Sprache und Identität. Auswirkungen der Herauslösung aus dem muttersprachlichen Kontext auf die Identitätsentwicklung von Migranten


Dossier / Travail de Séminaire, 2015

19 Pages, Note: 2,3


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen
2.1. Zum Begriff der Migration
2.2. Zum Begriff der Sprache
2.3. Zum Begriff der Identität
2.3.1. Goffmann: Stigma
2.3.2. Krappmann: Balancierende Ich-Identität
2.3.3. Postmoderne Identität
2.3.4. Soziale Identität/ nationale Identität

3. Synthese der Ansätze

4. Implikationen fur die praktische Bildungsarbeit

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Sprache und Identität und den Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung bei einer Herauslösung aus der muttersprachlichen Umgebung, wie sie von Menschen im Kontext von Migrationserfahrungen erlebt wird.

Verlässt ein Mensch seine Heimat, so hat dies vielfältige Auswirkungen auf sein Handeln, Denken und Fuhlen. Er sieht sich konfrontiert mit einer fremden kulturellen Umgebung. Die Werte und Ideen, Sitten und Gebräuche und Glaubenssysteme der Aufnahmegesellschaft offenbaren sich den Menschen durch und mittels sprachbasierter Kommunikation.

So wie Kultur in Sprache kommuniziert wird, so wirkt die Sprache nicht nur in gesellschaftlichen Zusammenhängen sondern sie hat - wie im Verlauf dieser Arbeit gezeigt wird - eine Schlusselrolle bei der Identitätsentwicklung. So kann sie zur Stigmatisierung des Einzelnen durch die

Mehrheitsgesellschaft beitragen, aber auch als Mehrsprachigkeit den Weg zu einer Erweiterung der Perspektiven bahnen und zur Entwicklung einer komplexen Persönlichkeit beitragen.

Um diese Möglichkeiten zu erforschen, ist es in einem ersten Schritt notwendig, die zentralen Begriffe zu klären. Zu diesem Zweck werden zunächst der Begriff der Migration und der der Sprache eingefuhrt, um anschließend auf verschiedene theoretische Modelle zur Identitätsentwicklung einzugehen.

Anschließend wird eine Synthese der verschiedenen Begriffsfelder angestrebt, um ihr Zusammenwirken herauszustellen und so schließlich Folgerungen fur die praktische Arbeit im Bildungswesen anhand des Koala-Projektes aufzuzeigen.

2.1 Zum Begriff der Migration

Der Begriff der Migration (lat. Migratio = Auswanderung, zu: migrare = wandern, wegziehen) wird im Duden definiert als eine Abwanderung in ein anderes Land, eine andere Gegend oder einen anderen Ort.

Diese unscharfe Definition lässt Fragen offen. So kann Migration innerhalb eines Landes stattfinden (Binnenmigration) oder auch die Überschreitung von nationalstaatlichen Grenzen implizieren. Migration beschränkt sich aber nicht nur auf eine Bewegung des Individuums im geographischen Raum. Ein Ortswechsel umfasst zugleich auch den Wechsel von einem soziokulturellen Kontext in einen Anderen (Penitsch 2003, S. 6). Dieser Faktor ist fur die vorliegende Arbeit und fur die Identitätskonstruktion von migrationsgezeichneten Menschen von zentraler Bedeutung. Dabei kann das Verlassen eines bestimmten sozialen Kontextes viel umfassendere Auswirkungen auf das Leben des Individuums haben, als das Zurucklegen einer großen räumlichen Distanz. So mag der Unterschied zwischen Stadt und Landleben im gleichen Nationalstaat viel größer sein, als die Lebensart in zwei verschiedenen Großstädten.

Eine Migrationserfahrung endet nicht mit dem Umzug in das Zielland (Penitsch 2003, S. 6). Besonders präsent bleibt die Verbindung mit der Heimat im Medium der Sprache, die - wie in dieser Arbeit gezeigt wird - einen zentralen Einfluss auf die Konstitution der Identität nimmt.

Die Form von Migration, die in dieser Hausarbeit angesprochen wird, ist im Regelfall durch einschneidende Veränderungen im sozialen Kontext, wie auch durch das Zurucklegen von großen Strecken und das Überschreiten von Staatsgrenzen gekennzeichnet.

