"Die Mars-Chroniken" Ray Bradburys. Eine Dystopie?


Pre-University Paper, 2015

13 Pages, Grade: 14


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Inhaltsverzeichnis

1 Die Mars-Chroniken Ray Bradburys - eine Dystopie?

2 Welche Elemente der Literaturform »Dystopie« sind in den Mars-Chroniken enthalten?
2.1 Plötzlicher Einstieg in das Geschehen
2.2 Juni 2001 - Erste kritische Erkenntnis
2.3 Auslöschung fast der gesamten Menschheit

3 Dystopische Gesellschaftselemente im Verlauf der Kolonialisie- rung des Mars
3.1 Das Wohlstandsgefälle auf dem Mars
3.2 Der Überwachungsstaat hält Einzug auf dem Mars

4 Welchen Funktionen der Dystopie lassen sich in den Mars- Chroniken ausmachen?
4.1 Kritik an den Wurzeln der amerikanischen Gesellschaft
4.2 Vereinsamung des Menschen durch die Technisierung seiner Lebenswelt

5 Der Mensch als starres Wesen

6 Quellenverzeichnis

1 Die Mars-Chroniken Ray Bradburys - eine Dystopie?

Der vielfach ausgezeichnete US-amerikanische Autor Ray Bradbury (22. 08. 1920 - 05. 06. 2012) zählt zu den bedeutenden Erzählern des Science-Fiction im 20. Jahrhunderts. Zu seinen bekannten Werken gehören Fahrenheit 451 (1953) und Death is a Lonely Business (1985). So sind auch die Mars-Chroniken, das hier besprochene Werk, eine Sammlung von zusammenhängenden Kurzgeschichten. Vor Veröffentlichung des Gesamtwerks erschienen bereits Episoden aus dem Band in einschlägigen Zeitungen und Zeitschriften. In den Mars-Chroniken beschreibt Bradbury die fiktive Entdeckung, Erkundung und Besiedelung des Planeten Mars. Eine ursprüngliche, ab 1946 entstandene und 1950 erschienene Version der Erzählung lässt die Handlung im Jahre 1999 beginnen und im Jahre 2026 enden. In einer 2008 überarbeiteten Version wurden die Jahreszahlen in die fernere Zukunft gesetzt, um den Charakter der Zukünftigkeit der Ereignisse zu wahren. Das Werk lässt somit in drei Phasen einteilen. Zunächst geht es um Erkundungsmissionen durch Raumfahrer von der Erde auf dem Planeten Mars. In der zweiten Phase kommen die ersten Pioniere auf dem Mars an. Sie schließt mit der vollständigen Kolonialisierung des Mars ab. Schließlich beschreibt die dritte Phase, wie die Menschen des Mars ihre neue Heimat verlassen, um den Bewohnern der Erde während eines Atomkrieges beizustehen. Nur wenige Überlebende kehren zum Mars zurück.

In der frühen Neuzeit war es die Sehnsucht der Menschen, eine neue Weltordnung zu schaffen, im Idealstaat zu leben. Allen voran schuf der englische Denker Thomas Morus ein Werk mit dem Titel Utopia. Der Begriff leitet sich aus dem Altgriechischen uk-topos ab und bedeutet soviel, wie »Un-Ort«. In einer fiktiven Geschichte wird ein ideales, für den Bürger optimal gedachtes, Gesellschaftsbild entworfen, das nirgends in der Welt ein reales Gegenstück besitzt. Bestehende Gesellschaftssysteme werden darin kritisiert und in Form einer Erzählung aufgezeigt, wie eine für den Menschen lebenswürdige Gesellschaft auszusehen hat. Dass es einen Idealstaat nicht geben kann, hat seither die Geschichte gelehrt. Im Gegensatz zu einer Utopie handelt die Dystopie zwar auch von einer fiktiv entworfenen Gesellschaft, jedoch zeigt sie gerade, dass es die Menschen sind, ihre unterschiedlichen Interessen und Lebensentwürfe, welche es verhindern, dass sich alle dem Idealbild eines Staates oder einer Gesellschaft fügen, welche sich einige Wenige ersonnen haben. Wie eine Utopie entwirft also auch die Dystopie eine Gesellschaft, jedoch ist diese zum scheitern verurteilt. Einen solchen Entwurf liefert Bradbury mit der Geschichte der

Gesellschaft der Menschen auf dem Mars, ihrer Entstehung und ihrem Niedergang. Diese These soll im Nachstehenden aufgegriffen und anhand einiger Merkmale der Literaturform Dystopie im Vergleich mit Bradburys Mars-Chroniken dargelegt werden.

