Grundlagen der Prototypensemantik. Zusammenfassung und Diskussion zentraler Modelle


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 2,3

Natascha Schneider (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das traditionelle Modell der Kategorisierung

3. Die Standardversion der Prototypensemantik
3.1 Die horizontale Dimension
3.2 Die vertikale Dimension

4. Kritik an der Standardversion

5. Die erweiterte Prototypentheorie

6. Zusammenfassung

7. Anhang

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Menschen haben die Fähigkeit wahrgenommene Dinge aus ihrer Umwelt in Kategorien einzuordnen. Diese Kategorisierung erfolgt bei allen Aktivitäten, die wir tätigen, wie zum Beispiel beim „Denken, Wahrnehmen, Sprechen und auch in unserem Handeln.1 “ Ohne eine solche Einordnung würden wir jede Information individuell und neu wahrnehmen, was zu einer Unstrukturiertheit führen würde. „Es ist schwer vorstellbar, wie unser Verhalten in unserer Umgebung sowohl in psychischer als auch in sozialer und intellektueller Hinsicht aussähe ohne die Existenz von Kategorien, wenn also jede irgendwie wahrgenommene Entität einzigartig bliebe.2

Aufgrund dieser Tatsache finde ich es interessant zu erfahren, nach welchen Kriterien man verschiedene Entitäten mit anderen zusammen in eine Kategorie einordnet. Der Beantwortung dieser Frage möchte ich in meiner Hausarbeit nachgehen. Hierbei möchte ich ausgehend von dem traditionellen Modell der Kategorisierung versuchen eine Antwort zu finden. Anschließend möchte ich auf die grundlegenden Dinge der Prototypentheorie eingehen, die Eleonor Rosch mit einigen Mitarbeitern in den 1970er Jahren entwickelte. Diese Theorie sollte die Unzulänglichkeiten des ursprünglichen Modells beheben. Deshalb möchte ich zudem herausarbeiten, ob es Rosch wirklich gelungen ist, ein Modell zu entwickeln, das den Kategorisierungsprozess umfassend beschreibt. Roschs Theorie soll daher auch den Schwerpunkt meiner Arbeit bilden.

2. Das traditionelle Modell der Kategorisierung

Das klassische Modell der Kategorisierung, welches auch als „Modell der notwendigen und hinreichenden Bedingungen“ (NHB-Modell) bezeichnet wird, wurde von Aristoteles geprägt. Es soll die Frage nach dem Kategorisierungsprinzip klären.

Um ein Vertreter einer Kategorie im NHB-Modell zu sein, müssen demnach unerlässliche Bedingungen erfüllt werden, die gleichzeitig aber auch hinreichend sind. Wenn man dies am Beispiel „Kind“ deutlich machen möchte, so ist diese Kategorie geprägt durch die Bedingungen Mensch, lebendig und unselbstständig, die zwingend erfüllt sein müssen. Trifft eine dieser Bedingungen jedoch nicht zu, dann handelt es sich nicht um ein „Kind“ und ist demzufolge auch kein Vertreter dieser Kategorie. Treffen alle drei Merkmale zu, so ist es unerheblich, welche anderen Merkmale den entsprechenden Vertreter noch charakterisieren. Ob ein Objekt Mitglied einer Kategorie ist oder nicht, ist also ganz allein von der Erfüllung der notwendigen Bedingungen abhängig. Die Merkmale im NHB-Modell beruhen demnach auf Binarität, das heißt es erfüllt eine Bedingung oder nicht. Folglich wird so auch die Zugehörigkeit einer Entität zu einer Kategorie festgestellt. Aufgrund dieser sehr strengen Bedingungen haben die Kategorien auch ganz klare Grenzen. Da jeder Vertreter einer Kategorie die gleichen „Zugehörigkeitsbedingungen“ erfüllen muss, sind sie äquivalent und somit ist kein Mitglied einer Kategorie ein besseres als ein anderes.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, zeigt das NHB-Modell jedoch einige Schwächen auf. Das NHB-Modell zeichnet sich unter anderem durch klare Kategoriegrenzen aus. Dies entspricht aber nicht immer der Wirklichkeit. Denn Kategorien bilden oft keine klar umgrenzten Einheiten. Wenn sich die Kategorie „Hund“ beispielsweise durch die Bedingungen Tier, lebendig und Vierbeiner charakterisiert, so wäre nach dem klassischen Kategorisierungsmodell ein Hund, der aufgrund eines Unfalls ein Bein verliert, kein Hund mehr und somit nicht mehr Vertreter dieser Kategorie. Dieses Beispiel widerspricht der Realität. Denn wir ordnen auch einen dreibeinigen Hund noch der Kategorie Hund zu. Demnach kann die These, dass alle Mitglieder einer Kategorie auch alle Merkmale erfüllen, jedoch nicht gehalten werden. Zudem gibt es auch Beispiele, die keine wirklich zwingende Bedingung haben. Ein häufig erwähntes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Tasse3. Es gibt nämlich keine festgelegte Eigenschaft, die erforderlich ist, dass wir eine Tasse als Tasse kategorisieren. Dem Konzept der notwendigen Bedingungen muss also widersprochen werden. Durch die Erläuterungen wird deutlich, dass die Kategorien häufig nicht klar voneinander zu trennen sind und gelegentlich ineinander übergreifen.