Die Grunde, warum Menschen sich zu einer Wanderung entscheiden, können sehr vielfältig sein. Ehlich differenziert in die nomadische Migration, das Pilgertum/ den Tourismus, die politisch und die ökonomisch motivierte Migration (Wecker 2009, S.9) . Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass mit einer Wanderung eine Hoffnung auf die Verbesserung der Lebensbedingungen verbunden ist.

Entgegen der allgemein verbreiteten Vorstellung, es handle sich bei der Migration um ein relativ neues Phänomen, das mit der Anwerbung von Gastarbeitern in den 60'er Jahren einsetzte, hat es Migration - auch in

Deutschland - schon immer gegeben.

Zur Zeit leben in Deutschland ca. 8,2 Millionen Menschen (Statistisches Bundesamt, 2014) ausländischer Herkunft. Diese Zahl sagt letztlich jedoch nur etwas uber Menschen aus, die nicht uber die inländische Staatsburgerschaft verfugen. Auch wenn die Anzahl der Menschen, denen die Sprachbarriere Schwierigkeiten bereitet, wahrscheinlich sehr viel höher liegt, zeigt dieser Wert bereits eindrucksvoll den Handlungsbedarf im Bereich der interkulturellen Bildung auf.

2.2. Zum Begriff der Sprache

Der Begriff der Sprache kann aus den unterschiedlichsten Perspektiven und Disziplinen betrachtet werden. So gibt es linguistische oder technische Betrachtungsmöglichkeiten des Sprachbegriffes. Fur das Thema dieser Hausarbeit eignet sich jedoch eine soziologische Betrachtung von Sprache und damit Sprache in Interaktion, also Kommunikation.

Ein allgemeines Schema des Kommunikationsprozesses beschreibt den Vorgang als einen Austausch von Informationen zwischen Sender und Empfänger. Diese Informationen werden durch ein Medium transportiert.

Dieses Medium kann Sprache sein, aber z.B. auch Gesten oder Mimik (Hunscha 2003, S. 4). Auch diese non-verbale Kommunikation variiert im kulturellen Kontext. Unterschiede werden also auf verschiedenen Ebenen der Interaktion sichtbar. Des Weiteren kann konstatiert werden, dass die Anspruche, die an Kommunikation gestellt werden, in kultureller Hinsicht divergieren. So beeinflusst in vielen asiatischen Ländern eine konfuzianische Lebensphilosophie die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren (Jandt 1998, S. 28). Es wird daher ein besonderer Fokus auf Balance und soziale Harmonie gelegt. Um diesen Werten nachzukommen, wurden diverse verbale Strategien entwickelt wie z.B. spezielle Begrußungsrituale (Jandt 1998, S. 30).

Im Arabischen gilt ein „Nein“ als unfreundlich. Daher werden eher Aussagen wie „So wie Gott will“ oder „vielleicht“ verwendet. Außerdem wird lauter und emotionaler kommuniziert. Solche kulturellen Eigenarten können bei Unkenntnis der jeweiligen Kultur in der zwischenmenschlichen Interaktion leicht zu Verwirrungen fuhren (Jandt 1998, S.130).

Kommunikation ist immer in eine Umwelt eingebunden. Sie ist ein wechselseitiger Prozess, der voraussetzt, dass die gesendeten Zeichen von beiden Seiten entschlusselt werden können (Hunscha 2003, S.5). Hier werden mögliche Probleme in der interkulturellen Kommunikation sichtbar, denn nicht immer sind die sprachlichen Voraussetzungen gegeben, um die gesendeten Informationen entschlusseln zu können.

Nach Watzlawicks 1. Axiom der Kommunikation ist es unmöglich, nicht zu kommunizieren. Man sendet also immer Zeichen, daher birgt interkulturelle Kommunikation stets auch Potential fur Missverständnisse, die zu Vorurteilen beitragen beitragen können.

Fur Buhler ist Kommunikation ein sozialer Prozess, an dem zwei Akteure beteiligt sind. Zeichengeber und Zeichennehmer kommunizieren in Sprache, die bei Buhler definiert ist als ein von Menschen geschaffenes komplexes und universales Instrument. Als Symbol dient sie der Darstellung von Sachverhalten, als Symptom druckt sie den Zustand des Sprechers aus, als Signal sendet sie einen Appell an das Verhalten des Empfängers (Hunscha 2003, S. 8). Hier werden die vielfältigen Einflusspotentiale der Sprache in der menschlichen Interaktion deutlich. Wenn Sprache also zentrales Moment der menschlichen Interaktion ist und Interaktion und Kommunikation aus der Sicht diverser theoretischer Perspektiven wiederum die Basis fur Identitätsbildung ist, dann stellt sich bereits deutlich heraus, welche Ruckwirkungen eine erschwerte oder missverständliche Kommunikation auf die Konstruktion des Selbst eines Menschen haben kann.

