Ethische Fragen und Finanzmärkte. Die Deutsche Bank und ihre Spekulation auf Agrarstoffe


Term Paper, 2013

19 Pages


Excerpt


1. Einleitung

In Folge der Globalisierung haben sich die Anforderungen an die Unternehmen drastisch erhöht. Insbesondere internationale Konzerne stehen dabei den unterschiedlichsten Rahmenbedingungen gegenüber, die von einer permanenten Veränderungsdynamik geprägt sind. Um den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern, ist es daher notwendig, sich den veränderten Markt- und Wettbewerbsbedingungen anzupassen. In vielen Situationen haben Unternehmen hierbei wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die im Zwiespalt stehen zu den moralischen Anforderungen der Gesellschaft. Speziell die Spekulationen mit Agrarrohstoffen werden derzeit stark diskutiert, da die Gewinnmaximierung der Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere dem Recht auf angemessene Ernährung, gegenübersteht. So wird auch dem Vorstand der Deutschen Bank vorgeworfen „Geschäfte mit dem Hunger“[1] zu machen und somit gegen das Menschenrecht auf angemessene Ernährung zu verstoßen. Denn dem Grunde nach steht quantitativ genug Nahrung zur Verfügung.[2] Jedoch sind verschiedene wirtschaftliche, politische und soziale Faktoren verantwortlich für die mangelnde Versorgung.

Ziel dieser Arbeit ist es, den Konflikt der Gewinnmaximierung in Form der Agrarrohstoffspekulation und dem Menschenrecht auf angemessene Ernährung darzustellen sowie anhand des ordnungsethischen Ansatzes Homanns zu interpretieren sowie zu diskutieren.

Im Anschluss an die Einleitung setzt sich die Arbeit mit den begrifflichen Abgrenzungen der Spekulation und dem Recht auf angemessene Ernährung auseinander. Anschließend wird auf den ethischen Konflikt und das daraus resultierende moralische Dilemma eingegangen. Im dritten Kapitel wird der theoretische Ansatz der ökonomischen Ethik von Karl Homann dargestellt und im anschließenden Kapitel auf den zuvor geschilderten Konflikt übertragen und mit empirischen Ergebnissen verglichen. Daraufhin erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem ethischen Ansatzes Homanns. Abschließend werden im Kapitel fünf die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

2. Ethisches Dilemma der Spekulation

Bevor konkret auf das moralische Dilemma zwischen Gewinnmaximierung und der Einhaltung der Menschenrechte der Deutschen Bank eingegangen wird erfolgt zunächst eine Betrachtung des Rechtes auf angemessene Ernährung und der Spekulation.

Entsprechend Artikel 11 des I nternationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) hat jeder Mensch das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich der ausreichenden Ernährung. Insbesondere verpflichten sich die Vertragsstaaten die Menschenrechte zu achten, zu schützen und Maßnahmen zu treffen, um die Ernährungssicherung zu gewährleisten.[3] Die Pflichten der Vertragsstaaten bestehen insbesondere in der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch Zugangsvorenthaltung von Einzelunternehmen oder Unternehmen des jeweiligen Staates.[4]

Die Spekulation ist eine Geschäftstätigkeit, die auf Gewinne aus zukünftigen Veränderungen der Preise abzielt. Hierbei sammelt der Spekulant Informationen über den relevanten Markt und schätz dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung ein. Die Preise auf dem Terminmarkt resultieren demnach aus den Erwartungen der am Markt beteiligten Personen und spiegeln die Annahmen für einen bestimmten Zeitpunkt wieder. Tritt die erwartete Markteinschätzung ein, so erwirtschaftet der Spekulant Gewinne. Sofern es zu Fehleinschätzungen durch den Spekulanten kommt resultieren daraus Spekulationsverluste.[5] Zwar kann entsprechend der Principal-Agent-Theorie die Spekulation sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer Planungssicherheit für künftige Verträge bieten, allerdings unterliegt sie aufgrund von Informationsasymmetrien auch der Anfälligkeit des Moral Hazards. Denn das Ziel der Marktteilnehmer ist es, sich vor Preisschwankungen zu schützen. Hingegen profitiert der Spekulant von den Informationsasymmetrien und kann durch hohe Unsicherheit am Markt seinen Gewinn maximieren. Das Risiko besteht hierbei indem der Spekulant falsche Signale an die Marktteilnehmer sendet mit dem Ziel die Märkte zu verunsichern und Preisvolatilität zu verstärken.[6]

