Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
II Abkürzungsverzeichnis
III Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Werbung
2.1 Definition Werbung
2.2 Wahrnehmung von Werbung
2.2.1 Definition Wahrnehmung
2.2.2 Wahrnehmungsprozesse und ihre Besonderheiten
2.2.3 Grundmodell der Kommunikation
2.2.4 Spiegelneuronen
3 Codes
3.1 Definition Code
3.2 Verknüpfung zwischen Motiven und Produkten
3.3 Die vier Arten von Codes
3.3.1 Sprache
3.3.2 Geschichten
3.3.3 Symbole
3.3.4 Sensorische Codes
3.4 Bedeutung von Codes für das Marketing
3.4.1 Bedeutung von Codes allgemein
3.4.2 Brand Code Management
4 Geschmacks- und Geruchssinn
4.1 Geschmackssinn
4.2 Geruchssinn
5 Geschmacks- und Geruchserlebnisse in der Werbung
5.1 Codierung von Geschmacks- und Geruchserlebnissen
5.1.1 Nahrungsmittel
5.1.2 Getränke
5.2 Geschmacks- und Geruchserlebnisse in der Werbung
6 Schlussbetrachtungen
IV Literaturverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
III Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Elemente im Kommunikationsprozess
Abb. 2: Newton-Pendel als Veranschaulichung zur Rekodierung im Kopf eines Menschen
Abb. 3: Die Haupt-Emotionssysteme im Gehirn
Abb. 4: Signale sind Bedeutungsträger
Abb. 5: Beispiel-Werbungen für das Schließen der Augen
Abb. 6: Beispiel-Werbungen für Schriftzüge
Abb. 7: Werbung für Golden Toast
Abb. 8: Beispiel- Werbungen für die Ausdrücke „mmmh“ und „aaahh“
Abb. 9: Beispiel-Werbungen für das tiefe, genussvolle Einatmen
1 Einleitung
1.1. Zielsetzung
Im heutigen Kommunikationszeitalter erreicht eine Flut von Produktwerbung den Endverbraucher über viele Kanäle und Medien. Ein in Deutschland leben-der Mensch erhält täglich durchschnittlich 2000 Werbebotschaften,1 u.a. durch Anzeigen in Printmedien und Mailings. Jährlich wird er mit etwa zwei Millionen Werbespots2 konfrontiert. Bei dieser Fülle an Werbung ist es für einen Herstel-ler wichtig, sich in seiner Markenkommunikation von der Konkurrenz abzuheben.
Besonders bei Nahrungsmitteln und Getränken in der TV-Werbung ist ein ge-lungener Werbeauftritt von hoher Bedeutung, da der Betrachter das beworbene Produkt weder direkt probieren, noch an diesem riechen kann. Da er nur über optische oder akustische Signale angesprochen werden kann, 3 müssen gustatorische und olfaktorische Eigenschaften eines Nahrungsmittels / Ge-tränks codiert dargestellt werden. Wie diese Codierung aussehen kann und welche Geschmacks- und Geruchserlebnisse in der Fernsehwerbung darge-stellt werden können, ist das Thema dieser Arbeit.
1.2. Aufbau der Arbeit
Nachdem zunächst die Werbung und ihre Wahrnehmung definiert worden sind, folgen Erläuterungen der unterschiedlichen Arten von Codes, ihrer Verbindung zu den Motiven des Menschen und ihre Bedeutung. Schließlich werden der Ge-schmacks- und der Geruchssinn definiert, womit die theoretischen Grundlagen für das Thema gelegt sind.
Im folgenden Teil wird zunächst dargestellt, wie Geschmacks- und Geruchser-lebnisse in der Fernsehwerbung codiert werden, und danach wird zusammen-getragen, welche Erlebnisse durch Werbung übermittelt werden können. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Schlussbetrachtung.
2 Werbung
In diesem Kapitel werden die Begriffe Werbung (2.1) und Wahrnehmung (2.2.1) definiert. Nach der Analyse von Wahrnehmungsprozessen und ihrer Besonder-heiten (2.2.2), wird das Grundmodell der Kommunikation erläutert (2.2.3) und das Phänomen der Spiegelneuronen wird erklärt (2.2.4).
