Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Arbeit und Zielsetzung
2. Grundlagen des Arbeitsschutzes
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Begriffe und Definitionen
2.2.1 Arbeitsschutz
2.2.2 Arbeitssicherheit
2.2.3 Gesundheit
2.2.4 Beschäftigte
2.2.5 Arbeitgeber
2.3 Träger des Arbeitsschutzes und deren Handlungsinstrumente
2.4 Ziele des Arbeitsschutzes
2.5 Felder des Arbeitsschutzes
3. Rechtsgrundlagen
3.1 Überblick über die Gesetze, Verordnungen, Technischen Regeln und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts
3.2 Notwendige Schritte zur Erlangung von Gesetzeskonformität
4. Sicherheitsgerechte Organisationsstrukturen zum Arbeitsschutz
4.1 Aufbauorganisation
4.2 Ablauforganisation
5. Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zielsetzung und Anwendungsbereich des ArbSchG
Abbildung 2: Vorschriften des Arbeitsschutzes
1. Einleitung
Die Arbeitswelt, in der wir leben, ist rasanten Veränderungen ausgesetzt. Dies führt dazu, dass sowohl von den Beschäftigten als auch von den Unternehmen ein permanenter Anpassungsprozess erwartet wird, um sich den Herausforderungen eines globalen Wettkampfes in Zeiten des demographischen Wandels stellen zu können.[1]
„Arbeit ist die Quelle der Wertschöpfung, des sozialen Ausgleichs und ein zentraler Baustein des gesellschaftlichen Lebens.“[2]
Aus dem Zitat geht hervor, dass Arbeit als Ursprung einer erbrachten Leistung anzusehen ist und maßgeblichen Einfluss auf das soziale Gefüge eines Individuums in der Gesellschaft nimmt. Dem Zitat kann zudem der Stellenwert von Arbeit in unserer Gesellschaft entnommen werden. Arbeit erscheint unerlässlich und von extrem hoher Wertigkeit. Dieses Gut zu schützen ist somit oberste Priorität. Um den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt an faire Bedingungen gerecht zu werden, bedarf es klarer und verlässlicher Regeln. Diese sind im Arbeitsrecht normiert.[3]
1.1 Problemstellung
Wie dem Arbeitsschutzgesetz (im Folgenden: ArbSchG) entnommen werden kann, ist der Arbeitgeber gem. § 3 dazu verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten schützen.[4] Gewährleistet er dies nicht in ausreichendem Umfang, so kann der Arbeitnehmer gem. § 618 Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: BGB) unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistungsverweigerung unter Fortzahlung der Vergütung durchsetzen oder gar gem. § 618 Abs. 3 i.V.m.
§§ 842 bis 846 BGB im Schadenfall einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dies ist in jedem Fall mit hohen Kosten für den Arbeitgeber verbunden.[5]
1.2 Gang der Arbeit und Zielsetzung
Zu Beginn der Arbeit werden die Grundlagen zum Thema Arbeitsschutz geschaffen, indem zunächst auf die historische Entwicklung des Arbeitsschutzes eingegangen wird und darauf aufbauend wichtige Begriffe des Arbeitsschutzes erläutert werden. Anschließend werden sowohl die Träger und Ziele als auch die Felder des Arbeitsschutzes dargestellt. Das zweite Kapitel ist der Betrachtung der Rechtsgrundlagen des Arbeitsschutzes gewidmet. Zunächst wird auf die rechtlichen Bestimmungen eingegangen und anschließend wird kurz erläutert, welche Schritte für eine gesetzeskonforme Umsetzung nötig sind. Im anschließenden Abschnitt werden sicherheitsgerechte Organisationsstrukturen zum Arbeitsschutz durch die Aufbau- und Ablauforganisation geschildert. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der betrieblichen Sicherheitsorganisation. An dieser Stelle werden sowohl die einzelnen Funktionsträger als auch die Festlegung und Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen näher betrachtet. In der Schlussbetrachtung werden die wesentlichen Aspekte des Arbeitsschutzes zusammengefasst. Aufbauend auf Erläuterungen von Grundlagen zum Arbeitsschutz verfolgt diese Hausarbeit das Ziel der Vermittlung eines Überblicks der rechtlichen Bestimmungen.
