Stadtmarketing.Theoretische Grundlagen und praktische Kooperationen in der Stadtentwicklungspolitik am Beispiel der Stadt Deggendorf


Diploma Thesis, 2001

97 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Ausgangslage der Stadt Deggendorf
1.2.1 Rahmenbedingungen
1.2.2 Problemfelder

2 Grundlagen des Stadtmarketings
2.1 Hinführung zum Thema Stadtmarketing
2.1.1 Definition Stadtmarketing
2.1.2 Notwendigkeit des Stadtmarketings
2.1.2.1 Globalisierung
2.1.2.2 Strukturwandel
2.1.2.3 Schwächung der Finanzmittel der Kommunen
2.1.2.4 Partizipationsforderungen der Bürger
2.1.2.5 Wertewandel der Gesellschaft
2.1.2.6 Mobilität der arbeitenden Bevölkerung
2.1.2.7 Verödung der Innenstädte
2.1.3 Die Abgrenzung des Begriffes Stadtmarketing
2.1.3.1 Das Stadtmarketing und dessen untergeordnete Marketingformen
2.1.3.2 Das Regionalmarketing - ein dem Stadtmarketing übergeordnetes Marketingkonzept
2.1.4 Teilbereiche des Stadtmarketings
2.1.4.1 Standortmarketing
2.1.4.2 Tourismusmarketing
2.1.4.3 Innenstadtmarketing
2.1.4.4 Special-Event-Marketing
2.1.4.5 Verwaltungsmarketing
2.2 Das betriebliche Marketing angewandt auf das Marketing
von Städten
2.3 Philosophie des Stadtmarketings
2.3.1 Ziele und Strategien des Stadtmarketings
2.3.2 Stadtmarketing als stetiger Prozess: Das 10K-Modell
2.3.3 Schwierigkeiten und Risiken des Stadtmarketings
2.3.3.1 Grundverständnis des Stadtmarketingbegriffes
2.3.3.2 Pluralität der Willensbildung und fehlende Kommunikations-bereitschaft
2.3.3.3 Dominanz einzelner Gruppen
2.3.3.4 Nachlassen von Interesse für den Prozess
2.3.3.5 Die Stadt als gewinnbringendes Unternehmen
2.3.3.6 Schwierigkeiten der Evaluation

3 Am Stadtmarketing Beteiligte und deren Organisationsformen
3.1 Akteure
3.2 Institutionalisierung
3.2.1 Die Stadtverwaltung
3.2.2 Der Verein (e.V.)
3.2.3 Die GmbH
3.2.4 Der Arbeitskreis oder die Arbeitsgemeinschaft
3.3 Zielgruppen

4 Der Stadtmarketingprozess
4.1 Konzeptphase
4.1.1 Konzeptphase 1: Anschubphase
4.1.1.1 Initiierung von Stadtmarketing
4.1.1.2 Startveranstaltung
4.1.1.3 Bildung der Steuergruppe
4.1.2 Konzeptphase 2: Analysephase
4.1.2.1 Basisanalyse
4.1.2.2 Situationsanalyse
4.1.2.3 Konkurrenzanalyse
4.1.2.4 Positionierungsanalyse
4.1.2.5 Imageanalyse
4.1.2.6 Institutionsanalyse
4.1.2.7 Wahl der richtigen Analysearten
4.2 Konkretisierungsphase
4.2.1 Konkretisierungsphase 1: Zielformulierung
4.2.1.1 Visionen
4.2.1.2 Stadtleitbild
4.2.2 Konkretisierungsphase 2: Strategieentwicklung
4.2.2.1 Bestimmung relevanter Zielgruppen
4.2.2.2 Positionierung der Stadt
4.2.2.3 City Identity
4.3 Realisierungsphase
4.3.1 Realisierungsphase 1: Detailplanung
4.3.2 Realisierungsphase 2: Umsetzung
4.3.2.1 Handlungsfeld Einzelhandel - Deggendorf als Einkaufsstadt
4.3.2.2 Handlungsfeld Tourismus – Deggendorf als Seminar- und Tagungsstandort
4.3.2.3 Handlungsfeld Verwaltung
4.3.2.4 Internet
4.3.3 Realisierungsphase 3: Ergebniskontrolle
4.3.4 Realisierungsphase 4: Fortschreibung

5 Ergebnis der Untersuchung und Ausblick

Anhang 1: Konkurrenzanalyse
1.1 Fragebogen
1.2 Codesheet
1.3 Forschungsdesign sowie Analyse der Ergebnisse

Anhang 2: Beispiel Regensburg
2.1 Bürgerbeteiligung in Regensburg
2.2 Aktionen der Werbegemeinschaft Regensburg

Anhang 3: Zeitungsausschnitte zu Deggendorf

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Beziehungen des Stadtmarketings zu anderen Marketingausrichtungen

Abbildung 2: Stadtmarketing als Dach der Marketing-Aktivitäten

Abbildung 3: Prozess des Marketing-Broadening

Abbildung 4: Charakteristische Merkmale von Unternehmen und Städten

Abbildung 5: Koordinierte Abläufe durch Stadtmarketing

Abbildung 6: Das 10K-Modell des Stadtmarketing

Abbildung 7: Die Stadt im Spannungsfeld

Abbildung 8: Der Stadtmarketingprozess

Abbildung 9: Verschiedene Logos der Stadt Deggendorf

Abbildung 10: Marketing-Mix von Städten

Abbildung 11: Vom Stadtmarketing profitierende Gruppen

1 Einführung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Stadtmarketing erscheint gegenwärtig immer mehr als „schillernder Mode-begriff“, wenn es um die Attraktivitätssteigerung von Städten und Gemeinden geht, und wird vor allem dort eingesetzt, wo Koordination von Akteuren Syn-ergien nutzen lässt und Doppelarbeit vermeiden hilft.

Im Rahmen einer Diplomarbeit eine konkrete Stadtmarketingkonzeption zu erarbeiten, erscheint schwierig,[1] da sich meist bestehende Projekte über Jahre hindurchziehen und von professionellen Beratungsunternehmen mit hohem personellem und zeitlichem Aufwand abgewickelt werden. Konzeptionen die-ser Art ergeben oft, im Vergleich zur festgelegten Kürze einer Diplomarbeit, Ausarbeitungen von mehreren hundert Seiten.

Die vorliegende Arbeit kann daher nicht allein ein Zusammentragen von Mar-ketingmaßnahmen für die Stadt Deggendorf sein. Vielmehr ist ein Ziel der Arbeit aufzuzeigen, wie man an ein Stadtmarketingprojekt herangeht, welche Schritte zu berücksichtigen sind und wo Fehlerquellen im Rahmen der Planung und Realisation lauern. „Der Weg ist das Ziel“ – so könnte die Arbeit also überschrieben werden.

Da es vor allem wegen der Vielzahl von Auffassungen und Definitionen in Literatur und Praxis viel Widersprüchliches zum Thema Stadtmarketing gibt, wird eine Aufgabe dieser Diplomarbeit auch sein, verschiedene theoretische Ansätze aufzugreifen, deren Unterschiede anzusprechen, sowie das Für und Wider abzuwägen. Wissenswerte Grundlagen diesbezüglich sind Inhalt des zweiten Kapitels.

Hinzu kommen im dritten Kapitel Ausarbeitungen über die am Stadtmarketing Beteiligten und ihre Organisationsformen. Diese sind abhängig von den je-weiligen Bedürfnissen der Akteure und ihrer Stadt. Die Betrachtung der Ziel-gruppen rundet das Kapitel ab.

Das vierte Kapitel stellt den gesamten Ablauf des Stadtmarketingprozesses dar, angefangen von Konzeptionsideen bis hin zur Realisierung und zur Kontrolle der Ergebnisse. Eine Konkurrenzanalyse als Teil des Stadtmarketingprozesses wird beispielhaft durch eine empirische Studie im Anhang aufgezeigt. Durch eine Befragung konnte herausgefunden werden, inwieweit die Stadt Deggen-dorf und ein ihr nahe gelegenes Einkaufszentrum um Käufer konkurrieren.

In Kapitel fünf werden schließlich die Ergebnisse der Diplomarbeit zusammen-gefasst.

1.2 Ausgangslage der Stadt Deggendorf

1.2.1 Rahmenbedingungen

Am Autobahnkreuz der A3 (Nürnberg-Regensburg-Passau) und A92 (München–Deggendorf) gelegen, besitzt die Stadt Deggendorf mit ihrem Frei-hafen an der Wasserstraße Donau (Rhein-Main-Donau-Kanal) und durch ihre Nähe zum Franz-Josef-Strauss-Flughafen in München (Fahrzeit ca. 50 Min.) eine optimale Verkehrsinfrastruktur und ist damit ein interessanter Standort für Industrie und Gewerbe.

Besonders stolz ist die Stadt auf ihre 1998 erbaute Fachhochschule, für die bereits Erweiterungen geplant sind.