2.1. Definition Werbung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten den B egriff „Werbung“ zu definieren.
Laut Kroeber-Riel versucht sie, das Verhalten mit Hilfe von besonderen Kom-munikations- / Werbemitteln zu beeinflussen.4
Lachmann sagt darüber, dass sie „der Teil der Marktkommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager (ist), welcher vor dem Kauf selbst erfolgt.“.5
Scharf, Schubert und Hehn deuten Werbung als Versuch, mit Hilfe von Werbe-mitteln in bezahlten Werbemedien unternehmensspezifische Zielgruppen anzu-sprechen und zu beeinflussen, wobei sie eine unpersönliche Form der Massen-kommunikation darstellt. 6 Diese Art der Massenkommunikation wird zudem fernab von dem Verkaufsort durchgeführt und hat zum Ziel, den Bekanntheits-grad eines Produktes zu steigern, dessen Image zu beeinflussen und den Um-satz zu steigern.7
Man unterscheidet außerdem zwischen medialer Werbung und Direktwerbung. Bei der Direktwerbung werden ausgewählte Personen gesondert angesprochen. Medienwerbung hingegen kann über Fernsehen, Rundfunk und Druckmedien erfolgen 8 und spricht ein Massenpublikum an. In dieser Arbeit wird nur die Fernseh-Werbung berücksichtigt.
2.2 Wahrnehmung von Werbung
Es reicht nicht, eine Werbung zu schalten, es sollte auch bedacht werden, wie diese wahrgenommen und interpretiert wird, damit diese erfolgreich sein kann. Jeder Mensch kann die gleichen Dinge oder Situationen auf verschiedenste Weisen interpretieren (siehe 2.2.3).
2.2.1 Definition Wahrnehmung
Die Wahrnehmung ist ein zentraler Prozess der Informationsverarbeitung. Um-weltreize, die von einem Individuum aufgenommen werden, werden dabei se-lektiert, decodiert und so umgewandelt, dass sie einen Sinn erhalten.9
Anders formuliert: Wahrnehmung ist die Reizverarbeitung durch den Empfänger. Der Reiz kommt hierbei aus dem Umfeld des Empfängers und ist mit dessen Sinnen zu erfassen.10 Nach Berndt dauert sie im Allgemeinen nur wenige Se-kunden bzw. Millisekunden.11
Wahrnehmung folgt auf Sinneseindrücke auf die unsere fünf Sinne direkt rea-gieren. Sie ist der Prozess, bei dem diese Eindrücke selektiert, organisiert und interpretiert werden.12
2.2.2 Wahrnehmungsprozesse und ihre Besonderheiten
Um Wahrnehmungsprozesse verstehen zu können, muss man drei innere Vor-gänge beachten: Subjektivität, Aktivität und Selektivität.13
Jedes Individuum hat seine subjektive Art die Welt wahrzunehmen. Diese sub-jektiv wahrgenommene Umwelt kann mehr oder weniger stark von der persönli-chen Umwelt anderer Individuen abweichen.14 Die eingehenden Reize und In- formationen werden unterschiedlich interpretiert und bewertet, je nachdem wie der Konsument persönlich darauf reagiert bzw. dazu eingestellt ist.15
Wahrnehmung läuft nicht nur passiv ab, indem von außen kommende Reize aufgenommen werden, die Informationen werden aktiv aufgenommen und ver-arbeitet. Dadurch konstruiert sich jedes Individuum seine persönliche Welt.16
Ebenso unterliegt der Wahrnehmungsprozess der Selektivität. Dies bedeutet, dass die aufgenommenen Reize und Informationen bewältigt werden und aus der großen Anzahl der Sinneseindrücke ein kleiner Teil ausgewählt wird.17 Das hat den Grund, dass das Kurzzeitgedächtnis des Einzelnen nur eine begrenzte Kapazität hat, um Informationen zu verarbeiten. Eine Reizüberlastung wird so-mit vermieden.18
Damit ein neues Produkt auf dem Markt erfolgreich sein kann, ist es aufgrund der gleichzeitigen Subjektivität und Selektivität im Wahrnehmungsprozess wich-tig, ob die Zielgruppe die neuen objektiven Produkteigenschaften eines Produk-tes, wie z.B. einen leiseren Lüfter und ein stabileres Gehäuse einer externen Festplatte, überhaupt wahrnimmt und auch, ob diese Anpassungen auch eine persönlich wahrgenommene Verbesserung der Qualität des Produktes sind.19