2. Grundlagen des Arbeitsschutzes
Um einen Überblick über das Thema zu erhalten, dient dieses Kapitel der Vermittlung von Grundlagen des Arbeitsschutzes.
2.1 Historische Entwicklung
Ausgangspunkt für die Entwicklung des Arbeitsschutzes war die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und das mit ihr verbundene Streben nach einer Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungssituation.[6] Erste Quellen für den Arbeitsschutz von Arbeitnehmern in Deutschland lassen sich im Jahr 1869 finden, in dem die erste Gewerbeordnung Deutschlands eingeführt wurde. Europäische Vorreiter auf dem
Gebiet des Arbeitsschutzes waren Frankreich und England, die bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erste Gesetze zur Regelung von Kinderarbeit erließen.[7]
Am 09. März 1839 wurde mit der Regelung über die Beschäftigung jugendlicher Arbeitnehmer in den Fabriken der Grundstein für den staatlichen Arbeitsschutz gelegt.[8] Die Regelung verbot Kinderarbeit bis zum neunten Lebensjahr und begrenzte die Arbeitszeit auf zehn Stunden pro Tag für Kinder bis zum 16. Lebensjahr.[9] Die Preußische Allgemeine Gewerbeordnung von 1845 war die Grundlage für eine Vorschrift zur generellen Abwehr von Gesundheitsgefahren bei der Arbeit.[10]
Der nächste Meilenstein erfolgte mit der Sozialgesetzgebung Bismarcks von 1881 bis 1889. Das Haftpflichtgesetz von 1871 setzte eine Nachweispflicht des Arbeitnehmers voraus, um Regressforderungen beim Arbeitgeber stellen zu können. Im Jahr 1883 wurde vom Reichstag ein Gesetz erlassen, in dem u.a. das Krankengeld und die ärztliche Behandlung normiert wurden. Ein Jahr später wurde das Unfallversicherungsgesetz verabschiedet, das die Unfallrente, die medizinische Heilbehandlung und Unfallverhütung regelt.[11]
Die nächste Epoche des Arbeitsschutzes von 1890 bis 1918 war geprägt durch Kaiser Wilhelm II. und den ersten Weltkrieg. Während Wilhelm II. eine Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes forcierte, lehnte Bismarck dies aus wirtschaftlichen Gründen ab. Im Jahr 1891 wurde in der Industrie die Sonntagsarbeit generell verboten und im Handel und Gewerbe auf fünf Stunden begrenzt. Zudem wird in dem Gesetz geregelt, dass Jugendliche unter 16 Jahren maximal zehn Stunden und Frauen nicht länger als elf Stunden am Tag arbeiten durften. Es wurde außerdem ein Nachtarbeitsverbot für Frauen, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren eingeführt. Unternehmen wurden fortan dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Schutzmaßnahmen umzusetzen, für deren Einhaltung eine staatliche Gewerbeaufsicht sorgt. Das bis zu diesem Zeitpunkt sozial geprägte Arbeitsschutzgesetz ließ fortan eine duale Form des Arbeitsschutzes erkennen. Die Berufsgenossenschaften fokussieren sich auf die technischen Facetten des Arbeitsschutzes und die Gewerbeaufsicht überprüft die Einhaltung der Bestimmungen zur Beschäftigung von Frauen, Kindern und Jugendlichen. Bisherige Errungenschaften des Arbeitsschutzes wurden am 04. August 1914 im Zuge des ersten Weltkrieges weitestgehend aufgehoben. Mit Beendigung des ersten Weltkrieges wurde der Arbeitsschutz wieder eingeführt.[12]
