Der Begriff des Staatsnotstands meint im Völkerrecht eine Rechtfertigung völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates auf Grund einer gegenwärtigen Gefahr für staatliche Interessen. Im Lauf der Geschichte wurde der Staatsnotstand immer wieder als Rechtfertigung für rechtswidrige Kriege, Annektierungen und Kolonialisierung missbraucht. 1914 belagerten unter diesem Vorwand deutsche Truppen im Rahmen des Schlieffen-Plans Belgien und Luxemburg, während des zweiten Weltkrieges rechtfertigte Italien damit die Besetzung Griechenlands und Jugoslawiens, bereits 1846 berief sich Österreich bei der Annektierung Krakaus auf den Staatsnotstand . Aber nicht nur im Zusammenhang mit Krieg, sondern auch im Wirtschaftsleben spielt der Staatsnotstand eine Rolle. Hoch verschuldete Staaten weigern sich leichtfertig, Schulden gegenüber privaten Gläubigern zurückzuzahlen , während private Schuldner eine versäumte Tilgung zumindest im deutschen Recht nicht mit dem Begriff des Notstands rechtfertigen können .
Jene missbräuchlichen und leichtfertigen Berufungen auf den Staatsnotstand als Rechtfertigungsgrund für völkerrechtswidriges Verhalten verlangen nach einer Auseinandersetzung mit dessen Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Diese sollen im Folgenden anhand mehrerer Beispiele aus der Praxis internationaler Gerichte erarbeitet und erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A. Der Staatsnotstand im Kontext des Völkerrechts
- B. Die Voraussetzungen des Staatsnotstands
- I. Die rechtliche Anerkennung des Staatsnotstandes
- 1. Artikel 25 des ILC Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit
- 2. Staatsnotstand als allgemeiner Rechtsgrundsatz
- 3. Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung
- 4. Staatsnotstand in vertraglichen Regelungen
- II. Voraussetzungen des Staatsnotstandes im Einzelnen
- 1. Völkerrechtswidriges Verhalten
- 2. Wesentliches staatliches Interesse
- a. Staatshaushalt
- b. Umweltschutz und ökologisches Gleichgewicht
- c. Sicherheit und Wohlergehen der Bevölkerung
- d. Militärischer Erfolg
- e. Zusammenfassung
- 3. Interesse der Staatengemeinschaft
- 4. Schwere, unmittelbare Gefahr für das Interesse des Staates
- 5. Erforderlichkeit der Maßnahme
- 6. Abwägung mit wesentlichen Interessen anderer Staaten
- 7. Staatliche Zurechenbarkeit der Maßnahme
- 8. Ausschluss des Staatsnotstands
- a. Rechtlicher Ausschluss des Staatsnotstands
- aa. Völkervertragliche Vereinbarungen
- bb. ius cogens
- cc. Verpflichtung erga omnes
- b. Ausschluss des Staatsnotstands aus tatsächlichen Gründen
- c. Die Berufung auf Staatsnotstand gegenüber Privaten
- d. Staatsnotstand und privatrechtliche Verträge
- 9. Unterschiede zu anderen Rechtfertigungsgründen
- 10. Zusammenfassung
- C. Rechtsfolgen des Staatsnotstandes
- I. Ausschluss der Rechtswidrigkeit und Verantwortlichkeit
- II. Aussetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen
- III. Entschädigungspflicht
- IV. Ausschluss von Gegenmaßnahmen
- V. Einfluss auf völkerrechtliche Verträge
- 1. Vertragsbeendigung
- 2. Vertragsanpassung
- VI. Typisierung des Staatsnotstands
- D. Der Staatsnotstand als unumgängliches Rechtsinstitut
- Rechtliche Grundlage des Staatsnotstands im Völkerrecht
- Voraussetzungen für die Anwendung des Staatsnotstands
- Rechtsfolgen des Staatsnotstands
- Missbräuchliche Anwendung des Staatsnotstands
- Bedeutung des Staatsnotstands in der heutigen Zeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Rechtfertigungsgrundes eines Staatsnotstands im Völkerrecht. Sie analysiert die rechtliche Grundlage des Staatsnotstands, die relevanten Kriterien für seine Anwendung sowie die resultierenden Rechtsfolgen.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Kapitel A beleuchtet den Begriff des Staatsnotstands im Kontext des Völkerrechts. Es wird die Abgrenzung zum verfassungsrechtlichen Staatsnotstand sowie die problematische Geschichte des Begriffs beleuchtet. Kapitel B analysiert die Voraussetzungen des Staatsnotstandes. Es wird die rechtliche Anerkennung des Staatsnotstands diskutiert und die einzelnen Voraussetzungen im Detail erörtert, wie beispielsweise das völkerrechtswidrige Verhalten, das wesentliche staatliche Interesse sowie die Erforderlichkeit der Maßnahme.
Kapitel C behandelt die Rechtsfolgen des Staatsnotstandes. Es werden die Auswirkungen auf die Rechtswidrigkeit und Verantwortlichkeit, die Aussetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen, die Entschädigungspflicht sowie der Einfluss auf völkerrechtliche Verträge analysiert. Kapitel D befasst sich mit der Bedeutung des Staatsnotstands als unumgängliches Rechtsinstitut.
Schlüsselwörter (Keywords)
Staatsnotstand, Völkerrecht, Rechtfertigungsgründe, Staatenverantwortlichkeit, Rechtsfolgen, völkerrechtliche Verpflichtungen, Entschädigungspflicht, Gegenmaßnahmen, völkerrechtliche Verträge, ius cogens, Völkergewohnheitsrecht.
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- Stephan Schneider (Author), 2012, Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Rechtfertigungsgrundes eines Staatsnotstands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312566