Damit ein Wahrnehmungsprozess überhaupt stattfinden kann, ist Aufmerksam-keit ein wichtiger Faktor. Nicht jedem Prozess wird vollständige Aufmerksamkeit zugestanden. Reize können auch mit wenig Aufmerksamkeit, also nebenbei, wahrgenommen werden. Permanent findet ein Scanning unbewusst registrierter Reize statt, das durch die Aufmerksamkeit, die ihren Fokus auf einen bestimm-ten Reiz legt, unterbrochen wird. Dadurch fungiert die Aufmerksamkeit quasi als Filter für bestimmte Reize, indem sie diese selektiert.20
Besonders dann, wenn die Aufmerksamkeit eines Konsumenten bzw. sein Involvement, also die Bereitschaft, sich mit einem Thema zu befassen, gering ist, muss eine Aktivierung erfolgen, damit die Umweltreize bewusst wahrge-nommen werden können.21 Dazu können durch das Marketing emotional wir-kende, physisch intensive oder gedanklich überraschende Reize eingesetzt werden. Es reicht jedoch nicht nur aus, dass Konsumenten aktiviert werden, es muss auch gleichzeitig deren Aufmerksamkeit gewonnen werden, damit be-stimmte Reize aufgenommen werden können.22
Generell ist es von Vorteil, wenn durch Marktforschung ermittelt wird, welche Bedürfnisse für die Konsumenten relevant sind, da diese eher Reize wahrneh-men, die auf ihre eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Auch sollte der erste Eindruck eines Konsumenten von dem Angebot und den es begleitenden Rei-zen positiv sein, da sich dieser dem Produkt dann aufmerksamer zuwendet.23
Es sollte außerdem nicht vernachlässigt werden, dass auch die unbewusste Wahrnehmung einen Einfluss auf das Verhalten der Konsumenten hat. Sie kann schon bei sehr schwachen Reizen auftreten, die selbst bei gerichteter Aufmerksamkeit nicht bewusst wahrgenommen werden können. Unbewusste Aufmerksamkeit kann zudem auch bei beiläufig aufgenommenen Reizen, die zwar bewusst wahrgenommen werden könnten, die Aufmerksamkeit aber nicht oder zumindest nicht vollkommen auf sich ziehen, vorhanden sein.24
Zum Wahrnehmungsprozess gehören neben der Informations-Entschlüsselung auch deren Weiterverarbeitung im Gehirn des Konsumenten sowie die Beurtei-lung der wahrgenommenen Produkte. Die Ordnung und Bewertung erfolgt nach den individuell verfügbaren Informationen. Das Ergebnis stellt eine Produkt- und Qualitätsbeurteilung des Produktes durch den Konsumenten dar.25
Der Konsument nutzt für die Produktbeurteilung die aktuell verfügbaren sowie die gespeicherten Informationen und wendet dann Programme zur Verarbeitung der Informationen an. Aktuelle Informationen sind die objektiven Eigenschaften wie Produktbeschaffenheit und weitere Produktmerkmale, die in der Angebots-situation wahrnehmbar sind, sowie die wahrgenommene Angebotssituation selbst. Daraus filtert der Konsument dann die wichtigsten Information heraus, die sogenannten „information chunks“. Zu den gespeicherten Informationen zählt das Wissen über ein Produkt, das bereits durch Erfahrung im Gedächtnis verankert ist und zumeist einem Schema entspricht. Die Programme zur Verar-beitung der Informationen können einfach oder komplex sein. Bei einfachen Programmen kann die gesamte Produktqualität auf einem einzigen Eindruck basieren, ein Eindruck kann den Konsumenten auf einen anderen Eindruck schließen lassen oder ein Eindruck wird auf die Gesamtqualität hin beurteilt. Komplexe Programme werden angewandt, wenn einfache Programme nicht als ausreichend angesehen werden und sich der Konsument intensiver mit der Produktbeurteilung beschäftigen möchte.26
2.2.3 Grundmodell der Kommunikation
Am Anfang einer geplanten Werbemaßnahme muss zunächst geklärt werden, wie die Unternehmenskommunikation (auch Marketingkommunikation genannt) aussieht. Laut Bruhn ist sie die Gesamtheit aller Kommunikationsmittel und - maßnahmen eines Unternehmens, die, gegenüber den relevanten Zielgruppen, zu dessen Darstellung und der Darstellung dessen Produkte dienen.27
