ADHS und Schule. Störungsbild und Ansätze für den pädagogischen Umgang


Hausarbeit, 2012

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. ADHS
2.1. Definition und Prävalenz
2.2. Symptome
2.3. Ursachen
2.4. Ritalin

3. ADHS und gesellschaftliche Strukturen

4. ADHS und Schule
4.1. Schule als Problemfeld für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten
4.2. Schule als negative Sozialisationsinstanz

5. Pädagogische Ansätze zum Umgang mit ADHS im Umfeld Schule
5.1. Ganzheitlicher Ansatz und Kooperation
5.2. Konkrete Ansätze

6. Fazit/Ausblick

7. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Soziale Anpassung und Funktionieren innerhalb der Gesellschaft scheint nie wichtiger gewesen zu sein als heute. Der gesellschaftliche Druck auf das Individuum ist enorm, Leistungs- und Konkurrenzdenken findet sich früh in der Schule wieder. Funktionieren wird vorausgesetzt um gesellschaftlichen Normalitätserwartungen zu entsprechen und einen reibungslosen Ablauf zu garantieren.

Die strukturellen Gegebenheiten der Organisation Schule haben sich in der Vergangenheit kaum geändert und leider nur wenig an den gesellschaftlichen und sozio-strukturellen Wandel angepasst. Zunehmend mehr Kindern mangelt es an einer stabilen psychosozialen Umwelt zum Ausgleich von Belastungsfaktoren wie beispielsweise der Scheidung der Eltern. Dies kann sich auf die soziale und emotionale Entwicklung auswirken und sie unter anderem verzögern, oder erheblich beeinträchtigen. Schule geht nach wie vor davon aus, dass sich alle Kinder ab dem kalendarischen 6.Lebensjahr auf dem gleichen Entwicklungsstand befinden und sich fortan gleich entwickeln werden (Amft, Gerspach, Mattner 2004).

Doch was ist mit den Kindern, die es nicht gemeistert haben bis zu ihrem 6. Lebensjahr die durchschnittlichen Erwartungen zu erfüllen und sich beispielsweise auf dem Entwicklungsstand eines 4- Jährigen befinden? Kindern, denen es schwerer fällt sich anzupassen und ihrer Rolle gerecht zu werden? Mehr und mehr Kinder leiden unter Anpassungsproblemen verschiedenster Art die in Verhaltensauffälligkeiten und schulischem Versagen resultieren.

Auffälliges Verhalten kann sich ganz unterschiedlich darstellen. Während das eine Kind ruhig auf seinem Stuhl sitzt, verträumt aus dem Fenster schaut und nur durch schlechte Leistungen negativ auffällt, ist das andere Kind hoch aktiv, lärmt, läuft durch die Klasse, zappelt unruhig auf seinem Platz herum (Amft, Gerspach, Mattner 2004). Auch dieses Kind fällt durch negative Leistungen auf und wird darüber hinaus als anstrengend und störend empfunden. Letzteres erhält oftmals die Diagnose ADHS.

ADHS ist im Kontext Schule ein ausgesprochen relevantes Thema und folgende Arbeit soll einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Stand geben. Zunächst wird das Störungsbild näher erläutert und im Hintergrund der Ursachendiskussion die Verwendung des Psychopharmakons Ritalin beleuchtet. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit ADHS im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Strukturen, insbesondere dem Umfeld Schule. Im Schlussteil werden verschiedene Ansätze zum Umgang mit ADHS angeführt.

2. ADHS

2.1. Definition und Prävalenz

ADHS steht als Abkürzung für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und umfasst die Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) und das Hyperkinetische Syndrom (HKS), bzw. die Symptomatik der Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität zusammen (Nervenarzt, 2008). Die Unterscheidung in verschiedene Subtypen wird genauer in der US-amerikanischen Klassifikation des Diagnostic and Statistical Manual (DMS-IV) und der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) vorgenommen und dient der konkreten Diagnosestellung, soll hier allerdings nicht näher erläutert werden. Zur Vereinfachung wird der Begriff ADHS im folgenenden synonym verwandt.