Für ihre 31244[2] Einwohner bietet die Stadt hohen Wohn- und Freizeitwert. Verschiedene Parkanlagen im Stadtzentrum sowie zahlreich angelegte Wege an der Donau laden zum Spazierengehen ein. Die Innenstadt besteht aus sehr ge-pflegten Häusern. Blumen und Grünanlagen dort tragen ebenfalls zum beson-deren Flair bei.

Deggendorf fühlt sich als Einkaufsstadt für den gesamten Landkreis und lädt zum Besuch von Kultur- und Bildungseinrichtungen ein. Zum Teil nutzen auch Touristen aus dem Bayerischen Wald die Stadt im Rahmen des Städte-, Ta-gungs,- Kongress-, Kultur- und Einkaufstourismus.[3]

1.2.2 Problemfelder

Trotz der besonderen Lage und eines reichhaltigen Angebotes oder vielleicht gerade wegen dieses reichhaltigen Angebotes scheint es der Stadt schwer zu fallen, sich konkret zu positionieren. Auf Prospekten und Broschüren ver-schiedener Jahre wird beispielsweise mit unterschiedlichen Slogans geworben: „Deggendorf - das Tor zum Bayerischen Wald“, „die Goldstadt Deggendorf“[4] (Kultur- und Verkehrsamt, 2000) oder „Deggendorf – Kongress- und Ta-gungsstadt an der Donau“. (Kultur- und Verkehrsamt, 1999) Im Internet liest man den Slogan „Stadt Deggendorf – Die Fachhochschulstadt im Herzen Nie-derbayerns“, am Ortseingang „Hochschulstadt Deggendorf...eine Stadt mit Charme“.

Weitere Probleme betreffen vor allem den Einzelhandel in der Innenstadt, der, wie in anderen Städten auch,[5] mit dem Konkurrenten auf der grünen Wiese so-wie mit Filialen großer Ketten zu kämpfen hat. Einige der Geschäfte in bester Lage stehen leer, unter anderem auf Grund von zu hohen Mieten[6] im Innen-stadtbereich, mit denen neben den Einzelhändlern auch Einwohner zu kämpfen haben.[7] Die Einzelhändler spekulieren in der Deggendorfer Zeitung ebenfalls über die Gründe für die Leerstände. Die Meinungen sind vielfältig: Der Ver-kehr sei zu stark aus der Innenstadt verbannt worden, der Bau der Tiefgarage habe viel kaputt gemacht, der Branchenmix fehle, der Geldbeutel und das Lebensgefühl der Käufer hätten sich verändert und gerade große Ketten wären bei Kunden sehr beliebt, heißt es dort. Auch die Einkaufsmärkte wären eine riesige Konkurrenz. Es wird auch angesprochen, dass die Parkgebühren ge-senkt werden sollten, z.B. könnte die erste halbe Stunde kostenlos sein oder es sollten mehr Kurzparkzonen angeboten werden.[8] (vgl. Ketterl, 2000; Arbinger, 2000)

Auch gestalten sich geplante Gemeinschaftsaktionen schwierig. Am 24. No-vember 1993 wurde die wenig schlagkräftige „Interessensgemeinschaft Han-del, Banken, Gewerbe“ durch den „Stadtmarketing Deggendorf e.V.“ ersetzt, der sich zur Aufgabe machte, Deggendorf als Stadt noch attraktiver zu gestal-ten. Im März 2001 plädierte Deggendorfs Oberbürgermeisterin Anna Eder je-doch für die Auflösung des Vereines, da dieser, laut Deggendorfer Wochen-blatt (vgl. Lehner, 2001) nur noch auf dem Papier bestehe. Beiträge würden nicht mehr bezahlt werden, da kaum Projekte geplant und realisiert würden. Zudem wurden Stimmen laut, dass Arbeit und finanzielle Lasten nur an den be-teiligten Einzelhändlern „hängen blieben“, Nutznießer jedoch alle Einzelhänd-ler in der Innenstadt seien. Selbst die Stadt musste spüren, dass nicht jeder für Gemeinschaftsprojekte zu motivieren ist. Für ein Treffen zur Planung der durch die Stadt organisierten „Osteraktion“ z.B. folgte nur ein Bruchteil der Einzelhändler der Einladung durch die Oberbürgermeisterin. Auf Grund der Differenzen im „Stadtmarketing Deggendorf e.V.“ schlug Frau Eder auch vor, eine neue Werbegemeinschaft ins Leben zu rufen, die mit niedrigen Beiträgen locken könnte, um damit mehr Akteure für ein City-Management–Projekt zu mobilisieren. (vgl. Lehner, 2001) Wenig effektiv ist zudem, dass an Projekten zu Attraktivitätsverbesserungen in Deggendorf eigentlich nur der Einzelhandel mitwirkt. Arbeitsgemeinschaften und –kreise sollten jedoch ein Podium für alle wichtigen Interessensgruppen einer Stadt darstellen.[9]

Negativ wird das Image der Stadt durch die ungünstige Verkehrsführung, die sich durch Umfahrung des Stadtplatzes ergibt, beeinflusst. Diese macht es vor allem Besuchern schwer, sich im Innenstadtbereich zurecht zu finden.

Vorbehalte gibt es auch gegen als zu hoch empfundene Parkgebühren und ge-gen das zum Teil nicht entsprechend dienstleistungsorientierte Verhalten man-cher Parküberwacher.

Besonders schade ist, dass Deggendorf wegen des Fehlverhaltens einiger weni- ger Rechtsradikaler im Stadtbereich negativ in die Schlagzeilen[10] geraten ist.[11]

2 Grundlagen des Stadtmarketings

2.1 Hinführung zum Thema Stadtmarketing

2.1.1 Definition Stadtmarketing

Immer wieder versuchen Autoren verschiedene Abgrenzungen von Stadtmar-keting zu beschreiben und trotzdem eine allgemein gültige Definition zu ent-wickeln.

Erste Schwierigkeiten entstehen bereits mit der Definition des Begriffes „Stadt“, denn Experten sehen in ihr unterschiedliche, sonst nicht in Einklang zu bringende Ausprägungen: (vgl. Stratmann, 1999, S. 180)

- die Stadt als komplexe Ressource (Menschen, Gebäude etc.)
- die Stadt als Wohn- und Wirtschafts standort
- die Stadt als Unternehmen, bestehend aus politisch-administrativer Führung und den Bürgern/Kunden
- Stadt als vermarktbares und zu vermarktendes Produkt

Hierbei scheint es nicht unproblematisch zu sein, betriebswirtschaftliche Be-griffe auf die Stadt zu übertragen. Kann die Stadt gleichzeitig Produkt und Un-ternehmen sein? Dies würde nur dann zutreffen, wenn die Stadt ein Unterneh-men wäre, das zum Verkauf stünde. Kann eine Stadt überhaupt als Unterneh-men im eigentlichen Sinne gesehen werden, das eine klare Zielsetzung ver-folgt, die in der Hauptsache auf Gewinnmaximierung gerichtet ist? Die Zielset-zung besteht darin, die divergierenden Interessen verschiedener Zielgruppen in einer Kommune so zum Ausgleich zu bringen, dass ein tragfähiger Konsens er-zielt wird.

Übereinstimmung der Experten besteht grundsätzlich darin, dass die Gesetz-mäßigkeiten des betrieblichen Marketings nicht gänzlich auf das Stadt-marketing anzuwenden sind.[12] Es bleibt in Fachkreisen weitgehend unumstrit-ten, dass das Stadtmarketing „im Grundsatz einen umfassenden und integrati-ven Anspruch hat“. (Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 29)

In der kommunalen Praxis wird, im Gegensatz zu den Bereichen der Wissen-schaft, Stadtmarketing häufig enger gefasst, als Standortwerbung, Öffentlich-keitsarbeit, Marketing für einzelne Tätigkeitsbereiche der Stadt oder Förderung des Einzelhandels. (vgl. Helbrecht, 1994, S. 84ff; Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S.29) Diese Bereiche stellen jedoch nur Teilaspekte dar.[13] Stadtmarke-ting im Sinne einer Public-Private Partnership[14] entspricht ebenfalls nicht dem ganzheitlichen Gedanken, da eine projektbezogene Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Akteuren wiederum nur eine Teillösung darstellt. Was ist aber Stadtmarketing?