Ein bekanntes Axiom von Paul Watzlawick lautet: „Man kann nicht nicht ko m-munizieren, denn jede Kommunikation (...) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“28 Das bedeutet, dass alles, was verbal oder nonverbal zur Darstellung eines Unter- nehmens bzw. dessen Produkte beiträgt, eine Botschaft kommuniziert. Wenn also ein Unternehmen eine Botschaft an den Markt senden möchte, gibt es da-bei einiges zu beachten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Elemente im Kommunikationsprozess, [Quelle: Kotler / Bliemel (2001), S. 884]
Die Abb. 1 veranschaulicht den Kommunikationsprozess nach Kotler / Bliemel (2001) und kann auch zur Veranschaulichung des Prozesses der Unterneh-menskommunikation dienen.
Das Unternehmen übernimmt hier die Rolle des Senders, der einem oder meh-reren Konsumenten (Empfänger/n) eine Botschaft übermitteln möchte, bspw. die erwünschte Bekanntmachung einer Produktinnovation.29 Die Botschaft wird über Medien kommuniziert, wie, z.B., über einen Fernsehspot oder eine Anzei-ge in einer Zeitschrift.30 Sie muss vorerst durch den Sender in verbale und non-verbale Codes (s. 3.2) encodiert werden, da Botschaften nur kodiert kommuni-ziert werden können. Mit Hilfe von diesen Codes kann die Botschaft nun über einen Kanal, in diesem Fall die Medien, an die Empfänger übertragen werden. Der Konsument (Empfänger) nutzt seine fünf Sinne zur Signalaufnahme. Er muss nun, bevor er die Bedeutung der Codes verstehen kann, diese zunächst decodieren.31 Dies geschieht indem er seine Wahrnehmung einsetzt und die aufgenommenen Reize erfasst, deutet und zu zusammenhängenden Botschaf-ten bündelt.32
Erste Probleme können bereits bei der Verschlüsselung der Codes entstehen, da es hierbei zur so genannten Umsetzungslücke kommen kann. Der Sender weiß, welche Botschaft er dem Empfänger übermitteln möchte, aber er kann Probleme dabei haben, die geeigneten Codes zu finden, um ebendiese Bot-schaft richtig zu transferieren.33
Ein weiteres, erhebliches Problem der Unternehmenskommunikation ist der Schritt des Decodierens. Denn, wie bereits im Kapitel 2.2.2 beschrieben, ist die Wahrnehmung aller Konsumenten subjektiv. Somit kann jedes Individuum dem Code eine von der ursprünglich beabsichtigten Botschaft abweichende Bedeu-tung zuweisen.34 Diese Missverständnisse basieren auf seiner Erfahrung, den Werthaltungen und der eigenen Kultur.35
Nachdem der Konsument die Botschaft empfangen hat, ist es möglich, dass daraufhin eine Wirkung folgt, wie, z.B., ein höherer Absatz.36
Im besten Fall bekommt der Sender ein Feedback von dem Empfänger. Bei Werbungen ist dies jedoch eher selten. Wenn der Sender trotzdem eine Rück-meldung haben möchte, muss er Marktforschung betreiben37, indem er, z.B., einen Test entwickelt, bei dem das Fernseh- und das Einkaufsverhalten eines Haushalts gleichermaßen überwacht werden. Die Marktforschung ist ein geeig-netes Mittel zur Überprüfung des Erreichens der Kommunikationsziele.38
Zu den Elementen des Kommunikationsprozesses zählen allerdings auch Stör-faktoren, die diesen möglicherweise beeinflussen können und nicht berechen-bar sind. Dazu zählen, u.a., die Aktivitäten der Wettbewerbsunternehmen, wie, z.B., parallel zu der Werbung des Produktes eines Unternehmens geschaltete Werbungen für unmittelbare Konkurrenzprodukte39 oder das Zapping-Verhalten der Konsumenten. Das bedeutendste Problem ist, dass die Empfänger mit In-formationen überlastet werden. Täglich wird ein durchschnittlicher in Deutsch-land lebender Mensch mit 2000 Werbebotschaften konfrontiert.40 Dies führt zu einer Verstärkung der Selektivität in der Wahrnehmung eines Menschen. Er kann nur einen kleinen Teil der Informationen wahrnehmen, nimmt meist nur die Informationen auf, die seinen Bedürfnissen entsprechen und kann auch nur ei-nen geringen Teil dieser Informationen abspeichern.41