So hat sich der Preisindex für Agrarrohstoffe auf den globalen Rohstoffmärkten in den vergangenen Jahren permanent erhöht. Insbesondere betroffen sind hierbei die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide, bei denen Steigerungen bis zu 200 Prozent verzeichnet wurden. Des Weiteren ist in den letzten Jahren eine erhöhte Volatilität der Märkte zu beobachten (siehe Anhang, Abb. 1). Speziell für Drittweltländer hat die globale Entwicklung der Agrarrohstoffpreise drastische Auswirkungen auf die Ernährungslage. Hierbei schätzen die Vereinten Nationen, dass etwa 870 Millionen Menschen an Unterernährung leiden. Da die durchschnittlichen Ausgaben für Nahrungsmittel in den Entwicklungsländern in der Regel etwa 60 bis 80 Prozent betragen, führen bereits geringe Preissteigerungen zur Gefährdung der Existenz.[7] So führten die starken Preisanstiege in den Jahren 2008 und 2011 in etwa sechzig Staaten zu Hungerrevolten.[8] Infolgedessen beschäftigten sich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit dem Ursache-Wirkungs-Verhältnis der Preisentwicklung für Agrarrohstoffe. Hierbei sind die NGOs, wie Oxfam, foodwatch, weed und Attac der Ansicht, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen sowohl zu Preissteigerungen als auch zu erhöhten Preisschwankungen führe und somit faktisch die Ernährungslage in den Entwicklungsländern verschärft. Insbesondere werden die Deutsche Bank und die Allianz angeprangert, durch menschenverachtende Spekulation ihre Rendite zu steigern.[9] Infolge diverser Kampagnen der NGOs stiegen einige Banken, wie etwa Commerzbank und Union Investment aus dem Spekulationsgeschäft mit Agrarrohstoffen aus.[10] Jedoch war deren Anteil am Rohstoffmarkt relativ gering, sodass der Imageschaden durch die Agrarspekulation wahrscheinlich die Spekulationsgewinne übersteigt. Hingegen zählt die Deutsche Bank AG als global agierende Universalbank zu den führenden Finanzakteuren im Rohstoffhandel. Im Bereich der Agrarrohstoffe managt sie den bedeutendsten Fond, der im ersten Quartal 2013 den höchsten Kapitalzufluss verzeichnete.[11] Laut der Organisation Oxfam unterhält die Deutsche Bank und ihre Tochterfirmen mehr als 27 Fonds, die Agrarrohstoffe enthalten und schätz deren Anteil am Anlagevolumen auf circa 4,57 Milliarden Euro.[12]

Ein Ausstieg aus dem Geschäft ist aus ökonomischer Sicht der Bank kaum möglich. Allerdings setzte die Bank eine Arbeitsgruppe ein, welche ebenfalls das Ursache-Wirkungs-Verhältnis der Spekulation auf die Preise untersuchte.

