besonders der Vorstellung, Konflikte als Regelfall zu sehen, eine zentrale Stellung in seiner Theorie bei. Andernfalls würden totalitäre System beschrieben werden, weshalb der soziale Konflikt so bedeutend ist, um soziale Systeme zu beschreiben (vgl. ebd. 29). Dahrendorf macht Klassenkonflikte zum Zentrum seiner Theorie, die Gründe für Klassenkonflikte seien wiederum in den Herrschaftsverhältnissen zu suchen (vgl. ebd. 33). Diese angesprochenen Konflikte sind nach Dahrendorf der Grund für den sozialen Wandel einer Gesellschaft. Dahrendorf nutzt seine Konflikttheorie, um hemmende Faktoren der Nachkriegsgesellschaft aufzuzeigen, die einem totalitären System wie dem Nationalsozialismus Einhalt gebieten. Dabei handelt es sich um vier Faktoren: Erstens seien Konflikte untrennbar mit dem menschlichem Leben verbunden und hätten Freiheit zur Folge, zweitens wird die Gleichheit der Grundrechte für alle Bürger/- innen genannt, drittens wird das Entstehen einer neuen politischen Elite aufgezählt und viertens nennt Dahrendorf die neuen Rollenerwartungen und die damit verbundenen materialistischen Werte (vgl. ebd. 37). Die materialistischen Werte sind positiv zu sehen, weil die Bürger/-innen dadurch angehalten sind, sich von Kollektiven fernzuhalten und sich auf ihr Privatleben zu konzentrieren.

Während der Vorbereitung der Seminarlektüre habe ich folgende Fragen und Thesen herausgearbeitet, die ich im Plenum einbringen wollte: Welche Veränderungen im Hinblick auf die Bildungspolitik und die Schulen müsste vollzogen werden, um Dahrendorfs Konflikttheorie gerecht zu werden? Und: Vernachlässigt eine Orientierung an aktuellen Konflikten die grundlegende Konfliktorientierung?

Durch die Vorgaben des Kultusministerium und die Lehrpläne sind die Unterrichtsinhalte gewissermaßen vorbestimmt und eingeschränkt. Wenn die Vorgaben des Kultusministeriums dahingehend verändert würden, dass mehr Möglichkeiten zur freien Gestaltung des Unterrichts eingeräumt würden, wäre eine grundlegend konfliktorientierte Ausrichtung der Unterrichtsinhalte möglich. Die Schule könnte sich durch diese gedachten Veränderungen zu einem Ort des sozialen Wandels entwickeln, weil die konfliktorientierte Sichtweise der Gesellschaft in die Bildung integriert wäre. Das politische System würde in dieser Vision als Konfliktregulierungsmechanismus dienen. Ebenfalls diskutiert wurde der Aspekt der latent vorhandenen Klassenkonflikte, welche aufgrund der Orientierung an aktuellen Konflikten zu wenig Berücksichtigung erfahren könnten. Die Gefahr besteht darin, dass permanent vorhandene Konflikte, wie die Ausbeutung der Arbeiter, gar nicht thematisiert würden. Des Weiteren wurde als schwierig erachtet, zu jedem politischen Themengebiet einen passenden Konflikt zu finden. Außerdem wurde erwähnt, dass fächerübergreifender Unterricht sehr schwierig zu gestalten wäre, weil das restliche Kollegium über den jeweils behandelten Konflikt informiert werden müsste. Diese Überlegungen gipfelten in der Vorstellung, das Schulsystem zu reformieren und dem Politikunterricht einen größeren Stellenwert einzuräumen. Der Politikunterricht müsste zudem eine größere Bandbreite abdecken, um die aufgestellten Erwartungen Gieseckes zu erfüllen. Die Realisierung dieser Vorstellung wurde im Hinblick auf die heutige hohe Stundenbelastung der Schüler/-innen als schwierig erachtet. Es wurde auch diskutiert, politische Komponenten in jedes Fach einfließen zu lassen, wodurch die Schule zu einer Institution der politischen Bildung umgestaltet werden würde.

[...]

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Gesellschaftstheorien in der Politikdidaktik. Die Theorierezeption bei Hermann Giesecke
Université
Justus-Liebig-University Giessen  (Sozialwissenschaften)
Cours
Geselschaftstheorien in der Politikdidaktik
Note
1,7
Auteur
Année
2014
Pages
28
N° de catalogue
V311815
ISBN (ebook)
9783668107564
ISBN (Livre)
9783668107571
Taille d'un fichier
679 KB
Langue
allemand
Mots clés
gesellschaftstheorien, politikdidaktik, theorierezeption, hermann, giesecke
Citation du texte
Thomas Bäcker (Auteur), 2014, Gesellschaftstheorien in der Politikdidaktik. Die Theorierezeption bei Hermann Giesecke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311815

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