Um die Informationsüberlastung zu umgehen, wird verstärkt darauf gesetzt, Bil-der in der Marketingkommunikation einzusetzen. Diese haben nicht nur einen größeren Entertainmentfaktor als verbale Informationen, sie tragen auch deut-lich mehr zur Aktivierung eines Konsumenten bei und dieser kann sich an sie zudem besser erinnern.42
2.2.4 Spiegelneuronen
Spiegelneuronen sind Nervenzellen, die aktiv werden, wenn ein Konsument jemanden bei einer Handlung beobachtet. Sie bilden ein neuronales Muster ab, das dem entspricht, das auftreten würde, wenn der Konsument die Handlung selbst durchführen würde. Die Handlung des anderen wird automatisch gespie-gelt und der Konsument erfährt, was in diesem passiert.43
Dieser Effekt tritt auch dann auf, wenn der Konsument den anderen nur auf Leinwand oder im Fernsehen sieht. Den Zustand, den der Konsument beim Gegenüber wahrnimmt, wird in ihm, ähnlich einer Simulation, ebenfalls erzeugt. Er kann die Gefühle und Absichten nachvollziehen. Der gesamte Prozess findet implizit, also unbewusst, statt und bildet die „neurobiologische Grun dlage für intuitives Wahrnehmen und Verstehen – und damit für nichtsprachliche Kom- munikation“. Er funktioniert auch, wenn die Aufmerksamkeit nur gering ist und ermöglicht dem Kunden, sich in das Gezeigte hinein zu fühlen und die Bedeu-tung für sich lernen zu können. Ein Produkt sollte deshalb so dargestellt werden, dass sich der Konsument in das Konsumerlebnis, das er virtuell zu sehen be-kommt, hinein versetzen kann.44
3 Codes
Wie bereits im Kapitel über das Grundmodell der Kommunikation (2.2.3) er-wähnt, können Botschaften nur über verbale und nonverbale Codes an den Konsumenten kommuniziert werden. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Fragen, was ein Code im Kopf des Menschen ist, wie er dort hinkommt (3.1), wie Produkte mit Hilfe von Codes an Motive geknüpft sind (3.2), welche Zugän-ge in das Gehirn eines Menschen es gibt (3.3) und was für eine Bedeutung Codes für die Werbung haben (3.4).
3.1. Definition Code
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Newton-Pendel als Veranschaulichung zur Rekodierung im Kopf eines Menschen,
[Quelle: Scheier / Bayas-Linke / Schneider (2010), S. 31]
Codes kann man sich, vereinfacht, wie ein Newton-Pendel im Kopf eines Men-schen vorstellen (s. Abb. 2). Mentale Konzepte werden unbewusst durch physi-sche Eigenschaften aktiviert und andersherum. Diese Aktivierung hat auch Auswirkungen auf unser Verhalten. So hat bspw. ein Experiment von Keizer, Lindenberg und Steg gezeigt, dass, wenn man einen Fünf-Euro-Schein sichtbar in einen mit Graffiti besprühten Briefkasten steckt, dieser eher entwendet wird, als wenn man ihn in einen sauberen Briefkasten stecken würde. Der verunrei- nigte Briefkasten führte hierbei zum „schmutzigen“ Verhalten und der saubere ließ Passanten moralisch „rein“ handeln. 45
Die ersten sieben Lebensjahre eines Menschen sind maßgeblich für das Erler-nen von Codes und die Bildung von Imprints, denn in diesen Jahren lernt der Mensch etwas über das Verhalten in seiner Kultur und deren Werte, die Spra-che sowie mentale Konzepte, die mit bestimmten Dingen verknüpft sind, indem das Gehirn Synapsen bildet.46 Die Suppe, die einem als Kind von der Mutter gekocht wurde, als man krank war, spendete nicht nur Wärme, sie stellt auch gleichzeitig ein Imprint für Liebe dar.47 Auf diesen Imprint kommt ein Erwachse-ner zurück, wenn er krank ist und die Mutter nicht vor Ort ist – er erinnert sich an seine Kindheit und macht sich instinktiv eine Suppe.