2.3. Zum Begriff der Identität

Identität ist ein maximal weites und unscharfes Konstrukt, zu dem bisher noch keine eindeutige Definition besteht. Es ist daher nicht möglich, generelle und allgemeingultige Aussagen uber die Identität zu treffen, stattdessen lässt sich der Begriff aus den Perspektiven verschiedener Theoretiker beleuchten.

Traditionelle Identitätstheorien wie sie von Erikson und Mead entworfen wurden, gelten als abhängig vom Zeitgeist und heute in vielen Punkten als uberholt, doch es zeigt sich bereits bei Mead die elementare Bedeutung der Sprache bei der Identitätsbildung. So statuiert er, dass nur durch Gesten im Sinne signifikanter Symbole, die von allen Beteiligten verstanden werden können, Identität möglich wird. (Kresic 2006, S. 79).

Erikson konzipiert den Verlauf der Identitätsentwicklung als die Konfrontation mit psychosozialen Krisen, deren erfolgreiche Bewältigung zur Herausbildung einer stabilen Identität fuhrt, während keine Bewältigung in einen Zustand der Identitätsdiffusion mundet. Bei Erikson gilt die Identitätsentwicklung hauptsächlich als eine Entwicklungsaufgabe in der Jugendzeit, während sie im Kontext neuerer Forschungen als lebenslanges Projekt begriffen wird (Kresic 2006, S. 73).

Moderne Identitätstheorien, wie sie z.B. in Zusammenhang mit Becks Individualisierungsthese entworfen wurden, stellen Identität als einen dynamischen Begriff heraus, der sich aus diversen Teilidentitäten konstituiert und eine lebensumspannende Aufgabe des Individuums darstellt.

Im Zusammenhang mit der in dieser Forschungsarbeit bearbeiteten Fragestellung werden im Folgenden drei Konzepte zur Identitätsentwicklung skizzenhaft dargestellt, um einen multi-perspektivischen Blick auf das Konstrukt der Identität zu werfen.

2.3.1 Goffmann : Stigma

Neben seinem dramaturgischen Ansatz und seinen Überlegungen zum ImageSelbst entwirft Goffmann eine Theorie, die sich mit dem Stigma-Selbst befasst. Ziel dieser Arbeit ist es auf der Folie der Abnormalität, Erkenntnisse uber die Normalität zu gewinnen (Kresic 2006, S. 88).

Goffmann unterscheidet zu diesem Zweck verschiedene Aspekte von Identität, die das Individuum in sich vereint. So erlaubt uns der erste Anblick eines Menschen, ihn in eine soziale Kategorie einzuordnen und ihm bestimmte Eigenschaften zuzuordnen. Goffmann spricht hier von der sozialen Identität. Hierbei handelt es sich jedoch erst einmal um Zuschreibungen. Die Eigenschaften, uber die ein Individuum dann real verfugt, werden unter dem Begriff der aktualen sozialen Identität gefasst (Goffmann 1979, S. 10). Negative Vermutungen uber Eigenschaften einer Person können sich im Auge des Betrachters auf die gesamte Persönlichkeit eines Menschen ausweiten und werden so zu einem Stigma.

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Sprache und Identität. Auswirkungen der Herauslösung aus dem muttersprachlichen Kontext auf die Identitätsentwicklung von Migranten
Université
University of Hagen  (Kultur- und Sozialwissenschaften)
Cours
Heterogenität und Schule
Note
2,3
Auteur
Année
2015
Pages
19
N° de catalogue
V315745
ISBN (ebook)
9783668150386
ISBN (Livre)
9783668150393
Taille d'un fichier
532 KB
Langue
allemand
Mots clés
Identitätsentwicklung, Identität, Kommunikation, Sprache, Migration, Muttersprache
Citation du texte
Sarina Wippermann (Auteur), 2015, Sprache und Identität. Auswirkungen der Herauslösung aus dem muttersprachlichen Kontext auf die Identitätsentwicklung von Migranten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315745

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