„Umfassendes Stadtmarketing ist

- kooperative Stadtentwicklung
- mit dem Ziel der Aufwertung der Stadt und ihrer Leistungen für Bürger, Wirtschaft und Auswärtige
- durch verbesserte Kommunikation und langfristige Partnerschaft zwischen allen, die an der Gestaltung des Lebensraumes Stadt mitwirken
- durch die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung konkreter Projekte
- auf der Grundlage von partnerschaftlich erarbeiteten Leitlinien und offensiver, konsensorientierter Diskussion von Zielkonflikten.“ (Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 30)

Diese Definition zeigt, dass Stadtmarketing versuchen muss, „den Spagat“ zwi-schen den verschiedenen Anspruchsgruppen zu schaffen. Nur, wenn alle Grup-pen berücksichtigt werden, wird die Stadt langfristig aufgewertet. Alle, die in der Stadt leben, wohnen und arbeiten, sind Teil der Stadt. Freizeit- und Wohn-qualität, geographische Lage, kulturelle Angebote und Architektur prägen die Stadt. (vgl. Homann, 1997, S. 55) In diesem Sinne soll Stadtmarketing Leitli-nien für die entsprechenden Bereiche formulieren und Maßnahmen zur Gestal-tung der Stadt und des städtischen Lebens entwickeln und realisieren. Unverzichtbare Mittel sind dabei Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren.

Stadtmarketing hat viele Berührungspunkte mit den klassischen Verwaltungsaufgaben Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung, soll diese jedoch keinesfalls ersetzen. Es beinhaltet vielmehr den Aspekt der steten Kommunikation der Ergebnisse sowie der höchstmöglichen Berücksichtigung oder gar Beteiligung des Bürgers am Stadtmarketingprozess. (vgl. Töpfer, 1993, S. 20f) Somit ist seine Aufgabe, eine Vielzahl von Akteuren in die Verantwortung zur Gestaltung des Lebensraumes Stadt einzubeziehen. (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 179) Rousseaus Ausspruch lässt sich in diesem Sinne auf das Stadtmarketing übertragen (vgl. Konken,1996, S. 33):

„Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemein-willens; und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrenn-baren Teil des Ganzen auf.“

Der Frage, warum es jedoch eines Stadtmarketings bedarf, wenn Stadtent-wicklung und Wirtschaftsförderung bisher in einer Stadt allein organisatorisch tätig waren, wird im folgenden Kapitel nachgegangen.

2.1.2 Notwendigkeit des Stadtmarketings

Stadtmarketing hat in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung ge-wonnen. Dies beweist eine Studie des Deutschen Institutes für Urbanistik aus dem Jahre 1996, bei der von 323 befragten Kommunen 83% angaben, dass sie bereits Stadtmarketing praktizieren oder zu praktizieren die Absicht haben. (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 10) Eine sehr hohe Zahl, die Spe-kulationen nach sich zieht. Ist mit ihren Aktivitäten auch wirklich ein profes-sionelles, ganzheitliches Stadtmarketing verbunden oder verstehen einige Kommunen darunter vielleicht „nur“ einzelne Werbeaktionen für die Stadt? Die Gründe für die Einführung eines Stadtmarketing sind äußerst vielschichtig:

2.1.2.1 Globalisierung

Der wichtigste Grund ist sicherlich die wachsende Globalisierung, und damit einhergehend, neben dem nationalen Konkurrenzkampf der Städte, auch ein in-ternationaler um die Ansiedlung von Unternehmen, um qualifizierte Arbeits- kräfte, wissenschaftliche Einrichtungen, kaufkräftige Konsumenten, Touristen, Kultur- und Sportveranstaltungen und vieles mehr. Gerade innerhalb der EU wird es zu einem verschärften Wettbewerb kommen, aber auch die Öffnung der Grenzen zu den ehemaligen Ostblockstaaten hat gezeigt, dass bereits in ver-schiedenen Bereichen neue Wettbewerbssituationen entstanden sind.[15]

Durch das Stadtmarketing kann sich eine Stadt positionieren und auf diese Weise im Konkurrenzkampf behaupten.

2.1.2.2 Strukturwandel

In vielen Gebieten kommt es zu einer Deindustriealisierung in traditionellen Branchen, wie Schiffbau, Kohle und Stahl, und damit zu einem Abbau von In-dustriearbeitsplätzen zu Gunsten von neuen Industriezweigen, wie Mikroelek-tronik oder Biotechnologie.[16] Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft, also die Verlagerung vom sekundären zum tertiären Sektor ändert die Anforde-rungen, die die Unternehmen an den Standort Stadt stellen. (vgl. Fehn & Vossen, 1999, S. 14) Die Wahl des Standortes wird heute zudem nicht mehr nur an der unmittelbaren Nähe zu Ressourcen oder Märkten festgemacht. Für die Entscheidung sind neben diesen „harten“ auch immer mehr „weiche Fak-toren“ von Bedeutung, wie z.B. Ausbildungs- und Forschungsinfrastruktur so-wie Wohn-[17] und Freizeitwert. Stadtmarketing wird hier als Möglichkeit gese-hen, die örtlichen Gegebenheiten einer Stadt positiv herauszustellen, um „das Portfolio der Wirtschaftsansiedlungen ausgeglichener zu gestalten“ (Meffert, 1989, S. 274) und auf koordinierte Weise bei den Unternehmen für den Standort Stadt zu werben.

2.1.2.3 Schwächung der Finanzmittel der Kommunen

Stark wachsende Sozialausgaben oder die Verlagerung von staatlichen Ausga-ben auf die kommunale Ebene, bei gleichzeitig gestiegenen Ansprüchen der Bürger und der Wirtschaft an kommunale Dienstleistungen,[18] zwingen die Städte zu einem straff sachgerechten Kostenmanagement in Form von geeigne-ten Management- und Marketingstrategien. (vgl. Fehn & Vossen, 1999, S. 14; Helbrecht, 1994, S. 79) Dadurch ergibt sich auch die Intention, durch Gebüh-ren, Steuern und Beiträge oder auch durch höhere Bundes- und Landeszuwei-sungen die verschärfte Haushaltslage und finanziellen Engpässe der Kommu-nen auszugleichen. Im Rahmen des Stadtmarketings können z.B. durch die Einführung von Public-Private Partnerships Projekte realisiert werden, für die im kommunalen Haushalt das Geld fehlt. (vgl. Stratmann, 1999, S. 150)

2.1.2.4 Partizipationsforderungen der Bürger

Auf Grund von gesteigertem Demokratiebewusstsein fordern die Bürger immer mehr Anteil an kommunalen Entscheidungen. Die Stadt sollte deshalb eine stärkere Kommunikation mit den Bürgern suchen (vgl. Funke, 1997, S. 11), da so die Akzeptanz der kommunalen Entscheidungen höher ist und die Stadt für die immer komplexer werdenden Aufgaben Hilfe durch die Bürger erhält. Um einem Absinken der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt entgegenzuwir-ken, müssen im Rahmen des Stadtmarketings Identifikationsangebote, z.B. durch den Aufbau einer „Corporate Identity“[19], also eines „Wir-Gefühls“ für Städte, geschaffen werden. (vgl. Meffert, 1989, S. 274) Außerdem sollte ein Dienstleistungsdenken im Sinne einer Kundennutzen-Orientierung in jeder Stadt an Bedeutung gewinnen. (vgl. Hirth, 1995, S. 31) Festgefahrene bürokra-tische Institutionen kennzeichnen leider noch viel zu häufig die Entwicklung in den Kommunen. Stadtmarketing versucht hier, möglichst viele Interessierte einzubeziehen, „ohne allerdings ein Nebenparlament zu etablieren.“ (Konken, 2000b, S.16) Die Heterogenität der unterschiedlichen Anspruchsgruppen, z.B. Einwohner, Einpendler, Wirtschaft, Vereine und Verbände etc. macht eine Konsensbildung im Lebensraum Stadt jedoch schwer. „Um die Ausgewogen-heit und Akzeptanz politischer Entscheidungen zu erhöhen“ (vgl. Helbrecht, 1994, S.80), bedarf es eines Instrumentariums, wie des Stadtmarketings, um die Prozesse der Konsensfindung zu steuern und damit zu erleichtern.

2.1.2.5 Wertewandel der Gesellschaft

Die Ansprüche der Freizeitgesellschaft an die Kommune, sogar an das gesamte städtische Umfeld, steigen vor allem durch die zunehmende Höherqualifizie-rung der Beschäftigten. Umweltbedingungen, Freizeitwert und Lebensqualität sind mittlerweile neben den „harten“ wichtige „weiche Standortfaktoren“ bei der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes. (vgl. Helbrecht, 1994, S. 80) Auch de-mographische Probleme, wie Überalterung oder Abwanderungstendenzen jun-ger und ambitionierter Menschen in kulturelle und wissenschaftliche Zentren auf Grund von zunehmender Akademisierung führen zu einem Wandel der Gesellschaft, der langfristig eines koordinierten Handelns durch das Stadtmar-keting bedarf. (vgl. Meyer, 1999, S. 3)

2.1.2.6 Mobilität der arbeitenden Bevölkerung

Die Unternehmen setzten auf die Mobilität ihrer Mitarbeiter und forcieren da-durch den Wettstreit unter den Städten. Zusätzlich wachsen durch Massenver-kehrsmittel die Städte immer mehr zusammen, was diese um Arbeitnehmer, Geschäftsreisende, Touristen, Kurzurlauber und andere konkurrieren lässt. (vgl. Meffert, 1989, S. 274) Im Rahmen des Stadtmarketing besteht hier die Möglichkeit, besonders die „weichen Standortfaktoren“ für zukünftige Be-wohner positiv herauszustellen und diese dadurch als Einwohner zu gewinnen.

