Staat und Geschlecht: Der Irak in Zeiten von Krieg und Sanktionen


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Ba’thisierung des irakischen Staates
2.1 Der Irak nach dem Ende des 1. Golfkrieges: Ein Staat am Rande des wirtschaftlichen Ruins?
2.2 Einmarsch in Kuwait: Staat und Bevölkerung im Fadenkreuz von Krieg und Sanktionen

3. Geschichtlicher Hintergrund zur Lage der Frauen im Irak
3.1 Frauen in Zeiten von Krieg und Sanktionen

4. Ausblick

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Seminar „Die Kriege im Irak: Geschlechterverhältnisse im Wandel?“ schärfte die Sicht auf den Irak aus dem Blickwinkel der geschlechtsspezifischen Perspektive. Die Zielsetzung dieser Hausarbeit besteht darin, einerseits die Situation des irakischen Staates aus dieser Perspektive zu analysieren und andererseits die Lage der Frauen im Irak von 1991 bis 2003 zu untersuchen.

In einem ersten Schritt wird die Entwicklung des Irak unter der regierenden Ba’thpartei dargestellt. Daraus wird zu erkennen sein, dass sich der irakische Diktator Saddam Hussein bereits frühzeitig mit Hilfe repressiver Politik die Macht sicherte, um sie in den kriegerischen Auseinandersetzungen der folgenden Jahre einzusetzen. Anschließend werden die verheerenden wirtschaftlichen Konsequenzen für den Irak aufgezeigt, die der achtjährige 1. Golfkrieg gegen den Iran mit sich brachte. Es wird zudem verdeutlicht, inwiefern die finanzielle Ohnmacht Motiv des Diktators für den Einmarsch in Kuwait am 2. August 1990 war. Im Abschluss des ersten Teils der Hausarbeit wird schließlich ein Bild gezeichnet, das die Folgen der Besatzung Kuwaits verdeutlicht. Ergänzend dazu folgt eine theoretische Analyse der internationalen politischen Reaktionen auf den irakischen Einmarsch und ihre Auswirkungen auf die Situation des Irak im Zeitraum von 1991 bis 2003.

Dieser Zeitraum war für Staat und Bevölkerung, in besonderem Ausmaß jedoch für Frauen von Kriegen und Sanktionen geprägt. Frauen sind und waren – bedingt durch ihr Geschlecht – am härtesten betroffen. Sie befanden sich unter dem dreifachen patriarchalischen Diktat des internationalen Sanktionsregimes, des irakischen Staates und schließlich der eigenen Familie. Das dritte Kapitel liefert zunächst geschichtlich relevante Hintergründe für die schwierige Lage der Frauen im Ausgang des 20. Jahrhunderts. Zudem wird erörtert, dass die Situation der Frauen im Irak in engem Verhältnis zu Staat, Gesellschaft, Religion und Familie steht.

Es ist aus verschiedenen Gründen interessant, die geschlechtsspezifische Perspektive des Seminars in dieser Hausarbeit aufzugreifen und zu vertiefen. Erstens sind es zumeist weibliche Autorinnen, die einen tieferen Einblick in die Lage der Frauen im Irak bieten, wobei sie aus einer geschlechtsspezifischen Sichtweise heraus schreiben. Zweitens ist es notwendig, Entwicklungen der Geschlechterverhältnisse im Irak nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr sind sie Teil eines weltpolitischen, staatlichen, religiösen und familiären Kontexts, der von traditionell patriarchalischen Prinzipien geprägt ist – also männlicher Dominanz auf der einen Seite und weiblicher Unterordnung auf der anderen Seite – und aus der geschlechtsspezifischen Perspektive kritisch bewertet werden kann. Drittens ist nicht nur die Lage der irakischen Frauen zu kontextualisieren, sondern steht auch der irakische Staat in einem Spannungsverhältnis zu anderen, ihn beeinflussenden Staaten. Insbesondere seit dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait hat dieser Staat den patriarchalisch bevormundenden Druck der internationalen Gemeinschaft – allen voran die USA – zu spüren bekommen. Es ist interessant, die plötzliche Rollenverschiebung des Irak von einem Aggressorstaaten zu einem unterdrückten Staat aus der geschlechtsspezifischen Perspektive zu analysieren.