Es handelt sich um eine psychische Störung des hauptsächlich Kinder- und Jugendalters. Die Kernsymptomatik besteht aus erhöhter Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität. Auf die Symptomatik und Erscheinungsformen wird in den nächsten Abschnitten genauer eingegangen. Während Impulsivität und Hyperaktivität im Erwachsenenalter rückläufig Tendenzen zeigen, bleiben die Aufmerksamkeitsstörungen unverändert. Die genannten Symptome bestehen länger als 6 Monate, treten in mehreren Lebensbereichen auf und erreichen einen Schweregrad, der zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit in mindestens zwei sozialen, schulischen oder beruflichen Bereichen führt. Zudem tritt die Problematik vor dem 7. Lebensjahr auf und das alterstypische Ausmaß wird deutlich überschritten. Erschwerend für eine genaue Diagnosestellung ist die häufige Komorbidität von ADHS, das heißt die Koexistenz von Störungsbildern, Beeinträchtigungen oder Behinderungen emotionaler und entwicklungsspezifischer Natur. Bis zu zwei Drittel aller Kinder mit ADHS weisen neben den Leitsymptomen komorbide Störungen auf (Heinemann, Hopf 2006). Darunter oppositionelle Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, affektive Störungen, wie Depressionen, Angststörungen, Lernstörungen, Teilleistungsschwächen und Tic-Störungen oder Tourette Syndrom. Eine exakte Zuordnung gestaltet sich so schwierig und eine klare Orientierung an standardisierten Instrumenten und Diagnosekriterien ist erforderlich um Fehler zu vermeiden und differenzialdiagnostisch eindeutig ausschließen zu können.

Die Prävalenzraten von ADHS verschiedener Studien differieren teilweise erheblich, da unterschiedliche Subtypenzuordnungen zugrunde liegen, oder sie sich auf unterschiedliche Klassifikationssysteme berufen. Es wird vereinfachend von einer Prävalenz von etwa 5% der Kinder in Deutschland ausgegangen wobei keine erheblichen regionalen Unterschiede vorliegen. Allerdings wird die Diagnose wesentlich häufiger bei Jungen als bei Mädchen gestellt, die Ursachen dafür sind unbekannt. Die Raten differieren in einem Verhältnis von Mädchen zu Jungen von 1:3 bis 1:9 (Barkley 2006), sodass auch hier keine eindeutigen Aussagen möglich sind.

2.2. Symptome

Wie oben bereits kurz angedeutet, sind die Leitsymptome der ADHS Aufmerksamkeitsmangel, Hyperaktivität und Impulsivität. Darüber hinaus werden emotionale Instabilität, Störungen des Sozialverhaltens sowie oppositionelles und aggressives Verhalten der Störung zugeordnet. Da nicht alle Kinder und Jugendlichen Auffälligkeiten in allen drei Kernbereichen zeigen, sind verschieden Untertypen und Mischformen in den Klassifikationssystemen spezifiziert, die hier nicht näher erläutert werden sollen.

a) Aufmerksamkeitsmangel /Unaufmerksamkeit

Die Symptomatik der Unaufmerksamkeit zeigt sich vielfältig. So beachten Betroffenen häufig Einzelheiten nicht oder machen Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten oder anderen Tätigkeiten die Konzentration abverlangen. Oftmals bestehen Schwierigkeiten längere Zeit die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, sei es beim Spiel oder bei Aufgaben. Zudem ist die Ablenkbarkeit durch externe Stimuli ungewöhnlich hoch. Sie scheinen oft nicht zuzuhören, können Erklärungen nicht folgen und so ihren Pflichten nicht nach kommen. Es bereitet ihnen Schwierigkeiten Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren und sie wirken vergesslich bei alltäglichen Aktivitäten. Häufig werden Aufgaben, die geistiges Durchhaltevermögen erfordern, von vorneherein abgelehnt und vermieden.

b) Hyperaktivität/ Überaktivität

Hyperaktivität zeichnet sich durch überdurchschnittlich hohe Unruhe aus und einem starken Drang zur Bewegung. Oftmals werden Betroffene als „Zappelphilipp“ bezeichnet und erlebt. Häufig zappeln betroffenen Kinder und Jugendliche mit den Händen und Füßen, es fällt ihnen schwer still zu sitzen und sie rutschen auf dem Stuhl herum oder stehen ohne gegebenen Anlass auf. Herumlaufen oder exzessives Klettern, oft auch in unpassenden Situationen, kann ebenso auftreten, wie das nervöse Spielen an und mit Gegenständen oder Trommeln auf dem Tisch. Mit diesem Verhalten fallen sie besonders im Unterricht negativ auf. Das Handeln lässt vermuten, dass sich die Betroffenen innerlich „getrieben“ fühlen und erahnen wie unruhig das Innenleben wohl aussehen muss. Die Problematik der Unruhe nimmt bei Jugendlichen und Erwachsenen ab, man spricht von einem Symptomwandel.

c) Impulsivität

Impulsivität bezieht sich auf das Denken, Fühlen und Handeln. Das Verhalten zeichnet sich durch Ungeduld aus. So platzen Betroffenen oft mit der Antwort heraus bevor eine Frage zu Ende gestellt ist, es fällt ihnen schwer zu warten oder etwas abzuwarten. Häufig unterbrechen sie andrere und reden viel. Sie haben Schwierigkeiten Reaktionen zurückzuhalten, reden oder handeln ohne an die Folgen zu denken. Emotionen können schwer zurückgehalten werden und so kann es zu lautstarken Gefühlsausbrüchen der Freude, oder auch Wut kommen.

