Eine der heilpädagogischen Grundregeln nach Paul Moor lautet „Wir müssen das Kind verstehen, bevor wir es erziehen". Somit erachte ich es als notwendig, dass die Heilpädagogen ihre interkulturelle Sensibilität erweitern, um im Sinne der Heilpädagogik das Verständnis der Situation, in der sich Migrantenkinder oft befinden, zu erlangen und fachlich kompetente Unterstützung dem pädagogischen Personal zu bieten.
Für die heilpädagogische Arbeit mit Migrantenfamilien ist es wichtig, über einige migrationsspezifische Themen Kenntnis zu haben. Im ersten Teil dieser Arbeit setze ich mich mit dem Thema Migration auseinander, dabei werden Formen und Gründe der Migration erläutert. Der kulturelle Einfluss ist für die Entwicklung eines Kindes sehr prägend, so wird im Weiteren die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Kultur" und deren Bedeutung für kindliche Entwicklung vorgenommen.
Kinder mit Migrationshintergrund stehen oft vor besonderen Herausforderungen, denn neben dem Erlernen der Muttersprache müssen sie auch die deutsche Sprache erlernen. Auch der Alltag der Kinder ist nicht selten durch ein Spannungsfeld zwischen ihrer Familie und Gesellschaft geprägt, deren Werte und Normen sich voneinander unterscheiden. Diese zusätzlichen Entwicklungsaufgaben stellen oft auch eine potenzielle Gefahr für die Kinder dar, Störungen bzw. Auffälligkeiten in sozial-emotionalen und/ oder kognitiven Bereichen zu entwickeln.
„Nicht gegen die Fehler, sondern für das Fehlende" lautet die zweite Grundregel der Heilpädagogik nach Paul Moor. Der Versuch, das auffällige Verhalten des Kindes aus seiner Perspektive zu sehen und zu verstehen, ist notwendig für die heilpädagogische Intervention.
Das Verhalten eines Kindes ist ein Ausdruck seiner bisherigen Erfahrungen, seines Denkens und Fühlens und ist somit seine individuelle Lösung mit inneren Konflikten und Spannungen umzugehen. Aus diesem Grund erachte ich als notwendig, sich im zweiten Teil dieser Arbeit mit psychischen Grundbedürfnissen der Menschen auseinanderzusetzen, um nach primären Gründen des abweichenden Verhaltens zu schauen.
Der dritte Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der heilpädagogischen Fragestellung nach Voraussetzungen und Faktoren, die geschaffen werden müssen, um den Kindern mit Migrationshintergrund trotz erschwerter Bedingungen, ein gesundes und glückliches Aufwachsen zu ermöglichen, damit sie sich zu glücklichen, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten entwickeln können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Teil I: Migration und Kultur
- Migration
- Formen der Migration
- Kultur und Identität
- Independente und interdependente Kulturen
- Sozialisation und Enkulturation
- Akkulturationsprozess und deren Formen
- Auffälliges Verhalten oder Kulturunterschiede?
- Ursachen der Entstehung realitätsangepasster Verhaltensmuster
- Erstes Fazit
- Teil II: Menschliche Grundbedürfnisse
- Störungen als Problemlösungen
- Psychische Grundbedürfnisse
- Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit
- Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung
- Bedürfnis nach Selbstakzeptanz und Selbstwert
- Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie
- Arbeitsmodelle und Grundbedürfnisse
- Das Erleben und Verhalten. Motivationale Schemata
- Resümee
- Teil III: Förderung der Grundbedürfnisse
- Beziehungsgestaltung als heilpädagogisches Handlungskonzept
- Bindungsrelevantes therapeutisches Vorgehen
- Sicherer Bindungsmuster
- Unsicher-vermeidender Bindungsmuster
- Unsicher-ambivalente Bindungsmuster
- Desorganisierte Bindungsmuster
- Befriedigung des Bindungsbedürfnisses in Kindergartenalltag
- Förderung von Orientierung und Kontrolle
- Förderung der Autonomie
- Förderung von Selbstakzeptanz und Selbstwert
- Resilienzförderung in der Heilpädagogik
- Begriffsdefinition Resilienz
- Resilienz und Entwicklungsaufgaben
- Risikofaktoren
- Schutzfaktoren
- Resilienzförderung
- Förderung der Persönlichkeit des Kindes
- Erziehungs- und Familienberatung
- Prävention in Kindertageseinrichtungen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Situation von Migrantenkindern in Deutschland genauer zu betrachten und mögliche Ursachen für deren häufig auftretende Entwicklungsprobleme zu beleuchten. Dabei wird insbesondere auf die Bedeutung von interkulturellen Unterschieden, die Herausforderungen des Akkulturationsprozesses und die Rolle der psychischen Grundbedürfnisse eingegangen.
- Kultur und Identität
- Migrationsbedingte Herausforderungen
- Psychische Grundbedürfnisse und deren Befriedigung
- Resilienzförderung als heilpädagogisches Konzept
- Interkulturelle Kompetenz in der Arbeit mit Migrantenkindern
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema Migration und Integration ein und beleuchtet die wachsende Anzahl von Migrantenkindern in Deutschland. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz in der Heilpädagogik und stellt die wichtige Bedeutung von Grundbedürfnisbefriedigung für die Entwicklung von Migrantenkindern heraus.
Kapitel 2: Migration
Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Formen der Migration nach Deutschland, darunter Flucht und Asyl, Ausbildung/Studium, EU-Binnenmigration und Erwerbstätigkeit. Es werden auch Daten zur Altersstruktur der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund dargestellt.