Der geschichtliche Verlauf des Irak an der Schwelle vom 20. zum 21. Jahrhundert ist geprägt von Entscheidungen und Beschlüssen des Machthabers Saddam Hussein, sowie von politischen Gremien, wie des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Unter deren Deckmantel hat sich insbesondere die amerikanische Regierung als einflussreich im Irak gezeigt. Der Inhalt der Sanktionen und die Kriege gegen den Irak haben dies offensichtlich werden lassen. Solche Entscheidungen haben die bereits erwähnten staatlichen, religiösen, gesellschaftlichen und familiären Tendenzen beeinflusst, die sich ihrerseits nicht zuletzt auf die Rolle der Frauen im Irak ausgewirkt haben.

Besonders aufschlussreich für die Thematik der Hausarbeit sind die folgenden Texte: Gender and State in Iraq, in dem die Autorinnen die Rolle des Irak und seiner Frauen im Kontext von internationaler Gemeinschaft, Staat und Gesellschaft untersuchen.[1] In dem Artikel Unheard Voices: Iraqi Women on War and Sanctions präsentieren die Autorinnen die Ergebnisse ihrer 1991 durchgeführten Studie mit der Zielsetzung, die Auswirkungen von Krieg und Sanktionen, wie sie von irakischen Frauen erfahren wurden, verständlich zu machen.[2] Der bereits im Seminar vorgestellte Artikel Women, Gender Relations, and Sanctions in Iraq liefert ebenso überaus interessante Einblicke in die Lage der Frauen im Irak.[3]

2. Die Ba’thisierung des irakischen Staates

Im Juli 1979 hatte Saddam Hussein formal die Macht im Irak übernommen. Doch war er in den Jahren zuvor bereits fester Bestandteil des Machtapparats der regierenden Ba’thpartei. Kontinuierlich festigte er seine Stellung innerhalb der Partei, um aus ihr heraus Staat und Gesellschaft zu ’ba’thisieren’:

„Umgehend erschienen Gesetze, die Parteimitglieder in allen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen privilegierten, und bald wurde anderen Parteien jede politische Tätigkeit verboten. Auf der anderen Seite standen auf Austritt bzw. auf Veranlassung zum Austritt aus der Ba’thpartei die Todesstrafe. Beide Trends deuteten bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre auf das Vorhaben Saddam Husseins hin, eine totalitäre Diktatur zu errichten und das Instrument dafür zu schärfen.“[4]

Die Innenpolitik Saddam Husseins prägte den Irak nachhaltig. Ihren repressiven Charakter beschreiben Ismael und Ismael im Artikel Gender and State in Iraq:

„In reality, Saddam Hussein governs Iraq. Effectively employing the instruments of Baath power – subterfuge, terror, and purge – he reduced the party to an instrument of his power. As president of the republic, prime minister, chairman of the RCC, and secretary-general of the regional command of the Baath, Saddam Hussein consolidated Baath power in his hands. He is an archetypal patriarch and embodies the state. […] Thus, public policy, law and order, life and death are all subject to Saddam Hussein’s whim and fancy.”[5]

Zudem unterdrückte die Ba’thpartei systematisch Sichtweisen und Interessen, die ihrer Ideologie widersprachen. Die finanziellen Rücklagen, entstanden während des hohen Gewinn bringenden Ölverkaufs in den 1970er Jahren, halfen dem Staat, die Kontrolle über den öffentlichen, wie den privaten Sektor zu übernehmen. Der Staat überwachte soziale Einrichtungen, Firmen, Schulen und schließlich Privatwohnungen. Gegen Ende der 1970er Jahre war die Gesellschaft Iraks, insbesondere politische Aktivisten der gebildeten Mittelklasse, zu denen auch die Frauenbewegung gehörte, die sich für Förderung von Frauen durch Bildung einsetzte, entpolitisiert.[6] Die Politik der Bespitzelung und systematischen Unterdrückung diente dem Diktator und Patriarchen Saddam Hussein als Machtsicherungsinstrument. Die vollständige Kontrolle über das eigene Land und seine potentiell-oppositionellen Kräfte war für Hussein die Grundlage für die Kriege und kriegerischen Drohgebärden, mit denen er in den darauf folgenden Jahren die benachbarten Staaten Iran und Kuwait sowie Israel konfrontierte.