2.1.2.7 Verödung der Innenstädte

Der Einzelhandel in den Innenstädten unterliegt dem Konkurrenzdruck von Großkaufhäusern in der Stadt, aber auch von außerhalb, auf der grünen Wiese. Auf Grund dieses Erwerbskampfes kommt es immer mehr zu einer Verödung der Stadtzentren. Zudem gleicht eine Vielzahl von Innenstädten mit ihren „Karstadts“, „Wöhrls“, „Nordsees“ und „Mc Donald´s“ einander mehr und mehr, so dass Einzigartigkeit und Individualität verloren gehen. Besucher werden, da die Handelsketten überall das gleiche Angebot bieten, nicht mehr durch Besonderheiten einer Stadt angezogen. Aus diesem Grund ist eine koordinierte Politik, wie z.B. das Stadtmarketing, für die Innenstädte gefragt, die an dieser Stelle ausgleichend wirkt.

Dieses Kapitel zeigt, wie wichtig die Einführung eines Stadtmarketingkon-zeptes ist. Vor der Planung des Stadtmarketingprozesses sollte jedoch die Ein-gliederung der Stadt in andere Marketingprogramme geprüft und auf diese ab-gestimmt werden. Denn Stadtmarketing steht nicht für sich allein, sondern hängt von Marketingbestrebungen der ganzen Region genauso ab wie von Bestrebungen einzelner Stadtteile oder der Innenstadt.

2.1.3 Die Abgrenzung des Begriffes Stadtmarketing

So häufig wie über die einzelnen Marketingausrichtungen in der Literatur ge-schrieben und diskutiert wird, so unterschiedlich ist auch die Definition der Fachtermini. Die in sich nicht stimmige Nomenklatur macht dadurch eine ein-deutige Abgrenzung der einzelnen Begriffe oft zu einem schwierigen Unter-fangen.[20] Im Folgenden wird auf die in Abbildung 1 erwähnten Marketingausrichtungen eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beziehungen des Stadtmarketings zu anderen Marketingausrichtungen

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Konken, 1996, S. 14)

2.1.3.1 Das Stadtmarketing und dessen untergeordnete Marketingformen

Der aus dem Angloamerikanischen stammende Begriff des City Marketings leitet sich von „City“ (Großstadt)[21] ab. Dementsprechend wird das City Mar-keting in Literatur und Praxis, neben den angloamerikanischen Ländern auch von Ländern, wie z.B. Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz als ganzheitliche Stadtentwicklung verstanden, gleichzusetzen mit dem deutschen Begriff Stadtmarketing. (vgl. Konken, 2000a, S. 45)

Im Deutschen jedoch, wird das City Marketing mit dem Innenstadtmarketing gleichgesetzt und entspricht hier dem Marketing für einen Teilbereich der Stadt. In seiner deutschen Definition zielt es darauf ab, „die Versorgungszen-tralität und –attraktivität der Innenstädte sicherzustellen.“ (Homann, 1997,S. 39). Der Unterschied der deutschen und der internationalen Anschauung bezüglich des City Marketings ist häufig der Grund für Missverständnisse. Aus diesem Grund sollte der Begriff so nur in seiner internationalen Bedeutung verwendet werden.[22] (vgl. Konken, 1996, S.12; Konken, 2000a, S. 45)

Ein nur auf die Innenstadt bezogenes Marketing, also das Innenstadtmar-keting, wird, laut Konken (1996, S. 12) international als City Center Mar-keting oder Shopping Center Marketing bezeichnet. Damit ist gemeint, dass mit Hilfe eines Marketingkonzeptes ein Einkaufszentrum optimal am Markt positioniert werden soll. Rüdiger (2000, S. 95) schreibt hierzu, dass „eine Adaption von Lösungsmustern aus der Literatur zum Centermanagement auf das Stadtmarketing viel versprechend erscheint.“

Für Stadteile, denen eine besondere Bedeutung zukommt, wie z.B. München-Schwabing oder St. Pauli in Hamburg, lässt sich auch das Stadtteilmarketing, international City Quarter Marketing, als Teilaspekt des ganzheitlichen Stadtmarketings abgrenzen. (vgl. Konken, 2000b, S. 66)

Das Innenstadtmarketing und das Stadtteilmarketing sind im Rahmen bestimm-ter Handlungsfelder[23] in ein ganzheitliches Stadtmarketingkonzept einzubetten. (vgl. Beyer, 1995, S.60; Konken, 2000a, S. 46) Durch Integration des Stadt-marketings in das Regionalmarketing wird die Nutzung von Synergien eben-falls erhöht.[24]

2.1.3.2 Das Regionalmarketing - ein dem Stadtmarketing übergeordnetes Marketingkonzept

Wie das Stadtmarketing ist auch das Regionalmarketing ein Instrument, mit dem versucht wird, die Kooperation zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen Organisationen, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und den Gewerkschaften zu verbessern. (vgl. von der Heide, 1995, S. 85) Im Gegensatz zum Stadtmarketing kann bei einer Region jedoch keine „eindeutige und anhaltende räumliche Abgrenzung“ (Fehn & Vossen, 1999, S. 29) bestimmt werden. Auch eine einheitliche Definition für den Begriff „Region“ gibt es nicht.[25]

Neben der Definition des Wortes Region, ist auch das Durchsetzten des Re-gionalmarketings ein schwieriges Unterfangen, da die Ziele der einzelnen Ak-teure in einer Region nur selten übereinstimmen. Eine Lösung ist hier, das Re-gionalmarketing nur in einzelnen Handlungsfeldern gemeinsam durchzufüh-ren.[26] Städte einer bestimmten Region können als Imageträger agieren, indem die Stadt in den Regionennamen eingebunden wird.[27]

2.1.4 Teilbereiche des Stadtmarketings

Es gibt nicht nur einen relevanten Markt, auf dem die Stadt mit anderen Städ-ten und Regionen in Konkurrenz tritt, sondern viele verschiedene Märkte, wie z.B. den Markt für Wirtschaftsstandorte, Kultur- und Sportveranstaltungen, Kurzurlaubsreisen, Kongresse, Weiterbildungseinrichtungen oder hochqualifi-zierte Arbeitskräfte. (vgl. Funke, 1997, S. 22) Stadtmarketing muss daher folgende Teilbereiche umfassen, die in Abbildung 2 dargestellt sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Stadtmarketing als Dach der Marketing-Aktivitäten

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Böttcher, WS 1996/97, S. 42 (zit. nach Funke, 1997, S. 21))

2.1.4.1 Standortmarketing

Das Standortmarketing dient der Vermarktung der Stadt im Handlungsfeld Wirtschaft. Das Ziel ist hier, bestehende Unternehmen am Standort zu halten und neue Unternehmen zu akquirieren. Grundstücke werden vermarktet und es wird versucht, auf die Stadtentwicklung bezüglich Infrastruktur, Verkehr, Um-welt, etc. Einfluss zu nehmen. Außerdem hat das Standortmarketing die Be-treuung von Unternehmen zum Inhalt, die Leistungen der Kommunalverwal-tung in Anspruch nehmen wollen oder müssen. (vgl. Mensing & Rahn, 2000, S. 28) Im engeren Sinn lässt sich Standortmarketing als kommunale Wirt-schaftsförderung verstehen, da auch die Sicherung der Arbeitsplätze, die Siche-rung der Kaufkraft der Bevölkerung und die Sicherung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer in seinen Aufgabenbereich fallen. (vgl. Konken, 2000b, S. 67)

2.1.4.2 Tourismusmarketing

Im Rahmen des Tourismusmarketing soll die Stadt als Fremdenverkehrsstand-ort positioniert werden. Ziel ist, die Ankünfte und Übernachtungen von Besu-chern, also von Touristen wie auch von Geschäftsreisenden für Tagungen und Kongresse, zu steigern. Kooperationspartner für das Tourismusmarketing sind damit die Leistungsträger vor Ort, wie Hotellerie und Gastronomie, Reise- und Kongressveranstalter und Verkehrsträger, aber auch Zulieferer und andere Dienstleister im In- und Ausland. (vgl. Mensing & Rahn, 2000, S. 28)

2.1.4.3 Innenstadtmarketing

Die Vermarktung der Innenstadt als „Ort des Einkaufens, der Arbeit, der Kul-tur, der Bildung, der Freizeit und des Wohnens“ (Mensing & Rahn, 2000, S.29) ist die Aufgabe des Innenstadtmarketings. Zu seinem Wirkungsbereich gehören z.B. für eine Einkaufsstadt die Förderung des Einzelhandels zur Vitalisierung des Stadtzentrums und das noch stärkere Abstellen der Angebots- und Leistungspalette der Innenstadt auf die Bedürfnisse der Nutzer.