Kapitel 3: Kultur und Identität
Das Kapitel befasst sich mit dem Einfluss von Kultur auf die Entwicklung eines Kindes und erläutert den Unterschied zwischen independenten und interdependenten Kulturen. Es zeigt auf, wie kulturelle Unterschiede sich auf die Erziehung und das Verhalten von Kindern auswirken können.
Kapitel 4: Sozialisation und Enkulturation
Hier werden die Prozesse der Sozialisation und Enkulturation erläutert und deren Bedeutung für die Entwicklung von Werten, Normen und Verhaltensweisen dargestellt. Es werden Beispiele aus unterschiedlichen Kulturen gegeben, um die kulturelle Prägung der Sozialisation zu verdeutlichen.
Kapitel 5: Akkulturationsprozess und deren Formen
In diesem Kapitel wird der Prozess der Akkulturation erklärt und verschiedene Formen dieser Anpassung an eine fremde Kultur beschrieben. Es wird darauf hingewiesen, wie der Akkulturationsprozess individuell gestaltet ist und von verschiedenen Faktoren abhängig sein kann.
Kapitel 6: Auffälliges Verhalten oder kulturbedingte Unterschiede?
Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, wie pädagogisches Personal kulturelle Unterschiede im Verhalten von Kindern erkennen und verstehen kann. Es wird auf die Bedeutung von interkulturellem Wissen für die Arbeit mit Migrantenkindern hingewiesen.
Kapitel 7: Erstes Fazit
Das Kapitel fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus dem ersten Teil der Arbeit zusammen und verdeutlicht die Notwendigkeit, sich mit der Frage nach den psychischen Grundbedürfnissen zu beschäftigen, um das Verhalten von Migrantenkindern besser zu verstehen.
Kapitel 8: Störungen als Problemlösungen
Dieses Kapitel stellt das Grundbedürfnisfrustrationsmodell nach Schär & Steinebach vor und erklärt die Bedeutung der Befriedigung von Grundbedürfnissen für die psychische Gesundheit. Es werden verschiedene Grundbedürfnisse wie das Bedürfnis nach Bindung, Kontrolle, Selbstakzeptanz und Autonomie beschrieben.
Kapitel 9: Beziehungsgestaltung als heilpädagogisches Handlungskonzept
Das Kapitel beleuchtet die Bedeutung der Beziehungsgestaltung in der Heilpädagogik und betont die Notwendigkeit, dem Kind eine sichere und wertschätzende Atmosphäre zu bieten. Es wird auf verschiedene Bindungsmuster und die Bedeutung des „Sicherer Basis" für die Entwicklung des Kindes eingegangen.
Kapitel 10: Befriedigung des Bindungsbedürfnisses im Kindergartenalltag
Dieses Kapitel zeigt auf, wie Erzieher/-innen das Bindungsbedürfnis von Migrantenkindern im Kindergartenalltag fördern können. Es werden Beispiele für Maßnahmen wie Blickkontakt, Zulächeln, Fragen nach der Befindlichkeit und die Übertragung von kleinen Helferaufgaben gegeben.
Kapitel 11: Förderung von Orientierung und Kontrolle
Das Kapitel erläutert die Förderung von Orientierung und Kontrolle bei Migrantenkindern und betont die Bedeutung von klaren Regeln und Grenzen im familiären und pädagogischen Umfeld. Es werden verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung des Kindes bei der Entwicklung von Selbstwirksamkeitserfahrungen aufgezeigt.
Kapitel 12: Förderung der Autonomie
Dieses Kapitel befasst sich mit der Förderung der Autonomie von Migrantenkindern und zeigt auf, wie die Heilpädagogin/-der das Kind beim Erlernen von Selbststeuerung und Selbstregulation unterstützen kann. Es wird auf die Bedeutung von Phantasiereisen und Übungen zur Selbstwahrnehmung hingewiesen.
Kapitel 13: Förderung von Selbstakzeptanz und Selbstwert
Das Kapitel beleuchtet die Förderung von Selbstakzeptanz und Selbstwert und erklärt die Bedeutung von Selbstbild, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit. Es wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Fähigkeiten und Ressourcen des Kindes zu erkennen und zu fördern, um Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen.
Kapitel 14: Resilienzförderung in der Heilpädagogik
Dieses Kapitel erklärt das Konzept der Resilienz und beschreibt die Bedeutung von Schutzfaktoren für die gesunde Entwicklung des Kindes. Es werden verschiedene Ebenen der Resilienzförderung – beim Kind selbst, im familiären und im weiteren sozialen Umfeld – aufgezeigt.
Kapitel 15: Fazit
Das Fazit fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen und betont die Notwendigkeit, Migrantenkinder und ihre Familien ganzheitlich zu betrachten. Es wird die Bedeutung von interkulturellem Wissen, der Förderung der Grundbedürfnisse und der Resilienzförderung für die Entwicklung von Migrantenkindern in Deutschland hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Migration, Integration, Kultur, Identität, Sozialisation, Enkulturation, Akkulturation, Grundbedürfnisse, Bindung, Kontrolle, Autonomie, Selbstakzeptanz, Selbstwert, Resilienz, Schutzfaktoren, Risikofaktoren, interkulturelle Kompetenz, Heilpädagogik
- Citar trabajo
- Tanja Benner (Autor), 2015, Zwischen zwei Kulturen. Heilpädagogische Entwicklungsbegleitung von Kindern mit Migrationshintergrund, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313403