2.3. Ursachen

Das Zusammenwirken unterschiedlicher biologischer, psychischer und sozialer Faktoren liegt dieser Störung als multifaktorielle Ursache zugrunde. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keinen Hinweis auf eine empirisch gesicherte Ursache. Vertreter der Theorie der biochemischen Störung gehen von einer genetisch bedingten Funktionsstörung im vorderen Hirnbereich aus, der eine mangelnde Aktivität der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und Noradrenalin zugrunde liegt und die in einer fehlerhaften Informationsverarbeitung zwischen bestimmten Hirnabschnitten, welche für die Konzentration, Wahrnehmung und Impulskontrolle zuständig sind, resultiert. Dem Betroffenen ist es so schwer möglich Reize zu filtern, wodurch neu auftretende Gedanken nicht gehemmt werden und begonnene Gedanken nicht zu Ende gedacht werden können. Es kommt zu einer permanenten Reizüberflutung im Gehirn. Unklar ist allerdings wo genau die Störung liegt, ob in einem Mangel oder Überschuss an Dopamin. Die genetische Bedingtheit lässt sich durch diverse Studien belegen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1990 am Massachusetts General Hospital zeigte, dass bei mehr als 25% der Verwandten ersten Grades von Kindern mit ADHS ebenfalls eine ADHS bestand (Psychotherapeut 2012). Diese genetische Prädisposition zeigt sich noch deutlicher an Zwillingsstudien: Zwillingsschwestern und- brüder von Kindern mit ADHS-Symptomen sind ebenfalls mit bis zu 90% davon betroffen. Der Erbfaktor kommt laut Barkley im Durchschnitt mit 80% als Faktor zum Tragen (Barkley 2001, S.124).

Außer einer genetischen Disposition können psychosoziale Belastungen zum Schweregrad einer Störung beitragen. Ungünstige Lebensumstände oder Familienverhältnisse können Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Betroffenen haben und sich auf den Krankheitsverlauf und die Entwicklung von begleitenden Störungen negativ auswirken. Vertreter des bio-psycho-sozial-Modells kritisieren, dass ADHS als primär biologisch determinierte Störung angesehen wird. Die Störung sollte vielmehr aus einer psycho-sozialen Perspektive betrachtet werden.

Im Tierversuch an Hunden, Katzen und Affen konnte der Zusammenhang zwischen cerebralen Dysfunktionen und der Umwelt dargestellt werden (Eggert, Fegert, Resch 2004). Einer Gruppe von Tieren wurden früh cerebrale Läsionen zugefügt, das heißt Hirnareale wurden beschädigt. Untersucht wurde, inwieweit sich schlechte Umweltbedingungen und Stresssituationen auf das psychische Befinden der Tiere auswirken. Das Ergebnis zeigte, dass bei den cerebral geschädigten Tieren wesentlich häufiger psychische und hyperkinetische Störungen auftraten, als bei den Geschädigten der Gruppe, die keinen Belastungssituationen ausgesetzt wurden. Offenbar übernehmen andere Gebiete im Gehirn die Funktion der geschädigten Teile und eine ausgeglichene Umwelt ermöglicht die psychische Dekompensation. Amft vermutet darüber hinaus, dass cerebrale Dysfunktion in der Regel bei 75% aller Kinder gut kompensiert werden können (Heinemann, Hopf 2006). Dies würde allerdings bedeuten, dass den psychosozialen Bedingungen eine wichtigere Rolle zu Teil wird als von den Befürwortern der genetischen Theorie vermutet. Oftmals treffen problematische genetische Belastungen mit vielfach problematischen Umwelteinflüssen zusammen. Eine gesunde Umwelt ist demnach durchaus im Stande genetische Disposition ein Stück weit auszugleichen. Festzuhalten ist, dass es derzeit keine objektive Methode gibt, die es zulässt zwischen hirnstoffwechselgestörten und nicht hirnstoffwechselgestörten ADHS Kindern zu unterscheiden (Amft in: ADHS – Frühprävention statt Medikalisierung).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
ADHS und Schule. Störungsbild und Ansätze für den pädagogischen Umgang
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V312489
ISBN (eBook)
9783668115835
ISBN (Buch)
9783668115842
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ADHS, ADS, Störungsbild
Arbeit zitieren
Sandra Urban (Autor:in), 2012, ADHS und Schule. Störungsbild und Ansätze für den pädagogischen Umgang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312489

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