In der Zeit der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 wurde der Acht-Stunden-Tag vom Rat der Volksbeauftragten eingeführt. Der Arbeitsschutz von 1933 bis 1945 war geprägt vom Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg. Mit Einsetzen des zweiten Weltkrieges wurden wie beim ersten Weltkrieg sämtliche Regelungen zum Arbeitsschutz aufgehoben. Im Anschluss an den Krieg wurden diese jedoch wieder eingeführt und reformiert. Als entscheidender Meilenstein für den Arbeitsschutz der letzten 50 Jahre lässt sich die Einführung des am 12. Dezember 1974 verabschiedeten Arbeitssicherheitsgesetztes (im Folgenden: ASiG) nennen. Das ASiG verpflichtet Betriebe, Betriebsärzte einzustellen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Berater in die betriebliche Sicherheitsarbeit einzubeziehen.[13]
Die europäische Rahmenrichtlinie 89/291/EWG vom 12. Juni 1989 über die „Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit“ wurde in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Erlass des Arbeitsschutzgesetz am 7. August 1996 umgesetzt.[14]
Heutzutage sind die Arbeitgeber gem. § 3 ArbSchG in der Pflicht, Beschäftigte vor sämtlichen durch die Arbeit entstehenden Schäden zu schützen. Seit 2013 sind auch am Arbeitsplatz auftretende psychische Erkrankungen im ArbSchG in § 4 Nr. 1 verankert, die im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen bewertet werden müssen.[15]
2.2 Begriffe und Definitionen
Dieser Abschnitt ist der Klärung der wichtigsten Begrifflichkeiten gewidmet, die im Zusammenhang mit dieser Hausarbeit stehen, um dem Leser die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung zu ermöglichen.
2.2.1 Arbeitsschutz
Unter dem Begriff Arbeitsschutz werden sämtliche sozialpolitischen und technischen Maßnahmen gegen Schädigungen und Gefahren aus der beruflichen Tätigkeit in Betrieben verstanden. Die Bandbreite der Regelungen reicht von der Unfallverhütung durch technische Einrichtungen bis zu Fragen der Arbeitsorganisation. Durch Arbeitsschutz soll auch körperliche Belastung durch Heben oder Tragen bis zur Beanspruchung durch Stress vermieden oder gemindert werden. Geschlechtsspezifische Regelungen am Arbeitsplatz finden nur dann eine rechtskonforme Anwendung, wenn biologische Gründe dies erfordern. Grundlage einzelner Vorschriften ist das Arbeitsschutzgesetz.[16] Ziel des Arbeitsschutzes ist Arbeitssicherheit und Arbeitserleichterung.[17] Der moderne Begriff des Arbeitsschutzes folgt einem ganzheitlichen Ansatz, der das Individuum in seinem Arbeitsleben erfasst und die physische und psychische Komponente der Beschäftigten berücksichtigt.[18]
2.2.2 Arbeitssicherheit
Die Arbeitssicherheit gilt als ein anzustrebender Zustand bei der Berufsausübung. Die Vermeidung berufsbedingter und gesundheitlicher Schädigungen ist ein instinktbedingtes Interesse, da davon das Wohlbefinden und die wirtschaftliche Existenz eines jeden Individuums abhängt. Insofern liegt zunächst ein grundlegendes Bedürfnis der Selbsterhaltung vor. Davon ausgehend ergibt sich auch die gesellschaftsorientierte Begründung der Notwendigkeit des Schutzes vor berufsbedingten Personenschäden.[19] Ferner liegt Sicherheit bei der Arbeit dann vor, wenn die Beschäftigten vor Gefahren und Folgen der angewandten Technik geschützt sind. Unter Berücksichtigung des ArbSchG ist unter Sicherheit der Schutz vor technisch oder organisatorisch verursachten Unfällen bei der Arbeit zu verstehen.[20]
2.2.3 Gesundheit