Diese Schwierigkeiten werden in dem traditionellen Kategorisierungsmodell nicht berücksichtigt. Deshalb versucht Eleonor Rosch in der Prototypentheorie die Probleme zu beheben und erweitert das ursprüngliche Modell.

„Die Prototypentheorie stellt keine direkte Alternative zur Merkmaltheorie dar, sondern vielmehr eine Ergänzung. Sie gibt eine Erklärung für eine Reihe von Phänomenen, die im Rahmen der Merkmaltheorie nicht erfasst werden.4

3. Die Standardversion der Prototypensemantik

Die Standardversion der Prototypensemantik5 entspricht den Arbeiten, die Eleonor Rosch mit einigen Wissenschaftlern Mitte der 1970er Jahre entwickelt hat. Diese Version beschäftigt sich mit den „semantischen Kategorien“, hier vor allem mit Substantiven. Sie gliedert sich in die horizontale und die vertikale Dimension, die ich in meiner Arbeit auch näher erläutern möchte. Die horizontale Dimension umfasst die innere Struktur der Kategorien, während sich die vertikale Dimension mit den Grundzügen der interkategoriellen Strukturierung beschäftigt.

3.1. Die horizontale Dimension

Die prägnanteste Besonderheit dieser neuen Theorie, die einen wirklichen Bruch mit dem traditionellen aristotelischen Modell darstellte, ist der Begriff des Prototyps. Der Prototyp definiert sich nach E. Rosch als bestes Beispiel oder bester Vertreter einer Kategorie. Die Folgerung daraus ist demnach eine Kategorie, die sich durch bessere und schlechtere Vertreter auszeichnet. In einem von Rosch durchgeführten Versuch stellte sich der „Apfel“ als bester Vertreter der Kategorie „Obst“ heraus. Dieses Ergebnis führte zu der Annahme, dass der Prototypenbegriff eng mit einer individuellen Sichtweise der Sprecher gekoppelt ist. Denn diese nennen das Exemplar, welches ihnen am Geläufigsten ist, beziehungsweise als erstes in den Sinn kommt. Trotz der individuellen Möglichkeit zur Nennung eines Begriffs, zeigt sich eine hohe Stabilität bezüglich der Prototypen in den verschiedenen Kategorien.

Der Prototyp kann nur dann auch als solcher festgestellt werden, wenn er für eine Kategorie von den Sprechern am Häufigsten assoziiert und folglich auch angegeben wurde. Wichtig ist hierbei, dass ein Prototyp nie ein einzigartiges Exemplar sein kann, da sonst die Stabilität der Kategorien nicht mehr gewährleistet ist. So ist es zum Beispiel ausgeschlossen eigene Haustiere, wie etwa seinen „Hamster Nemo“ als bestes Exemplar für die Kategorie Fisch zu nennen. Der Prototyp kann durch zwei Möglichkeiten repräsentiert werden. Zum einen kann man ihn mithilfe einer Liste von Merkmalen beschreiben und zum anderen kann er durch ein Bild gezeigt werden, das aber auch durch eine Merkmalliste ergänzt werden kann. Dieses Verfahren wird beispielsweise dann verwendet, wenn eine Merkmalbeschreibung unmöglich, oder sehr schwierig wäre (wie bei Farbadjektiven).

Der Prototyp einer Kategorie ist nicht nur der beste Vertreter, sondern stellt gleichzeitig das Zentrum in der Kategorie. Um das Zentrum, beziehungsweise um den Prototyp gruppieren sich alle anderen „schlechteren“ Vertreter. Je schlechter ein Vertreter zu einer Kategorie gehört, desto entfernter befindet er sich vom Prototyp. „Die innere Struktur vieler natürlicher Kategorien besteht aus dem Prototyp der Kategorie (den eindeutigsten Vertretern, den besten Beispielen) und den nicht-prototypischen Exemplaren, welche in einer Rangfolge angeordnet sind, die sich von den besten zu den weniger guten Beispielen erstreckt.6 “ Die Entitäten einer Kategorie sind im Vergleich zum NHB-Modell nicht mehr äquivalent.