2.1 Der Irak nach dem Ende des 1. Golfkrieges: Ein Staat am Rande des wirtschaftlichen Ruins?

Im Zuge des Ersten Golfkriegs zwischen dem Irak und Iran, der vom 22. September 1980 bis zum 20. August 1988 dauerte, wuchs der Irak schließlich zu einem militärischen Koloss heran. Die irakische Armee war seit Beginn des Kriegs von 220000 Mann auf nahezu eine Million Soldaten angewachsen. „Der Zuwachs erfolgte allerdings nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ und umfaßte modernes, zumeist aus dem Westen, namentlich den USA, stammendes Kriegsgerät einschließlich biologischer und chemischer Waffen.“[7] Saddam Hussein nutzte die neue militärische Stärke nach innen gegen aufständische Schiiten und Kurden und nach außen, als Demonstration der Macht in der Golfregion. Nur der Irak, so lautete die Propaganda, sei aufgrund seiner militärischen Stärke in der Lage, die Hierarchie der Golfstaaten anzuführen und Israel in seine Schranken zu weisen. Doch stand die militärische Schlagkraft in völligem Widerspruch zur wirtschaftlichen Situation, denn der Erste Golfkrieg hatte die Summe von insgesamt 452,6 Mrd. US-Dollar verschlungen.[8] Nach einer Lösung suchend, diesen Widerspruch aufzuheben – der Irak hatte sich aufgrund der angefallenen Kriegskosten inzwischen gewaltig verschuldet und war wirtschaftlich auf die Zeiten vor dem 1.Golfkrieg zurückgefallen – wendete sich die Regierung mit der Aufforderung an die arabischen und insbesondere die GKR-Staaten[9], die Schulden zu erlassen und beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Begründet wurden die Forderungen damit, dass die arabischen Staaten beim Irak in tiefer moralischer Schuld stünden. Schließlich habe die irakische Armee unter enormen menschlichen Opfern die arabische Welt vor dem Revolutionsexport Ajatollah Khomeinis, dem religiösen Oberhaupt des Iran, bewahrt. Diese Schuld könne nun mit wirtschaftlicher Wiedergutmachung abgetragen werden. Doch wurden die Forderungen des Irak nicht erhört.

[...]


[1] Jacqueline S. Ismael; Shereen T. Ismael. “Gender and State in Iraq.” In Gender and Citizenship in the Middle East, ed. Suad Joseph. Syracuse University Press, New York 2000, S. 185-211.

[2] Bela Bhatia; Mary Kawar; Mariam Shahin. “Unheard Voices: Iraqi Women on War and Sanctions.” In Hidden Casualties: the environmental, health and political consequences of the Persian Gulf War, ed. Saul Bloom et al. North Atlantic Books; ARC/Arms Control Research Center, California; San Francisco 1994, S. 207-224.

[3] Nadje Al-Ali. “Women, Gender Relations, and Sanctions in Iraq.” In Iraq: Its History, People, and Politics, ed. Shams C. Inati. Prometheus Books, Amherst 2003, S. 233-247.

[4] Henner Fürtig. “Kleine Geschichte des Irak.“ Verlag C. H. Beck, München 2003, S. 98.

[5] Ismael; Ismael, S. 195.

[6] Vgl. Ismael; Ismael, S. 197.

[7] Diese Angabe verdeutlicht die Doppelmoral der US-amerikanischen Außenpolitik. Sie zeigt, inwiefern die später folgenden Sanktionen, in denen die Zerstörung eben dieser, von den USA gelieferten Kriegsgeräte gefordert wurde, den USA als Rechtfertigungsinstrument für ihre Angriffe auf den Irak dienten. Fürtig, S. 121.

[8] Vgl. Fürtig, S. 119.

[9] Die sog. GKR-Staaten, von Henner Fürtig auch als „Klub der Reichen“ bezeichnet, sind der 1981 entstandene Golf-Kooperationsrat. Diese Staaten sind die Erdöl produzierenden, konservativen Monarchien der arabischen Halbinsel.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Staat und Geschlecht: Der Irak in Zeiten von Krieg und Sanktionen
Hochschule
Universität Hamburg  (Asien-Afrika-Institut)
Veranstaltung
Die Kriege im Irak : Geschlechterverhältnisse im Wandel
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V31395
ISBN (eBook)
9783638324212
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Zielsetzung dieser Hausarbeit besteht darin, einerseits die Situation des irakischen Staates seit dem Ende des Ersten Golfkriegs zu analysieren und andererseits die Lage der Frauen im Irak von 1991 bis 2003 zu untersuchen.
Schlagworte
Staat, Geschlecht, Irak, Zeiten, Krieg, Sanktionen, Kriege, Irak, Geschlechterverhältnisse, Wandel
Arbeit zitieren
Oliver Borszik (Autor:in), 2004, Staat und Geschlecht: Der Irak in Zeiten von Krieg und Sanktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31395

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