Die Analyse ergab, dass die Preisentwicklung von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Hierbei hat sich die Nachfrage zum einen durch das Wachstum der Bevölkerung und zu anderen aufgrund des veränderten Konsumverhaltens der Schwellenländer und dem zunehmenden Einsatz von Bioenergien erhöht. Zugleich ist das Angebot nutzbarer Ackerflächen begrenzt. Hinzu kommt, dass die sich die Ertragsbedingungen infolge des Klimawandels regional stark beeinträchtigt sind und Missernten verstärkt auftreten. Die Tendenzen der Nachfrageerhöhung sowie das stagnierende Angebot haben somit zur Folge, dass die Lagerbestände sinken und der Preis tendenziell steigt. Bezüglich der Preisschwankungen argumentiert die Deutsche Bank, dass die Volatilität der Agrarmärkte natürlich sei und dass die starken Preisschwankungen nach exogenen Schocks die Unsicherheit am Markt widerspiegelten. Daher bieten insbesondere Agrarterminmärkte sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten eine Absicherung gegen Preisschwankungen und senden klare Signale.[13] Die Planungssicherheit wiederum setzt Anreize für Investitionen, die bei Unsicherheit gar nicht bzw. verzögert eintreten würden. Die Darstellung eines kausalen Zusammenhangs zwischen Spekulation und Verstärkung der Preistendenzen ist den Wissenschaftlern bisher nicht gelungen. Auch eine spekulationsinduzierte Blasenbildung hat laut Recherchen des Wirtschaftsethikprofessors Ingo Pies nicht stattgefunden.[14] Auch dem Vorwurf, die Preise durch zusätzliche Nachfrage in die Höhe zu treiben, tritt die Deutsche Bank entgegen und versichert die Voraussetzungen für die Nachfragebeeinflussung nicht zu erfüllen, da sie weder Eigenhandel betreibt noch am Kassamarkt agiert. Nach dem Vergleich der Untersuchungsergebnisse überwiegen die positiven Aspekte der Spekulation, sodass den Anlegern weiterhin ermöglicht werden soll an der steigenden Wertentwicklung der Finanzprodukte im Agrarsektor zu partizipieren. Denn als börsennotierte Bank vertritt die Deutsche Bank nicht nur ihre eigenen Interessen, wie die Risikominimierung des Finanzportfolios, sondern auch die Interessen ihrer Kunden und Aktionäre. Deren Bedürfnis ist ebenso ausgerichtet auf die Sicherheit und die Rendite der Kapitalanlage.[15] Somit befindet sich das Unternehmen in einem moralischen Dilemma. Denn insofern die Deutsche Bank die Spekulationen mit Agrarrohstoffen aufgibt, könnte Sie die Interessen der Kunden und Anteilseigner nicht mehr im gewohnten Maße befriedigen und würde im internationalen Wettbewerb einen Nachteil erleiden. Allerdings würde die Spekulationsaufgabe nicht zur Verbesserung der Ernährungslage in den Entwicklungsländern führen. Da zum einen die Konkurrenz weiterhin in das profitable Geschäft investieren würde und zum anderen ein Ausstieg ebenfalls Unsicherheiten am Markt hervorrufen könnte. Die unruhigen Märkte wiederum könnten die Produzenten veranlassen produktionssteigernde Maßnahmen zu unterlassen, sodass das Angebot weiterhin stagniert. Bleibt das Unternehmen hingegen bei dem Spekulationsgeschäft erhöht sich jedoch das Risiko der Volatilität und kurzfristiger hoher Preise, was zum einen die Chance auf eine hohe Rendite erhöht aber auch die Ernährungssicherung in der Dritten Welt gefährdet.

3. Ansatz der Ökonomischen Ethik nach Karl Homann

Der normative Ansatz Karl Homanns betrachtet die Ökonomik nicht als Gegensatz zur Moral, sondern sieht die Ökonomik als Fortsetzung der Ethik. Aufbauend auf dem rationalen und nutzenmaximierenden Modell des Homo Oeconomicus kann die Moral ausschließlich durch das Streben des Einzelnen nach individuellen Vorteilen[16] in der Gesellschaft implementiert werden, da grundsätzlich von keinem Individuum verlangt werden kann permanent gegen seine Interessen zu handeln. Das Grundproblem sieht Homann im Zwiespalt zwischen Moral und Wettbewerb. Demnach besteht die Gefahr für engagierte Unternehmen, aufgrund des erhöhten moralischen Aufwands einen Wettbewerbsnachteil am Markt zu generieren und langfristig sogar möglicherweise aus dem Markt ausscheiden zu müssen. Hingegen ist aber gerade der Wettbewerb durch die hohe Innovationskraft und den Anpassungsdruck der Unternehmen die Grundlage des Wohlstandes der Marktwirtschaften.[17] Zur Lösung des Spannungsverhältnisses besteht die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen den selbst gesteuerten individuellen Handlungen der einzelnen Akteure und den wirtschaftspolitisch gesteuerten Handlungsbedingungen, innerhalb derer die Akteure ihre Handlungen vollziehen. Dabei wird „die Moral wettbewerbsneutral und damit ausbeutungsresistent in die Handlungsbedingungen […] inkorporiert“[18], sodass alle Marktteilnehmer denselben moralischen Standards unterliegen. Da die Handlungsbedingungen ausschlaggebend sind für die Interaktion der Akteure, ist es erforderlich, dass eine geeignete Rahmenordnung geschaffen wird, welche Anreize zum moralisch gewünschten Verhalten schafft.[19]

