Diaspora-Webseiten. Identitätsstiftendes Sprachrohr oder nationalismusfördernder Leerlauf?


Trabajo Escrito, 2014

16 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Gliederung

1. Einführung

2. Sprachrohr und Ratgeber - Besonderheiten ethnischer Medien

3. Ethno-Portale als Informationsquellen und Austauschplattformen
3.1 Identitätsstiftung - Ethno-Portale als Ressource für Alltag und Kultur
3.2 Interaktivität und Mehrsprachigkeit - die besondere Dynamik als Onlinemedium

4. Artikulation und Mobilisierung
4.1 Die fehlende Gemeinde - Ethno-Portale bei der Schaffung von Netzwerken
4.2 Die Macht der Netzkritik - Behauptung ethnischer Communities im Internet
4.3 Erhebung - Förderung von Nationalismus und Segregation?

5. Fazit

6. Quellen

1. Der Heimat nahe über das Internet?

Etwa 400 Millionen Menschen waren 2011 Migranten (Weibel, 2011), wohnten also fernab ihres Geburtslandes oder des Geburtslandes ihrer Eltern. Ein Gefühl von Entwurzelung, Kulturschocks und gesellschaftliche, oft rassistische Ressentiments können die Folge sein. So genannte Diaspora-Gemeinschaften versuchen daher, ihren Mitgliedern Rückhalt zu bieten und sich und sie gegen Hindernisse der fremden Gesellschaft zu behaupten, aber auch sich mit dieser auszutauschen und auf ein Interesse am gemeinsamen Leben aufmerksam zu machen. Eine Möglichkeit, sich so zu artikulieren, bieten so genannte ethnische Medien, die repräsentativ 'für' - statt, wie andere, staatlich geförderte Massenmedien, 'über' - eine Gruppe und ihr alltägliches Leben berichten und Tipps für den gemeinsamen Umgang miteinander, aber auch den Erhalt der Ursprungskultur und den Kontakt zur Urheimat geben. Sogar translokale Netzwerke können so entstehen. Es stellt sich die Frage, auf welche Art und wie gut ethnische Medien besonders online diese Aufgaben erfüllen.

2. Sprachrohr und Ratgeber - Besonderheiten ethnischer Medien

Bezeichnete der Begriff 'Diaspora' ursprünglich das Leben von Juden außerhalb des historischen Palästina (Androutsopoulos, 2006, S. 520), so ist der Begriff heute allgemeiner gefasst und bezeichnet nach Barnard und Spencer (2002, S. 601) „a group of people dispersed from their original place“. Cohen (1997), Vertovec (1999) und Hepp (2006) gehen noch einen Schritt weiter und betonen das 'Gefühl' der Diaspora als Gruppe, die nicht nur von einer Gesellschaft in die andere verschoben wurde, sondern die sich diese 'Urheimat' besonders zurückersehnt und in einem Spannungsverhältnis (Hepp, 2006, S. 285) zu ihrer 'neuen' Gesellschaft steht; eine Beziehung „between (a) globally dispersed yet collectively self- identified ethnic groups, (b) the territorial states and contexts where such groups reside, and (c) the homeland states and contexts whence they or their forebears came“ (Vertovec, 1999, S. 449).

Dabei muss die Heimat zum Zeitpunkt der Migration nicht mehr zwingend politisch existieren - zum Beispiel im Falle der jüdischen Diaspora vor Gründung des Staates Israel oder in der kurdischen Diaspora - wird aber als gemeinsames Identitätsmerkmal imaginiert,um als Gruppe in der Fremde bestehen zu können (Silverstone, 2002, S. 733f.; S. 737). Laut Sreberny (2000, S. 179) beruhen diese einigenden Merkmale „on the common bonds of language, myth and habit which bind members of an ethnic community together as a subcultural grouping within the territorial confines of a nation-state”.