2 Welche Elemente der Literaturform »Dystopie« sind in den MarsChroniken enthalten?

In der Literaturforschung wird der klassischen Dystopie ein dreiteiliger Aufbau zugrunde gelegt. Dieser dreiteilige Aufbau lässt sich, wenn auch die künstlerische Freiheit einige Abweichungen davon zulässt, in ihren groben Zügen auch an den Mars-Chroniken aufzeigen. Die Dystopie kann in der Literaturwissenschaft wie nachstehend eingeteilt werden:

»1. Exposition ohne Narratio der Genese des fiktionalen Staates und der Gesellschaft.« Dies bedeutet, dass ein plötzlicher Einstieg in die Handlung der Geschichte erfolgt. Bei anderen fiktionalen Darstellungen einer Gesellschaftsform oder eines Staats ähnlichen Gebildes wird oftmals im Vorspann die Entstehung dieser Gesellschaft bzw. dieses Staates erörtert. Beispielsweise wird im Science-Fiction-Film Ender’s Game (2013) wird im Vorspann gezeigt, wie es zur aktuellen Form der Lebenswelt kam.

»2. Beginnender Erkenntnisprozess seitens des Protagonisten und Abkehr von der Ideologie.« Der Held der Geschichte muss erkennen, dass die Form der Gesellschaft deren Teil er ist, nicht ein Ideal darstellt, so wie sie die Führer dieser Gesellschaft darstellen, sondern im Gegenteil, zur Aufrechterhaltung dieses Ideals, Menschen in ihrer Freiheit unterdrückt werden müssen. Die Gesellschaft geht gegen kritische Stimmen vor.

»3. Repression seitens des Staates zwecks physischer und bzw. oder psychischer Vernichtung des aufbegehrenden Protagonisten …«

Der dritte Teil ist eine logische Folge aus dem zweiten Teil. In den Mars-Chroniken, wie noch zu zeigen sein wird, kann die Menschheit insgesamt als Protagonist aufgefasst werden.

2.1 Plötzlicher Einstieg in das Geschehen

Das Merkmal der Dystopie »Exposition ohne Narratio der Genese« lässt sich gleich anhand der ersten Geschichte der Mars-Chroniken mit dem Titel Januar 1999 - Raketensommer (vgl. S. 11) aufzeigen. Diese Geschichte beschreibt lediglich den Raketenstart im U.S.-Bundesstaat Ohio zum Mars. Darin schreibt Bradbury über die Jahreszeit Winter. Wohl durch den Start der Rakete wird ein Temperaturanstieg ausgelöst und das Klima wird sommerlich. So sprechen die Menschen fortan von einem »Raktetensommer«. Auch die zweite Erzählung Februar 1999 - Ylla (vgl. S. 12 ff.) beschreibt das Zusammensein eines marsianischen Ehepaares wie sie ihr alltägliches Leben führen. Lediglich die Tagträume der Frau K deuten auf das folgende Geschehen, die Marslandung der Erdenbewohner, hin. Auch hier fehlt jegliche Form einer Vorgeschichte, welche die Gründe der erzählten Jetzt-Situation darlegen würde.

Auf die Dystopie bezogen, wird an dieser Beschreibung des Autors deutlich, wie jede Vorgeschichte fehlt. Er leitet sein Werk nicht damit ein, warum eine Rakete zum Mars startet. Vielmehr lässt er das Geschehen plötzlich und abrupt, wenn auch chronologisch in der richtigen Reihenfolge beginnen. Hieran wird das erste oben umrissene Aufbauelement einer Dystopie ersichtlich.