Der Vorgang der beschriebenen Rekodierung von physischen Eigenschaften zu mentalen Konzepten findet im Autopiloten statt.48 Der Autopilot ist einer von zwei Systemen im Gehirn des Menschen. Kahneman nennt sie System 1 und System 2, wobei das erste System automatisch arbeitet und das zweite eher für die bewussten, komplexen Entscheidungen zuständig ist.49 Scheier und Held sprechen von den beiden Systemen als Pilot und Autopilot. Der Pilot, System 2, reflektiert bewusst über Entscheidungen, was ihn langsam macht und den Men-schen anstrengt. In diesem System werden bspw. Mathe-Aufgaben gelöst.50 Von den elf Millionen Bits an Informationen, die ein Mensch pro Sekunde emp-fängt,51 kann der Pilot nur 40 Bits verarbeiten. Die restlichen 10.999.960 Bits werden vom Autopiloten verarbeitet.52 Aufgrund dieser Verteilung ist es wichtig, dass in der Werbung implizite Codes eingesetzt werden, da sie eine Sekunden-kommunikation ist und größtenteils nur „ im Vorbeigehen “ betrachtet wird.53 Der Autopilot handelt unbewusst, spontan und emotional und liebt Symbole und Geschichten.54 In ihm sitzen auch die Spiegelneuronen (s. 2.2.4).
3.2. Verknüpfung zwischen Motiven und Produkten
Das Verhalten des Menschen wird vom Gehirn über Motiv- und Emotionssys-teme gesteuert. 55 Werbespots sprechen ihre Betrachter oftmals auf der Ge-fühlsebene an, in der Hoffnung, dass diese die dargestellten Emotionen auf das Produkt transferieren.56 Codes in Werbespots übermitteln dem Betrachter ver-schiedene Eindrücke zu dem beworbenen Produkt, doch erst wenn ihre Bedeu-tung die Motive und Bedürfnisse der Individuen anspricht, kann Verhalten ent-stehen. Dafür ist es wichtig, die Grundmotive des Menschen zu kennen.
Scheier und Held nehmen Bezug auf das „Zürcher Modell der sozialen Motiv a- tion“ von Norbert Bischof, das aus den drei Systemen Sicherheit, Erregung und Autonomie besteht. 57 Darauf basierend spricht Häusel von drei Emotionssys-temen: dem Balance-, dem Stimulanz- und dem Dominanzsystem.58
Laut Häusel gibt es keine Entscheidungen, die nicht emotional sind. Zusammen mit der Gruppe Nymphenburg hat er das Neuromarketing-Instrumentarium Limbic® entwickelt, in dem die oben genannten Emotionssysteme miteinander verknüpft sind (s. Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die Haupt-Emotionssysteme im Gehirn, [Quelle: neuromarketing-wissen.de, Folie 5]
Das Balancesystem ist das wichtigste Motivsystem im Gehirn. Der balanceori-entierte Mensch wünscht sich Sicherheit und Stabilität. Wenn seine Motive er-füllt werden, fühlt er sich geborgen und in Sicherheit. Werden sie nicht erfüllt, kann er von Angst erfüllt oder sogar panisch werden. Eng verbunden mit die-sem System sind die Motive der Bindung und der Fürsorge. Sehnt sich ein Mensch nach Bindung, sucht er darin die Geborgenheit und Sicherheit. Fürsor-ge heißt, dass ein Mensch Probleme bei für ihn besonderen Individuen erkennt und bei ihren Lösungen helfen möchte.