Das ArbSchG dient dem Wortlaut nach dazu, die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Der Aufnahme der Begriffe Sicherheit und Gesundheit beruht auf dem Wortlaut des Art. 153 AEUV (Ex-Art. 137 EGV).[21] Da sich weder im Gesetz ein Legaldefinition zum Begriff Gesundheit finden lässt und dieser auch in der juristischen Fachsprache nicht eindeutig definiert ist, wird an dieser Stelle auf die Auffassung der Weltgesundheitsorganisation WHO herangezogen.[22] Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und geht damit weit über die allgemeine Meinung hinaus, die mit dem Begriff Gesundheit die Abwesenheit von Krankheiten assoziiert. Die Auffassung der WHO wird auch vom Bundesrat unterstützt, der eine Aufnahme des Passus „alle Belange des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ ins Gesetz befürwortet. Der Gesetzgeber folgt dieser Auffassung allerdings nicht. Das Ziel arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften sei allein der Schutz des Arbeitnehmers vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und nicht die Förderung der Arbeitszufriedenheit, die durch die Zufriedenheit mit der Art der übertragenen Arbeit, dem Verhältnis zu Vorgesetzten und dem Betriebsklima beeinflusst werden kann. [23] Es kann festgehalten werden, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Reichweite des Begriffs Gesundheit für die Belange des Arbeitsrechts gibt.
2.2.4 Beschäftigte
Eine Legaldefinition des Begriffs Beschäftigte findet sich in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 ArbSchG. Die Wahl fiel auf den Begriff Beschäftigte im ArbSchG, da unter diesen Begriff sowohl die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft als auch des öffentlichen Dienstes fallen. Auch umfasst der Begriff Beamte, Richter und Soldaten. Ausgenommen sind gem. § 1 Abs. 2 ArbSchG explizit Hausangestellte, Seeschifffahrtsbeschäftigte und Beschäftigte nach dem BBergG.[24]
2.2.5 Arbeitgeber
Im ArbSchG ist der Begriff des Arbeitgebers unter § 2 Abs. 3 definiert. Demnach sind Arbeitgeber alle natürlichen und juristischen Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 ArbSchG beschäftigen.[25]
2.3 Träger des Arbeitsschutzes und deren Handlungsinstrumente
Um eine Durchsetzbarkeit des ArbSchG auf betrieblicher Ebene zu gewährleisten, bedarf es nach dem Sozialgesetzbuch (im Folgenden: SGB) VII der Delegation auf mehrere Träger innerhalb der Organisation.[26] Dabei ist gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG hauptsächlich der Arbeitgeber gefordert, erforderliche Maßnahmen zu treffen und diese auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.[27] Bei gesetzeskonformer Umsetzung des Arbeitsrechts innerhalb der Organisation erfüllt der Arbeitgeber dabei nicht nur seine gesetzliche Pflicht, sondern leistet zudem einen wichtigen Beitrag zu einer mitarbeiterbezogenen Unternehmenskultur. Durch die Gesunderhaltung der Beschäftigten unterstützt der Arbeitsschutz auch den Erhalt und die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme.[28] Zu den Beauftragten für die Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen zählt der/die Systembeauftragte für die Arbeitsschutzorganisation ebenso wie die Fachkraft für Arbeitssicherheit (im Folgenden: FaSi) oder der externe sicherheitstechnische Dienst, die den Arbeitgeber nach dem Arbeitssicherheitsgesetz beraten und unterstützen. Außerdem sind der Betriebsarzt/die Betriebsärztin, der externe arbeitsmedizinische Dienst und der/die Sicherheitsbeauftragte für den Arbeitsschutz verantwortlich. Weitere innerbetriebliche Beauftragte wie Ersthelfer, Brandschutz-, Gefahrstoff-, Umwelt- und Abfallbeauftragte ergänzen die zuvor genannten Einheiten um die Träger des Arbeitsschutzes.[29] Als Instrument zur Umsetzung des Arbeitsschutzes kann die Errichtung eines AMS nützlich sein. Zusätzlich bedarf es laut der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Regelungen für die Veranlassung oder das Angebot von arbeitsmedizinischen Untersuchungen.[30]