Das diasporische Gefühl wird aber auch insbesondere von dem 'Hier', der 'neuen' Gesellschaft geprägt: „[It is] the connection (elsewhere) that makes a difference (here)“ (Clifford, 1994, S. 322). Dies ist wichtig für die Definition spezifisch ethnischer Medien: Sie beinhalten Themen, die Mitglieder einer spezifischen Diaspora ansprechen; so hat die türkische Tageszeitung Hürriyet einen Teil für in Deutschland lebende Türken und kann für diese als ethnisches Medium angesehen werden, für Türken in Österreich ist sie aber ein ausländisches Medium, da der Inhalt nicht die Diaspora in Österreich betrifft. Die Wiener Zeitung Biber hingegen bezieht sich zwar nicht auf eine einzelne Diaspora oder auf eine spezifische ethnische Gruppe, enthält aber Artikel zum diasporischen Leben in Wien allgemein und ist in diesem Sinne ein ethnisches Medium 'für alle' (vgl. Brantner & Herzceg, 2013, S. 216f.).

Ethnische Medien dienen Diasporas vor allem der Orientierung in der neuen Heimat und dem Erhalt der gemeinsamen Identität. Durch die Möglichkeiten des Austauschs im Internet kann eine Diaspora, wie verstreut sie auch immer sein mag, „to some degree, be held together or re-created through the mind, through cultural artefacts and through a shared imagination“ (Vertovec, 1999, S. 450). Auf internationalen Portalen besteht sogar die Möglichkeit des Erhalts einer gemeinsamen Identität über Ländergrenzen hinweg (vgl. Brantner & Herzceg, 2013, S. 213). Ebenso wichtig ist aber auch die Funktion ethnischer Medien in den Ländern, in denen sie erscheinen, als Möglichkeit der Artikulation und Überwindung von Ausgrenzung. Massenmedien eines Staates have the potential to enhance ethnic and cultural diversity. Yet, they can also be held partly responsible for creating a homogeneous and narrowly defined ‘we’, in other words an imagined community that does not include individuals or communities of minority origin (Haavisto 2009, S. 229; zitiert nach Brantner & Herzceg, 2013, S. 215).

Diese Ausgrenzungen jedoch „fail to appreciate how ethnic identities expressed through struggles against subordination are a defining feature of a multicultural democracy“ (Parker & Song, 2006, S. 188f.). Eine funktionierende transkulturelle Gesellschaft ist nur möglich, wenn Vielfalt und Gleichheit in der öffentlichen Kommunikation anerkannt und gefördert werden (d'Haenens & Ogan, 2007, S. 137; zitiert nach Brantner & Herzceg, 2013,S. 215). Über ethnische Medien können Diasporas deutlich machen, dass sie alles andere als homogen und in Kategorien einteilbar sind und auf ihre eigene Art zu ihrer neuen Gesellschaft beitragen (vgl. Panagakos & Horst, 2006, S. 118).

3. Ethno-Portale als Informationsquellen und Austauschplattformen

3.1 Identitätsstiftung - Ethno-Portale als Ressource für Alltag und Kultur

Eine besondere Form ethnischer Medien stellen so genannte Ethno-Portale im Internet wie Kurdmania, Turkdunya oder Dim Sum dar. Sie beinhalten regelmäßige Updates zu Themen, die eine bestimmte Diasporagemeinschaft betreffen (vgl. Parker & Song, 2006, S. 193), Sammlungen von Links zu verwandten Themen und häufig einen mehrsprachigen Aufbau - meist in der Sprache des Landes, in dem sich die angesprochene Gemeinschaft befindet, und in der Heimatsprache dieser Diaspora. Während ältere Migranten in der Diaspora eher analoge Massenmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen aus ihrem Heimatland nutzen und so im Besonderen der verlassenen Heimat verbunden bleiben, nutzen jüngere Generationen die Möglichkeiten des Internets, um sich auszuauschen - mit anderen Jugendlichen aus ihrer Diaspora in dem Land, in dem sie Leben, aber auch mit der internationalen Diaspora ihrer Ethnie (Panagakos & Horst, 2006, S. 116).