2.1.4.4 Special-Event-Marketing

Die Idee des Special-Event Marketings, also die Nutzung von Ereignissen, wie Konzerte, Messen, Stadtfeste oder Sportveranstaltungen als Marketinginstru-ment, ist nicht mehr neu. Jedoch werden die Ereignisse heute „innerhalb einer integrierten Kommunikation strategisch eingebunden und dienen damit einer zielgeformten und methodischen Vermarktung.“ (Stahmann, 2000, S. 115) Das heißt, Werbebotschaften werden in tatsächlich erlebbare Ereignisse (Entertain-ment) verpackt. Richtig ausgewählt und gut inszeniert sind Events der Grund-stein für einen positiven Imagetransfer und tragen zur Profilierung der Stadt bei. (vgl. Stahmann, 2000, S. 116f)

2.1.4.5 Verwaltungsmarketing

Unter Verwaltungsmarketing oder auch Public Management[28] versteht man, „die am Bürgernutzen orientierte und bürgerfreundliche Führung der Kommunalverwaltung.“ (Mensing & Rahn, 2000, S. 27) Die Ziele des Verwal-tungsmarketings sind, im Konkurrenzvergleich ein gutes Leistungsangebot zu schaffen, die Dienstleistungen der kommunalen Einrichtungen optimal auszu-lasten, ein positives Image dieser Dienstleistungsangebote aufzubauen und die Nutzer mit den Angeboten zufrieden zu stellen. (vgl. Mensing & Rahn, 2000, S. 28) Neue Informations- und Kommunikationsmedien wie das Internet ver-bessern die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern und helfen, die Einwohner in Entscheidungsprozesse einzubinden. (vgl. Schilling, 2000, S. 56; Budäus, 2000, S. 66)

Die Vorstellung, dass kommunale Dienstleistungen vermarktet werden müssen und deshalb von Marketing zu sprechen ist sicherlich etwas verwunderlich. Ist denn eine Stadt mit einem Unternehmen so sehr vergleichbar, dass die betrieb-lichen Marketingbestrebungen so ohne weiteres auf eine Stadt übertragbar sind? Dieser Problematik wird im folgenden Kapitel nachgegangen.

2.2 Das betriebliche Marketing angewandt auf das Marketing von Städten

Im Marketing begannen die Unternehmen nach dem 2. Weltkrieg, ein vielsei-tiges Planungs- und Steuerungsinstrument zu sehen, welches sie darin unter-stützt, die eigenen Zielvorstellungen mit denen der Nachfrager, Kunden oder Käufer in Einklang zu bringen. (vgl. Meissner, 1995, S: 21) Eine allgemein an-erkannte Interpretation des Marketingbegriffes stellte diesbezüglich 1985 die American Marketing Association (AMA) auf:

„Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion and distribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizational objectives. “ [29]

Das ursprünglich auf den Konsumgüterbereich beschränkte Marketing konnte im Laufe der Zeit, wie schon anhand der Definition zu sehen ist, auf weitere Bereiche übertragen werden. Meissner (1995, S. 21) spricht in diesem Zusam-menhang vom Marketing-Broadening (siehe Abbildung 3), welches, ange-fangen beim Konsumgütermarketing über das Marketing für Investitionsgüter und Dienstleistungen auch das Marketing von öffentlichen Unternehmen, wie z.B. Universitäten, Krankenhäusern und Theatern einschließt. Auch soziale Institutionen, meist Non-Profit-Organisations, wie z.B. die Caritas oder das Rote Kreuz, bedienen sich ebenfalls des Marketings. Als Sonderform ent-wickelte sich schließlich das Marketing für Städte, Gemeinden und Regionen. (vgl. Meissner, 1995, S.21) Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen dem Marketing von vornehmlich gewinnorientierten Unternehmen (Business Marketing) und dem Marketing für nicht kommerzielle Einrich-tungen und öffentliche Anliegen (Non-Business-Marketing) Unterschiede be-stehen, da das Business Marketing Gewinnorientierung und stetige, harmoni-sche Unternehmensentwicklung beabsichtigt, das Non-Business-Marketing je-doch vor allem auf gesellschaftsbezogene Tatbestände, in Form des Marketings für Non-Profit-Organisationen oder in Form des Social Marketings, abzielt. (vgl. Schierenbeck, 1998, S. 247)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Prozess des Marketing-Broadening

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Meissner, 1995, S. 24; Schierenbeck, 1998, S. 247)

Diese Unterschiede sind auch der Grund dafür, dass in der Stadtmarkting-Lite-ratur divergierende Meinungen herrschen, ob und inwieweit das betriebliche Marketing auf das Marketing von Städten anwendbar ist. Die Gründe, die einer Übertragung entgegenstehen, sehen viele darin, dass Unternehmen und Städte in vielen Merkmalen nicht übereinstimmen. (vgl. Abbildung 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Charakteristische Merkmale von Unternehmen und Städten

(Eigene Darstellung, inhaltliche Anlehnung an Funke, 1997, S. 13; Fehn & Vossen, 1999,
S. 23; Mensing & Rahn, 2000, S. 23; Meyer, 1999, S.53; Stratmann, 1999, S. 181)

Befürworter einer Übertragbarkeit betonen jedoch, dass in vielen Merkmalen das Konsumgütermarketing und das Stadtmarketing übereinstimmen, (vgl. Mensing & Rahn, 2000, S. 24) sogar in den allgemeinen Grundprinzipien des klassischen Markenartikelmarketings.[30] Nach Zerweck (1997, S.53) muss das Begreifen des Stadtmarketings als moderne Methode des Stadtmanagements dazu führen, „sich der vielfältigen Denkansätze und Methoden des unterneh-mensbezogenen Marketings“ zu bedienen. Das Marketing ist in diesem Sinne ähnlich zu übernehmen, wie andere Instrumente der Betriebswirtschaftslehre, z.B. Kostenrechnung, Controlling, Personalmanagement und Organisationsent-wicklung. (vgl. Funke, 1997, S.17) Der Kern der Marketingbemühungen be-steht sowohl beim betrieblichen Marketing als auch beim Marketing von Städten und Gemeinden in der Kundenorientierung, d.h. erstens in der Orien-tierung am Kunden, die durch eine Analyse der Kundenbedürfnisse erzielt wird, und zweitens einer Orientierung auf den Kunden, die durch die Schaf-fung eines zielgerechten Angebotes erreicht wird. (Beyer & Kuron, 1995,S. 139)

Da sich Städte untereinander, genau wie Unternehmen in der Marktwirtschaft, im Wettbewerb um Wirtschaftskraft, Bevölkerungspotential und Lebensquali-tät für die Bürger befinden, ist eine Übertragung des betrieblichen Marketings auf das Stadtmarketing sicherlich letztendlich zu befürworten. (vgl. Meidel, 1991, S. 27) Vor einer deckungsgleichen Übertragung sollte, wie zuvor auf-gezeigt (vgl. Abbildung 4), jedoch gewarnt werden. (vgl. Mensing & Rahn, 2000, S. 24)

2.3 Philosophie des Stadtmarketings

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben oder die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Dieser Ausspruch von Antoine de Saint-Exupéry steht perfekt für die Philoso-phie des Stadtmarketings, denn das Stadtmarketing soll in Städten das gemein-same Arbeitsprinzip aller sein. Ohne Partizipation, Kooperation und Vision, vor allem ohne ein gemeinsames Interesse der beteiligten Akteure an ihrer Stadt ist das Stadtmarketing nicht durchzuführen. (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 60; Konken, 1996, S. 31) Hierbei ist wichtig, dem Wandel aufgeschlossen gegenüber zu stehen, Bereitschaft zur Selbstkritik, ferner zu langfristigem Denken mitzubringen und über Demokratieverständnis zu ver-fügen. (vgl. Konken, 2000b, S. 54f) Ein Austausch zwischen Individuen und Organisationen ermöglicht vorrangig „eine gemeinsame Gestaltung des Le-bensraumes Stadt in partizipativer und kooperativer Zusammenarbeit“. (Konken, 2000b, S. 54) Deshalb muss die Stadt als Ganzes betrachtet werden, damit Aktionen einzelner Stadtteile nicht wuchern. Die Einwohner brauchen angenehme Wohn- und Arbeitsverhältnisse, die Unternehmen einen interessan-ten Standort. (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 60)

Verbesserungen am Produkt sowie eine ausgeprägte Dienstleistungsorientie-rung werden durch eine entsprechende Stadtmarketingphilosophie gefördert. Orientierung an den Bedürfnissen der Nachfrager, Bürgernähe, Kostenbe-wusstsein, Effizienz, Schnelligkeit oder auch Fachkompetenz sind Qualitätsin-dikatoren für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung.