Die genannten Träger sind für die Durchsetzung des Arbeitsschutzes in den Organisationen zuständig. Auch der Staat ist Träger des Arbeitsschutzes und bedient sich bei der Durchsetzung des Arbeitsschutzgesetzes folgender Handlungsinstrumente: zum einen steht für den Staat die Förderung des Arbeitsschutzes in der Öffentlichkeit im Fokus, zum anderen stellen Forschungsaktivitäten und Berichte erprobte Instrumente dar, um die Arbeitssicherheit nachhaltig zu sichern und die Öffentlichkeit zu informieren. Des Weiteren werden vom Bund Rechtsvorschriften erlassen, die den Arbeitsschutz normieren. Veröffentlichungen von Technischen Regeln zur Konkretisierung der Arbeitsschutzverordnungen stellen ebenso Handlungsinstrumente dar wie die Durchsetzung der Rechtsvorschriften durch Maßnahmen der Beratung und Überwachung. Letztgenanntes wird vorwiegend auf Landesebene praktiziert.[31]
Neben den betrieblichen Trägern und dem Staat werden nach dem SGB VII auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhindern. Als Instrument dazu dient den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen die Möglichkeit, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. An diese Vorschriften sind die dem Unfallversicherungsträger zugehörigen Unternehmen und Versicherte gebunden. Die Unfallversicherungsträger verfügen über eigene Aufsichtsdienste. Die Zweigleisigkeit der Präventionsaufgaben einerseits vom Staat und andererseits der Unfallversicherungsträger führt zu der Bezeichnung eines dualen Arbeitsschutzsystems. Im Jahr 2006 haben sich Bund, Länder und Unfallversicherungsträger darauf verständigt, zur Erfüllung der Arbeitsschutz- und Präventionsaufgaben die Zusammenarbeit zu stärken und eine gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie entwickelt, dessen Grundlagen seit November 2008 im SGB VII geregelt sind. [32]
Als weiterer Träger des Arbeitsschutzes lässt sich die Bundesregierung nennen, die dem Bundestag jährlich über die Erkenntnisse zum arbeitsbedingten Unfallgeschehen und den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Bericht erstattet. Dies wird durch den Unfallverhütungsbericht dokumentiert.[33] Eine weitere staatliche Aufgabe ist die Beratung von Betrieben in arbeitsschutzrechtlichen Fragen und die Kontrolle und Überwachung der regelkonformen Umsetzung des Arbeitsschutzrechts.[34] Dies geschieht mittels Einsatz der Behörden der Bundesrepublik und der Länder, die für die Durchführung des ArbSchG verantwortlich sind.[35] Als Instrument bedient sich der Staat den Bestandteilen des Verwaltungsrechts. Die jeweils zuständige Arbeitsschutzbehörde hat das Recht zur Begehung von Arbeitsstätten und zur Einsichtnahme in Unterlagen. Des Weiteren ist die Behörde befugt, Auskünfte zu verlangen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Umsetzung des Arbeitsschutzrechts zu veranlassen.[36]
2.4 Ziele des Arbeitsschutzes
Der technische und der medizinische Arbeitsschutz bilden zusammen mit dem sozialen Arbeitsschutz den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz. Dieser hat zum Ziel, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Beeinflusst wird der deutsche Arbeitsschutz dabei maßgeblich von europäischen und internationalen Einflüssen. Im Einzelnen wird das Ziel der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit durch Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren verfolgt.[37] Die folgende Grafik verdeutlicht die Zielsetzung des ArbSchG und dessen Anwendungsbereich: siehe Anhang „Zielsetzung und Anwendungsbereich des ArbSchG“, S. VIII.
Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die Zielsetzung des § 1 S. 1 ArbSchG darauf ausgerichtet ist, den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu sichern und zu verbessern. Der § 1 ArbSchG stellt zugleich die Zweckbestimmung des Gesetzes dar. Der Norm lässt sich entnehmen, dass die Sicherstellung und Verbesserung von Arbeitsbedingungen im Fokus liegt. Primär ist damit der Schutz vor medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen gemeint, die bei der Arbeit entstehen können. Darüber hinaus beschreibt der Arbeitsschutz eine menschengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes, womit weiche Arbeitsschutzfaktoren wie Eindämmung eintöniger Arbeit oder maschinenbestimmte Arbeitsintervalle gemeint sind. In diesen Kontext fällt auch der Umgang mit individuellen Härtefällen, die wie Sterbefälle eines nahen Angehörigen an die Grenze der Belastbarkeit gehen.[38]
Es gab vielfältige Motive für die Schaffung einer zweiten rechtlichen Ausgangsbasis neben dem Arbeitssicherheitsgesetz (im Folgenden: ASiG) aus dem Jahr 1973. Dabei kann zwischen der rechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass von Arbeitsschutzvorschriften und den objektiven Zielen des Arbeitsschutzes differenziert werden.[39] Neben den verfassungs- und europarechtlichen Gründen bestimmt auch der Art 30. Abs. 1 Nr. 2 des Einigungsvertrages den Gesetzgeber, den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz zeitmäßig neu zu regeln.[40]
Neben dem rechtlichen Auftrag zur Regelung des Arbeitsschutzes verfolgt der Staat weitere Ziele. Zu diesen zählt die Verhütung von Arbeitsunfällen ebenso wie die Vermeidung von Berufskrankheiten. Die Gründe dafür sind humaner sowie betriebs- und volkswirtschaftlicher Natur. Jeder Mensch besitzt von Natur aus ein Interesse dafür, Schädigungen oder Lebensgefährdungen zu vermeiden. Zu den volkwirtschaftlichen Gründen lässt sich sagen, dass diese eine Verbesserung der Wertschöpfung, des Nettosozialproduktes und des Volkseinkommens durch eine konsequente Umsetzung des Arbeitsschutzes fokussieren. In Verbindung damit lassen sich auch die Unfallverhütungsträger, Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsträger sowie die Pflegeversicherung nennen, die eine geringere Belastung erfahren. Eine objektive Messung der betriebswirtschaftlichen Gründe ist durch die Verminderung von Störfällen und Personenschäden möglich. Als weiteres Ziel lässt sich die Erhaltung der Arbeitskraft formulieren, die durch Verhütung von Verschleißerscheinungen und letztendlich ein Gewinn der Arbeitskraft durch Ausbleiben von Fehlzeiten erreicht wird. Als offensichtlich erscheint das Ziel der Aufrechterhaltung und Schaffung einer sicherheitsbewussten Einstellung beim Arbeitnehmer. Weitere Ziele des Arbeitsschutzes sind die Inverantwortungnahme des Arbeitgebers und die Humanisierung des Arbeitslebens. Damit wird die Frage nach der Arbeitszufriedenheit, des Mobbings und der Gleichberechtigung im Rahmen der Zuständigkeit des Arbeitsschutzes zu klären versucht, da im ArbSchG die menschengerechte Gestaltung der Arbeit gefordert ist. Nicht zuletzt verfolgt der Arbeitsschutz das Ziel eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements, worunter die Einbindung des Arbeitsschutzes in ein gesamtheitliches Qualitätskonzept zu verstehen ist.[41]
2.5 Felder des Arbeitsschutzes
Das deutsche Arbeitsschutzrecht ist breit gefächert und erlaubt eine Gliederung in differente Themen- und Rechtsgebiete. Es wird zwischen dem produktbezogenen und betrieblichen Arbeitsschutz unterschieden.[42]
Die Erfüllung grundlegender Sicherheitsanforderungen im Hinblick auf die Benutzung von Arbeitsmitteln, Werkstoffen und Anlagen ist die Grundvoraussetzung für sichere Arbeitsbedingungen. Nur wer mit sicherem Werkzeug und Materialien arbeitet, kann im Arbeitsprozess notwendigen Rahmenbedingungen für Sicherheit und Gesundheit einhalten. Dies ist das Ziel, dem der produktbezogene Arbeitsschutz dient. Durch den produktbezogenen Arbeitsschutz wird gewährleistet, dass Produkte nur dann legal auf den Markt gelangen, wenn grundlegende Sicherheitsstandards erfüllt werden. Ebenso sind dem produktbezogenen Arbeitsschutz Vorschriften zu Herstellungsverboten, Maßgaben für das Inverkehrbringen von Produkten oder Regelungen zu Konstruktions- und Beschaffungsanforderungen zuzuordnen. Die produktbezogenen Vorschriften richten sich erstrangig an die Hersteller und Importeure von Produkten und werden als „vorgreifender Arbeitsschutz“ bezeichnet.[43]