Beim Stimulanzsystem möchte der Mensch Langeweile vermeiden und strebt nach neuen, noch unbekannten Reizen. Bei der Bedürfnisbefriedigung erlebt der Mensch Spaß, bei Nichterfüllung ist er dagegen enttäuscht. Das Spielmotiv ist eng mit diesem System verbunden.
Möchte ein Konsument der Konkurrenz überlegen sein und Macht ausüben, entsprechen seine Motivationen dem Dominanzsystem. Schafft er es, diese Motive zu erfüllen, fühlt er sich stolz und überlegen. Bei Nichterfüllen ist er ver-ärgert und wütend.59
Balance, Dominanz und Stimulanz gibt es jedoch nicht nur als einzelne Motiv-welten, sondern es gibt auch Mischungen von ihnen. Zwischen Balance und Dominanz steht Disziplin / Kontrolle, zwischen Balance und Stimulanz Genuss / Fantasie und zwischen Dominanz und Stimulanz Abenteuer / Thrill.60
[...]
1 Vgl. teialehrbuch.de (11.6)
2 Vgl. Scheier / Held (2010), S. 152
3 Vgl. Karmasin (1999), S. 75
4 Vgl. Kroeber-Riel / Esch (2000), S. 31
5 Vgl. Lachmann (2004), S. 10
6 Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 376
7 Vgl. Bookboon.com (Zerres), S. 24f.
8 Vgl. ebd, S. 25
9 Vgl. Schiffman / Kanuk (2003), S. 158
10. Vgl. Lachmann (2004), S. 21
11. Vgl. Berndt (1996), S. 68
12. Vgl. Solomon / Bamossy / Askegaard / Hogg (2010), S. 118
13. Vgl. Kroeber-Riel / Weinberg / Gröppel-Klein (2009), S. 321
14. Vgl. ebd, S. 321
15. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 85
16. Vgl. Kroeber-Riel / Weinberg / Gröppel-Klein (2009), S. 321
17. Vgl. ebd, S. 321
18. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 85
19. Vgl. ebd, S. 86
20. Vgl. Lachmann (2004), S. 21
21. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 86
22. Vgl. ebd, S. 58f.
23. Vgl. ebd, S. 86
24. Vgl. Kroeber-Riel / Weinberg / Gröppel-Klein (2009), S. 325
25. Vgl. ebd, S. 327
26. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 88ff.
27. Vgl. Bruhn (2012), S. 5
28. Vgl. paulwatzlawick.de
29. Vgl. Bookboon.com (2012), S. 8f.
30. Vgl. teialehrbuch.de (11.2)
31. Vgl. Scheier / Held (2010), S. 32f.
32. Vgl. Bookboon.com (2012), S. 9
33. Vgl. ebd, S. 32
34. Vgl. teialehrbuch.de (11.2)
35. Vgl. Jäggi / Portmann (2010), S.12
36. Vgl. ebd
37. Vgl. ebd
38. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 366
39. Vgl. teialehrbuch.de (11.2)
40. Vgl. teialehrbuch.de (11.6)
41. Vgl. teialehrbuch.de (11.2)
42. Vgl. Kroeber-Riel / Esch (2000), S. 16
43. Vgl. Scheier / Held (2012), S. 99
44 Vgl. Scheier / Held (2010), S. 45f.
45. Vgl. Scheier / Bayas-Linke / Schneider (2010), S. 30ff.
46. Vgl. Scheier / Bayas-Linke / Schneider (2010), S. 60
47. Vgl. Scheier / Held (2012), S. 97
48. Vgl. Scheier / Bayas-Linke / Schneider (2010), S. 60
49. Vgl. Kahneman (2012), S. 33
50. Vgl. Scheier / Held (2010), S. 61
51. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 419
52. Vgl. Scheier / Held (2010) S. 61
53. Vgl. ebd, S. 48f.
54. Vgl. ebd, S.60f.
55. Vgl. taikn.de, S. 3
56. Vgl. Florack / Scarabis (2002), S. 28
57. Vgl. Scheier / Held (2010), S. 98f.
58. Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 66f.
59 Vgl. Scharf / Schubert / Hehn (2009), S. 66f.
60 Vgl. Häusel (2011), S. 20