2.3.1 Ziele und Strategien des Stadtmarketings

Immer dann, wenn etwas strategisch, also auf lange Sicht geplant wird, müssen Ziele festgelegt werden, die die Richtung der Strategien und Maßnahmen aus-loten. Freilich wird eine Stadt an ihren ganz spezifischen Zielen festhalten und als Basis für das künftige Stadtmarketing benutzen. Dennoch gibt es allge-meine Ziele des Stadtmarketings, die sich in vielen Städten wiederfinden.

Stadtmarketing ermöglicht in erster Linie eine „vorausschauende Stadtent-wicklungsplanung“ (Stratmann, 1999, S. 185). Die Abläufe in einer Kommune müssen koordiniert und die Zusammenarbeit zwischen wichtigen Handlungs-trägern in der Stadt optimiert werden. Auch Partizipation von Einwohnern, Vereinen, Institutionen und Organisationen sollte berücksichtigt sowie alle Bereiche, wie Wirtschaft, Einzelhandel, Tourismus, Wissenschaft, etc. unter dem Dach des Stadtmarketing in die Planung und Entwicklung einbezogen werden (vgl. Konken, 2000a, S.35). Auf diese Weise können Synergien genutzt und Doppelarbeit vermieden werden. (siehe Abbildung 5)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Koordinierte Abläufe durch Stadtmarketing

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Konken, 1996, S.18)

Mit Hilfe der vorausschauenden Stadtentwicklungsplanung haben zuständige Ämter und private Kooperationspartner zudem eine handhabbare Grundlage für strategische Entscheidungen, so dass Akzeptanz bei Bürgern und Politikern für stadtentwicklungspolitische Maßnahmen geschaffen werden kann. (vgl. Strat-mann, 1999, S. 185) Auch die „Durchsetzung lokaler Interessen und Entwick-lungsziele gegenüber überlokalen Stellen“ (Stratmann, 1999, S. 174), z.B. dem Land, dem Bund und der EU, gehört ebenfalls zu den Zielsetzungen. Stadt-marketing will jedoch nicht nur die Stadtentwicklung vorausplanen, sondern mit gezielten Maßnahmen direkt eingreifen. Meffert fasst diese Zielsetzung fol-gendermaßen zusammen:

„Städtemarketing beabsichtigt, die Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen externer und interner Zielgruppen durch geeignete Maßnahmebündel zu beeinflussen, um die einzelnen Anspruchsgruppen zur Vornahme bestimmter Austausch-beziehungen zu veranlassen.“ (Meffert, 1989, S. 274)

Externe Ziele umfassen die Förderung des Images einer Stadt durch Erhöhung des Bekanntheitsgrades und der Attraktivität (vgl. Zentes, 1996, S. 203). Diese Imageförderung sucht die Stadt nach außen als einzigartig und unverwechselbar darzustellen und sie so zu positionieren, dass sie sich durch ihre „Unique Selling Proposition (USP)“ von anderen Städten vorteilhaft ab-hebt. Städte, die diese Ziele hervorragend umgesetzt haben, sind z.B. Hamburg – die Musicalstadt, Köln – die Medienstadt oder Bayreuth – die Festspielstadt. Aber nicht nur eine Verbesserung des Stadtimages sollte ein wesentliches Ziel sein, auch an seine Verbreitung sollte gedacht werden. Hierbei kommen vor allem Einwohner der eigenen Stadt als Multiplikatoren in Frage. Denn es gibt niemanden, der glaubwürdiger wirkt, als die Einwohner der Stadt selbst.

Dabei spielen die internen Ziele des Stadtmarketings, also die Ziele für interne Anspruchsgruppen, eine wesentliche Rolle. Sie gründen sich auf der Identifi-kation der Bürger mit ihrer Stadt und fördern das Verständnis der Bürger für kommunale Leistungen und Kosten. (vgl. Zentes, 1996, S. 203) „Da in einer mobilen, großstädtischen Gesellschaft Ortsverbundenheit ein knappes Gut ist“ (Stratmann, 1999, S. 7), muss folglich versucht werden, mit Hilfe von übertra-genen Methoden des internen Marketings aus der Unternehmensführung, also durch Schaffung einer „Corporate Identity“, bzw. „City Identity“ die Bürger an die Stadt zu binden. Verständnis der Bewohner für kommunale Leistungen und Kosten kann zudem z.B. durch „Steigerung der Effektivität von Einrichtungen und Maßnahmen zur Stadtentwicklung“ (Kuron, 1997, S.4) oder durch „bes-sere Nutzung und Lenkung städtischer Ressourcen“ (Kuron, 1997, S. 4) ver-wirklicht werden, da so die Bürger merken, dass verantwortungsbewusst mit „ihrem“ Geld umgegangen wird. „Die Umgestaltung kommunaler Verwal-tungen zu kunden- und investorenfreundlichen Dienstleistungsunternehmen“ (Stratmann, 1999, S. 7) im Rahmen des Verwaltungsmarketings und damit die Verbesserung der Kundenzufriedenheit tragen ebenfalls dazu bei, die internen Ziele zu verwirklichen.

Über die externen und internen Ziele hinaus hat eine Stadt sicherlich auch, ge-nau wie ein gewinnorientiertes Unternehmen, wirtschaftliche Ziele, z.B. das Gewinnen von „konsumfähigen“ Bevölkerungsgruppen und das Anlocken von Besuchern, Touristen und Investoren.

Bei der Zusammenarbeit im Verlauf des Stadtmarketingprozesses sind „Inte-ressenskonflikte kompromißhaft zu lösen“ (Stratmann, 1999, S. 174) und „Zie-hen an einem Strang“ als weiteres Ziel, sogar als Oberziel über dem ganzen Stadtmarketingprojekt zu beachten. Gelingen kann der Stadtmarketingprozess nur, wenn die am Anfang einmal gesteckten Ziele genau verfolgt werden. Jedoch ist zu beachten, dass der Prozess „trotz klarer Zieldefinition nicht auf eine Finalität hin angelegt ist.“ (Beyer & Kuron, 1995, S. 141)

2.3.2 Stadtmarketing als stetiger Prozess: Das 10K-Modell

Das 10K- Modell stellt den Stadtmarketingprozess als Spirale dar. Dies soll be-tonen, es sich um einen permanenten Change-Management-Prozess handelt. Die zehn Komponenten des 10K-Modells sollten in allen Städten als Grundlage für die Stadtmarketingplanungen dienen, obwohl die eigentlichen Prozesse sicherlich in jeder Stadt entsprechend den vorzufindenden Bedingungen unter-schiedlich ausfallen.

Die Komponenten des 10K-Modells (vgl. Abbildung 6) können, ähnlich wie die bereits erwähnten Standortfaktoren, ebenfalls in „harte“ und „weiche“ Fak-toren unterteilt werden. (vgl. Kuron, 1997, S. 12) Die weiche Ebene kristalli-siert sich durch kommunikative Bereiche heraus. Zu ihr gehören daher

- die Kommunikation als Grundvoraussetzung für die Austausch-prozesse nach innen, wie nach außen
- der Konsens als Vorraussetzung für Leitbild- und Maßnahmen-formulierung
- die Kreativität zur Findung innovativer Wege und Maßnahmen
- die Kooperation zur Freisetzung von Synergieeffekten
- die Kontinuität zur Erhaltung eines permanenten Prozesses

Die harte Ebene, die arbeitsmäßig koordinierende, umsetzungsorientierte Ebene, umfasst

- die Kundenorientierung als Richtschnur aller Aktivitäten
- die Koordination als Grundvoraussetzung einer organisierten Zusammenarbeit
- die Konzeption, durch die klare Ziele festgelegt werden
- die Kampagne, in der die Maßnahmen umgesetzt werden
- die Kontrolle, die den Erfolg im Sinne der Kundenorientierung bestätigt oder Ansatzpunkte für Verbesserungen ans Tageslicht bringt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Das 10K-Modell des Stadtmarketing

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kuron, 1997, S. 11)

Die zehn Komponenten des 10K-Modells stellen Erfolgsfaktoren für das Ge-lingen eines Stadtmarketingprojektes dar. Werden diese vernachlässigt, ist mit Schwierigkeiten bei der Durchführung des Stadtmarketingprozesses zu rech-nen, auf die im folgenden Punkt genauer eingegangen wird.

2.3.3 Schwierigkeiten und Risiken des Stadtmarketings

2.3.3.1 Grundverständnis des Stadtmarketingbegriffes

So vielfältig wie die Formen und Definitionen von Stadtmarketing in der Pra-xis sind, so vielfältig sind auch die damit verbundenen Probleme. Bereits das Grundverständnis des Stadtmarketingbegriffes[31] klafft in Theorie und Praxis oft so weit auseinander, dass eine falsch-verstandene Idee des Stadtmarketings negative Folgen für den ganzen Prozess hat. Die Beteiligten sollten sich daher im vorhinein genauestens mit der Definition auseinandersetzen und Vorstel-lungen aufeinander abstimmen. Manche Städte verstehen z.B. unter Stadtmar-keting nur „für die Stadt werben“ oder „Bürger informieren“ (Grabow & Holl-bach-Grömig, 1998, S. 62). „Hier wird das Stadtmarketing auf Kommuni-kationspolitik reduziert“ (Mensing & Rahn, 2000, S. 25) und entspricht nicht dem ganzheitlichen Stadtmarketinggedanken.