Zur Darstellung der Interaktionen nutzt Homann das spieltheoretische Modell des Gefangenendilemmas (siehe Anhang, Abb. 2). Innerhalb des Modells können die individuellen Handlungen als Spielzügen der Akteure angesehen werden, wohingegen die Handlungsbedingungen die Spielregeln aufzeigen. Im Modell werden hierbei zwei Akteure betrachtet, die jeweils zwei Handlungsoptionen haben – kooperieren oder defektieren. Jeder Spieler muss hierbei seine präferierte Option ausführen ohne Kenntnis der Aktion bzw. Reaktion seines Gegners. Im Ergebnis „führt individuell rationales Verhalten zu suboptimalen Ergebnissen“[20] Beide Akteure würden sich besser stellen, wenn sie kooperieren. Dies geschieht allerdings nicht, da beide Unwissend sind und da die Glaubwürdigkeit der Verhaltensbindung bei Kooperation nicht gegeben ist. Das moralische Dilemma bezeichnet Homann als soziale Falle aus dem es keinen individuellen Ausweg gibt. Somit sind Schuldzuweisungen unangebracht und verschärfen lediglich den Konflikt. Vielmehr müssen die Spielregeln angepasst werden, um das moralisch unerwünschte Verhalten zu überwinden.[21]

Trotz der Maßgeblichkeit der Spielregeln sind die Akteure nicht von der Verantwortung zu entlasten. Denn sofern die gesellschaftlichen Verträge unvollständig sind und Unsicherheiten bestehen, ist es der Auftrag der Unternehmen das Vertrauen und die Reputation wieder aufzubauen und somit die Transaktionskosten der Interaktion zu reduzieren.[22] Dabei zeigt Homann zwei Handlungsstrategien auf. Sofern sich die moralische Akzeptanz und die Unternehmensziele vereinen lassen, sollte die Wettbewerbsstrategie angewandt werden. In dem Fall, dass sich die Unternehmensziele nicht mit der Moral vereinbaren lassen, empfiehlt Homann sowohl die Wettbewerbsstrategie als auch eine ordnungspolitische Strategie, bei der das Unternehmen versuchen sollte andere Akteure von einer moralisch akzeptierten Selbstverpflichtung zu überzeugen.[23]

[...]


[1] Oxfam (2013), 9.

[2] Vgl. Deutsche Welthungerhilfe (2013), Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[3] Vgl. Vereinte Nationen (1966), Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[4] Vgl. Vereinte Nationen (1999), S. 5, Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[5] Vgl. Finanzportal Börse.de (2013), Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[6] Vgl. Hübner (2010), S. 163.

[7] Vgl. World Food Programme (2013), Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[8] Vgl. Foodwatch (2011), S. 12.

[9] Vgl. Oxfam (2013), S. 8 f.

[10] Vgl. Foodwatch (2013), Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[11] Vgl. ETF Securities (2013), S. 27, Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[12] Vgl. Oxfam (2013), S. 9.

[13] Vgl. Deutsche Bank (2013), S. 20, Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[14] Vgl. Pies (2013): S. 6.

[15] Vgl. Deutsche Bank (2013), S. 6. 19 f., Hauptframe unter angegebener URL im Internetverzeichnis.

[16] Der Vorteil ist hierbei nicht allein im Sinne der ökonomischen Theorie zu sehen, sondern beinhaltet jedes vom Menschen anstrebenswerte Ziel.

[17] Vgl. Homann / Lütge (2013), S. 15 ff.

[18] Homann / Lütge (2013), S. 20.

[19] Vgl Homann / Lütge (2013, S. 20 ff.

[20] Ebenda, S. 26.

[21] Vgl. Ebenda, S. 27, 40 f.

[22] Vgl. Ebenda, S. 77, 96 f.

[23] Vgl. Ebenda, S. 78, f.

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Ethische Fragen und Finanzmärkte. Die Deutsche Bank und ihre Spekulation auf Agrarstoffe
Author
Year
2013
Pages
19
Catalog Number
V315469
ISBN (eBook)
9783668147973
ISBN (Book)
9783668147980
File size
627 KB
Language
German
Keywords
ethische, fragen, finanzmärkte, deutsche, bank, spekulation, agrarstoffe
Quote paper
Jacqueline Schurig (Author), 2013, Ethische Fragen und Finanzmärkte. Die Deutsche Bank und ihre Spekulation auf Agrarstoffe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315469

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