Durch Ethno-Portale können Netzwerke von Informationswebseiten hergestellt werden, über die sich Diasporaangehörige über ihre Herkunft informieren und sich mit ihrer Identität auseinandersetzen können. Insbesondere für transnationale Jugendliche ist dies von Vorteil, „whose primary socialization has taken place with the cross-currents of differing cultural fields. Among such young people, facets of culture and identity are often self- consciously selected, syncretized and elaborated from more than one heritage“ (Vertovec, 1999, S. 451). Bromley (2002, S. 798) erwähnt dabei, dass Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe allein noch keine Identität schaffe, sondern auch Kategorien wie Klasse und Gender dazugehören - Kategorien, die online ausdiskutiert werden. Durch die Online-Auseinandersetzung sowohl mit der imaginierten Herkunft als auch mit dem Status der Diaspora kann eine produktive Auseinandersetzung mit den Themen Ethnie und Identität stattfinden (Sinclair & Cunningham, 2000, S. 15; zitiert nach Androutsopoulos, 2006, S. 521), wobei durch die Anonymität des Internets (vgl. Panagakos & Horst, 2006, S. 118) auch Fragen gestellt werden, die den Betroffenen peinlich sein könnten - weil sie im Austausch von Angesicht zu Angesicht Unwissenheit über die eigene Diaspora suggerieren könnten und damit einen Ausschluss aus der Gruppe fürchten lassen. Nun ist die Herkunft der Nation im Internet manifestiert, Informationen lassen sich wiederfinden und Seiten lassen sich miteinander vergleichen (Therwath, 2012, S. 569).

Vor allem finden auch Stimmen Gehör, die einer 'einheitlichen Diaspora' widersprechen (Androutsopoulos, 2006, S. 521; Parker & Song, 2006, S. 193) und abseits kultureller Stereotype und ohne Zensur Perspektiven für den transkulturellen Austausch bieten (Panagakos & Horst, 2006, S. 118). Sehr wichtig ist dabei der Aspekt, marginalisierte Gruppen überhaupt an die Öffentlichkeit zu kommen und zu signalisieren, dass diese zum Austausch und zur Zusammenarbeit bereit sind und diese auch nötig haben (vgl. Parker & Song, 2006, S. 187). Diese Art des Austauschs ist auch eine neue Möglichkeit für Diasporaangehörige, Zugang zur sozialen und politischen Beteiligung zu finden und die in dem Land, in dem sie leben, dafür notwendigen Fähigkeiten zu erlangen (Parker & Song, 2006, S. 196).

3.2 Interaktivität und Mehrsprachigkeit - die besondere Dynamik als Onlinemedium

Nicht nur die Vernetzung durch Hyperlinks gibt Ethno-Portalen als ethnischen Medien ein besonderes Profil. Auch die Möglichkeit zur Diskussion, zur unmittelbaren Rückkopplung ist anders als zum Beispiel bei ethnischen Zeitungen wie Hürriyet und Biber: Es werden nicht nur diverse Meinungen zum diasporischen Alltag veröffentlich, sondern auch kommentiert, zuweilen kritisiert und die Diversität der Gruppe damit weiter betont. Nutzer tauschen sich aus über das, was ihren Alltag ausmacht (Parker & Song, 2006, S. 184f.), tragen durch Verlinkung eigener Blogs und Projekte (ebd., S. 186) zur Bildung von Netzwerken bei und helfen beim Umgang mit diaspora-spezifischen Problemen im Alltag wie Rassismus (ebd.).

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Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Diaspora-Webseiten. Identitätsstiftendes Sprachrohr oder nationalismusfördernder Leerlauf?
Universidad
University of Tubingen  (Institut für Medienwissenschaft)
Curso
G2: Einführung in die Medienwissenschaft II
Calificación
1,7
Autor
Año
2014
Páginas
16
No. de catálogo
V313899
ISBN (Ebook)
9783668125728
ISBN (Libro)
9783668125735
Tamaño de fichero
794 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Migration, Diaspora, Ethno-Portale, Netzwerk, Nationalismus
Citar trabajo
Lukas Kammer (Autor), 2014, Diaspora-Webseiten. Identitätsstiftendes Sprachrohr oder nationalismusfördernder Leerlauf?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313899

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