In Abgrenzung zum produktbezogenen Arbeitsschutz befasst sich der betriebliche Arbeitsschutz mit der Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz, der sicheren Gestaltung der Arbeitsstätte und Arbeitsplätze, der sicheren Benutzung von Arbeitsgeräten und persönlichen Schutzausrüstung, dem Umgang mit Gefahrstoffen und einem sicherheitsgerechten Verhalten der Beschäftigten. Er wird als Kernelement des deutschen Arbeitsschutzes betrachtet. In den Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes fallen auch der technische, medizinische und soziale Arbeitsschutz. Der Adressat des sozialen Arbeitsschutzes ist hauptsächlich der Arbeitgeber. Im Rahmen des technischen Arbeitsschutzes werden mögliche gesundheitsgefährdende Folgen der im Arbeitsprozess angewandten Verfahren gesucht. Zu den Bestandteilen des technischen Arbeitsschutzes zählen die Bestimmungen des ArbSchG und mit seinen Rechtsverordnungen wie der Arbeitsstättenverordnung oder der Gefahrstoffverordnung. Die wesentliche Rechtsgrundlage für den medizinischen Arbeitsschutz stellt die Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge aus dem Jahr 2008 dar. Im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes werden arbeitsmedizinische Beiträge betrachtet, die eine präventive Wirkung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren entfalten können.[44]
[...]
[1] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Vorwort.
[2] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 690.
[3] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Vorwort
[4] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 28.
[5] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 692 f.
[6] Vgl. TÜV Rheinland.
[7] Vgl. Meinel, S. 7.
[8] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt R. 18.
[9] Vgl. TÜV Rheinland.
[10] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 18.
[11] Vgl. TÜV Rheinland.
[12] Vgl. TÜV Rheinland.
[13] Vgl. TÜV Rheinland.
[14] Vgl. Meinel, S. 7.
[15] Vgl. TÜV Rheinland.
[16] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, S. 316.
[17] Vgl. Skiba, S. 21.
[18] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 691.
[19] Vgl. Skiba, S. 21.
[20] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 20.
[21] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 16 ff.
[22] Vgl. Beaucamp et al., S. 34 f.
[23] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 16 ff.
[24] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 23 f.
[25] Vgl. Beck’sche Textausgaben, S. 208.
[26] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[27] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 28.
[28] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[29] Vgl. Bundesverband der Unfallkassen, S. 14.
[30] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[31] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[32] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[33] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[34] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 692.
[35] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 28.
[36] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 692.
[37] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 689.
[38] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 691.
[39] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 4.
[40] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 5-7.
[41] Vgl. Kollmer, in: Kollmer/Klindt Rn. 8-17.
[42] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 693.
[43] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 693.
[44] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 693.