Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Arbeitsmarktmodelle
2.1 Das neoklassische Arbeitsmarktmodell
2.1.1 Das Arbeitsangebot
2.1.2 Die Arbeitsnachfrage
2.1.3 Die neoklassische Arbeitsmarktsynthese
2.1.4 Kritische Würdigung des neoklassischen Modells
2.2 Das keynesianische Arbeitsmarktmodell
2.3 Vergleich der Modelle
3. Tarifautonomie und rechtliche Rahmenbedingungen
3.1 Die Tarifautonomie
3.1.1 Der Tariflohn
3.1.2 Der allgemeinverbindlich erklärte Tariflohn
3.1.3 Der tarifliche Mindestlohn des Entsendegesetzes
3.1.4 Die Auswirkungen auf die Tarifautonomie
3.2 Die rechtlichen Rahmenbedingungen
3.2.1 Bürgerliches Gesetzbuch und Strafgesetzbuch
3.2.2 Tarifvertragsgesetz
3.2.3 Mindestarbeitsbedingungengesetz
3.2.4 Tarifautonomiestärkungsgesetz
3.3 Vergleich von Tarifautonomie und Gesetzgebung
4. Mindestlöhne im internationalen Vergleich
4.1 Beispiel USA
4.2 Beispiel Frankreich
4.3 Beispiel Großbritannien
4.4 Vergleich der Mindestlohnregelungen
4.5 Vergleich der Mindestlohnregelungen mit Deutschland
5. Auswirkungen durch die Einführung des Mindestlohns
5.1 Auswirkungen auf Arbeitnehmerverbände
5.2 Auswirkungen auf Arbeitgeberverbände
5.3 Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft
5.4 Auswirkungen auf Arbeitnehmer
5.5 Auswirkungen auf Arbeitgeber
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Unterscheidung Neoklassik zu Keynesianismus
Abb. 2: Kurve des Arbeitsangebotes
Abb. 3: Kurve der Arbeitsnachfrage
Abb. 4: Kurve der neoklassischen Arbeitsmarktsynthese
Abb. 5: Phillips-Kurve
Abb. 6: Entwicklung der Niedriglohnempfänger
Abb. 7: Gesetzliche Mindestlöhne in Europa
Abb. 8: Kaufkraftbereinigte Mindestlöhne in Europa
Abb. 9: Vergleich der Mindestlohnregelungen
Abb. 10: Vergleich der Mindestlohnregelungen mit Deutschland
Abb. 11: Auswirkung Mindestlohn auf Steuern und Sozialabgaben
Abb. 12: Auswirkung Mindestlohn auf Nettomonatsgehalt
Abb. 13: Auswirkung Mindestlohn auf Mini-Jobber
Abb. 14: Auswirkung Mindestlohn auf Arbeitgeberbelastung
Abb. 15: Auswirkung Mindestlohn auf Arbeitgeberbelastung bei Mini-Jobber
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
In vielen Ländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union gibt es einen Mindestlohn. In manchen dieser Länder bereits seit mehreren Jahrzehnten; so zum Beispiel ab 1938 in den USA. Die Diskussion über die Einführung eines Mindestlohns in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht neu und wurde stets kontrovers geführt. Der Staat hat per Gesetz die Möglichkeit, sogenannte Mindestarbeitsbedingungen auch ohne die Zustimmung der Tarifparteien festzulegen. Er beharrte jedoch darauf, dass sich die Lohnpolitik ohne dessen Einwirken gestaltet, da dies nach dem Grundgesetz (Artikel 9, Absatz 3) den Tarifparteien obliegt.
Dennoch griff der Staat 1996 ein, da das Baugewerbe aufgrund der Vielzahl von ausländischen Konkurrenten litt. Diese zahlten deutlich niedrigere Löhne, als es die inländischen Unternehmen taten. Um den eigenen Markt zu schützen, führte der Gesetzgeber für das Baugewerbe das sogenannte Arbeitnehmerentsendegesetz ein. Dieses beinhaltet einen Mindestlohn für alle Beschäftigte auf deutschen Baustellen.
Im Jahr 2007 einigte sich die damalige deutsche Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD auf die Ausweitung des Entsendegesetzes. Aufgenommen wurden Branchen, deren Tarifparteien einen entsprechenden Antrag stellten. Die Regelung führte jedoch aus zwei Gründen nicht zum Erfolg. Zum einen, da die Arbeitgeber eine Seite der Tarifparteien darstellen und diese selbst an möglichst niedrigen Lohnkosten interessiert sind. Ausnahmen gibt es dann, wenn sie ihre Marktexistenz gegen ausländische Konkurrenten mit Dumpinglöhnen schützen will.
Zum anderen beinhaltete die Ausweitung des Entsendegesetztes die Entgeltleistung nach Tarifvertrag. Branchen, die über keinen Tarifvertrag verfügten, konnten sich daher nicht in die gesetzliche Regelung aufnehmen lassen.
