Kinder werden wie Ware gehandelt. So zumindest lautet der Vorwurf mancher, die die Leihmutterschaft – jedenfalls in kommerzieller Form – ablehnen. Die Kinder würden wie ein Vertragsgegenstand einer regelrechten „Qualitätskontrolle“ unterworfen und bei etwaiger „Mangelbehaftung“ zurückgewiesen.
Die sich häufenden Meldungen nähren diesen Vorwurf auf erschreckende Art und Weise. So kann man erschütternde Geschichten lesen, über „bestellte“ Kinder die letztlich doch nicht angenommen wurden, weil etwa ihr Geschlecht nicht der Vorstellung des ihre Zeugung initiierenden Paares entsprach. Auch wurden etwa behinderte Kinder bei den sie gebärenden Frauen zurückgelassen und nur deren gesunde Geschwister mitgenommen.
Weniger hingegen hört man von den positiven Fällen geglückter Leihmutterschaften, in denen sich die gebärende Frau aus freien Stücken zur Austragung des Kindes bereiterklärt und damit einem ungewollt kinderlosen Paar deren wohl sehnlichsten Wunsch erfüllt. In manchen Fällen wird sogar nach der Geburt der Kontakt zw. der neu entstandenen Familie und der Leihmutter bewusst aufrechterhalten. In derartigen Konstellationen kann das Kind schwerlich mit einer Handelsware verglichen werden.
I.R. einer Leihmutterschaft hingegen werden mit Gameten des Wunschvaters (oder eines Spenders) befruchtete Eizellen der Wunschmutter in die das Kind austragende Frau eingepflanzt. In dieser Konstellation kommt es zu einer – von vielen als bedenklich angesehenen – „gespaltenen“ Mutterschaft, da die biologische und genetische Mutterschaft hier auseinanderfallen.
I.F. soll nun zunächst die zur Thematik der Leihmutterschaft erfolgte Rechtsprechung des EGMR näher beleuchtet werden. Sodann wird auf das genannte Verbot und die generelle Rechtslage hinsichtlich der Leihmutterschaft in Deutschland eingegangen. Daraufhin wird ein kurzer Vergleich mit der entsprechenden Rechtslage in anderen Ländern erfolgen, sowie die rechtl. Behandlung grenzüberschreitender Leihmutterschaften erörtert werden. Letztlich soll in Folge einer Auseinandersetzung mit der diesbezüglich relevanten deutschen Rechtsprechung eine Darstellung der Konsequenzen der Entscheidungen des EGMR auf das deutsche Recht erfolgen. In diesem Rahmen wird erörtert werden, inwieweit das deutsche Verbot der Leihmutterschaft in der Praxis durchsetzbar bleibt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A. EINLEITUNG
- B. DIE LEIHMUTTERSCHAFT IM RECHTSKONTEXT
- I. Die Rechtsprechung des EGMR
- 1. Art. 8 EMRK
- a. Privatleben
- b. Familienleben
- c. Schranken des Art. 8 II EMRK
- 2. Mennesson gg. Frankreich, Nr. 65192/11 (Mennesson) und Labassee gg. Frankreich, Nr. 65941/11 (Labassee) vom 26. Juni 2014/26. September 2014
- a. Sachverhalt - Mennesson
- b. Sachverhalt - Labassee
- c. Beurteilung des EGMR
- aa. Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK
- bb. Verletzung des Art. 8 EMRK
- d. Persönliche Stellungnahme
- 3. Paradiso und Campanelli gg. Italien, Nr. 25358/12 vom 27. Januar 2015 (Paradiso)
- a. Sachverhalt
- b. Beurteilung des EGMR
- aa. Anwendbarkeit und Verletzung des Art. 8 EMRK
- bb. Abweichende Meinung der Richter Raimondi und Spanó
- c. Persönliche Stellungnahme
- 4. D. u.a. gg. Belgien, Nr. 29176/13 vom 8. Juli 2014 (D. u.a.) und Hinweis auf anhängige Rechtssachen
- 1. Art. 8 EMRK
- II. Die Leihmutterschaft in der deutschen Rechtsordnung
- 1. Gesetzliche Bestimmungen
- a. § 1591 BGB
- b. Adoptionsvermittlungsgesetz
- c. Embryonenschutzgesetz
- 2. Abstammungsrechtliche Folgen einer Leihmutterschaft
- a. Elternstatus nach dem deutschen Abstammungsrecht
- aa. Mutterschaft
- bb. Vaterschaft
- b. Statusänderung durch Adoption
- a. Elternstatus nach dem deutschen Abstammungsrecht
- 1. Gesetzliche Bestimmungen
- III. Behandlung grenzüberschreitender Leihmutterschaften nach deutschem Recht
- 1. Rechtsvergleichender Überblick
- 2. Anwendung ausländischen Rechts?