2. 2 Juni 2001 - Erste kritische Erkenntnis

In der Erzählung Juni 2001 - … so hell des Mondes Pracht (vgl. S. 76 ff.) wird die dritte Marsexpedition von der Erde aus beschrieben. An Bord des Raumschiffes befindet sich der Archäologe Jeff Spender. Auf dem roten Planeten angekommen, stellt die Besatzung fest, dass die Zivilisation des Mars ausgerottet wurde. Eine Windpockenepidemie, welche durch eine vorausgegangene Expedition von der Erde aus eingeschleppt wurde, löschte die gesamte Marszivilisation aus. Spender nahm an der Marsexpedition teil, um den gesellschaftlichen Strukturen auf der Erde zu entgehen. Im Verlauf der Geschichte wird ihm klar, dass sich bei einer Besiedlung des Mars durch die Menschen die Zustände auf der Erde wiederholen werden. »… die Leute werden ihren Atombombendreck hier heraufhauen und um Stützpunkte kämpfen, von den aus man Krieg führen kann. Reicht ein zugrunde gerichteter Planet nicht aus?« (S. S. 98). Spender legt hier seine Intention für die Marsreise dar, kurz bevor er von dem Kommandanten des Raumschiffes erschossen wird. Er wollte selbst verhindern, dass der Mars das Spiegelbild einer zweiten menschlichen Gesellschaft wird und die weitere Besiedlung vereiteln, wenn nötig durch die Ermordung der Crewmitglieder. Im Verlauf dieses Konflikts und Erkenntnisprozesses wird Spender selbst Opfer. Der Erkenntnisprozess Spenders wird nicht durch eine Beschreibung seiner Gedanken ausgedrückt. Es gibt keine Introspektive in die Gedanken Spenders. Geschildert wird seine Tätigkeit als Archäologe, der die Marsgesellschaft, ihre Kunst und ihre Kultur erforscht. Aufgrund der Betrachtung dieser vergangenen Zivilisation wird ihm die Differenz zwischen dem Leben auf der Erde und dem harmonischen, mit der Natur im Einklang befindlichen Leben der Marsianer deutlich. So reift der Entschluss sich kritisch gegen die Besiedlung des Mars zu stellen und den Mars als Ort der Abgeschiedenheit und Freiheit zu bewahren.

Hier findet sich das zweite Element der Dystopie wieder: Der Protagonist Jeff Spender wendet sich von dem ursprünglichen Ansinnen der Marsexpedition ab. Er kann das Ziel, den Mars für die Menschen urbar zu machen, nicht mehr nachvollziehen. Er erkennt und befürchtet, dass sich die schrecklichen Zustände auf der Erde, wie beispielsweise Atomkriege - die zur Zeit der Entstehung der Mars-Chroniken die größte Bedrohung der Menschheit darstellten -, sich auf dem Mars wiederholen werden.

2. 3 Auslöschung fast der gesamten Menschheit

Das dritte Merkmal, die Unterdrückung des Protagonisten, findet sich bereits in der oben besprochenen Kurzgeschichte, da Jeff Spender vom Kommandanten erschossen wird. Dieses Merkmal lässt sich aber auch auf die gesamte Menschheit ausdehnen. In der Erzählung November 2005 - die Zuschauer (vgl. S. 210 ff.) wird den nun zahlreichen Marsbewohner bewusst, dass auf der Erde ein vernichtender Atomkrieg wütet. Hilferufe erreichen die Menschen auf dem Mars, mit der Bitte auf die Erde zurückzukommen und den dort verbleibenden Bewohnern zu helfen. In der folgenden Erzählung Dezember 2005 - die stummen Städte (vgl. S. 213 ff.) geht es darum, dass Walter Gripp von einer einsamen Hütte außerhalb einer Marsstadt in die ehemals bewohnte Marsstadt zieht. In der Stadt ist niemand mehr anzutreffen, wie er nach einigen Tagen der Erkundung feststellen muss. Die Bewohner waren zum Kriegsgeschehen auf die Erde zurückgekehrt, um dort zu kämpfen. In »Neu- Texas-City« kann er noch eine einzige verbleibende Frau ausmachen. Doch kann auf diesem Paar nicht die Hoffnung der Menschheit ruhen, denn Walter Gripp ist von dieser Frau angewidert. Sie hat die Situation ausgenutzt, um Läden zu plündern. Gripp sucht völlig entsetzt das Weite und flüchtet vor dem Egoismus der Frau wieder in die Einsamkeit. Zwanzig Jahre später, beschrieben in der Episode August 2026 - sanfte Regen werden kommen (vgl. S. 241 ff.) wird beschrieben, wie ein technologisch hochentwickeltes Wohnhaus seinem täglichen Zweck dient: nämlich den Menschen, die es bewohnten, das Leben so angenehm wie nur erdenklich zu machen. Die Wohnhäuser sind so konstruiert, dass sie den Alltag der Bewohner möglichst angenehm gestalten sollten: Weckservice, Essen wird bereitgestellt, Zigarren werden angezündet, Musik wird gespielt, die Hausbewohner werden nach ihren Wünschen gefragt. Das Haus, welches seinem Zweck wie ein Urwerk folgt, ist ein letztes Artefakt menschlichen Lebens.

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Details

Title
"Die Mars-Chroniken" Ray Bradburys. Eine Dystopie?
Grade
14
Author
Year
2015
Pages
13
Catalog Number
V315912
ISBN (eBook)
9783668150201
ISBN (Book)
9783668150218
File size
607 KB
Language
German
Keywords
Ray Bradbury, Seminararbeit, Dystopie, Utopie, Mars-Chroniken, Fahrenheit
Quote paper
Fabian Abel (Author), 2015, "Die Mars-Chroniken" Ray Bradburys. Eine Dystopie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315912

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