In den folgenden Jahren wurde der Mindestlohn stetig diskutiert und teilweise angepasst. Die SPD war stets an der Einführung einer generellen Lohnuntergrenze interessiert und als die CDU im Jahr 2011 diese ebenfalls in ihr Wahlprogramm aufnahm, wurde die Umsetzung bei einem Wahlerfolg durchaus realistisch (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2011).
In der Bundesrepublik Deutschland wird ab dem Jahr 2015 durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt. Jedoch sind darin diverse Ausnahmeregelungen wie beispielsweise bei Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen enthalten. Dies zeigt, dass nicht alle Interessensgruppen mit der Umsetzung dieser Maßnahme einverstanden sind (vgl. Deutscher Bundestag 2014).
In dieser Bachelorarbeit werden die Aspekte und Ziele der verschiedenen Gruppierungen aufgeführt und analysiert. Als Maßstab gilt, ob mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns die einzelnen Ziele erreicht werden können und welche Auswirkungen die Maßnahmen mit sich bringen. Für die Analyse werden drei geeignete Modelle herangezogen, jeweils der Stand vor der Einführung des Mindestlohns mit dem theoretischen Ergebnis verglichen und anschließend kritisch gewürdigt.
Zuvor werden Kernaspekte wie Arbeitsmarkttheorien und der rechtliche Rahmen des Mindestlohns sowie die Tarifautonomie aufgearbeitet und erörtert. Ebenfalls werden arbeitnehmerorientierte, arbeitgeberorientierte sowie gesellschaftliche und staatliche Ansätze abgeglichen. Zudem werden die Erfahrungswerte hinsichtlich des Mindestlohns aus den USA, Frankreich sowie Großbritannien aufgeführt und analysiert. Der Vergleich mit diesen Nationen bietet sich an, da dort die Lohnuntergrenzen zu verschiedenen Zeitpunkten eingeführt wurden und somit kurz-, mittel- und langfristige Einblicke gegeben werden können. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Bewertung der gesammelten Erkenntnisse und Vergleiche sowie einer kritischen Würdigung des Ergebnisses.
Anmerkung
Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher sowie weiblicher Sprachformulierungen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten sowohl für beide Geschlechter.
2. Arbeitsmarktmodelle
Noch heute verwenden Politiker für die Untersuchung, Diskussion und Begründung von wirtschaftspolitischen Fragen zwei unterschiedliche Ansätze aus dem 18./19. Beziehungsweise 20. Jahrhundert. Zum einen handelt es sich um den angebotsorientierten Ansatz von Adam Smith, David Ricardo und Jean-Baptiste Say, welcher das neoklassische Arbeitsmarktmodell begründet. Zum anderen ist der nachfrageorientierte Ansatz von John Maynard Keynes als keynesianisches Arbeitsmarktmodell bekannt geworden (vgl. Vogt 2010a: 34).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Unterscheidung Neoklassik zu Keynesianismus (vgl. Vogt 2010a: 34)
Im folgenden Abschnitt werden die Unterschiede der beiden Ansätze dargestellt und kritisch gewürdigt.
2.1 Das neoklassische Arbeitsmarktmodell
Das marktwirtschaftliche System basiert auf dem Abschluss von Tauschgeschäften auf dem Markt. Ein Marktteilnehmer bietet Güter oder Dienstleistungen an, die ein anderer Teilnehmer erwirbt. Dieser Mechanismus funktioniert dann, wenn beide bezüglich der Konditionen des Tausches unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage handelseinig werden.
Bei dem neoklassischen Arbeitsmarktmodell wird auf dem Markt auch die Arbeitskraft dargestellt. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer ihre geistige oder körperliche Leistung anbieten und Arbeitgeber Arbeitsleistung nachfragen (vgl. Blazejewski, Schönfelder 2008: 3).