2.3.3.2 Pluralität der Willensbildung und fehlende Kommunikations-bereitschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Die Stadt im Spannungsfeld

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Konken, 2000a, S. 18)

Trotzdem ist kommunizieren zwischen den Akteuren, wenn es auch oft schwer fällt, ein sehr wichtiger Aspekt, da die Entscheidungsträger sehr heterogene Gruppen mit häufig divergierenden Zielsetzungen darstellen. Oft gelingt es aufgrund der „Pluralität der Willensbildung“ (vgl. Abbildung 7) schon gar nicht, die Zielsetzungen zu kanalisieren und einen Grundkonsens zu finden (vgl. Meffert, 1989, S. 274). Gegenseitiges Misstrauen, Ungeduld oder das Ge-fühl der Machtlosigkeit können die Kommunikationsbereitschaft der Akteure einschränken. (vgl. Fehn & Vossen, 1999, S. 72) Professionelle Moderation in-nerhalb des Teams ist daher ein Muss, damit gutgemeinte Demokratie nicht ausufert und dadurch entstehende „Debattierclubs“ (Baedeker, 1997, S. 24) vermieden werden. Eine Auftaktveranstaltung, zu der auch die Bürger eingela-den sind, ist zudem ein Hilfsmittel, Ideen und Vorstellungen für einen Stadt-marketingprozess aufzuzeigen und gleichzeitig die aktive Mitarbeit der Bürger zu fördern. Denn Information für alle Interessensgruppen im Stadtmarketing-prozess ist sicherlich das wichtigste Mittel zum Erfolg. Fehlt sie, ist mit Unverständnis bei der Durchführung des Stadtmarketings zu rechnen.

2.3.3.3 Dominanz einzelner Gruppen

Es besteht zudem die Gefahr, dass starke Gruppen zu dominant ihre persönli-chen Vorstellungen im Entscheidungsprozess vertreten. „Gesellschaftliches Engagement und professionelle Interessenwahrnehmung“ (Konken, 2000b,S. 391) wären gewünschte Eigenschaften der Akteure. Manchmal lassen sich jedoch eher „persönliches Statusdenken, der Drang nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, sowie ökonomische Interessen“ (Konken, 2000b, S. 391) feststellen. Einer Dominanz bestimmter Gruppen lässt sich entgegenwirken, wenn sich alle relevanten Gruppen einer Stadt, parteiübergreifend am Stadt-marketing beteiligen. Anderenfalls erhalten nur die Gruppen, „die ohnehin schon oft auf viel Gehör bei der Stadt stoßen, zum Beispiel der Einzelhandel in der City, noch mehr Raum bei der Durchsetzung ihrer Vorstellungen.“ (Stratmann, 1999, S. 230).

2.3.3.4 Nachlassen von Interesse für den Prozess

Da Stadtmarketingprozesse sehr zeitaufwendig sind, erlahmt leicht das Inte-resse einiger Akteure und Treffen „schlafen ein“. Der Ausstieg von Personen aus den Arbeitsgruppen und ein damit einhergehender Personenwechsel aber sind Risiken, die eine professionelle Arbeit behindern. (vgl. Konken, 2000b, S. 391). Neben mangelnder Qualifikation, Kompetenz und Erfahrung (vgl. Tietzel, 1999, S. 10) ist sicherlich diese fehlende oder nachlassende Motivation ein Hauptproblem während eines Stadtmarketingprozesses, obwohl vielmehr ein „langer Atem“ nötig ist.[32] Wenig Erfolg verspricht, den Stadtmarketing-prozess künstlich abzukürzen oder durch kurzfristige Aktionen, z.B. Festivalisierung der Politik,[33] zu beschleunigen. (vgl. Baedeker, 1997, S. 24) Oft sind langfristige Marketingplanungen unvermeidbar, da kurzfristige Ände-rungen in Bereichen, wie z.B. der Stadtarchitektur, der Einzelhandelsland-schaft, den Wahrzeichen der Stadt oder der Mentalität der Bevölkerung kaum durchführbar sind. (vgl. Meffert, 1989, S. 279)

Betrachtet man die langen Zeiträume, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Finanzierung eines so langfristigen Projektes Schwierigkeiten mit sich bringt. Eine Förderung durch den Bund erfolgte laut einer Umfrage bei weniger als 10% der Projekte, eine Förderung durch die Länder nur in 25%. (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig, 1998, S. 85) Treten zudem nur wenig Unternehmen im Rahmen eines Public-Private Partnership als Geldgeber auf, muss die Kontinui-tät eines Stadtmarketingprojektes sicherlich in Frage gestellt werden. Alle am Stadtmarketing Mitwirkenden müssten sich an der Finanzierung beteiligen. So würden sie sich stärker engagieren, weil sie ihr Geld ja sinnvoll oder sogar ge-winnbringend anlegen wollen. Nichts ist jedoch ärgerlicher, als sich mit viel Mühe und Geld einzusetzen und „Trittbrettfahrern“ ebenfalls die Kasse zu fül-len. „Nutznießer eines funktionierenden Stadtmarketing sind alle“ (Konken, 2000b, S. 391). Daher sollten auch alle das finanzielle Risiko tragen und die Arbeit leisten.

2.3.3.5 Die Stadt als gewinnbringendes Unternehmen

Stadtmarketing kann sicherlich nicht als Ersatz für Kommunalpolitik gesehen werden. Obwohl bestehende Machtstrukturen durch neue Marketingkonzepte wahrscheinlich berührt werden, darf dabei jedoch nicht eine Art „Nebenregie-rung“ entstehen. Dies wäre der falsche Ansatz, der auch weder das Vertrauen der Politiker, noch deren Unterstützung fände. Auf diese Weise würden auch zusätzliche Entscheidungen verzögert, notwendiges Handeln unnötig ver-schoben. (vgl. Baedeker, 1997, S.23; Stratmann, 1999, S. 229)

Ein weiteres Risiko sehen Kritiker darin, im Rahmen des Stadtmarketings die Stadt nur noch zum gewinnbringenden, imageorientierten Unternehmen zu ma-chen. Soziale Probleme würden auf diese Weise nicht gelöst. Wo blieben da z.B. die Obdachlosen, die nur noch unter dem Aspekt der Störung eines schönen Stadtbildes betrachtet würden? Die Aufgabe der Akteure eines Stadt-marketingkonzeptes ist es daher, sich als Ergänzung zu bestehenden Ämtern zu sehen und nicht, diese ersetzen zu wollen.[34]

In der Professionalisierungsspirale sieht Stratmann (1999, S. 231) eine weitere Gefahr, die die Konkurrenz unter den Städten und Gemeinden verschärfen könnte. Da die Kosten für ein ganzheitliches und gut funktionierendes Stadt-marketing sehr hoch sind, folgt, dass sich nicht alle Städte ein solches leisten können. Auf diese Weise blieben Städte ohne Stadtmarketing als Verlierer auf der Strecke.

[...]


[1] Dies stellt auch Schuster (1997, S. 95) im Rahmen seiner Diplomarbeit fest, der die Stadt-marketingbestrebungen der Stadt Überlingen dokumentiert.

[2] Stand: 31. Oktober 2000 (vgl. Stadt Deggendorf, 2001b).

[3] Konkurrenz um die Touristen aus dem Bayerischen Wald droht aus Regensburg. Promotion-teams der Werbegemeinschaft Regensburg schlugen im August 2001 Infostände in Lam, am Großen Arber, in St. Engelmar und Bodenmais auf, um für Tagesausflüge nach Regensburg zu werben. Ein Gewinnspiel soll die Touristen zusätzlich locken. (o.V., 2001d)

[4] Dieser Slogan war zu lesen, als die Bayerische Staatsregierung die Stadt Deggendorf im Rah-men der Aktion „Umweltbewusste Gemeinde“ mit Gold ausgezeichnet hatte.

[5] Vgl. hierzu den Artikel„Konsumflaute im Einzelhandel: Der Stellenabbau geht weiter“, in dem beschrieben wird, dass die ganze Branche mit einem „Nullwachstum“ rechnet und erst Mitte 2002 eine Konjunkturbelebung erwartet. (vgl. Zapke, 2001) Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.2.7 (S. 10).

[6] Vgl. hierzu den Artikel „Deggendorf ein teures Pflaster“ (o.V., 2001b). Siehe auch Fußnote 77 (S. 50).

[7] Vgl. hierzu den Artikel „„Wohnen am Alten Rathaus“: Für die Stadt zu teuer?“ (Buchmann, 2001) in dem es um ein Grundstück in der Innenstadt geht, auf dem ein Wohnhaus geplant ist. Zahlen wie z.B. DM 5.500 und DM 6.000 für den Quadratmeter werden hier genannt.