- a. Art. 19 I EGBGB
- b. ordre public, Art. 6 EGBGB
- c. Die Bedeutung des Kollisionsrechts hinsichtlich der Vornahme behördlicher Akte
- 3. Anerkennung ausländischer Urteile?
- a. § 108 FamFG
- b. ordre public, § 109 IV FamFG
- IV. Konsequenzen der Rechtsprechung des EGMR für das deutsche Recht
- 1. Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung
- a. Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Leihmutterschaft vor den ersten diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR
- b. Die Wirkung der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR für deutsche Behörden und Gerichte
- c. BGH, XII ZB 463/13, Beschluss vom 10. Dezember 2014
- 2. Konsequenzen für das deutsche Leihmutterschaftsverbot und dessen praktische Durchsetzung
- 1. Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung
- C. RESÜMEE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Arbeit analysiert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Leihmutterschaft und untersucht deren Konsequenzen für das deutsche Recht. Sie befasst sich mit den relevanten internationalen und nationalen Rechtsnormen sowie den Rechtsfolgen grenzüberschreitender Leihmutterschaften.
- Die Rechtsprechung des EGMR im Lichte von Art. 8 EMRK (Recht auf Privat- und Familienleben)
- Die Bedeutung des deutschen Leihmutterschaftsverbots und dessen Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht
- Die Auswirkungen der EGMR-Rechtsprechung auf die deutsche Rechtsprechung und die praktische Anwendung des Leihmutterschaftsverbots
- Die rechtliche Behandlung grenzüberschreitender Leihmutterschaften und die Anerkennung ausländischer Urteile
- Die Herausforderungen und Chancen für die deutsche Rechtsordnung im Umgang mit der Leihmutterschaft
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik der Leihmutterschaft im Rechtskontext. Im zweiten Kapitel wird die Rechtsprechung des EGMR zur Leihmutterschaft im Detail analysiert, wobei die relevanten Entscheidungen des Gerichtshofs im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK vorgestellt werden. Es werden die Sachverhalte und Argumentationslinien der Entscheidungen dargestellt, sowie die persönlichen Stellungnahmen der Autorin zu den jeweiligen Rechtsfragen einbezogen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Leihmutterschaft in der deutschen Rechtsordnung. Es werden die relevanten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere § 1591 BGB, das Adoptionsvermittlungsgesetz und das Embryonenschutzgesetz, sowie die abstammungsrechtlichen Folgen einer Leihmutterschaft in Deutschland diskutiert.
Im vierten Kapitel werden die Herausforderungen grenzüberschreitender Leihmutterschaften im deutschen Recht beleuchtet. Es wird ein rechtsvergleichender Überblick gegeben, die Anwendung ausländischen Rechts im deutschen Recht erläutert und die Bedeutung des Kollisionsrechts sowie die Anerkennung ausländischer Urteile im Zusammenhang mit Leihmutterschaftsfällen diskutiert.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Leihmutterschaft, EGMR, Art. 8 EMRK, Familienrecht, internationales Privatrecht, Kollisionsrecht, deutsche Rechtsordnung, Leihmutterschaftsverbot, Rechtsvergleichung, grenzüberschreitende Leihmutterschaft, Anerkennung ausländischer Urteile.
- I. Die Rechtsprechung des EGMR
- Quote paper
- Johanna Goldbach (Author), 2015, Die Rechtsprechung des EGMR zur Leihmutterschaft und ihre Konsequenzen für das deutsche Recht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312945