Je näher sich ein Vertreter in der Rangfolge einer Kategorie zum Zentrum befindet, desto höher ist auch sein Zugehörigkeitsgrad und desto mehr ist er Mitglied in dieser Kategorie. Daraus ergibt sich eine „abgestufte Struktur“. Laut G. Lakoff7 lässt sich die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Kategorie graduell erschließen. So stellt er die These auf, dass Aussagen einen unterschiedlichen Wahrheitsgrad haben. Aufgrund dessen ist eine genaue Bestimmung von Kategoriegrenzen nicht möglich. Kategorien haben anders als im klassischen Modell keine klaren Grenzen mehr, was auch dadurch bedingt ist, dass die Notwendigkeit einiger Bedingungen in der Prototypentheorie aufgehoben wurde. Dadurch, dass in dem Prototypenmodell nicht mehr alle Vertreter durch die gleichen Bedingungen in eine Kategorie eingeordnet werden, stellt sich die Frage, wie die Mitglieder einer Kategorie zusammengehalten werden. Ludwig Wittgenstein prägte hierfür den Begriff der „Familienähnlichkeit“. Dabei müssen nicht zwangsläufig bestimmte Eigenschaften für eine Kategorie erfüllt sein, um miteinander verbunden zu sein. „Eine Familienähnlichkeit besteht aus einer Reihe von Einheiten mit der Form AB, BC, CD, DE. Jede Einheit hat also mindestens ein Element (wahrscheinlich mehrere) mit einer oder mehreren anderen Einheiten gemein, aber es gibt keine oder nur wenige Elemente, die allen Einheiten gemeinsam sind.8 “ Ein gutes Beispiel bildet in diesem Zusammenhang nach Wittgenstein die Kategorie „Spiel“. Es gibt so viele verschiedene Arten von Spielen, dass es kein Attribut gibt, das allen Spielen gleichermaßen gilt. Jedoch ist es denkbar, dass einige Vertreter über gemeinsame Attribute verfügen, die wiederum mit anderen Vertretern gemeinsame Eigenschaften haben. So entsteht ein Ähnlichkeitsgeflecht, wodurch sich gemeinsame Attribute überschneiden, was wiederum eine Kategorie zusammenhält.

Die innere Kategorienstruktur und die These der Familienähnlichkeiten sind gut miteinander vereinbar. Die Kategorisierung erfolgt demnach durch einen Ähnlichkeitsvergleich mit dem Prototypen im Zentrum. Je größer die Ähnlichkeit einer zu kategorisierenden Entität zum Prototyp ist, um so eindeutiger erfolgt die Zuordnung in die betreffende Kategorie. Die Kategorisierung basiert folglich auf einem „Vergleichsprinzip“. Dieses Prinzip ist also durch unsere Wahrnehmung geprägt. Der Prototyp stellt für uns ein Bild dar, welches wir mit einem Wort assoziieren. Er wird deshalb als bestes Exemplar bezeichnet, weil er die meisten kategorietypischen Merkmale aufweisen kann. Aufgrund dieser Erkenntnis kommt es bei dem Begriff Prototyp zu einer Definitionsverschiebung. Der Prototyp wird nicht mehr ausschließlich als bestes Exemplar einer Kategorie angesehen, sondern auch als eine Entität, die sich durch die kategorietypischsten Attribute charakterisiert. Der Fortschritt der Prototypentheorie besteht darin, dass alle Eigenschaften eines Vertreters berücksichtigt werden können, obwohl diese nicht für alle Vertreter einer Kategorie gleichermaßen gelten. Dieser Ansatz zielt also darauf ab, eine Vielzahl von Attributen zuzulassen. Dennoch stellt sich die Frage, „auf welcher Grundlage die relevanten Merkmale ausgewählt werden sollen?9 “ Rosch bevorzugt bei der Beantwortung dieser Frage das Kriterium der „cue validity“. Die „cue validity“ gibt an, wie häufig ein Attribut innerhalb einer Kategorie vorkommt. Wenn demzufolge also viele Vertreter ein bestimmtes Merkmal besitzen, welches vergleichsweise in anderen Kategorien eher gering ist, dann hat diese Eigenschaft eine hohe „cue validity“.

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Prototypensemantik. Zusammenfassung und Diskussion zentraler Modelle
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Semantik
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V312497
ISBN (eBook)
9783668112841
ISBN (Buch)
9783668112858
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grundlagen, prototypensemantik, zusammenfassung, diskussion, modelle
Arbeit zitieren
Natascha Schneider (Autor:in), 2007, Grundlagen der Prototypensemantik. Zusammenfassung und Diskussion zentraler Modelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312497

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