[8] Vgl. hierzu Fußnote 82 (S. 51).

[9] Vgl. hierzu die Akteure des Stadtmarketings in Kapitel 3.1 (S. 28f).

[10] Vgl. hierzu unter anderem folgende Schlagzeilen in der Deggendorfer und der Osterhofener Zeitung: „Rechtsradikale zetteln mit fremdenfeindlichen Parolen Schlägerei an“ (o.V., 2000a), „Krawall: Polizei musste Rechtsradikalen fesseln“ (o.V., 2000b), „Rechtsradikale schlagen Mann“ (o.V., 2001a), „Rechtsradikale Schläger rangeln mit Polizisten um die Dienstwaffen“ (Heinritz, 2001), „Schlägerei: Polizeibeamte nehmen zwei Rechtsradikale fest“ (Ketterl, 2001).

[11] „Wer die Bedürfnisse der Kunden und des Handels in der Stadt ernst nimmt, muß den Stand-ortfaktor „Sicherheit“ auch bei der Entwicklung einer Stadtmarketing-Konzeption berück-sichtigen“, im Rahmen eines Sicherheitsmarktings. (Mokros, 1997, S. 111f)

[12] Vgl. zu dieser Problematik Kapitel 2.2 (S. 16).

[13] Vgl. Kapitel 2.1.4 (S. 13).

[14] Unter Public-Private Partnerships (PPPs) versteht man die Zusammenarbeit des privaten Sektors und der Kommune an Projekten. Durch sie entstehen für den privaten Sektor neue Gewinnchancen. Die Kommune kann bestehende Einrichtungen erhalten oder neue realisieren. (vgl. Mayer, 1994, S. 440) Zur Anwendung der Public-Private Partnerships in Projekten zur Stadtentwicklung siehe auch Schultes, 2000, S. 159-166.

[15] Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Osten, der Verlust von Unternehmen am eigenen Standort, die auf Standorte in Billiglohnländer ausweichen, oder die Anspruchsänderungen der Touristen bei der Auswahl ihrer Reiseziele, sind nur einige wenige Beispiele.

[16] Zum Wandel der Industriezweige vgl. Jänig, 1997, S. 132f.

[17] Beate Eckhardt (Koordinationsstelle Wohnstadtmarketing Winterthur, Schweiz): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Lebensqualität, Bildungs- und Kulturangebot spielen bei der Wohnortwahl eine entscheidende Rolle.“ (vgl. Stadtmarketing Winterthur, 2001)

[18] Z.B. der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. (vgl. Funke, 1997, S. 11)

[19] Vgl. hierzu Kapitel 4.2.2.3 (S. 45).

[20] Stadtmarketing z.B. steht zum einen als Oberbegriff für verschiedene Ansätze wie Regio-nalmarketing, Stadtmarketing und Citymarketing. Zum anderen wird der Begriff verwendet, wenn ein Marketingkonzept eine ganze Stadt betrifft, im Gegensatz zu Marketingbestrebungen von einzelnen Stadtteilen. (vgl. Zerweck, 1997, S.39)

[21] „A large and important town“ (vgl. Crowther, 1995, S. 193).

[22] In der Literatur wird diesem Rat nur wenig gefolgt. Der englische Begriff City Marketing wird größtenteils weiterhin in der deutschsprachigen Literatur in seiner deutschen Bedeutung als Innenstadtmarketing verstanden. (vgl. z.B. Fehn & Vossen, 1999, S. 27; Helbrecht, 1994,
S. 3; Homann, 1997, S. 39; Tietzel, 1999, S. 5)

[23] Unter Handlungsfeldern versteht man Bereiche, die thematisch zusammengehören. Dies kön-nen im Rahmen des Marketings u.a die Bereiche Tourismus, Wirtschaft, Kultur, Infrastruktur, Innenstadt, Verwaltung, Freizeit, Wohnen oder Wissenschaft sein. Handlungsfelder werden für jede Stadt oder jede Region individuell festgelegt und gemäß den Wünschen und Vorstel-lungen der Akteure definiert. (vgl. Konken, 2000a, S. 104; Konken, 2000a, S. 83ff)

[24] In einem zusammenwachsenden Europa können sich kleinere Städte immer schlechter be-haupten. Da besonders große Städte wahrgenommen werden, ist es wichtig, das Augenmerk stärker auf Regionen zu legen und kleine Städte in einem Regionalmarketing zu integrieren.

[25] Innerhalb der EU gibt es Euro-Regionen. In Deutschland gelten die Bundesländer als Regio-nen. Die Landesregierung eines jeweiligen Bundeslandes unterteilt ihr Gebiet wieder in ein-zelne Regionen. Balderjahn (1994, S. 19) sieht Regionen sogar als „historisch gewachsene Ein-heiten, kulturell und wirtschaftlich verflochtene geographische Räume, die sich auch unab-hängig von Landes-, Kreis- und Stadtgrenzen herausbilden und Bestand haben.“

[26] Z.B Zusammenarbeit in den Handlungsfeldern Sport und Freizeit, Nutzung von Synergien im Verkehrs-, Wirtschafts- und Wissenschaftsbereich (vgl. Konken 2000a, S. 48f) oder Koope-rationen im Tourismus oder kulturellen Bereich, wie z.B. in Kärnten mit der Kärnten Card.

[27] Als positives Beispiel nennen hier Fehn & Vossen (1999, S. 29) den Regionennamen „Frankfurt-Rhein-Main“, als negatives Beispiel „Rhein-Neckar-Dreieck“, da hier ein Stadt-name als Imageträger fehlt.

[28] Genaueres zu Public Management vgl. Wiechula, 2000, S. 67ff.

[29] Im Deutschen: Marketing ist der Prozess der Planung und Umsetzung der Entwicklung, Preissetzung, Kommunikation und Distribution von Ideen, Gütern und Dienstleistungen zur Er-möglichung von Austauschprozessen, die die individuellen und organisationsbezogenen Ziel-setzungen befriedigen.

[30] Vgl. zu den allgemeinen Grundprinzipien Meffert, 1989, S. 274.

[31] Vgl. hierzu die Kapitel 2.1.1 (S. 5), 2.1.3 (S. 11) und 4. (S. 35).

[32] Konken nennt hier einen Zeitraum von 3-4 Jahren für Konzept- und Konkretisierungsphase. Kleine Erfolge sind sicherlich erst nach frühestens 5 Jahren zu verzeichnen, wenn die öffent-liche Präsentation der Gesamtkonzeption, die Einführung eines neuen visuellen Erscheinungs-bildes und die ersten großen Events vonstatten gingen. Weitere fünf Jahre werden benötigt, bis sich größere Erfolge abzeichnen. (vgl. Konken, 2000b, S. 390)

[33] Unter Festivalisierung versteht man „die Konzentration stadtentwicklungspolitischer Aktivi-täten auf die Planung, Organisation und Durchführung großer Projekte.“ (Stratmann, 1999,
S. 171) Ziel ist hier vorrangig nicht, ein großes Ereignis in der eigenen Stadt durchzuführen, sondern der Versuch, Stadtpolitik durch Großereignisse zu betreiben.

[34] Der beschriebenen Gefahr ist jedoch entgegenzusetzen, dass unser System, im Vergleich zu Ländern wie England oder USA, nicht dazu neigt, ins Extreme auszuschlagen und ganze Be-völkerungsteile als uninteressant abzustempeln. Gesetze schieben hier einen Riegel vor. Den-noch könnten Public-Private Partnerships dazu führen, dass im Rahmen des Stadtmarketings ärmere Bevölkerungsgruppen weniger Beachtung finden. (vgl. Stratmann, 1999, S. 230) Eine Möglichkeit, wie man hier entgegenwirken könnte, zeigt z.B. die soziale Straßenzeitung „Donaustrudel“ in Regensburg auf. (vgl. Sozialer Arbeitskreis e.V., 2001)

Excerpt out of 97 pages

Details

Title
Stadtmarketing.Theoretische Grundlagen und praktische Kooperationen in der Stadtentwicklungspolitik am Beispiel der Stadt Deggendorf
College
University of Applied Sciences Deggendorf
Grade
1,0
Author
Year
2001
Pages
97
Catalog Number
V314064
ISBN (eBook)
9783668129788
ISBN (Book)
9783668129795
File size
2363 KB
Language
German
Notes
Die Diplomarbeit wurde mit dem Dieter-Görlitz-Preis ausgezeichnet. Die Autorin wurde als zweitbeste Absolventin des Jahrganges von der Fachhochschule geehrt.
Keywords
Stadtmarketing, Deggendorf, Tourismus, Stadtentwicklung
Quote paper
Kathrin Winner (Author), 2001, Stadtmarketing.Theoretische Grundlagen und praktische Kooperationen in der Stadtentwicklungspolitik am Beispiel der Stadt Deggendorf, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314064

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