Damit sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber handelseinig werden können, sieht das neoklassische Arbeitsmarktmodell folgende Grundbedingungen vor (vgl. Adnett 1996: 44):
- keine Monopolbildung
es gibt viele Arbeitsuchende und viele Arbeitgebende
- vollständige Informationen über Angebot und Nachfrage alle wesentlichen Bedingungen des Handels sind bekannt
- die Angebote müssen homogen sein
die Arbeitsleistung ist gleich und daher vergleichbar
- keine Mobilitätsbeschränkungen
Erfüllung der Arbeitsleistung auch in anderen Bereichen
- Preisflexibilität bei geänderten Marktsituationen mögliche Lohnangleichung, wenn notwendig
Entspricht der Markt jedoch diesen Grundbedingungen, so können die arbeitssuchenden Teilnehmer zu dem herrschenden Marktlohn arbeiten, welcher dem Wertgrenzprodukt der Arbeit (siehe Abb. 3) entspricht. Wird der Marktlohn durch einen Mindestlohn überschritten, so führt dies zu einer strukturellen Arbeitslosigkeit. Dies basiert darauf, dass die Grundbedingungen teilweise nicht mehr gegeben sind: die Preisflexibilität ist nicht mehr vollständig gegeben, die Kosten für Unternehmen steigen, die Nachfrage von Arbeitgebenden geht zurück und es gibt daher ein Überangebot an Arbeitssuchenden. Der Marktmechanismus würde bei einem Überangebot dafür sorgen, dass der Angebotspreis, in diesem Fall der Marktlohn, sinkt und dadurch die Nachfrage wieder ankurbelt. Allerdings wird dies durch eine Lohnuntergrenze eingeschränkt (vgl. Adnett 1996: 44ff).
2.1.1 Das Arbeitsangebot
Ein erster Blick auf die Grundannahmen reicht, um feststellen zu können, dass diese nicht den Tatsachen der Wirklichkeit entsprechen. Die Zahl von Arbeitsuchenden und Arbeitgebenden variiert, die Informationen über Arbeitsleistung und Arbeitsplatz sind nur selten vollständig, die Arbeitsleistung ist individuell unterschiedlich, der Einsatz in anderen Bereichen kann aufgrund anderweitiger oder fehlenden Fähigkeiten nicht gewährleistet werden und Lohnanpassungen entsprechen nicht dem beruflichen Alltag. Tatsächlich existieren Löhne in unterschiedlichen Höhen, welche sich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgrund Angebot und Nachfrage ergeben (vgl. Adnett 1996: 45f).
Das Arbeitsangebot gestaltet sich nach dem Prinzip, dass die arbeitsbereiten Marktteilnehmer den für sich größtmöglichen Nutzen erzielen wollen. Es wird danach selektiert, unter welchen Voraussetzungen man bereit ist, ein Angebot anzunehmen. Hierzu zählt unter anderem zum Beispiel der dafür notwendige Zeitaufwand. Der zur Verfügungen stehenden Zeit (z. B. 24 Stunden pro Tag) steht eine mit dem Arbeitsangebot verbundene Aufwandszeit entgegen (z. B. 8 Stunden pro Tag). Der potenzielle Arbeitnehmer entscheidet darüber, ob das angebotene Entgelt ausreichend ist, damit er auf die dadurch entgangene Freizeit verzichtet (vgl. Blaszejewski, Schönfelder 2008: 4).
Daraus ist ersichtlich, dass der Arbeitnehmer abwägt, zu welchen Konditionen er bereit ist, ein Arbeitsangebot anzunehmen. Dies bedeutet individuelle Entscheidungen hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsentgelt und somit die individuelle Bereitschaft, länger zu arbeiten, wenn dies entsprechend höher entlohnt wird (vgl. Mankiw, Taylor 2008: 83).
Weitere Anreize für eine längere Arbeitsbereitschaft können aber auch nicht monetäre Leistungen wie beispielsweise arbeitgeberfinanzierte Fortbildungen, individuelle Arbeitsplatzgestaltungen oder das Angebot einer Kantinenverpflegung darstellen (vgl. McKenzie 1994: 88).
In erster Linie entscheidet der potentielle Arbeitnehmer nicht aufgrund der Zusatzleistungen, sondern anhand des angebotenen Arbeitsentgelts. Graphisch kann dies anhand der Kurve des Arbeitsangebotes dargestellt werden. Damit wird ausgedrückt, dass eine bestimmte Menge an Arbeit einem entsprechenden Lohnsatz entspricht. Je höher der Arbeitseinsatz ist, desto höher ist auch das zu zahlende Entgelt (vgl. Blaszejewski, Schönfelder 2008: 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Kurve des Arbeitsangebotes (Blazejewski, Schönfelder 2008: 5)
2.1.2 Die Arbeitsnachfrage
Anders als bei dem Arbeitsangebot, bei dem das Individuum nach monetären aber auch nicht monetären Bedingungen subjektiv entscheidet, gestaltet sich der Prozess der Arbeitsnachfrage im objektiven Rahmen. Wirtschaftlich ausgelegte Unternehmen haben die Zielsetzung der Gewinngenerierung. Dem entgegen sprechen hohe Lohnkosten, welche sich durch die Zahl der Lohnempfänger beziehungsweise die Höhe der Löhne zusammensetzt. Daher ist es im Sinne der Unternehmen, wenige oder niedrige Löhne auszuzahlen. Dem entsprechend gilt auch der Ansatz, dass keine weiteren Arbeitnehmer eingestellt werden, solange dies nicht mit einer Gewinnsteigerung verbunden ist (vgl. Blazejewski, Schönfelder 2008: 5).
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